Zum Inhalt springen

MKL1888:Goldschmiedekunst

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Goldschmiedekunst“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Goldschmiedekunst“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 7 (1887), Seite 495498
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Goldschmiedekunst
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Goldschmiedekunst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 495–498. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Goldschmiedekunst (Version vom 06.01.2025)

[495] Goldschmiedekunst (hierzu Tafel „Goldschmiedekunst“), die Verarbeitung der edlen Metalle zu allerlei Gegenständen des Schmuckes und der Zier. Die G. beschränkt sich nicht auf die Benutzung des Goldes, sondern verarbeitet auch Silber (beide Metalle nur legiert) und in untergeordneter Weise Platin und Aluminium. Die ältere G. umfaßte auch die Verarbeitung von Kupfer, Kupferlegierungen, Zinn etc. Die Erzeugnisse der G., Gegenstände für öffentlichen oder häuslichen Gebrauch; Bijouteriewaren etc., werden häufig mit Email, Niello und durch Einfügung von Edelsteinen geschmückt. Letztere spielen die Hauptrolle in der Juwelierkunst, bei deren Erzeugnissen das Metall mehr oder weniger zurücktritt. Juwelierkunst und G. sind aber auf das innigste miteinander verbunden, und erst in neuester Zeit macht sich eine strengere Scheidung bemerkbar. Ursprünglich wurden die Goldschmiedearbeiten nur mit dem Hammer hergestellt und höchstens mit dem Meißel überarbeitet. Bei dieser gehämmerten oder getriebenen Arbeit unterscheidet man Minuteria und Grosseria. Bei der erstern werden Reliefs aus Gold- oder Silberblech auf einem Modell von Bronze mit Hammer und Bunze hergestellt oder durch allmähliches Reiben, Drücken und Hämmern, abwechselnd von beiden Seiten, zu der gewünschten Höhe herausgetrieben. Die Grosseria dagegen beschäftigt sich mit der Herstellung bauchiger, enghalsiger Gefäße, welche mittels Hammer und Amboß getrieben und dann mit schwarzem Pech ausgegossen werden. Man zeichnet die Ornamente auf, fixiert sie mit der Bunze, schmelzt das Pech aus und vollendet die Arbeit durch Werkzeuge mit zwei Hörnern, von denen eins im Innern der Gefäße auf die betreffende Stelle gesetzt und durch vorsichtige Hammerschläge auf das andre gegen die Wand des Gefäßes getrieben wird. Das Gießen spielt eine viel untergeordnetere Rolle in der G., weil die Gußwaren nicht so dünn und leicht ausfallen können, wie die Kostbarkeit des Materials es erfordert. Man benutzt Formen aus Sand oder Sepia und bearbeitet die Gußstücke durch Feilen und Schaben. Gewöhnlich gießt man aus Silber und noch mehr aus Gold nur Stäbe und Platten (in eisernen Formen), welche zu Draht und Blech verarbeitet werden. Eigentümlich ist die Herstellung kleiner Kugeln, welche man dadurch erhält, daß man kleine Blech- oder Drahtstückchen zwischen Kohlenpulver schichtet, ohne daß sie sich berühren, und bis zum Schmelzen erhitzt. Jedes Körnchen rundet sich dann zum Tropfen ab, woran es durch das weiche Kohlenpulver nicht gehindert wird. Draht findet in der G. mannigfache Verwendung; man benutzt runden, façonnierten und platten Draht besonders als Material zu der Filigranarbeit, welche häufig auch die oben erwähnten Kügelchen verwendet. Einen großen Aufschwung hat die Technik der G. durch die Galvanoplastik erhalten, eine neue Formmethode, welche vieles bis dahin Unerreichbare ermöglichte. Reines Gold wird wegen seiner Weichheit und Kostbarkeit in der G. nicht verarbeitet; die Legierungen besitzen entweder die möglichst unveränderte Goldfarbe, oder sind absichtlich mehr oder weniger rot, blaßgelb, grünlich gehalten (s. Goldlegierungen). Durch Nebeneinanderstellung verschiedenfarbiger Legierungen erzielt man schöne Effekte, auch verändert man die Oberfläche der Legierungen durch Auflösung des in ihnen neben dem Gold enthaltenen Metalls und vermag auf solche Weise die Waren zu färben. Silber wird auch gefärbt durch Überziehen mit Schwefelsilber (oxydiertes Silber), und vor allem wird durch die reichen Mittel der Galvanoplastik die Oberfläche der Metalle in mannigfacher Weise verschönert. Endlich ist hier auch das Mattieren und Polieren zu erwähnen und anschließend das Emaillieren.

Kunstgeschichtliches.

Die Verarbeitung des Goldes reicht bis in die ältesten Zeiten, und wo das Metall in größerer Menge vorkam, fand es von allen Metallen zuerst Verwendung, weil es von der Natur in gediegenem Zustand geboten wurde, bei den Asiaten und Ägyptern sogar in großem Maßstab, indem man Wände, Thorflügel, Möbel etc. mit Goldblech bekleidete. Dann wurde das Gold auch zur Verzierung von Waffen, zu Diademen und andern Schmucksachen und zu selbständigen Kunstwerken verwendet, wovon die ägyptischen Gräberfunde Beispiele bieten. Salomo ließ sich Künstler aus Tyros kommen, welche für den [496] Tempel zu Jerusalem in Gold arbeiteten. Auch die Griechen bearbeiteten das Gold schon in frühster Zeit, was die von Schliemann in Troja und Mykenä gefundenen goldenen Kränze, Schmucksachen und Gesichtsmasken für Tote beweisen. Dädalos gilt auch für den ersten Goldschmied, und Theodoros von Samos schuf einen goldenen Weinstock mit aus Edelsteinen gebildeten Trauben für die Könige von Phrygien. In der Plastik fand dann das Gold Verwendung in Verbindung mit dem Elfenbein (s. Goldelfenbeinkunst). Als Silberschmiede werden Mys, Mentor und Boethos genannt. Griechische Gold- und Silberarbeiten finden sich vornehmlich in der Eremitage zu Petersburg (aus Gräbern der Krim) und in Berlin (Fund von Vettersfelde), römische in Berlin (Hildesheimer Fund) und Paris (Fund von Bernay). Das Schleifen der Edelsteine war im Altertum nicht bekannt; während aber die Griechen bei Verwendung derselben das künstlerisch bearbeitete Metall vorherrschen ließen, trieb man in Byzanz einen großen Luxus mit Edelsteinen und begründete hier durch Verbindung der Steine mit getriebener, gravierter und emaillierter Arbeit, mit Filigran und Niello die moderne G. Diese fand im Abendland zur Zeit der Karolinger durch den Klerus eine großartige Benutzung zum Kirchenschmuck. Alle Kultusgeräte, Altäre, Märtyrersärge und Reliquienschreine wurden aus edlen Metallen hergestellt und mit Edelsteinen und antiken Gemmen reich verziert; trotzdem aber wurde die Technik immer dürftiger, und ein neues Aufblühen der G. datiert erst aus dem 11. und 12. Jahrh., wo man namentlich in Köln und Trier jene kostbaren Reliquienschreine verfertigte, von denen mehrere erhalten sind (s. Tafel, Fig. 1–5). Diese Kunstrichtung erhielt sich auch noch im 13. Jahrh., während das 14. und 15. in der Anfertigung kleinerer Kirchengerätschaften sich auszeichneten. Bei jenen größern Werken gaben romanische und frühgotische Bauformen in freier Verarbeitung die Kompositionsmotive her, während die spätern in dem zierlicher ausgebildeten gotischen Stil gearbeitet sind. In Italien erreichte die G. im engsten Anschluß an die Bildhauerkunst im 15. Jahrh. eine hohe Blüte (Ghiberti, Verrocchio, Pollajuolo, Francia) und kulminierte in Foppa und Benvenuto Cellini, durch den der italienische Renaissancestil auch nach Frankreich gelangte (Fig. 8). Er fand dort und alsbald auch in Deutschland Bewunderung und Nachahmung, und namentlich lieferten die Goldarbeiter des 16. Jahrh. in Nürnberg (W. Jamnitzer, Fig. 9, 10), Augsburg, Dresden, Frankfurt a. M. und Köln Kunstwerke, welche sich besonders in der Ornamentik an die italienischen anschlossen. Die Silberschmiedekunst fand ebenfalls eine große Zahl ausgezeichneter, zum Teil noch im gotischen Stil arbeitender Vertreter, unter denen Antonius Eisenhoit in Warburg (Fig. 11) am bekanntesten geworden ist. Die reichsten Sammlungen von silbernen und silbervergoldeten Gefäßen der deutschen Renaissance befinden sich in der königlichen Schatzkammer und im Nationalmuseum zu München (Fig. 12–14), im Kunstgewerbemuseum zu Berlin (Lüneburger Silberschatz, Fig. 6), im Grünen Gewölbe zu Dresden (Fig. 7 u. 15) und bei Rothschild in Frankfurt a. M. Die deutsche G. erfuhr eine lebhafte Förderung besonders dadurch, daß bedeutende Künstler, wie Holbein der jüngere, Dürer, V. Solis u. a., Entwürfe für sie zeichneten. Die französische G., deren Patron Eligius (St.-Eloi), Bischof von Noyon, auch der Patron der rheinischen Goldschmiede war, begann sich erst seit dem 11. Jahrh. zu heben. Aus dem Mittelalter sind aber nur wenige Erzeugnisse derselben erhalten. Erst seit der Anwesenheit Cellinis nahm sie einen großen Aufschwung, und sie wurde seit Ludwig XIV. länger als ein Jahrhundert maßgebend für das ganze Europa, dessen G. ausschließlich im Barock- und Rokokostil arbeitete. Besonders bevorzugt wurden Tafelgerät, Uhren, Toilettengerät, Schaustücke und Kuriositäten, in deren Ausführung die Höfe von München und Dresden große Summen verschwendeten. Raimund Falz, Thelot und Dinglinger waren vorzugsweise auf diesen Gebieten thätig. Seit dem Anfang des 19. Jahrh. begann dann der steife, aus falsch verstandenem Griechentum abgeleitete Empirestil seinen Einfluß auf die G. zu üben. Eine Reform der G. nahm erst mit der allgemeinen Reform des Kunstgewerbes unter der Einwirkung der Renaissance seit dem Beginn der 70er Jahre ihren Anfang. Deutschland und Österreich sind hier in erster Linie zu nennen.

[Goldschmiedekunst der Gegenwart.] Während früher die Schmucksachen, welche in Hanau, Pforzheim, Schwäbisch-Gmünd, Stuttgart und Berlin fabrikmäßig für den Tagesgebrauch im Inland und für den Massenexport angefertigt wurden, unter dem Bann des französischen Stils des 18. Jahrh. standen, befreiten sich nunmehr die deutschen Juweliere in München, Stuttgart, Frankfurt a. M. und Berlin von dem französischen Geschmack völlig und schlossen sich der deutschen und italienischen Renaissance, insbesondere der erstern, an. Die Bemühungen der Kunstgewerbeschulen und -Vereine und die Publikationen zahlreicher Vorbilder aus den übriggebliebenen Schätzen der Vorzeit, unter welchen wir die „Schatzkammer des bayrischen Königshauses“ von v. Schauß, das „Dresdener Grüne Gewölbe“ von Grässe und Luthmers „Goldschmuck der Renaissance“ erwähnen, sind hier von bestem Einfluß gewesen. Vornehmlich machten sich aber die Architekten um die Regeneration der G. verdient, indem auch sie sich von der frühern Gewohnheit, architektonische Monumente in Silber nachbilden zu lassen und die Farbe gänzlich zu verschmähen, emanzipierten. In Berlin sind besonders die Architekten Heyden, Luthmer, Ende, Orth, denen sich tüchtige Bildhauer und Maler als Mitarbeiter anschlossen, auf diesem Gebiet für Firmen wie Vollgold, Sy u. Wagner, Meyen u. Ko. thätig gewesen. In großen Tafelaufsätzen herrscht der freie Geist der Renaissance sowohl in dem architektonischen Aufbau als in der Ornamentik und in der reichen Färbung, welche durch Mattierung, Oxydierung, Verkupferung und Vernickelung des Silbers, durch Vergoldung und Emaillierung, durch Einfügung von Perlen, Edelsteinen und Muscheln (besonders Nautilus) erzielt wird. Die Färbung des Silbers, bei welcher bis zu vier metallische Farben mit Hilfe des galvanischen Stroms zur Anwendung kommen, und das translucide Email spielen in der Berliner G. eine hervorragende Rolle. Die Schmucksachen, bei welchen gleichfalls die frühere Farblosigkeit durch Farbenreichtum verdrängt worden ist, schließen sich meist an die Muster der deutschen Renaissance an. Mit verschiedenartiger Färbung und Vergoldung des Silbers wird eine besonders reiche Emaillierung, werden Perlen und farbige Steine in Verbindung gebracht. Während bei den großen Tafelaufsätzen und dem Silbergeschirr das Treiben zusammen mit dem Gießen wieder aufgenommen worden ist, werden auch bei den kleinern Schmucksachen die einzelnen Teile und Glieder nicht mehr gepreßt, sondern gegossen. In München ist der Anschluß an die deutsche Renaissance ein noch engerer

[Beilage]

[Ξ]

Goldschmiedekunst.
1. Brustbild Karls d. Gr., 13. Jahrh. (Münster zu Aachen.)
2. Jubiläumshammer von Papst Julius III., 1550 (München, Nationalmuseum.)
3. Merkelscher Tafelaufsatz von W. Jamnitzer, 16. Jahrh. (Rothschild in Frankfurt a. M.)
4. Nautiluspokal, 16. Jahrh. (Dresden, Grünes Gewölbe.)
5. Remigiuskelch in der Kathedrale zu Reims, 12. Jahrh.
6. Kruzifix von A. Eisenhoit, 16. Jahrh.
7. Münzpokal aus Lüneburg, 1536. (Berlin, Nationalmuseum.)
8. Salzfaß von B. Cellini, ca. 1540. (Wien.)
9. Willkommenbecher, 17. Jahrh. (Dresden, Grünes Gewölbe.)
10. Lotharkreuz, 10. Jahrh. (Münster zu Aachen.)
11. Gotischer Abendmahlskelch, 15. Jahrh.
12. Schmuckkästchen von W. Jamnitzer, 16. Jahrh. (Dresden, Grünes Gewölbe.)
13. Becken mit Bacchanal von A. Thelott, 1700. (Dresden, Grünes Gewölbe.)
14. Baseler Altartafel, 11. Jahrh. (Paris, Musée Cluny.)
15. Straußeneipokal, 16. Jahrh. (Nürnberg.)
[Ξ]
Inhalt der Tafel ‚Goldschmiedekunst‘.

Fig.1. Büste Karls des Großen, im Schatz der Münsterkirche zu Aachen, enthaltend den Schädel des Kaisers und mit einer silbervergoldeten Krone versehen, welche wahrscheinlich dieselbe ist, mit welcher die deutschen Könige über dem Grab Karls d. Gr. zu Aachen gekrönt wurden. Die Krone ist mit zahlreichen Edelsteinen, darunter 15 antiken Gemmen und 55 meist ungeschliffenen Steinen, geschmückt. Der Bügel gehört dem 14. Jahrh., die Krone sowie die Büste dem 13. Jahrh. an. Die letztere steht auf einem achtseitigen Unterbau, der mit blauem Email überzogen und mit goldenen Lilien gemustert ist. Der gleichfalls gemusterte Kaisermantel ist mit 186 Edelsteinen besetzt, die Fleischteile sind mit Lack überzogen. Höhe 0,86 m, Breite 0,57 m. Zu 1 und 10 vgl. Scheins, Kunstschätze der Münsterkirche zu Aachen (Berlin 1876).

Fig.2. Jubiläumshammer aus vergoldetem Silber, für Papst Julius III. angefertigt, der das achte Jubeljahr 1550 eröffnete, indem er mit dem Hammer drei Schläge auf das vermauerte Hauptthor von St. Peter that. Das Wappen Julius’ III. am Schaft ist emailliert. Im bayrischen Nationalmuseum zu München.

Fig. 3. Sogen. Merkelscher Tafelaufsatz von vergoldetem Silber, mit Email und Lackfarben koloriert, im Jahr 1549 von Wenzel Jamnitzer für den Rat von Nürnberg für 1325 Gulden verfertigt, 1806 für 1800 Gulden an den Kaufmann Merkel und 1880 für 800,000 Mk. an Freiherrn Karl v. Rothschild in Frankfurt a. M. verkauft. Die tragende Figur ist die Mutter Erde. Teils gegossen, teils getrieben. Höhe 1 m.

Fig.4. Nautilusbecher, mit vergoldetem Silber montiert. Oben ein Panther, unten ein Satyr. 16. Jahrh. Dresden, Grünes Gewölbe.

Fig. 5. Goldener romanischer Kelch aus dem 12. Jahrh. Er ist reich mit Edelsteinen und Email geschmückt und befindet sich in der Kathedrale zu Reims, wo er den Namen Kelch des heil. Remigius trägt. Durchmesser der Cuppa 0,15 m.

Fig. 6. Silbernes Kruzifix von Antonius Eisenhoit aus Warburg, 1589 für den Fürstbischof von Paderborn, Theodor von Fürstenberg, gefertigt. Im Besitz des Grafen von Fürstenberg-Herdringen. Der Fuß ist abzunehmen, so daß das Kruzifix auch als Vortragekreuz dienen kann. Höhe 0,68 m.

Fig. 7. Silbervergoldeter Pokal von 1536, aus dem Lüneburger Silberschatz im Kunstgewerbemuseum zu Berlin, mit eingelassenen Münzen dekoriert (Münzpokal). Auf dem Deckel ein Januskopf. Höhe 0,48 m.

Fig. 8. Silbernes Salzfaß von Benvenuto Cellini (1500–1571), in der kaiserlichen Schatzkammer zu Wien. Oben Neptun und die Göttin Kybele, am Fußgestell die vier Tageszeiten und die vier Winde.

Fig. 9. Silbervergoldeter Willkommenbecher aus dem 17. Jahrh. Auf dem Deckel und am Bauch 15 kursächsische Wappen in Weißsilber. Dresden, Grünes Gewölbe. Höhe 0,57 m.

Fig. 10. Kreuz Kaiser Lothars, im Schatz der Münsterkirche zu Aachen, aus dem 10. Jahrh., so genannt nach einer am untern Balken angebrachten Gemme aus Bergkristall, welche das Brustbild Kaiser Lothars I. (840—855) zeigt. Außerdem ist das aus Silberblech gearbeitete Kreuz mit einer antiken Gemme, die drei Grazien darstellend, und im Schnittpunkt der Balken mit einer antiken Kamee, dem Bildnis des Kaisers Augustus, sowie mit zahlreichen unechten Steinen, Filigran und Zellenschmelz dekoriert. Auf der Rückseite des Kreuzes ist die Gestalt Christi am Kreuz eingraviert. Das Kreuz diente ursprünglich als Vortragekreuz und war unten mit einer Eisenspitze versehen, damit es in eine Stange eingelassen werden konnte. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. wurde es mit einem Fuß versehen, der mit kleinen Figuren, die Kreuztragung Christi und Heilige darstellend, geschmückt ist, und als Altarkreuz verwendet. Höhe des Kreuzes ohne Fuß 0,50 m.

Fig. 11. Silberner gotischer Abendmahlskelch aus dem 15. Jahrh., im Stift St. Paul in Kärnten.

Fig. 12. Silbernes Schmuckkästchen von Wenzel Jamnitzer (s. d.), 16. Jahrh. Oben eine [Ξ] sitzende weibliche Figur, von Tieren umgeben. An der Seite die Figuren der Elemente und Kardinaltugenden. Dresden, Grünes Gewölbe. Höhe 0,32 m, Breite 0,28 m, Tiefe 0,11 m.

Fig. 13. Silbernes, vergoldetes Becken von Andreas Thelott in Augsburg (1654–1734), von 1714. In der Mitte Ariadne auf Naxos, ringsum ein Bacchusfest. Dresden, Grünes Gewölbe. Durchmesser 0,47 m.

Fig. 14. Goldene Altartafel (Antependium), aus dem Münster zu Basel, ein Geschenk Kaiser Heinrichs II. aus dem Anfang des 11. Jahrh. Das Werk wurde 1836 von der Regierung von Basel-Land versteigert und kam 1854 in den Besitz der französischen Regierung, welche es dem Musée Cluny in Paris einverleibte. Die in Hochrelief getriebenen Figuren sind: in der Mitte der segnende Christus, zu seiner Rechten der Erzengel Michael und St. Benedikt, zu seiner Linken die Erzengel Gabriel und Raphael. In den Medaillons über den Arkaden sind die vier Tugenden: Gerechtigkeit, Klugheit, Mäßigung und Stärke dargestellt. Die Tafel wurde bei hohen Festen vor den Hochaltar gestellt. Höhe 0,95 m, Breite 1,78 m.

Fig. 15. Straußeneipokal, mit vergoldetem Silber montiert. Oben ein Strauß, unten ein Neger mit Bogen und Pfeil. 16. Jahrh. Im Besitz der Familien von Scheurl und von Tucher zu Nürnberg.




[497] als in den andern deutschen Hauptsitzen der G. Man bevorzugt hier mehr die üppigern und reichern Formen der Spätrenaissance und hat auch schon neuerdings wieder Anschluß an den Barock- und Rokokostil genommen. Die rheinischen Goldschmiede haben sich noch meist von der Renaissancebewegung fern gehalten, namentlich diejenigen, welche für Kirchen arbeiten. Die Stärke der rheinischen Goldschmiede liegt in der treuen Nachbildung der alten romanischen und gotischen Arbeiten ihres Landes, deren verschiedenartige Techniken sie in vollendeter Weise nachzuahmen wissen. Auch in Österreich ist der Anschluß an die Formen der Renaissance ein vollständiger, und das Streben nach farbiger Wirkung greift nicht bloß in kleinern Schmuckgegenständen, sondern auch an größern Schaustücken und montierten Glas- und Kristallgefäßen immer mehr um sich. Die Erzeugnisse der österreichischen G. werden durch die stilvollen Entwürfe von Künstlern besonders geadelt. Mit solchen Arbeiten vermögen diejenigen der französischen G. hinsichtlich der Reinheit der Komposition nicht zu konkurrieren. Während sich die französische G. im übrigen nach wie vor auf dem Boden des Geschmacks des 17.–18. Jahrh. (Stil Ludwig XIV und XV) bewegt und daneben nur noch der Antike einen Raum von ziemlich gleicher Größe gewährt, während sie der Farblosigkeit des Silbers huldigt und höchstens spärliche Vergoldungen und translucides Email auf Goldgrund zuläßt, geht sie bei der Montierung von Gefäßen aus Glas, Kristall, Lapislazuli u. dgl. von diesem Prinzip ab und sucht nicht nur die Goldfassung durch Emaillierung und Einfügung von Perlen und farbigen Edelsteinen, sondern auch den Glas- und Kristallkörper selbst zu beleben, indem eingravierte Ornamente mit Goldfäden und Email ausgefüllt werden, ähnlich wie es die Japaner bei ihren Bronzearbeiten thun. Diese selbst mit ihren Gold- und Silbereinlagen und ihrem transluciden Email sind sowohl in Frankreich als in Nordamerika nachgeahmt worden, ohne daß jedoch dort wie hier die unnachahmliche Grazie, die Zartheit und der feine Natursinn der Japaner erreicht worden sind. Die G. von Nordamerika gründet sich ausschließlich auf die virtuose Nachahmung asiatischer und europäischer Formen und Techniken.

Auch in England, wo der wilde Naturalismus sich im Lauf der Zeit etwas gemäßigt hat, lebt die G. ausschließlich von der Nachahmung antiker, byzantinischer, chinesischer, japanischer und italienischer Muster (Elkington). Es ist die Folge des Einflusses der in England angehäuften Kunstschätze aus fremden Ländern, welche den Nachahmungstrieb reizen und dadurch der Bildung eines nationalen Stils hinderlich sind. Die G. Italiens beschränkt sich ausschließlich auf die massenhafte Fabrikation von Schmucksachen, welche in alle Welt exportiert werden und fast durchweg, namentlich in den zierlichen Filigranarbeiten, an nationale Überlieferungen anknüpfen. Es werden entweder antike Motive benutzt, oder der Schmuck, welcher sich unter dem Landvolk seit alter Zeit in ursprünglicher Form erhalten hat, wird kopiert. Durch A. Castellani in Rom ist die Nachahmung antiker Muster in ein festes System gebracht worden. Griechische, etruskische und römische Originale werden mit peinlicher Treue nachgebildet, wobei die hoch entwickelte Technik der italienischen Arbeiter, die sich in ununterbrochener Tradition lebendig erhalten hat, die besten Dienste leistet. Das Filigran spielt hier eine hervorragende Rolle. Daneben werden zur Belebung des Goldes Kameen und Email reichlich verwertet. Der Hauptvorteil, welcher aus diesen Nachahmungen zunächst erwächst, ist der, daß der Geschmacksverwilderung ein Ziel gesetzt worden ist und die Technik ungemein große Fortschritte gemacht hat, welche sie zur Lösung auch der schwierigsten Aufgaben befähigen. Zu den Ländern, in welchen ebenfalls die Filigranarbeit auf Grund volkstümlicher Tradition gepflegt wird, zu Italien, Norwegen und Portugal, hat sich jetzt auch Dänemark gesellt, dessen bedeutendster Goldschmied, Christesen in Kopenhagen, teils die aus den altnordischen Gräberfunden gewonnenen Motive auf Schmucksachen in Silberfiligran überträgt, teils die alten Originale, Fibeln, Spangen, Armbänder, direkt nachahmt. In Rußland steht die G. zum Teil noch unter byzantinischer Herrschaft, zum Teil schließt sie sich an den nationalen Holzbaustil an, dessen Ornamentik und Tektonik ohne Skrupel, erstere mit Hilfe von Email, in Silber und Gold imitiert werden. Daneben zeigen sich aber auch französische Einflüsse und endlich ein ungezügelter Naturalismus.

[Prähistorisches.] Aus prähistorischer Zeit erscheinen Goldschmuck und Waffen aus Gold im nördlichen Europa schon im Beginn der Metallzeit neben der Bronze und verhältnismäßig in Objekten von nicht unbedeutendem Metallwert. Man findet Bronzeschwertgriffe und große Bronzefibeln damit verziert, lange Armspiralen aus dünnem Draht, aber auch Armringe, Halsringe und Diademe sowie größere Gefäße, ja selbst Äxte und Beile (Celte) aus massivem Gold. In der sogen. La Tène-Periode treten namentlich in Mitteleuropa keltische Goldmünzen, die sogen. Regenbogenschüsseln (s. d.), und Imitationen klassischer Münzen auf. In der römischen Periode sind, außer Münzfunden, die Goldfunde verhältnismäßig spärlich; desto massenhafter aber werden sie in der spätrömischen Zeit, in der Zeit der Völkerwanderung und der darauf folgenden Zeit, und hier zeichnen sich namentlich die untern Donauländer durch die außerordentliche Reichhaltigkeit der Funde zum Teil an schweren Gefäßen mit gotischen und Runeninschriften aus. Nicht minder reich sind die Funde, welche man in Skandinavien gemacht hat, aus der Zeit vom 5. bis 10. Jahrh. n. Chr. herstammend, bestehend in sogen. Goldbrakteaten (Schmuckmedaillons, aus imitierten Kaisermünzen und selbständig geprägten Stücken hergestellt), byzantinischen Münzen und Einzelschmuckstücken, Kolliers, Halsringen, Sporen von kolossalem Gewicht. Nicht so massenhaft, aber dennoch reich war der Schmuck, den uns die Ausbeute der Gräber merowingischer Zeit geliefert hat. Schwertgriffe, Zierplatten, Fibeln, Ohrringe, Gürtelschnallen, meist mit Halbedelsteinen, Granaten und Amethysten inkrustiert, waren hier beliebt.

Vgl. Theophilus, Diversarum artium schedula (deutsch von Ilg, Wien 1874); Cellini, Abhandlungen über die G. und die Skulptur (deutsch von Brinckmann, Leipz. 1867); Th. Germain, Éléments d’orfèvrerie (Par. 1748); Labarte, Histoire des arts industriels au moyen-âge et à l’époque de la renaissance (2. Aufl., das. 1872–75, 3 Bde.); Barbet de Jouy, Les gemmes et les joyaux de la couronne au Musée du Louvre (das. 1865); Lasteyrie, Histoire de l’orfèvrerie (2. Aufl., das. 1877); Castellani, Dell’ oreficeria antica (Flor. 1862); Derselbe, Dell’ oreficeria italiana (Rom 1872); Davillier, Recherches sur l’orfèvrerie en Espagne (Par. 1879); Kulmer, Die Kunst des Goldarbeiters (Weimar 1872); Luthmer, Goldschmuck der Renaissance (Berl. 1880); Derselbe, Der Schatz des Freiherrn [498] K. v. Rothschild (Frankf. a. M. 1882–85, mit 100 Tafeln). Vgl. auch Bijouterien u. Juwelierkunst.