MKL1888:Griechische Kirche

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Griechische Kirche“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Griechische Kirche“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 7 (1887), Seite 718721
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Orthodoxe Kirchen
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Griechische Kirche. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 718–721. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Griechische_Kirche (Version vom 19.05.2023)

[718] Griechische Kirche (griechisch-katholische oder, wie sie sich selbst gern nennt, orientalisch-orthodoxe Kirche), derjenige der drei Hauptzweige der christlichen Kirche, welcher die im ehemaligen oströmischen Reiche geltenden Dogmen, Gebräuche und Verfassungsformen beibehalten hat und gegenwärtig in Vorderasien und im Osten von Europa herrschend ist.

Geschichtliche Entwickelung.

Die Griechen waren zwar kein selbständiges Volk mehr, als sie die christliche Religion annahmen; aber sie liehen derselben doch ihre Sprache und den weit ausgebreiteten Schauplatz ihrer Bildung, wiewohl dabei das eigentliche Griechenland hinter Alexandria zurücktrat (s. Alexandrinische Schule). Während aber noch durch das ganze 4. Jahrh. das Abendland theologisch abhängig ist von dem Geiste der griechischen Kirche, ging in den folgenden Jahrhunderten allmählich auch die Trennung des Orients und Occidents von dem politischen Boden auf den kirchlichen über. Und zwar standen im Osten die Patriarchate von Konstantinopel, Alexandria, Antiochia, Cäsarea und Ephesos, auch wohl Jerusalem, lange koordiniert nebeneinander, und erst allmählich hob sich der Bischofsitz zu Konstantinopel durch die Bedeutung dieser Stadt und die Größe seines Sprengels zu solchem allgemeinen Ansehen, daß er mit Rom rivalisieren konnte. Daß der entferntere Orient kein drittes kirchliches Ganze bildete, sondern sich der griechischen Kirche anschloß, erklärt ein flüchtiger Blick auf den Schauplatz und den Zusammenhang der damals die ganze morgenländische Kirche so sehr bewegenden dogmatischen, namentlich christologischen, Streitigkeiten, die in der Regel in Konstantinopel durch kaiserliche Einflüsse entschieden wurden, zum [719] Teil freilich nur um den Preis einer schismatischen Absonderung der Nestorianer, Monophysiten und Monotheleten, so daß die kirchliche Einheit im Orient bald ganz verloren ging. Die griechisch-kirchliche Litteratur hatte sich während ihrer Blütezeit im 4. bis 6. Jahrh. in außerordentlicher Fülle und Vielseitigkeit entwickelt; wir erinnern nur an die dogmatischen Werke Theodorets und des Areopagiten Dionys, an die kirchenhistorischen Werke des Eusebios und Epiphanios, an die Homilien und Reden des Chrysostomos, Gregor von Nyssa, Basilius d. Gr. und Gregor von Nazianz, an die exegetischen Werke des Diodoros von Tarsos und Theodoros von Mopsuestia, an die liturgischen Erzeugnisse, welche unter den Namen des Markus und Jakobus, des Basilius und Chrysostomos gehen, an die Katechesen des Cyrillus von Jerusalem und die Beiträge zur geistlichen Poesie und Hymnologie. Unter den Epigonen stellte der Mönch Johannes Damascenus (s. d.) die Resultate der Glaubensstreitigkeiten zusammen und schloß damit die Dogmatik für seine Kirche auf ein Jahrtausend ab. Verschiedene Umstände lockerten gleichzeitig die Gemeinschaft der griechischen Kirche mit der abendländischen. Schon 484 trat infolge eines vom Kaiser Zeno 482 erlassenen, den Lateinern anstößigen Edikts (Henotikons) ein förmliches Schisma ein, welches bis 519 währte. Das zweite trullanische Konzil von 692 war in seinem Resultat geradezu eine Beleidigung Roms, und in den Streitigkeiten über Bilderdienst und Bilderverehrung (s. d.) stand der Papst gewöhnlich auf der Gegenseite zu den griechischen Kaisern.

Der wirksamste Grund zur wachsenden Entzweiung ist aber in der fortschreitenden Zentralisation der occidentalischen Kirche unter dem römischen Papsttum zu suchen. Schon Photius (s. d.) beschwerte sich über die Herrschsucht des römischen Bischofs, welcher auch den byzantinischen Patriarchen sich zu unterwerfen trachte, und die Erbitterung wurde noch gesteigert, als der von griechischen Priestern bekehrte König der Bulgaren, Bogoris, in den Verband der abendländischen Kirche gezogen wurde (866). Photius erließ zur Abwehr der römischen Übergriffe ein Rundschreiben (867), welches die abweichenden Gebräuche der abendländischen Kirche, das Fasten am Sonnabend, die Erleichterung der großen Fasten, die Verwerfung der Firmung durch die Hand des Presbyters und das Verbot der rechtmäßigen Priesterehe als Ketzereien rügte und gegen die lateinische Kirche zugleich den Vorwurf der Symbolfälschung erhob, da die noch vom Papst Leo III. zwar an sich gebilligte, aber als Zusatz im Symbol gemißbilligte Lehre vom Ausgang des Heiligen Geistes „auch vom Sohn“ (filioque) in die lateinische Fassung des Symbols aufgenommen worden war. Das gute Einvernehmen mit Rom wurde zwar durch den Sturz des Photius wiederhergestellt, aber des letztern Rundschreiben war ein bleibendes Zeugnis der Verschiedenheit beider Kirchen. Als vollends ein Schreiben des Patriarchen Michael Cärularius (s. d.) zu den hergebrachten Vorwürfen wider die römische Kirche noch den Gebrauch von ungesäuertem Brot beim Abendmahl als jüdische Ketzerei hinzufügte, legten die römischen Legaten 16. Juli 1054 den päpstlicherseits gegen den Patriarchen erlassenen Bannspruch auf dem Hochaltar der Sophienkirche nieder. Michael säumte nicht, im Verein mit den übrigen orientalischen Patriarchen den Fluch zu erwidern, und so waren von jetzt an die Kirchen des Morgenlandes und des Abendlandes, die beide ausschließende Ansprüche auf Katholizität machten, auf immer getrennt. Voll zähen Selbstgefühls, stolz auf den Besitz der ältern kirchlichen Verfassung und Sitten sowie mancher einfacherer Lehrbestimmungen und echterer Überlieferungen, schloß sich die g. K. immer schroffer gegen die Fortentwickelung im Occident ab. Einzelne Versuche der Ausgleichung dienten nur dazu, den Riß zu erweitern, und die Heereszüge der Kreuzfahrer steigerten den kirchlichen Gegensatz zum Nationalhaß. Solange das lateinische Kaisertum bestand, verhinderte ebensowohl der gereizte Widerwille der Griechen gegen ihre politischen Unterdrücker wie die Anmaßung der triumphierenden lateinischen Kirche eine Aussöhnung. Das Gebiet der griechischen Kirche erweiterte sich zwar durch die Wiedergewinnung der Bulgarei, durch die Bekehrung sowohl der Mainoten als der Slawen in Böhmen und Mähren, die jedoch im 10. Jahrh. meist zum römischen Kultus übertraten, und durch die Gründung der russischen Kirche unter Wladimir d. Gr., erlitt aber anderseits Abbruch durch die von den Lateinern und Türken gemachten Eroberungen. Die kirchliche Wissenschaft beschränkte sich auf eine mechanische und äußerliche Fortpflanzung des Ererbten. Erwähnenswert von Schriften der griechischen Kirche im Mittelalter sind außer den Katenen (s. Exegetische Sammlungen) die kirchenhistorischen des Photius; die dogmatisch-polemischen des Euthymios, Niketas Choniates, Nikolaus von Methone; die liturgischen des Maximus, Sophronios, Simeon aus Thessalonich. Die Beziehungen zur römischen Kirche blieben im ganzen feindlich. Nur die wachsende Gefahr von seiten der Türken drängte wiederholt zu einer hilfesuchenden Annäherung an das Abendland. Aber weder zu Lyon (1274) noch zu Florenz (1439) wurde eine dauernde Union (s. d.) erreicht. Als schon die Zelte der Türken Konstantinopel umgaben, wurde noch einmal ein Versöhnungsfest (Dezember 1452) gefeiert und von einem römischen Kardinal-Legaten in der Sophienkirche Messe gelesen; aber dadurch wurden nur neue Schwierigkeiten hervorgerufen. Verlassen vom Abendland, wurde Konstantinopel endlich (29. Mai 1453) von den Türken erobert und die Sophienkirche zur Moschee entweiht. Zahllose Gelehrte flohen nach Italien, um daselbst ihre Bildung und Kenntnisse belebend auf die Wissenschaft des Abendlandes einwirken zu lassen und dadurch die geistigen Umwälzungen des folgenden Jahrhunderts vorzubereiten.

Aus der nachfolgenden Zeit sind besonders die Berührungen erwähnenswert, in welche die g. K. mit dem Protestantismus trat. Nachdem schon Melanchthon (1559) einem Griechen die griechische Übersetzung der Augsburgischen Konfession nebst einer Begrüßung an den Patriarchen Joasaph II. eingehändigt hatte, wurden die Tübinger Theologen J. Andreä und M. Crusius durch einen protestantischen Gesandtschaftsprediger in Konstantinopel veranlaßt, dem Patriarchen Jeremias II. eine andre Übersetzung mit der Bitte um sein Urteil zu übersenden (1574). Es erfolgte eine Antwort, die im Sinn der beschränktesten Orthodoxie der morgenländischen Kirche abgefaßt war und den fernern Schriftenwechsel abschnitt (1581). Ein glücklicherer Erfolg schien die Annäherungsversuche des Cyrillus Lukaris (s. d.) krönen zu wollen. Nachdem dieser Patriarch von Konstantinopel geworden war, sandte er ein Glaubensbekenntnis nach Genf in der Absicht, eine Wiedergeburt der griechischen Kirche im Sinn der reformierten Kirche zu bewirken; aber die obsiegende Gegenpartei erwiderte seine reformatorischen [720] Bestrebungen mit der Anklage auf Hochverrat und mit Erdrosselung (1638). Um hinfort die starre Orthodoxie der griechischen Kirche gegen ähnliche Bestrebungen sicherzustellen, faßte Petrus Mogilas, Metropolit von Kiew, ein Glaubensbekenntnis der Russen (1643) ab, welches von den vier griechischen Patriarchen zu Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem als Bekenntnis der katholischen Kirche des Morgenlandes bestätigt und auf der Synode von Jerusalem 1672 zum Symbol erhoben wurde. – Die Zahl der Bekenner der griechischen Kirche belief sich 1878 in Europa auf 691/2 Mill., wovon 54 Mill. auf Rußland, 11 Mill. auf die Türkei, 11/2 auf Griechenland kamen. Wir begegnen nämlich in der neuern Zeit wesentlich drei Gestaltungen des griechischen Kirchentums, einer in der Türkei, einer andern in Rußland, einer dritten in dem befreiten Griechenland unsers Jahrhunderts.

Was die g. K. der Türkei betrifft, so hat zwar die türkische Herrschaft im Lauf der Jahrhunderte alle Eigenschaften eines asiatischen Despotismus und alle Greuel der Tyrannei entwickelt; doch lag den Türken da, wo sie ihre Herrschaft einmal gesichert sahen, eigentlicher Gewissenszwang fern, und die Christen in der Türkei genossen daher im ganzen Religionsfreiheit, wenngleich um schwere Opfer. Man ließ ihnen einen Teil ihrer Kirchen für ihren Gottesdienst, verbot ihnen aber, neue zu bauen. Von den Herren des Landes mit Steuern überladen und in ihrer Thätigkeit einseitig auf Gelderwerb und Handelsinteressen beschränkt, ward die unterjochte Nation mehr und mehr entsittlicht, und Wissenschaft und Unterricht verfielen gänzlich. Der Patriarch, welcher als hoher Staatsbeamter fortan vom Sultan bestätigt wurde und von ihm entsetzt werden konnte, war Vertreter und Richter seines Volkes. Der Hattischerif von Gülhane vom 3. Nov. 1839 hat allerdings die Christen und Mohammedaner vor dem Gesetz gleichgestellt, ist aber so wirkungslos wie der Hattihumajum vom 18. Febr. 1856. Erst der Berliner Vertrag von 1878 hat innerhalb der Türkei Gleichberechtigung der Konfessionen geschaffen und überdies ihr gerade die Provinz entrissen, wo kurz zuvor die „bulgarischen Greuel“ gegen die Christen gespielt hatten. Übrigens haben sich die Bulgaren schon 1873 vom Patriarchen von Konstantinopel losgesagt, einen eignen Metropoliten gewählt, den der Sultan bestätigte, und so ihre eigne Kirche gebildet. Die g. K. der Moldau steht unter dem Metropoliten von Jassy, die der Walachei unter dem von Bukarest. Alle diese Länder haben zwar einen Überfluß an Kirchen, Geistlichen und Mönchen, einen um so hervortretendern Mangel aber an Bildung, Sitte und Unterricht. Noch verheerender treten die Folgen der kirchlichen Isolierung in Kleinasien und Armenien hervor. In den übrigen asiatischen Gebieten hat die orthodoxe Kirche meist den Sekten der Nestorianer, Maroniten und Jakobiten weichen müssen; in Syrien besteht sie neben der unierten, in Jerusalem unter der größten Mischung der Kulte. Ägypten zählt nur etwa 8000 orthodoxe Griechen, die unter den Kopten zerstreut leben. Viele orthodox-griechische Gemeinden finden sich in Galizien, Siebenbürgen, Dalmatien und namentlich in Ungarn, wo sie unter dem Metropoliten von Karlowitz seit 1791 den Protestanten gleichgestellt sind. Vgl. Klose, Die Christen in der Türkei („Zeitschrift für historische Theologie“ 1850); Pischon, Die Verfassung der griechischen Kirche in der Türkei („Theologische Studien und Kritiken“ 1864).

Die Geschichte der neugriechischen Kirche von Griechenland steht mit der politischen Geschichte in der engsten Verbindung: der Aufstand von 1821 legte den Grund zur kirchlichen Unabhängigkeit. Bei der Teilnahme, welche die Bischöfe der Revolution widmeten, ebenso wie bei den Grausamkeiten, die von seiten der Türken gegen die Mitglieder der höhern Geistlichkeit in Konstantinopel, Cypern, Chios u. a. O. ausgeübt wurden, konnten die Griechen die Autorität eines vom türkischen Sultan eingesetzten Patriarchen unmöglich mehr anerkennen. Die Kirchenverfassung wurde 23. Juli 1833 durch eine Versammlung der Metropoliten und Bischöfe in Nauplia festgestellt; die Synode, die, der russischen nachgebildet, aus einem Bischof-Präsidenten und vier andern, von sämtlichen Bischöfen gewählten, vom König aber bestätigten Bischöfen bestand, wurde 8. Aug. 1833 eingesetzt. Zugleich wurden die Klöster reduziert, und das dadurch gewonnene Einkommen floß in eine Kasse für Kirchen- und Schulzwecke. Nach der Revolution von 1843 wurde in der Verfassung von 1844 ausdrücklich erklärt, die Kirche von Griechenland sei mit der griechischen Kirche von Konstantinopel dogmatisch verbunden, staatsrechtlich getrennt. Hierauf erfolgte 1850 die bisher verweigerte Anerkennung der Selbständigkeit der neugriechischen Kirche seitens des Patriarchen von Konstantinopel durch eine Bulle (Tomos), worin indessen der letztern die Verpflichtung auferlegt ward, sich den Beschlüssen der sieben ökumenischen Konzile gemäß zu konstituieren. In dem im Frühjahr 1852 ausbrechenden Streit über die Stellung der Synode zum Staat (der Tomisten und Antitomisten), in welchem besonders der Mönch Christofero Papulakis die Gemüter aufregte und sogar bewaffnetes Einschreiten nötig machte, trat die Regierung mit einem „organischen Gesetz der heiligen Synode des Königreichs Griechenland“ auf, worin auf Grundlage der von der Regentschaft im Juli 1833 ausgesprochenen Unabhängigkeitserklärung der hellenischen Kirche der Regierung nicht bloß eingeräumt ward, was sie bisher an kirchlichen Befugnissen übte, sondern ihre Gewalt auch noch ausgedehnt wurde. Gleichwohl nahmen sowohl die Kammer der Abgeordneten als der Senat das organische Gesetz mit Stimmeneinheit an. Wie die Kirche Griechenlands ein Bild nationalen religiösen Lebens, so bietet die 1836 zu Athen eröffnete Universität auch Beispiele wieder erwachenden Eifers für theologische Bestrebungen.

Die russische Kirche, die uns lange Zeit meist nur aus Schriften der Engländer und Franzosen bekannter geworden, ist entschieden der byzantinischen nahe verwandt, von der sie Lehre, Kultus und Verfassung angenommen hat, unterscheidet sich aber von ihr namentlich durch die eigentümliche Verschmelzung von religiösen und politischen Motiven sowie durch ihre enge Beziehung zur slawischen Volkseigentümlichkeit. Über ihre Geschichte, welche von der Einsetzung Hiobs als Patriarchen von Moskau durch den Patriarchen Jeremias von Konstantinopel (1589) datiert, s. Russische Kirche.

Glaubenslehre und Kultus.

Die Glaubenslehre der griechischen Kirche beruht auf der Bibel und der ältern Tradition nach den Satzungen der sieben ersten ökumenischen Konzile, ist mit diesen Satzungen unabänderlich abgeschlossen und läßt daher eine wissenschaftliche Fortbildung nicht mehr zu. Symbolische Geltung haben nach erfolgter Trennung der beiden katholischen Kirchen in der griechischen nur zwei Schriften erhalten, nämlich die Konfession des Patriarchen Gennadios (s. d.) und [721] mehr noch die des Metropoliten Petrus Mogilas von Kiew (s. oben). Zwei an die Tübinger Theologen gerichtete Schreiben des Patriarchen Jeremias II. von Konstantinopel von 1576 und 1579 sowie die des Metrophanes Kritopulos, entstanden 1625, herausgegeben 1661, entbehren des öffentlichen Charakters. Eher darf man das von der Synode zu Jerusalem 1672 angenommene Bekenntnis ihres Vorsitzenden Dositheus hierher stellen. Von der gesamten abendländischen Kirche unterscheidet sich die griechische vornehmlich durch die Lehre, daß der Heilige Geist nur vom Vater ausgehe, von der römisch-katholischen aber, mit welcher sie die alte Glaubenslehre im allgemeinen und insbesondere die sieben Sakramente, die Lehre von der Transsubstantiation und vom Meßopfer, den Marien-, Heiligen-, Bilder- und Reliquiendienst, das Fasten und andre gute Werke, die hierarchischen Abstufungen in den geistlichen Weihen, die geistliche Verwandtschaft als Ehehindernis und das Klosterwesen gemein hat, nur in folgenden Punkten: Sie stellt nicht, wie jene, die apokryphischen Schriften den kanonischen gleich, erkennt keinen sichtbaren Statthalter Christi auf Erden und unfehlbaren Kirchenregenten, wohl aber eine sichtbare und unfehlbare Kirche an, macht einen Unterschied zwischen den Sakramenten höhern (Taufe, Abendmahl und Buße) und denen niedern Ranges, will die Taufe durch dreimaliges Untertauchen des ganzen Körpers verrichtet und damit zugleich die Salbung mit Öl (s. Firmung) verbunden wissen, behält dem bischöflichen Amt nur die Verwaltung des Sakraments der Ordination vor, gebraucht beim Abendmahl, zu welchem auch Kinder zugelassen werden, gesäuertes Brot und mit Wasser vermischten Wein, der zugleich mit dem Brot auch den Laien gereicht wird, verbietet nur den Bischöfen die Ehe (s. Cölibat), gebietet sie aber und zwar mit einer Jungfrau den Weltgeistlichen, denen nur eine zweite Ehe untersagt ist, wie den Laien die vierte, kennt kein eigentliches Fegfeuer (s. d.), duldet keine gehauenen, gegossenen oder geschnitzten (Statuen), sondern nur gemalte oder mit Edelsteinen ausgelegte Bilder Christi und der Heiligen als Gegenstände religiöser Verehrung und gestattet die Ölung nur als Heilmittel und zwar für Kranke überhaupt. Auch für sie besteht die einige, heilige, katholische und apostolische, daher allein wahre und seligmachende Kirche in der Vereinigung mit ihren sichtbaren Häuptern und Hirten als den vom Heiligen Geist gesetzten Stellvertretern Christi. Die Kirchengewalt zerfällt auch hier in die Verwaltung der Sakramente, in das Lehramt und in die Handhabung der Disziplin, und in völliger Übereinstimmung mit der römisch-katholischen Kirche wird gelehrt, daß diese Kirchengewalt einem besondern Stand verliehen worden, der in den Aposteln seinen Anfang genommen, in den Bischöfen als deren Nachfolgern sich fortgesetzt und mittels der Handauflegung in ununterbrochener Reihe sich erhalten habe. Der Klerus besteht aus Weltgeistlichen und aus Mönchen, und zwar sind letztere als das höher im Ansehen stehende, geistigere Element zu betrachten. Die Bischöfe werden daher auch bloß aus Mönchen, gewöhnlich aus den Archimandriten und Hegumenen (Klosteräbten und Prioren), gewählt. Der Bischof ist das Haupt der geistlichen Verwaltung einer Parochie oder Eparchie. Von ihm gehen die übrigen heiligen Ämter aus, und er teilt die dazu nötigen Vollmachten durch die Weihe mit. Unter ihm als seine Gehilfen bei den einzelnen Kirchen des Sprengels stehen die Priester (Popen), Diakonen, Hypodiakonen, Lampadarien, Psalten oder Kantoren, Anagnosten oder Lektoren.

Das praktische Ideal besteht eigentlich in Askese und Kontemplation. Der gewöhnliche Christ aber erreicht seinen Anteil an Gott, indem er sich am Kultus beteiligt und mit den heiligen Mysterien füllen läßt. Den Mittelpunkt bildet die Messe, welche jedoch täglich nur einmal und zwar vor Sonnenaufgang gelesen wird. Ablesen von Perikopen, Gebeten und Legenden, Recitieren der Glaubensbekenntnisse und Responsorien im Wechsel mit der Gemeinde füllen den übrigen Teil des Gottesdienstes. Beim Gebet richtet sich der Geistliche, wie alle Betende, nach altem Gebrauch gegen Osten. Während des Gottesdienstes stehen die daran Teilnehmenden. Nur am Pfingsttag wird gekniet; Instrumentalmusik ist in der Kirche verboten. Das Predigen war früher gar nicht gebräuchlich; höchstens wurden zuweilen alte Homilien vorgelesen, was noch jetzt in Rußland großenteils und in Griechenland fast durchgängig zu geschehen pflegt. Freies Predigen findet sich in Rußland hier und da erst seit dem Ende des 17. Jahrh., in Athen geschieht es aber gegenwärtig alle Sonntage. Die Kirchensprache ist unter den Nationalgriechen die griechische, unter den Russen und andern slawischen Völkern, die sich zur griechischen Kirche bekennen, die altslawonische, in der außer der Bibelübersetzung auch die sehr voluminöse Kirchenagende abgefaßt ist, unter den Georgiern die altgeorgische. Die meist massiv und in Kreuzesform gebauten Kirchen zeichnen sich durch altertümliche Pracht aus. Eine mit Zierat versehene Bretterwand, wo die Bilder Christi, Marias und der Heiligen angebracht sind, trennt den Altar vom Schiff der Kirche. An dem Thor dieser Wand fungieren die Geistlichen und öffnen dasselbe, während das Hochamt am Altar celebriert wird, welchen Akt die Gemeinde nur durch dieses Thor mit ansieht. Vgl. Wenger, Der gegenwärtige Geist der griechischen Kirche (Berl. 1839); Schmitt, Kritische Geschichte der neugriechischen und russischen Kirche (Mainz 1840); Pitzipios, Die orientalische Kirche (deutsch von Schiel, Wien 1857); Pichler, Die orientalische Kirchenfrage (Münch. 1862); Derselbe, Geschichte der kirchlichen Trennung zwischen dem Orient und Occident (das. 1864–65, 2 Bde.); A. Stanley, History of the eastern church (5. Aufl., Lond. 1883); Neal, History of holy eastern church, introduction (das. 1850, 2 Bde.; eine Beschreibung der Zeremonien, Gewänder etc. enthaltend); Gaß, Symbolik der griechischen Kirche (Berl. 1872).