MKL1888:Heinrich
[307] Heinrich (altd. Heimrîch, „Fürst des Hauses“; lat. Heinricus oder Henricus, franz. Henri, engl. Henry oder Harry), Name zahlreicher Fürsten.
- Deutsche Kaiser u. Könige 1–9.
- Bayern 10–14.
- Braunschweig-Wolfenb. 15, 16.
- Champagne 17.
- England 18–25.
- Flandern 26.
- Frankreich 27–31.
- Haïti 32.
- Hessen 33.
- Kärnten 34.
- Kastilien 35–38.
- Meißen 39.
- Niederlande 40.
- Portugal 41.
- Preußen 42, 43.
- Reuß 44–46.
- Sardinien 47.
- Schlesien-Polen 48.
- Thüringen 49.
[Deutsche Kaiser und Könige.] 1) H. I., der Sachse, Sohn Ottos des Erlauchten, Herzogs von Sachsen, geboren um 876, der erste deutsche König aus dem sächsischen Haus. H. hatte schon bei Lebzeiten seines Vaters glücklich gegen die angrenzenden slawischen Völkerschaften und gegen die Ungarn gestritten; dann, nach Ottos Tod (912) zum Herzog erhoben, war er mit König Konrad I., der ihm einen Teil seines Erbes, namentlich Thüringen, zu entziehen trachtete, in einen harten Kampf geraten, der zuletzt zu seinem Vorteil ausschlug und seinem Gegner so große Achtung einflößte, daß derselbe auf dem Sterbebett den ehemaligen Gegner als den der Krone Würdigsten zu seinem Nachfolger empfahl. Demzufolge wurde H. 14. April 919 von den Franken und Sachsen in Fritzlar zum König der Deutschen erwählt. Daß die Fürsten, die ihm die Reichsinsignien brachten, H. beim Vogelfang getroffen, ist spätere Sage und der erst im 12. Jahrh. vorkommende Beiname der Finkler oder der Vogler unberechtigt und unpassend. Die ihm vom Erzbischof von Mainz angebotene Salbung durch Priesterhand lehnte H. ab. Des neuen Königs erste Sorge war die Wiederherstellung der innern Einheit des Reichs. Er zog zuerst gegen den Herzog Burchard von Schwaben aus und bewog denselben (920) durch Zugeständnisse ohne Schwertstreich zur Huldigung. Den mächtigen Herzog Arnulf von Bayern, der selbst nach der Königskrone getrachtet, gewann er 921 durch Überredung und Einräumung [308] fast völliger Selbständigkeit; Lothringen, welches sich in letzter Zeit König Karl dem Einfältigen von Frankreich unterworfen, brachte er durch Waffengewalt 925 an Deutschland zurück und verband sich den lothringischen Herzog Giselbert durch dessen Vermählung mit seiner Tochter Gerberga. So war der Bestand des Deutschen Reichs hergestellt und die königliche Gewalt über die Herzöge der fünf Stämme (Franken, Sachsen, Lothringer, Schwaben, Bayern) neu befestigt. Es galt nun, auch gegen die Einfälle der Nachbarvölker, namentlich der Ungarn und Slawen, das Reich zu sichern. 924 wurde H. gezwungen, mit den Ungarn eine neunjährige Waffenruhe zu vereinbaren und ihnen dafür einen jährlichen Tribut zu zahlen. H. benutzte diese Waffenruhe zur Wiederherstellung der Wehrkraft des deutschen Volkes und zur Sicherung des Reichs durch Anlegung fester Burgen und Befestigung offener Städte. Er erließ das Gesetz, daß der neunte Mann aus den Heerbannpflichtigen in die Burg ziehen sollte, wo zugleich auch für Wohnung für die andern acht sowie für Raum zu Einbringung der Ernte in Kriegszeiten gesorgt war. Zugleich verlegte er die Gauversammlungen, die Gerichte und Festlichkeiten in die Städte. Zur Hebung der Wehrkraft verordnete er, daß dem allgemeinen Aufgebot jeder freie Mann Folge zu leisten habe; sein Hauptaugenmerk aber wandte er auf die Bildung einer kriegsgeübten Reiterei, und diese wurde dadurch fortan der eigentliche Kern des Heerbannes. H. wandte sich mit seiner jungen Kriegsmacht zuerst gegen die Slawen und zwar zunächst gegen die Heveller, deren Hauptstadt Brennabor (Brandenburg) er im Winter 927–928 nahm. Dann unterwarf er die Daleminzier, in deren Gebiet er Meißen gründete, die Wilzen, Lusitzen und Redarier und bewog den Böhmenherzog zur Anerkennung seiner Lehnshoheit. Einen Aufstand der Wenden unterdrückte 929 der Sieg bei Lenzen. Als nun 933 die ungarischen Gesandten erschienen, um den Tribut einzufordern, beschloß H. mit Zustimmung des sächsischen Volkes, die weitere Zahlung zu verweigern. Voll Grimm brachen die Ungarn in zwei großen Heeren durch Franken in Thüringen ein. Beide Heere wurden aber von den Sachsen geschlagen, das größere von H. selbst, das andre bei Riade (Rietheburg) an der Unstrut 15. März so vollständig, daß das Land 22 Jahre lang von diesen Gästen verschont blieb. Im J. 934 führte er einen siegreichen Krieg gegen die Dänen, stellte die Mark Schleswig wieder her und befestigte den deutschen Einfluß im dänischen Reich. Vor seinem Tod ließ er noch seinem Sohn die Nachfolge im Reich zusichern. Er starb 2. Juli 936 in Memleben und wurde in der Schloßkirche zu Quedlinburg beigesetzt. H. ist der eigentliche Begründer des Deutschen Reichs, ein Herrscher voll Kraft und Einsicht, voll Besonnenheit und Klugheit. H. vermählte sich 906 mit Hatheburg, der Tochter eines sächsischen Grafen Erwin, von der er sich nachher trennen mußte, weil sie bereits den Schleier genommen hatte; von ihr hatte er einen Sohn, Thankmar. Die zweite Gemahlin, Mathildis (gest. 968), gebar ihm drei Söhne, Otto (I.), Heinrich (s. Heinrich 10) und Bruno, und zwei Töchter, Gerberga und Hadwig, die später den Herzog Hugo von Francien heiratete. Vgl. Waitz, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König H. I. (3. Aufl., Leipz. 1885).
2) H. II., Urenkel des vorigen, Sohn Herzog Heinrichs II., des Zänkers, von Bayern, geb. 6. Mai 973, war der letzte Kaiser aus dem sächsischen Fürstenhaus. Er erbte nach seines Vaters Tod 995 das Herzogtum Bayern, begleitete 1001 Otto III. nach Rom, bemächtigte sich, als dieser in Italien starb, der Reichskleinodien und wurde auch trotz heftigen Widerspruchs mehrerer Fürsten, unter denen der Markgraf Eckhard von Meißen und der Herzog Hermann von Schwaben seine Nebenbuhler waren, vornehmlich auf Betreiben des Erzbischofs Willigis 7. Juni 1002 zu Mainz gewählt und gekrönt. Anfangs nur von einigen Stämmen anerkannt, zog H. durch das Reich und nahm nach und nach überall die Huldigung entgegen. Bald aber hatte er gegen seinen Bruder Bruno und drei mit ihm wegen nicht gehaltener Versprechungen unzufriedene Fürsten, den Herzog Boleslaw II. von Böhmen, den Markgrafen Ernst von Österreich und den Markgrafen Heinrich von Schweinfurt, einen schweren Kampf zu bestehen. Kaum waren 1004 diese Gegner besiegt, als H. nach Italien berufen ward, wo der Markgraf Arduin von Ivrea zum König erhoben worden war. H. siegte auch hier und ließ sich zu Pavia die Eiserne Krone aufsetzen; nach blutiger Unterdrückung eines Aufstandes in Pavia huldigten ihm die italienischen Städte. Nach Deutschland zurückgekehrt, vertrieb er den Herzog Boleslaw Chrobry von Polen aus Böhmen, gab dieses Land dem böhmischen Herzogssohn Jaromir zu Lehen, griff Boleslaw in Polen selbst an und zwang ihn im Frieden von Merseburg 1013 zur Anerkennung der deutschen Lehnshoheit, während Boleslaw das Lausitzer und Milzener Land behielt. Eine neue Erhebung der Partei Arduins rief ihn 1013 abermals nach Italien; er zwang auf diesem Feldzug seinen Gegner zur Niederlegung der italienischen Krone. In Rom ließ er sich nebst seiner Gemahlin Kunigunde 14. Febr. 1014 vom Papst Benedikt VIII. zum römischen Kaiser krönen. Nach Deutschland zurückgekehrt, führte er aufs neue Krieg gegen Boleslaw von Polen, wieder ohne erheblichen Erfolg; im Frieden von Bautzen, 30. Jan. 1018, mußte er dem oft bekämpften Gegner die Ostmarken des Reichs überlassen. In Deutschland hatte H. vielfach mit Erhebungen einzelner Fürsten zu ringen. Mit dem kinderlosen Herzog Rudolf III. von Burgund schloß er einen Vertrag, dem gemäß dieses Land, über welches die deutschen Könige schon früher die Lehnshoheit geübt hatten, nach Rudolfs Tod an das Deutsche Reich fallen sollte; ein Versuch, den Besitz schon früher anzutreten, schlug fehl. Einen dritten Kriegszug nach Italien unternahm er 1022, als Papst Benedikt VIII. ihn gegen die Griechen in Unteritalien zu Hilfe rief. H. vereinigte die Truppen der Normannen mit seinem Heer und focht glücklich gegen die Griechen, mußte aber wegen einer Seuche, die in seinem Heer ausbrach, nach Deutschland zurückkehren und starb 13. Juli 1024 in Grona bei Göttingen. H. war ein nicht ungeschickter Krieger, gewann aber als Politiker keine Erfolge. Er wollte die deutsche Kaisermacht im Sinn Ottos I. ausüben, begegnete aber vielfachem Widerspruch und verstand es nicht, denselben zu überwinden, weil er nicht nachhaltig seine Thätigkeit auf einen Punkt konzentrierte. Über die Kirche, deren Besitz er durch große Schenkungen vermehrte, regierte er dagegen mit Energie. Seine Lieblingsidee war die Gründung des Bistums Bamberg gewesen, die er auch endlich durchsetzte. Im 12. Jahrh. verehrte man ihn als einen besonders frommen Mann, erdichtete die Fabel, daß er mit seiner Frau in einer Josephsehe gelebt, und stellte ihn als einen Betbruder dar; Papst Eugen III. sprach ihn 1146 sogar heilig. Diese Tradition ist in neuerer Zeit sehr erschüttert worden. Einzelne neuere Schriftsteller, besonders Gfrörer und Giesebrecht, preisen in [309] direktem Gegensatz zu jener ältern Auffassung H. II. als einen der tüchtigsten und kräftigsten Könige; dies Urteil beruht aber auf Überschätzung. Vgl. Hirsch, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter H. II. (Leipz. 1862–76, 3 Bde.); Usinger, Zur Beurteilung Heinrichs II. („Historische Zeitschrift“ 1862); Cohn, Kaiser H. II. (Halle 1867).
3) H. III., Kaiser Konrads II. und Giselas einziger Sohn, geb. 28. Okt. 1017, der zweite Kaiser aus dem Haus der salischen Franken, ward schon 1026 zum deutschen König designiert und 1028 feierlich gekrönt. 1027 erhielt er von seinem Vater das Herzogtum Bayern, 1038 das Herzogtum Schwaben, 1039 Kärnten; nach seines Vaters Tod (4. Juni 1039) trat er sofort die Regierung an. Er war ein Mann von strengem Ernst, unempfänglich für jeglichen Genuß, beherrscht von heftigen Affekten und schrankenlosem Ehrgeiz, streng kirchlich gesinnt, nach allen Seiten Zucht und Unterwürfigkeit fordernd und dadurch wohl imponierend, aber die Herzen zurückstoßend. Mit Nachdruck nahm er die Tendenzen der Weltherrschaft wieder auf. Um die kaiserliche Macht möglichst unabhängig zu machen, behielt er die heimgefallenen Herzogtümer entweder für sich und seine Familie, oder vergab sie, wie Bayern und Kärnten, an minder mächtige Fürsten; dem Herzog Bernhard von Sachsen gab er in dem Erzbischof Adalbert von Bremen mindestens ein mächtiges Gegengewicht. Um des Reichs Ansehen auch nach außen zu sichern und zu vermehren, bekriegte er 1039 den Herzog Břetislaw von Böhmen, der einen Beutezug gegen Polen gemacht, Breslau zerstört und Krakau ausgeplündert hatte, und zwang ihn, 1042 zu Regensburg sein Herzogtum von ihm zu Lehen zu nehmen. Um seinen Schützling, König Peter von Ungarn, welchen die Ungarn unter Aba vertrieben hatten, wieder auf den Thron zu setzen und auf demselben zu erhalten, machte H. mehrere Feldzüge nach Ungarn, eroberte Preßburg und drang 1042 bis Gran und 1043 bis Wien vor. 1044 folgte ein neuer Feldzug, auf welchem er die Ungarn in der blutigen Schlacht an der Raab besiegte und Peter, der ihn als seinen Oberlehnsherrn anerkennen mußte, wieder auf den Thron setzte. Damals geschah die Abtretung des Landes zwischen Fischa und Leitha an die Mark Österreich. Nach Peters abermaliger Vertreibung bestieg Andreas 1047 den ungarischen Thron. 1050 begannen von deutscher Seite Feindseligkeiten gegen ihn. 1051 zog H. wieder nach Ungarn, ebenso 1052; es ward ihm aber nicht möglich, den Sieg zu behaupten, er mußte an der deutschen Grenze das deutschfeindliche Reich Andreas’ dulden und auch im Innern Deutschlands erhoben sich Gegner, die H. trotz aller scharfen und energischen Maßregeln nicht dauernd niederzuhalten vermochte. Der Herzog Gottfried von Niederlothringen, der nach seines Vaters Tod auch Oberlothringen an sich reißen wollte, entzog sich nach mehrjährigem wechselnden Kampf endlich 1053 dem Machtbereich Heinrichs, indem er in Italien durch Heirat Tuscien gewann; ebensowenig bezwang H. den widerstrebenden Grafen Balduin von Flandern. H. war ein Anhänger und Freund der cluniacensischen Mönchspartei, die eine Reform der Kirche verlangte. Um das Kirchenschisma aufzuheben, bewirkte er 1046 auf einer Versammlung der Bischöfe zu Sutri in Italien die Absetzung der drei Päpste Benedikt IX., Silvester III. und Gregor VI. und die Wahl des deutschen Bischofs Suitgor von Bamberg als Papst Clemens II., der darauf H. in Rom zum Kaiser krönte. Clemens wie seine ebenfalls durch kaiserliche Machtvollkommenheit eingesetzten Nachfolger Damasus II., Leo IX. und Viktor II. unterstützten H. eifrig in seinem Streben, den vielen Gebrechen der Kirche abzuhelfen und die Sitten des Klerus zu reformieren; aber diese Bestrebungen verstärkten die Macht und das Ansehen der Kirche und des Papsttums und verschafften diesem die Möglichkeit, mit dem Kaisertum um die Herrschaft über die Christenheit zu streiten. Nachdem sein fünfjähriger Sohn Heinrich 1055 zum Nachfolger ernannt worden war, starb H. 5. Okt. 1056 in Bodfeld am Harz. H. war ein eifriger Förderer und Beschützer der Wissenschaften und Künste; er stiftete zahlreiche Klosterschulen und baute die Dome zu Worms, Mainz und Speier. Er war seit 1036 vermählt mit Gunhild, der Tochter Knuts d. Gr. von England und Dänemark, seit 1043 mit Agnes von Poitou, Tochter des Herzogs Wilhelm III. von Guienne. Vgl. Steindorff, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter H. III. (Leipz. 1874–81, 2 Bde.).
4) H. IV., Sohn des vorigen, geb. 11. Nov. 1050, ward 1053 zu seines Vaters Nachfolger erwählt und 1054 in Aachen gekrönt. Nach Heinrichs III. Tod (5. Okt. 1056) stand er anfangs unter Vormundschaft seiner Mutter Agnes, welcher damit auch die Regierungsgeschäfte zufielen; aber wenn schon Heinrich III. zuletzt der mächtigen Fürsten nicht mehr Herr geblieben, so war jetzt Agnes der schwierigen Aufgabe der Regierung nicht gewachsen. Um sich unter den Fürsten Anhänger zu verschaffen, gab sie dem Herzog Gottfried das ihm von ihrem Gemahl entrissene Lothringen zurück; dem Grafen Rudolf von Rheinfelden aber verlieh sie 1057 das Herzogtum Schwaben, den Grafen Berthold von Zähringen, der von Heinrich III. die Anwartschaft auf jenes Herzogtum erhalten hatte, entschädigte sie 1061 dafür mit Kärnten, und der einflußreiche sächsische Graf Otto von Nordheim erhielt 1060 das erledigte Herzogtum Bayern. Andre Große, an ihrer Spitze der Erzbischof Anno von Köln, sahen sich durch den Bischof Heinrich von Augsburg, den Ratgeber der Kaiserin, um ihren Einfluß gebracht und zurückgesetzt; sie suchten die Reichsverwaltung in ihre Hände zu bringen, zu welchem Behuf sie sich der Person des jungen Königs zu bemächtigen strebten. Sie lockten denselben bei Kaiserswerth auf ein Schiff und entführten ihn im Mai 1062 trotz seines Widerstrebens nach Köln. Anno nahm darauf, der Klagen der Kaiserin nicht achtend, die Erziehung Heinrichs und die Reichsregierung in die Hand. Mit dieser Gewaltthat begann die Verwirrung und Zwietracht im Reich, die dadurch noch erhöht wurde, daß Anno die königlichen Rechte gegenüber der Kirche und dem Papsttum schmachvoll preisgab. Annos Herrschsucht erregte bald große Unzufriedenheit, und dadurch erhielt der nicht weniger ehrgeizige Erzbischof Adalbert von Bremen Gelegenheit, auf die Erziehung des Königs Einfluß zu gewinnen und einen Teil der Reichsregentschaft an sich zu bringen. Annos Härte und Strenge mußte von ebenso ungünstigem Einfluß auf die Ausbildung des Charakters des mit trefflichen Anlagen begabten jungen Königs sein wie Adalberts allzu nachsichtsvolle Milde, die sich den erwachenden Leidenschaften und Launen des Zöglings anbequemte. Als H. heranwuchs, schloß er sich Adalbert, dem Freund seines Vaters, an; daher ließ Adalbert den 14jährigen H. nach der Rückkehr von seinem ersten Feldzug gegen die Ungarn 1065 zu Worms in feierlicher Fürstenversammlung für mündig erklären und regierte nun für denselben. Es war seine Absicht, die königlichen Herrschaftsrechte in ihrem alten Umfang herzustellen und noch zu verstärken. Da bildeten [310] die Fürsten eine neue Verschwörung und zwangen auf einem Reichstag zu Tribur 1066 H., sich von Adalbert zu trennen und ihnen die Reichsverwaltung zu überlassen. Während diese nun das Reich eigennützig regierten und die Verwirrung steigerten, ergab sich der junge König, durch die erlittene Demütigung erbittert, einem zügellosen Lebenswandel. Die Fürsten zwangen ihn daher 1066 zur Vermählung mit Bertha, der Tochter des Markgrafen von Susa, und legten ihm sehr beengende Fesseln für sein öffentliches und privates Leben an. H. machte den Versuch, sich von der Vormundschaft der Fürsten und der lästigen Ehe zu befreien. Er trug 1069 auf Scheidung der Ehe an, aber die Fürsten, unterstützt durch einen päpstlichen Legaten, zwangen ihn, seine Gattin zu behalten; widerwillig fügte er sich, und nach und nach entstand auch ein gutes Verhältnis zwischen den Gatten; er begegnete ihr, seit sie ihm einen Sohn geboren hatte (1071), mit Achtung. Überhaupt begann H. 1070 einen eignen Willen zu zeigen. Er zog Adalbert wieder an seinen Hof und in sein Vertrauen. Sodann machte er seine Macht gegen die wiederholt widerspenstigen Fürsten geltend. Den Herzog Otto von Bayern klagte er an, einen Mordanschlag gegen ihn gemacht zu haben, und erklärte ihn, als er vor dem Reichstag zu Mainz nicht erschien, seines Herzogtums (welches Welf erhielt) für verlustig, verwüstete seine Güter in Thüringen und hielt ihn nach einer scheinbaren Aussöhnung an seinem Hof gewissermaßen gefangen. Herzog Magnus von Sachsen, der Verbündete Ottos, hatte dasselbe Schicksal. Demselben Los entging der schon verdächtig gewordene Herzog Rudolf von Schwaben nur mit Mühe. König H. zeigte den entschiedensten Willen, die selbständigen Herzöge unter das Königtum zu beugen, und war entschlossen, den Widerspruch derselben mit Absetzung zu bestrafen. So wurde damals dem Herzog Berthold von Kärnten sein Herzogtum genommen. Um seine Herrschaft zu sichern, legte H. vorzüglich in Sachsen und Thüringen viele feste Schlösser an, durch deren Besatzungen er die Umwohner im Zaum halten konnte. Die Thüringer zwang er zur Entrichtung des Zehnten an Mainz. Von den erbitterten Fürsten und Bischöfen, besonders Otto von Nordheim, aufgereizt, empörten sich 1073 die Sachsen. Es gelang, den König in der Harzburg einzuschließen. Zwar entkam er aus derselben, aber die Weigerung der meisten weltlichen und geistlichen Großen, ihm beizustehen, nötigte ihn, Unterhandlungen anzuknüpfen, die zum Frieden von Gerstungen (1074) führten, nach welchem über Ottos Sache binnen Jahresfrist ein Fürstengericht entscheiden und die Zwingburgen sämtlich zerstört werden sollten. Es war eine Demütigung des Königtums durch die Fürsten, welche H. nicht ertragen konnte; er brachte die Mittel zusammen, diese Schmach zu rächen. Das kirchenschänderische Verhalten der Sachsen bei der Zerstörung der Harzburg gab ihm die Waffen in die Hand. 1075 rüstete er ein Heer aus, besiegte die Sachsen 9. Juni bei Hohenburg an der Unstrut und bewilligte ihnen erst nach bedingungsloser Unterwerfung den von ihnen nachgesuchten Frieden. Mit gerechter Strafe belegte er jetzt die Fürsten und die Geistlichen, welche am Aufstand sich beteiligt hatten.
Mit großer Machtfülle schien also 1075 das deutsche Königtum durch H. aufs neue bekleidet zu sein. Selbstverständlich hatte sich aber H. durch sein schneidiges Auftreten viele Gegner gemacht. Er war heftig, jähzornig und rachsüchtig; er hielt an seinen Hoheitsrechten wider geistliche und weltliche Fürsten fest. In Sachsen wurde er grimmig gehaßt. Die Herzöge, besonders Rudolf von Schwaben, fürchteten sein gewaltsames Verfahren. Und das Papsttum, das unter Hildebrands Leitung während der Jugend Heinrichs 1056–1070 die Weltherrschaft an sich zu reißen begonnen hatte, war jetzt besorgt vor des Königs kräftigem Auftreten. Gregor VII. war der Meinung, mit den deutschen Unzufriedenen vereint den König unter seine Herrschaft beugen zu müssen. So begann er 1075 sich in die deutschen Dinge direkt einzumischen. Er legte sein Fürwort für die Sachsen ein, forderte Freilassung der gefangenen Geistlichen; auch das Investiturverbot, das er 1075 erlassen, verlangte er von H. beachtet zu sehen; das königliche Ernennungsrecht der Bischöfe, an welchem H. mit vollem Recht und mit klarer Erkenntnis der Bedeutung festhielt, wurde nun das Objekt des Kampfes zwischen Königtum und Papsttum. Nachdem Gregor schon einigemal mildere Zuschriften an H. erlassen, ließ er im Dezember 1075 ein Schreiben an H. ergehen, das eine Menge von Anklagen gegen H. aufhäufte und in schroffem Ton sofortige Beweise seines Gehorsams gegen die Kirche forderte. Dies reizte die Heftigkeit des Königs, er nahm den Kampf an; 24. Jan. 1076 auf einer Versammlung in Worms wurde der Papst für abgesetzt erklärt. Gregor sprach darauf den Bann über H. (22. Febr. 1076) aus und entband die Völker des Gehorsams gegen ihn. H. spottete zwar anfangs darüber, aber im Sommer 1076 gewannen des Papstes Manifeste, lebhaft unterstützt durch eine zahlreiche Litteratur aus den Kreisen fanatischer Mönche, in Deutschland Anhang; die früher schon zur Rebellion geneigten Herzöge und Fürsten schlugen sich auf des Papstes Seite. Ein Fürstentag in Tribur bestimmte im Oktober 1076, daß die Sache des Königs im Februar 1077 auf einem Reichstag in Augsburg unter dem Vorsitz des Papstes entschieden werden und er sich bis dahin der Regierung enthalten solle. Von allen Mitteln entblößt, fügte H. sich diesem Spruch, beschloß aber, seiner von den Fürsten beabsichtigten schmachvollen Demütigung auf dem Reichstag dadurch zuvorzukommen, daß er vorher seine Loslösung vom Bann erwirkte, und begab sich daher im Winter 1077, nur von seiner Gemahlin und seinem Sohn begleitet, bei strenger Kälte nach Italien. Er traf den Papst im Schloß Canossa bei der Markgräfin Mathilde und mußte drei Tage lang (25.–27. Jan. 1077[WS 1]) barfuß und in härenem Gewand im Hof des Schlosses auf die Gnade des hartherzigen Papstes warten, der erst am vierten Tag (28. Jan.) dem Drängen seiner Umgebung nachgab: es ward der Bann von H. genommen gegen sein Versprechen, den deutschen Fürsten Genugthuung zu leisten. H. schwur Gehorsam, faßte aber alsbald, von den lombardischen Großen noch mehr aufgeregt, den Plan, die erlittene Schmach zu rächen. Die deutschen Fürsten selbst gaben ihm dazu Gelegenheit. Denn da sie trotz Heinrichs Befreiung vom Bann unterdes auf dem Fürstentag zu Forchheim den Herzog Rudolf von Schwaben zum deutschen König gewählt hatten, kehrte H. nach Deutschland zurück, gewann hier schnell die Volksgunst wieder und sammelte aus den Bürgern der Städte sowie aus dem Landvolk Bayerns, Böhmens und Kärntens bald ein ansehnliches Heer. Zwar fielen die Schlachten bei Mellrichstadt 1078 und bei Zeitz 1080 zu Heinrichs Nachteil aus; aber Rudolf starb kurz nach der letzten Schlacht an seinen Wunden, und so stand H. wieder als alleiniger Herrscher da. Allerdings hatte ihn der Papst aufs neue in den Bann gethan, aber zwei Versammlungen deutscher [311] Bischöfe zu Mainz und zu Brixen erklärten Gregor VII. für abgesetzt und wählten in Clemens III. einen neuen Papst. Jetzt war die Zeit der Rache für H. gekommen. Er zog mit einem mächtigen Heer über die Alpen (1081), erhielt in Mailand die lombardische Königskrone, verwüstete das Land der Markgräfin Mathilde, eroberte Florenz und erschien Pfingsten vor Rom. Die Belagerung Roms ging aber nur langsam vorwärts, erst im März 1084 wurde er Herr der Stadt und ließ sich am Osterfest 1084 von Clemens III. zum römischen Kaiser krönen. Gregor VII. hatte sich in die Engelsburg geflüchtet und rief den Normannenherzog Robert Guiscard zu Hilfe. Auf die Kunde hiervon zog H. von Rom ab. In Mittelitalien kämpften nun die beiden Parteien miteinander ohne entscheidendes Übergewicht der einen oder andern.
In Deutschland war während Heinrichs Abwesenheit von der Fürstenopposition an Rudolfs Stelle im August 1081 Graf Hermann von Lützelburg in Bamberg zum König erhoben worden. Indes war der größte Teil der Deutschen jetzt H. günstiger gesinnt; auch die Sachsen und Thüringer unterwarfen sich ihm wieder (1085). Zwar verlor H. 11. Aug. 1085 die Schlacht bei Würzburg gegen seinen Gegner Hermann und den Herzog Welf von Bayern; aber die Mehrheit der deutschen Bischöfe ergriff 1085 auf einer Synode in Mainz für H. Partei, und in Süddeutschland hatte H. an Friedrich von Staufen, den er 1079 zum Herzog von Schwaben erhoben, einen wackern Vorkämpfer. So fiel das Übergewicht nach und nach auf die kaiserliche Seite. Der schwache Gegenkönig Hermann legte 1088 freiwillig seine Würde nieder. Von einem gefährlichern Feinde, dem Markgrafen Eckbert von Meißen, der sich selbst als Gegenkönig aufgestellt und H. in mehreren Gefechten geschlagen hatte, befreite ihn 1089 dessen Ermordung. In Deutschland schien damit die Flamme des Bürgerkriegs zu erlöschen. Unterdessen war auch Gregor VII. gestorben (25. Mai 1085), und der von seiner Partei erwählte Papst Viktor III. (1085–1088) und nach dessen baldigem Tod Urban II. (1088–1099) lagen in heftigem Kampf mit dem von H. eingesetzten Papst Clemens III. H. zog deshalb 1090 wieder nach Italien, eroberte Mantua und gewann über Welf, den Gemahl der Markgräfin Mathilde, mehrere Siege. Aber wenn H. gehofft hatte, dem Ende der Kämpfe nahe zu sein, so sollte er neue Enttäuschungen erleben. Tiefer als je wurde er gebeugt, als sein Sohn Konrad sich von der Gegenpartei gegen den Vater gewinnen ließ, von ihm abfiel und sich 1093 zum König von Italien krönen ließ, während sich zugleich die Lombarden in Verbindung mit dem Herzog Welf aufs neue erhoben. H. zog sich darauf thatenlos in die Gegenden östlich der Etsch zurück. Als Urban damals die abendländische Christenheit mit seinem Kreuzzugsruf zu kirchlichem Eifer entflammte, stand H. zur Seite, ohne Macht, die große kirchliche Bewegung, die den Sieg des Papsttums der Welt offen ankündigte, zu hemmen. Erst im Frühjahr 1097 kehrte er nach Deutschland zurück, gewann hier durch Zugeständnisse die mächtigsten Fürsten, unter ihnen selbst den Herzog Welf; sie erwählten sogar seinen zweiten Sohn, Heinrich, zu Köln (1098) zum deutschen König. Die Ruhe war in Deutschland für einen Augenblick wiederhergestellt. Aber der neue Papst, Paschalis II., that H. aufs neue in den Bann, und die Großen Bayerns bewogen 1104 seinen geliebtesten Sohn, Heinrich, die Waffen gegen den Vater zu ergreifen. So standen sich Vater und Sohn im Feld gegenüber; dem Vater hingen vornehmlich die Städte an, zu dem Sohn hielt die Mehrzahl der Fürsten. Endlich gelang es dem Sohn, den Vater zu überlisten; er geriet in die Gefangenschaft des Sohns und wurde gezwungen, 31. Dez. 1105 in Ingelheim seine Abdankung förmlich zu erklären. Er entkam zwar noch einmal der Haft, floh nach Lüttich und gedachte, den Verrat des Sohns zu bestrafen; ehe es aber zu neuem Krieg kam, starb H. 7. Aug. 1106 in Lüttich. Der Bischof von Lüttich ließ ihn einstweilen beisetzen; aber Heinrich V. befahl, den Leichnam nach Speier zu bringen, wo derselbe fünf Jahre lang in einer nicht geweihten Seitenkapelle des Doms in einem steinernen Sarg unbestattet stand, bis der Papst 1111 den Toten vom Bann lossprach und seine Beisetzung im Dom erlaubte. H. war vermählt zuerst seit 1066 mit Bertha, der Tochter des Markgrafen Otto von Susa, die ihm außer den genannten Söhnen Konrad (gest. 1101) und Heinrich eine Tochter, Agnes, Gemahlin des ersten staufischen Herzogs von Schwaben, gebar und 1087 starb, sodann seit 1089 mit Adelheid (Praxedis), der Tochter des russischen Fürsten Wsewolod, Witwe des Markgrafen Udo von der Nordmark, die 1095 starb. H. besaß treffliche Gaben des Geistes und Herzens. Er war treu und erkenntlich gegen seine wirklichen Freunde, ein Freund des Volkes dessen Bedrückern gegenüber, tapfer im Kampf und scharfsinnig im Rat, aber leidenschaftlich und jähzornig, rasch im Entschluß, aber nicht beharrlich in der Ausführung. Sein Charakter ist von seinen Gegnern, welche in der historischen Litteratur seiner Zeit das große Wort geführt, in der boshaftesten Weise entstellt und verleumdet worden. H. kämpfte für die Erhaltung der deutschen Königsmacht gegen die Unbotmäßigkeit der deutschen Fürsten und gegen die hierarchischen Tendenzen des Papsttums; seine Gegner waren Partikularismus und Ultramontanismus, und ihren vereinigten, mit Hinterlist und Gewalt ausgeführten Angriffen ist er erlegen. Gegen diese beiden gewaltigen Feinde das Reich und die Krone zu schützen, das war die Aufgabe, die ihm geworden, und die glücklich zu lösen Charakterfehler und ungünstige Umstände ihn verhindert haben. Gleichwohl hat er durch seinen Widerstand den Sieg des Papsttums erheblich verzögert und eine unbeschränkte Hierarchie unmöglich gemacht. Vgl. Floto, H. IV. und sein Zeitalter (Stuttg. 1855–57, 2 Bde.); Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. 3 (4. Aufl., Braunschw. 1876); Kilian, Itinerar Kaiser Heinrichs IV. (Heidelb. 1886).
5) H. V., Sohn des vorigen, geb. 8. Jan. 1081, ward schon 1098, als sein älterer Bruder, Konrad, sich gegen den Vater empört hatte, zum römischen König erwählt und 1104 von den unversöhnlichen Gegnern Heinrichs IV. zu offener Empörung verleitet. Nachdem er den Vater 31. Dez. 1105 zur Abdankung gezwungen, wurde er 6. Jan. 1106 in Mainz zum König erklärt, allgemein aber erst nach Heinrichs IV. Tod anerkannt. Des Vaters Anhänger ließ er für ihre Treue büßen, so die Stadt Köln durch eine Geldstrafe und den Herzog von Lothringen durch den Verlust seines Herzogtums. Dem neuen König gelang es in Deutschland bald, den Frieden herzustellen; aber sein Versuch, die deutsche Lehnshoheit über Böhmen, Ungarn und Polen faktisch zu erneuern, schlug fehl. Da H. als Geschöpf der päpstlichen Partei 1104 und 1105 aufgetreten war, hatte man gehofft, er werde bald den Investiturstreit beendigen. Diese Hoffnung erwies sich sofort als eitel. Papst Paschalis II. sprach das römische Prinzip, daß kein Laie mehr die Investitur erteilen dürfe, noch einmal sehr bestimmt aus auf der Synode zu Guastalla (1106); [312] H. erkannte dies Verbot nicht an und verlieh deutschen Bischöfen die Investitur. Da der Papst den Weg friedlicher Vermittelung verwarf, vielmehr auf der Lateransynode von 1110 seine prinzipiellen Erklärungen wiederholte, zog H. 1110 mit 30,000 Mann nach Italien, ließ sich auf den Ronkalischen Feldern von den oberitalienischen Städten huldigen und rückte gegen Rom vor. In Sutri wurde darauf zwischen H. und Paschalis eine Vereinbarung dahin getroffen, daß die Kirche alle vom Reich empfangenen Güter und fürstlichen Rechte zurückgeben und dafür dann der Kaiser auf die Investitur verzichten solle. Dies sogen. Konkordat von Sutri (dessen Inhalt auf eine Trennung von Kirche und Staat hinauslief) war aber unausführbar. Als es nach dem Einzug des Königs in Rom 12. Febr. 1111 in der Peterskirche beschworen werden sollte, erhob sich von seiten der Kirchenfürsten ein Sturm der Entrüstung dagegen. Als sich nun der Papst weigerte, H. zu krönen, ließ ihn dieser nebst den meisten Kardinälen gefangen nehmen. Die Römer vertrieben zwar die Deutschen aus Rom; aber der Papst gestand endlich dem Kaiser die Investitur der Bischöfe und Äbte zu, worauf er seine Freiheit wiedererhielt und 13. April 1111 H. krönte. Kaum aber war der Kaiser nach Deutschland zurückgekehrt, als die Lateransynode im März 1112 das Zugeständnis des Papstes für ungültig erklärte und im September 1112 die Synode zu Vienne den Kaiser H. mit dem Bann belegte. H. führte damals Krieg gegen die sächsischen Großen wegen Einziehung der orlamündischen Erbschaft und wurde nach mehreren Siegen in der Schlacht am Welfesholz an der Wipper 1115 geschlagen. Der päpstliche Bann wirkte auf die Stimmung der Deutschen; man verlangte allgemein nach Frieden mit Papst und Kirche, so daß H. von seinen eignen Fürsten zu einiger Nachgiebigkeit veranlaßt wurde. 1116 zog er wieder mit Heeresmacht nach Italien, bemächtigte sich der Besitzungen der verstorbenen Markgräfin Mathilde und vertrieb den Papst aus Rom. Nach Paschalis’ II. Tod (1118) wurde dem vom Kaiser erhobenen Papst Gregor VIII. von der Priesterpartei Gelasius II. entgegengestellt, der den Bannfluch gegen H. erneuerte. Unterdessen hatte in Deutschland der Bürgerkrieg fortgedauert. Zwar stellte H. 1119 den Frieden her, indem er auf entgegenkommende Verhandlungen mit dem Papst einzugehen und in Deutschland den frühern Besitzstand wieder aufzurichten versprach; aber der an Gelasius’ II. Stelle gewählte Papst Calixtus II. sprach nach einigen fruchtlosen Unterhandlungen ebenfalls den Bannfluch gegen H. aus. Nichtsdestoweniger brach sich die friedliche Strömung jetzt allseitig Bahn. Auf dem Reichstag in Würzburg kam 1121 endlich der Reichsfriede und eine allgemeine gegenseitige Ausgleichung zu stande. Die Fürstenpartei übernahm es darauf, den Frieden mit der Kirche zu vermitteln. Ein Kompromiß schien in der Idee möglich, die geistliche und weltliche Seite in den bischöflichen Ämtern zu unterscheiden, und auf diesem Grund errichtete man gleichzeitig auf einer Synode und einem Reichstag in Worms 23. Sept. 1122 das Konkordat, wonach die Wahl der Bischöfe den Domkapiteln anheimgestellt werden, dem Kaiser aber die weltliche Belehnung der Gewählten mittels des Zepters zustehen solle. Nach Beendigung dieses langwierigen Streits wurde des Kaisers Thätigkeit noch von einzelnen Fehden im Innern in Anspruch genommen, namentlich in Meißen, wo Konrad von Wettin dem Grafen Wiprecht v. Groitzsch die diesem vom Kaiser verliehene Markgrafschaft streitig machte, und durch die Belagerung und Eroberung der Stadt Worms, die sich gegen den Kaiser aufgelehnt hatte; doch starb er schon 23. Mai 1125 in Utrecht. Sein Leichnam ward zu Speier beigesetzt. Er war in kinderloser Ehe vermählt mit Mathilde, Tochter des Königs Heinrich I. von England, die später den Grafen von Anjou heiratete und Stammmutter der Plantagenets wurde (s. Mathilde 2). H. war ein Mann von hartem, herrschsüchtigem Geist und starkem Charakter, unerbittlich und streng, mißtrauisch und selbst unzuverlässig für andre, daher keineswegs beliebt. Mit ihm erlosch das salische oder fränkische Kaisergeschlecht. Vgl. Gervais, Geschichte Deutschlands unter H. V. und Lothar II., Bd. 1 (Leipz. 1841).
6) H. VI., ältester Sohn Kaiser Friedrichs I. von dessen zweiter Gemahlin, Beatrix von Burgund, geb. 1165, wurde 15. Aug. 1169 zum König erwählt. Von zartem, nicht großem Körperbau und ernsten Gesichtszügen, dabei mit klarem Verstand und großer Willensstärke ausgestattet, besaß er eine bedeutende Geistesbildung. In allen ritterlichen Künsten geübt, hat er sich auch als Minnesänger versucht. In frühster Jugend nahm er an den italienischen Kriegsfahrten des Vaters Anteil, und 1186 wurde er durch seine Vermählung mit Konstanze von Sizilien, der Tochter des Königs Roger, in entscheidender Weise an die Schicksale und die politischen Verhältnisse Italiens gefesselt. Durch die Erwerbung von Sizilien sollte den Staufern der in Oberitalien verloren gegangene Einfluß auf die Halbinsel und vor allem auf Rom gesichert werden. Als Friedrich 1189 nach Palästina zog, übertrug er H. die Verwaltung des Reichs, dessen Frieden dieser sofort gegen Heinrich den Löwen zu verteidigen hatte. Durch seines Vaters Tod (10. Juni 1190) wurde er wirklicher Beherrscher Deutschlands und zog sofort nach Italien, wo er 15. April 1191 zu Rom von Cölestin III. zum Kaiser gekrönt ward. Nun wollte er nach dem Tode des Königs Wilhelm II. von Sizilien (16. Nov. 1189), des letzten männlichen Sprosses des normännischen Königshauses, 1191 die Regierung des Königreichs antreten; allein es erstand ihm in Tancred von Lecce, dem illegitimen Sohn Wilhelms, ein von den Normannen unterstützter Gegner. Neapel konnte trotz mehrmonatlicher Belagerung nicht erobert werden; eine furchtbare Seuche vernichtete einen großen Teil des deutschen Heers, und Konstanze geriet in die Gefangenschaft des Feindes. Inzwischen hatte in Deutschland Heinrich der Löwe die Gegner der Staufer gesammelt, während Richard Löwenherz sich auf der Heimreise von seinem Kreuzzug befand, auf dem er deutsche Fürsten und vornehmlich den Herzog von Österreich schwer beleidigt hatte. Da geschah es, daß König Richard dem mit H. eng verbündeten Herzog Leopold bei Wien in die Hände fiel und von diesem dem Kaiser ausgeliefert wurde. So große Verwickelungen durch die Gefangenschaft und harte Behandlung Richards auch entstanden, und so sehr sich die päpstliche Politik der englischen und welfischen Gegner des Kaisers annahm, so wurde doch durch einen glücklichen Umstand die Sache gelöst, indem eine Wechselheirat zwischen Heinrichs des Löwen Sohn und des Kaisers Base Agnes den Gegensatz der feindlichen Häuser in Deutschland ausglich und der englische König 1194 gegen hohes Lösegeld aus der Gefangenschaft entlassen wurde. H. kehrte darauf nach Italien zurück, wo Tancred und sein ältester Sohn, Roger, gestorben waren, und nahm mit Waffengewalt von seinem sizilischen Erbreich Besitz; jeder Widerstand wurde mit unbarmherziger Strenge niedergeschlagen, zahlreiche normännische [313] Große grausam hingerichtet, geblendet und in den Kerker geworfen; Tancreds Familie ward gefangen nach Deutschland geführt. H. beschloß nun, das Kaisertum wieder zu gebietender Weltstellung zu erheben. Aber ein Versuch des Kaisers, sein Übergewicht zur Herstellung einer erblichen Monarchie und Abschaffung des Wahlreichs zu benutzen, scheiterte an dem Widerstand der deutschen Fürsten auf den Reichstagen zu Worms und Würzburg 1196. Obwohl Papst Cölestin gegen den in Italien übermächtigen H. den Bannstrahl geschleudert hatte, unterstützte dieser doch die neue Kreuzpredigt, welche die deutschen Fürsten zu einer Fahrt nach dem Orient aufrief. An der Spitze der deutschen Fürsten kam der staatskluge Erzbischof Konrad von Mainz mit einem Heer nach Italien, durch welches der Kaiser zugleich in den Stand gesetzt ward, einen neuen Aufstand in Sizilien mit blutiger Gewalt zu unterdrücken. Aber durch seinen frühen Tod (28. Sept. 1197) wurde H. verhindert, die großen Weltherrschaftspläne auszuführen, die er in Absicht auf die griechische Halbinsel und den Orient hegte. Sein Sarkophag steht in der Kathedrale zu Palermo. Sein einziger Sohn war Friedrich II., damals dreijährig. Vgl. Toeche, Kaiser H. VI. (Leipz. 1867); Mücke, H. VI. nach Otto von St. Blasien, Arnold von Lübeck und den Kölner Annalen dargestellt (Erfurt 1876); Ficker, Über das Testament Kaiser Heinrichs VI. (Wien 1871).
7) H. (als römischer König H. VII.), ältester Sohn Kaiser Friedrichs II. von dessen erster Gemahlin, Konstanze von Aragonien, geb. 1211, ward schon als Kind zum König von Sizilien gekrönt. Hierauf ließ ihn Friedrich II. zu Frankfurt 1220 auch zum deutschen König wählen, obgleich die Päpste die Trennung Siziliens von Deutschland zur Bedingung ihrer Freundschaft für den Kaiser gemacht hatten. Nachdem H. 8. Mai 1221 von dem Kölner Erzbischof Engelbert in Aachen gekrönt worden, blieb er in Deutschland als Reichsverweser des Kaisers unter Leitung eines Fürstenrats und vermählte sich 1225 mit der sechs Jahre ältern Tochter Leopolds von Österreich, Margareta von Babenberg. Bei dem Kampf des Lombardenbundes gegen Friedrich II. nahm er, aufgereizt von mehreren Ministerialen, seinen Räten, mit mehreren deutschen Fürsten auf Antrieb Gregors IX. eine drohende Stellung gegen den Vater an und verharrte in Unbotmäßigkeit, nachdem ihm schon einmal verziehen worden war. Er wollte sich zum selbständigen Beherrscher Deutschlands machen. Als aber Friedrich II. nach Deutschland kam, verließ alles den unglücklichen Sohn, welcher im Juli 1235 vom Vater gefangen und nach Apulien, endlich nach Martirano in Kalabrien geführt wurde, wo er 12. Febr. 1242 starb; er ist in Cosenza beigesetzt. Aus seiner Ehe stammten zwei Söhne, Friedrich und Heinrich, deren erstern Kaiser Friedrich II. nach dem Aussterben des babenbergischen Mannesstamms mit den österreichischen Herzogtümern testamentarisch belehnte, ohne daß er sich in den Besitz derselben zu setzen vermochte. Beide Brüder starben um 1251 in Italien.
8) H. Raspe, s. Heinrich 49).
9) H. VII. von Luxemburg, Begründer der luxemburgischen Kaiserdynastie, Sohn des in der Schlacht bei Worringen 1288 gefallenen Grafen Heinrich III. von Lützelburg und der Beatrix von Avesnes, geb. 1269, war zunächst Graf von Luxemburg, seit 1292 vermählt mit des Herzogs Johann von Brabant Tochter Margareta, wodurch der frühere niederrheinische Dynastenstreit seinen beruhigenden Abschluß gefunden. H. verdankte seine Erhebung dem Erzbischof Peter von Aspelt von Mainz und dem Erzbischof Balduin von Trier, seinem Bruder. Gewählt 27. Nov. 1308, wurde er zu Aachen 6. Jan. 1309 gekrönt. Die neben H. in Betracht gekommenen Bewerber von Brandenburg und Sachsen schlossen sich der rheinischen Kurfürstenverbindung und ihrem Erwählten ehrlich an. Die österreichischen Herzöge, die Söhne Kaiser Albrechts I., waren nicht eigentlich als Thronkandidaten aufgetreten und verständigten sich rasch mit dem Luxemburger. Nur in Böhmen war der dort herrschende Streit über die Nachfolge der Przemysliden noch nicht geschlichtet und der von einem Teil der Stände zum König erwählte Heinrich von Kärnten dem neuen Herrscher feindlich. Aber in wunderbar glücklicher Weise löste sich die böhmische Frage zu gunsten des luxemburgischen Hauses. Wenzels III., des letzten przemyslidischen Königs, jüngere Schwester, Elisabeth, suchte Schutz und Hilfe bei Kaiser H. gegen ihren eignen Schwager, den kärntnischen Herzog, und vermählte sich mit Heinrichs Sohn Johann von Luxemburg, welchem der Kaiser als oberster Lehnsherr 1310 Böhmen übertrug, und welchem die Geistlichkeit (besonders die mächtigen Cistercienser), die Städte und ein großer Teil der Herren in Böhmen rasch sich zuwandten. Der Erzbischof von Mainz, mit den böhmischen Verhältnissen aus frühern Zeiten genau vertraut, ebnete dem jugendlichen Paar die Wege nach Prag, wo sich Böhmens glänzendste Epoche unter der neuen Dynastie vorbereitete. H. nahm seinerseits den gesicherten Zustand des Reichs und den innern Frieden zum Anlaß der Wiederherstellung des Kaisertums in Italien und der Erneuerung des deutschen Ansehens in der europäischen Politik. Nachdem er den Grafen von Württemberg, den einzigen unbotmäßigen Fürsten, gedemütigt, brach er im September 1310 von Kolmar nach Burgund auf und ging über den Mont Cenis nach Italien, wo ihm ghibellinische Hoffnungen, in Dantes Worte und Sprache gekleidet, überall entgegenkamen. Seine Stellung war schwierig. Von den Legaten des Avignonschen Papstes Clemens V. begleitet, von der französischen Politik eifersüchtig bewacht, von den Anjous in Neapel offen und heimlich befehdet, mußte er zunächst die Guelfen schonen, die Gegensätze der Parteien auszugleichen suchen. Hierdurch entfremdete er sich aber die Ghibellinen. Die Kriege und Wirren nahmen erst recht zu, und das Ansehen Heinrichs und seine Macht schwanden mehr und mehr. Nach seiner Ankunft in Rom (Mai 1312) folgten Aufstand u. Kampf. Über Barrikaden und Leichen schritt H. in den Lateran zur Kaiserkrönung 29. Juni 1312. Von Rom ging er nach Florenz und warf sich nun in raschem Entschluß den Ghibellinen ganz in die Arme, in deren Hauptplatz Pisa er Residenz nahm. Hier ächtete er Robert von Neapel und rüstete sich trotz der Drohung des Papstes mit dem Bann zum Zuge gegen Neapel. Auf dem Marsch dahin versuchte er vergeblich Siena zu erstürmen. Im August 1313 kam er krank nach Buonconvento, wo er bald nach dem Genuß des Abendmahls (24. Aug. 1313) starb. Dieser Umstand gab zu der unbegründeten Behauptung Anlaß, daß ihn ein Predigermönch, den man mit Namen bezeichnen zu können meinte, vergiftet habe. Heinrichs Leiche ward in Pisa beigesetzt. Vgl. Dönniges, Kritik der Quellen für die Geschichte Heinrichs VII. (Berl. 1841); Barthold, Der Römerzug Heinrichs von Lützelburg (Königsb. 1831, 2 Bde.); Kopp, Geschichte der eidgenössischen Bünde, Bd. 4, Abt. 1 (Luz. 1854); Wenck, Clemens V. und Heinrich VII. (Halle 1882); „Die Romfahrt Kaiser Heinrichs VII. im Bildercyklus des [314] Codex Balduini Trevirensis“ (39 Tafeln, mit Text von Irmer, Berl. 1881).
[Bayern.] 10) H. I., Herzog von Bayern, zweiter Sohn des deutschen Königs Heinrich I. und seiner Gemahlin Mathilde, bald nach dessen Thronbesteigung geboren, empörte sich 938 gegen seinen Bruder Otto I. im Bund mit Eberhard von Franken und Giselbert von Lothringen, weil er als Königssohn mehr Recht auf den Thron habe, wurde aber 939 bei Birten geschlagen und gezwungen, Deutschland zu verlassen. Er floh zu König Ludwig IV. von Frankreich, unterwarf sich aber, nachdem derselbe mit Otto Frieden geschlossen, und erhielt das Herzogtum Lothringen. Da ihm dasselbe wieder genommen wurde, weil er sich in der Herrschaft nicht behaupten konnte, versuchte er Otto I. Ostern 941 in Quedlinburg zu ermorden. Der Anschlag wurde entdeckt, H. in Ingelheim gefangen gehalten, zu Weihnachten 941 in Frankfurt a. M. nach reuevoller Buße begnadigt und 948 mit dem Herzogtum Bayern (seine Gemahlin Judith war eine bayrische Fürstin) belehnt. Er schützte und vergrößerte dasselbe im tapfern Kampf mit den Ungarn, ferner durch den Erwerb Friauls von Italien, geleitete die Königin Adelheid als Brautwerber seines Bruders 951 nach Pavia, erregte durch die große Gunst, die er sich durch seine treue Ergebenheit bei Otto I. erworben, den Neid und den Aufruhr Ludolfs und Konrads von Lothringen (953–954), unterdrückte den Aufstand in Bayern mit grausamer Strenge und starb 1. Nov. 955 im Kloster Pöhlde. Vgl. Winter, H. von Bayern (Jena 1872).
11) H. II., der Zänker, Herzog von Bayern, Sohn des vorigen, folgte vierjährig seinem Vater unter Vormundschaft seiner Mutter Judith, vermählte sich mit einer Nichte der Kaiserin Adelheid, Gisela von Burgund, und machte 974 eine Verschwörung, um Otto II. zu entthronen und selbst die Krone zu erlangen. Deswegen zu Ingelheim gefangen gesetzt, entfloh er und stiftete einen Aufruhr in Bayern an, wurde indes 976 besiegt und seines Herzogtums, 978 nach einer neuen Empörung auch seiner Güter beraubt und unter die Aufsicht des Bischofs von Utrecht gestellt. Nach Ottos II. Tod vom Bischof seiner Haft entlassen, suchte er sich 984 von neuem an Stelle des unmündigen Otto III. des Throns zu bemächtigen, unterwarf sich jedoch 985 in Frankfurt und erhielt Bayern zurück. Er hielt nun Frieden, erwarb 989 Kärnten und die italische Mark zurück und starb 28. Aug. 995 in Gandersheim. Sein Nachfolger im Herzogtum war sein Sohn, der nachmalige Kaiser Heinrich II.
12) H. der Stolze, Herzog von Bayern und Sachsen, aus dem Haus der Welfen (s. d.), geboren um 1108, Sohn Heinrichs des Schwarzen (gest. 1126), folgte diesem als Herzog von Bayern und vermählte sich 29. Mai 1127 mit Gertrud, der einzigen Tochter Kaiser Lothars, welche dem welfischen Haus die supplinburgischen, braunschweigischen und nordheimischen Allodialgüter in Sachsen zubrachte. Er stritt tapfer für Lothar gegen die Staufer, begleitete 1136 den Kaiser auf seinem zweiten Römerzug und erhielt die Markgrafschaft Tuscien und vom Papste die Mathildischen Güter. Da ihn Lothar auf der Rückkehr aus Italien kurz vor seinem Tod in Breitenwang 1137 zum Herzog von Sachsen ernannt und ihm die Reichsinsignien überliefert hatte, rühmte er sich mit stolzem Munde, daß seine Besitzungen vom Mittelmeer bis zur Ostsee reichten, und beanspruchte, zum deutschen König erwählt zu werden. Indes trotz seiner ritterlichen Tüchtigkeit wurde er wegen seines hochfahrenden Wesens und seiner allzu großen Macht nicht gewählt. H. lieferte dem 1138 auf den Thron erhobenen Konrad III. die Reichskleinodien aus, weigerte sich aber, auf eins seiner Herzogtümer Verzicht zu leisten. Hierauf wurde er geächtet und Sachsen Albrecht dem Bären übertragen. H. vertrieb aber seine Gegner aus Sachsen und behauptete dasselbe siegreich auch gegen Konrad, starb aber plötzlich im blühenden Mannesalter, noch nicht 32 Jahre alt, in Quedlinburg 20. Okt. 1139. Er wurde zu Königslutter begraben.
13) H. der Löwe (wahrscheinlich von dem Löwen als Sinnbild der Tapferkeit), Herzog von Bayern und Sachsen, Sohn des vorigen und der Tochter Kaiser Lothars, Gertrud, geb. 1129, erhielt auf dem Reichstag zu Frankfurt 1142 das von seiner Großmutter Richenza tapfer verteidigte Sachsen zurück und verzichtete auf Bayern. 1147 nahm er indes wieder den Titel eines Herzogs von Bayern an und versuchte 1151 das Herzogtum mit Waffengewalt wiederzuerwerben. Friedrich I. gab es ihm auch 1154 zurück, aber erst 1156 gelangte H. in den wirklichen Besitz desselben. Er begleitete zum Dank dafür Friedrich auf seinem ersten Römerzügen, zeichnete sich durch seine Tapferkeit in dem Kampf in Rom 1155 aus und stand auch im Kirchenstreit auf seiten des Kaisers. In den Zwischenzeiten befestigte er seine Gewalt in Bayern, wo er München gründete, vor allem aber in Sachsen, dessen Ostgrenzen er durch glückliche Kämpfe gegen die Slawen bedeutend erweiterte. Er erhob Lübeck zur Stadt, stiftete mehrere Bistümer und Klöster und eroberte ganz Mecklenburg und Vorpommern. In diesen Küstenlanden der Ostsee breitete sich nun das Christentum aus, Friede und Ordnung befestigten sich, Ackerbau, Industrie und Handel entfalteten sich durch niederländische und flandrische Kolonisten rasch zu hoher Blüte. Aber seine Erfolge steigerten seine Selbstüberhebung und seine Herrschsucht so, daß eine große Zahl geistlicher und weltlicher Fürsten und Herren, die Erzbischöfe Wichmann von Magdeburg und Hartwig von Bremen, die Bischöfe von Halberstadt und Hildesheim, der Markgraf Albrecht von Brandenburg, der Landgraf Ludwig von Thüringen u. a., 1166 zu Merseburg einen Bund gegen ihn schlossen, während H. in Pommern kämpfte. Er beendigte aber rasch den dortigen Krieg, indem er dem Obotritenfürsten Pribislav nach Annahme des Christentums Mecklenburg als sächsisches Lehen zurückgab, und wandte sich gegen die Verbündeten. Es entbrannte ein heftiger Kampf, den Friedrich I. nach zweijähriger Dauer auf dem Reichstag zu Bamberg (Juni 1169) zu Heinrichs gunsten beilegte, da er auf die welfische Freundschaft großes Gewicht legte. Heinrichs Stellung war so fest und unerschüttert, daß er 1172 eine Pilgerfahrt nach Jerusalem unternehmen konnte. Seitdem jedoch der Kaiser sich durch einen Vertrag mit Welf VI. (s. Welfen) die Erbfolge in den welfischen Gütern in Schwaben gesichert und H. nach seiner zweiten Vermählung mit der englischen Prinzessin Mathilde (1. Febr. 1167) männliche Erben erhalten hatte, erkaltete allmählich die Freundschaft zwischen beiden Fürsten. H. hielt sich für mächtig genug, um des kaiserlichen Schutzes entbehren zu können; sein Gebiet in Norddeutschland unterschied sich wenig von einem unabhängigen Reich. Die alte Eifersucht gegen die Staufer erwachte wieder in H. und steigerte seinen Stolz, seinen Eigenwillen, seinen Ehrgeiz, und er beschloß, seine Kräfte allein auf Stärkung seiner Hausmacht zu verwenden und sein Geschlecht so zu erheben, daß es nach der höchsten Krone [315] streben dürfte. Er nahm deshalb an dem Römerzug 1174 nicht teil und weigerte sich, als Friedrich nach der mißlungenen Belagerung von Alessandria auf einer persönlichen Zusammenkunft in Partenkirchen (Februar 1176) H. um bewaffneten Zuzug bat, hartnäckig, denselben zu leisten, unternahm vielmehr einen neuen Zug nach Pommern, um die dortigen Eroberungen zu erweitern. Er fürchtete, daß während seiner Abwesenheit in Italien seine Gegner in Sachsen mit Erfolg sich gegen ihn erheben würden; auch mochte er hoffen, daß Friedrich in Italien so lange festgehalten werden würde, bis er seine Unabhängigkeit hinreichend gesichert hätte. Der Kaiser schloß indessen nach der Niederlage von Legnano (29. Mai 1176) mit Alexander III. den Frieden von Venedig (1. Aug. 1177) und kehrte 1178 nach Deutschland zurück. Schon vorher hatte Bischof Ulrich von Halberstadt an der Spitze der sächsischen Großen den Kampf gegen H. begonnen. Dieser arbeitete seinen Feinden in die Hände, indem er alle Versöhnungsanträge des Kaisers zurückwies und den Krieg gegen die Großen mit Energie und Gewaltthätigkeit führte. Auch erschien er 1179 nicht auf den zur Entscheidung seiner Sache berufenen Fürstentagen zu Worms, Magdeburg und Kayna. Er wurde nun 15. Jan. 1180 zu Würzburg geächtet und 13. April 1180 auf dem Reichstag zu Gelnhausen ihm Sachsen aberkannt, 24. Juni 1180 zu Regensburg auch Bayern, womit Otto von Wittelsbach belehnt wurde. H. errang anfangs bei seinem bewaffneten Widerstand Erfolge, nahm Bischof Ulrich von Halberstadt gefangen, besiegte den Landgrafen von Thüringen bei Weißensee, und Adolf von Schauenburg schlug die Scharen des Erzbischofs von Köln bei Halrefeld. Als aber der Kaiser selbst in Sachsen einbrach, fielen die treu gebliebenen Vasallen von H. ab; auch Lübeck öffnete 1181 dem Kaiser seine Thore. Jetzt unterwarf sich H. und erhielt auf dem Reichstag zu Erfurt (November 1181) seine Allodien Braunschweig und Lüneburg zurück, mußte aber zu seinem Schwiegervater, König Heinrich II. von England, in die Verbannung gehen. 1185 erhielt er die Erlaubnis, wieder nach Deutschland zu kommen; als sich indes Friedrich 1188 zum Kreuzzug rüstete, stellte er H. die Wahl zwischen förmlichem Verzicht oder Teilnahme am Kreuzzug oder nochmaliger dreijähriger Verbannung. H. wählte das letztere, kehrte indes schon Michaelis 1189 nach Sachsen zurück und fiel über seine alten Widersacher, zunächst über Adolf von Holstein, her, eroberte dessen Land, zerstörte Bardowiek und brachte den größten Teil seines Herzogtums wieder an sich, bequemte sich jedoch nach mehreren unglücklichen Gefechten zum Frieden von Fulda (Juli 1190), der ihm wenig von dem Eroberten ließ. Noch immer gab er aber die Hoffnung auf Wiederherstellung der Welfenmacht nicht auf. 1192 begann er nochmals einen Krieg, als Heinrichs VI. Herrschaft die Unzufriedenheit der Fürsten erregt hatte, unterwarf sich wieder 1193, um Richard Löwenherz’ Freilassung zu erlangen, und starb, versöhnt mit Heinrich VI., 6. Aug. 1195 zu Braunschweig, wo in der St. Blasiuskirche sein Grabdenkmal und auf dem Burgplatz der eherne Löwe steht, den er selbst als Symbol seiner Macht errichtet. Er war zuerst mit Clementia von Zähringen vermählt, von der er sich 1163 scheiden ließ, dann mit der Tochter Heinrichs II. von England, Mathilde (gest. 1189). Er hinterließ drei Söhne, von denen Otto, der dritte, 1208 Kaiser wurde (s. Otto IV.). Vgl. die Biographien von Böttiger (Hannov. 1819), H. Prutz (Leipz. 1865) und M. Philippson (das. 1867–68, 2 Bde.).
14) H. Jasomirgott (so genannt nach dem Ausruf, den er gewöhnlich im Mund führte), Herzog von Bayern, aus dem Haus der Babenberger, zweiter Sohn Leopolds des Heiligen und der Tochter Kaiser Heinrichs IV., Agnes, geb. 1114, wurde 1142 nach seines Bruders Leopold (gest. 1141) Tod Markgraf von Österreich und vermählte sich mit Heinrichs des Stolzen Witwe, Kaiser Lothars Tochter Gertrud. 1143 wurde er auch mit dem Herzogtum Bayern belehnt, nahm 1147–49 am zweiten Kreuzzug teil, mußte 1154 Bayern an Heinrich den Löwen zurückgeben, ward jedoch 1156 dadurch entschädigt, daß Österreich reichsunmittelbares Herzogtum mit ermäßigten Leistungen an das Reich wurde. Er starb 1177. Vgl. (Bergenstamm) Versuch einer Lebensgeschichte H. Jasomirgotts (Wien 1819).
[Braunschweig-Wolfenbüttel.] 15) H. der jüngere, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, Sohn Heinrichs des ältern und der Prinzessin Katharina von Pommern, geb. 10. Nov. 1489, regierte mit Ausschließung seiner Brüder seit 1514, doch erkannte sein Bruder Wilhelm erst 1535 die Erbfolge nach der Erstgeburt an. In die Hildesheimer Stiftsfehde verwickelt, wurde H. zwar in der Schlacht auf der Soltauer Heide 29. Juni 1519 geschlagen; doch wurden durch die Gunst Karls V. 1523 ihm und seinem Vetter Erich fast sämtliche hildesheimische Stiftslande zugesprochen. Im Bauernkrieg zog er dem Landgrafen von Hessen und dem Kurfürsten von Sachsen zu Hilfe und nahm an der Schlacht bei Frankenhausen 15. Mai 1525 teil. 1528 stand er mit 1000 Reitern Karl V. gegen den Papst und Venedig bei, das Heer wurde jedoch ein Opfer ansteckender Seuchen, und er selbst entkam nur in Verkleidung den überall auflauernden Feinden. Ein Feind der Reformation (Luther schrieb gegen ihn die Flugschrift „Wider Hanns Worst“), suchte er in den evangelischen Nachbarstaaten Unheil und Aufruhr zu stiften, wurde aber von dem Kurfürsten von Sachsen und dem Landgrafen von Hessen 1542 aus seinem Land vertrieben und bei einem Versuch, dasselbe wiederzuerobern, 21. Okt. 1545 gefangen genommen. Nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 wieder in Freiheit gesetzt, geriet er mit seinem Adel in Streit und erregte durch seine Härte und Verfolgungssucht gegen die neue Lehre große Erbitterung, so daß Markgraf Albrecht Alcibiades wieder einen Einfall in Braunschweig wagte. Der Beistand Moritz’ von Sachsen, der in der Schlacht von Sievershausen (9. Juli 1553) fiel, befreite H. Durch den Tod zweier Söhne in dieser Schlacht milder gestimmt, söhnte er sich mit seinem Land aus und zeigte sich sogar in seinen spätern Jahren der Lehre Luthers nicht abgeneigt. Er starb 11. Juni 1568. H. war mit Gräfin Maria von Württemberg, dann mit der polnischen Prinzessin Sophie vermählt. Bekannt ist er durch seine romantische Liebe zu Eva v. Trott, die er für gestorben ausgab, insgeheim aber auf der Staufenburg am Harz verborgen hielt. Vgl. Elster, Charakteristik Heinrichs des jüngern (Braunschw. 1845); Koldewey, Heinz von Wolfenbüttel (Halle 1883).
16) H. Julius, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, geb. 15. Okt. 1564, Sohn des Herzogs Julius, erhielt eine gelehrte Erziehung, verstand Lateinisch, Griechisch und Hebräisch, war ein ausgezeichneter Jurist und sogar ein geschickter Baumeister. Auch verfaßte er 1593–94 unter dem Einfluß der „englischen Komödianten“ (s. d.) elf Dramen (hrsg. von Holland, Stuttg. 1855, und von Tittmann, Leipz. 1880) und ließ sie auf seiner Hofbühne in Wolfenbüttel [316] aufführen. Das Bistum Halberstadt, dessen Bischof er seit 1566 war, verwaltete er seit 1578 vortrefflich. Als er jedoch 1589 Herzog von Wolfenbüttel wurde, hielt er einen so glänzenden Hof, daß er das Land mit Steuern bedrücken mußte und eine große Schuldenlast ihm auflegte. Wegen eines Streits mit der Stadt Braunschweig begab er sich 1607 an den kaiserlichen Hof nach Prag, wo er bei Kaiser Rudolf großen Einfluß erlangte und in den Streitigkeiten zwischen diesem und seinem Bruder Matthias sowie in denen zwischen Katholiken und Protestanten den erfolgreichen Vermittler spielte. Er starb 20. Juli 1613 in Prag. Vgl. Ludewig, H. Julius, Herzog zu Braunschweig (Helmstedt 1833).
[Champagne.] 17) Graf von Champagne, König von Jerusalem, geb. 1150, nahm am dritten Kreuzzug teil, zeichnete sich bei der Belagerung von Akka aus und wurde 1192 nach der Ermordung Konrads von Tyros, dessen Witwe Elisabeth er heiratete, von den Baronen zum König von Jerusalem erwählt. Er erlangte indes nie die wirkliche Herrschaft über das Reich und starb 10. Sept. 1197 infolge eines Sturzes aus dem Fenster seines Palastes.
[England.] 18) H. I., König von England, wegen seiner Gelehrsamkeit Beauclerc, „der schöne Scholar“, genannt, vierter Sohn Wilhelms des Eroberers, geb. 1070, folgte im August 1100 seinem Bruder Wilhelm II., behauptete sich mit Hilfe des Klerus und der Angelsachsen, welche er durch seine Vermählung mit der aus dem Blute der angelsächsischen Könige entsprossenen Margarete für sich gewann, gegen seinen ältern, vom Vater von der Regierung ausgeschlossenen Bruder, Robert, der 1097–1100 eine Kreuzfahrt unternommen hatte, geriet aber über die Investitur mit dem Papst in Streit. Von ihm rührt die erste Grundlage der englischen Verfassung, die Charta libertatum, her. Er starb 1. Dez. 1135 zu Rouen in der Normandie; seine Regierung ist besonders deshalb wichtig, weil sie die Versöhnung der unterworfenen Bevölkerung Englands mit der Dynastie der normännischen Eroberer anbahnte. Sein Nachfolger war, da Heinrichs Sohn Wilhelm 1120 bei einem Schiffbruch umgekommen war, Stephan von Blois.
19) H. II., genannt Courtmantle („Kurzmantel“, weil er die Mode kurzer Mäntel nach England brachte), König von England, Sohn des Grafen Gottfried Plantagenet von Anjou und der Mathilde, der Tochter des vorigen, geb. 5. März 1133, von dem gelehrten Robert von Gloucester erzogen, war nach dem Willen seines Großvaters zu dessen Nachfolger auf dem Thron ausersehen. Allein sein Vetter Stephan von Blois nahm denselben nach Heinrichs I. Tod ein und behauptete ihn gegen Mathilde. Von seinem Vater her im Besitz von Anjou, Touraine, Maine und einem Teil von Berry, durch seine Mutter von der Normandie, durch seine Gemahlin Eleonore von Poitou mit der er sich 1152 vermählte, von Aquitanien, Guienne, Saintonge, Poitou, Auvergne, Périgord, Limousin, also Herr des dritten Teils von Frankreich, begann H. 1153 mit den Mitteln dieser bedeutenden Hausmacht gegen Stephan Krieg und nötigte denselben, ihn zum Erben der englischen Krone einzusetzen. Demzufolge landete er, nachdem Stephan 25. Okt. 1154 gestorben war, in England und wurde 19. Dez. zu London gekrönt. 1159 unternahm er einen Zug gegen den Grafen von Toulouse, ward dann in einen Krieg mit Frankreich verwickelt, den er siegreich zu Ende führte, und kehrte erst 1163 nach England zurück. Hier suchte er alsbald den Übergriffen des Papstes und des Klerus Schranken zu setzen und zwang die Prälaten, im Januar 1164 die berühmten Konstitutionen von Clarendon zu unterschreiben, durch welche die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in einem für die Krone günstigen Sinn geordnet wurden. Der von H. 1162 zum Primas des Reichs und Erzbischof von Canterbury erhobene Thomas Becket erkannte diese Beschlüsse erst nach anfänglicher Weigerung und widerstrebend an und fiel deshalb bei H., dessen Günstling er früher gewesen war, in Ungnade. In Anklagezustand versetzt, floh er auf den Kontinent und wiegelte von dort aus den Papst, Frankreich und das englische Volk gegen H. auf, der sich 1170 entschloß, ihn zurückzuberufen. Da er aber nach seiner Rückkehr den vom Papst ausgesprochenen Bann gegen einige Bischöfe, welche auf des Königs Seite gestanden hatten, aufrecht erhielt, äußerte H. den Wunsch, von dem herrschsüchtigen Prälaten befreit zu werden, und dies veranlaßte vier Edelleute, den Erzbischof 29. Dez. 1170 in der Kathedrale zu Canterbury zu ermorden. Gerade das aber führte zu einem Sieg der hierarchischen Ideen: um den Bannstrahl des Papstes abzuwenden, mußte der König seine Unschuld an dem Mord beschwören, die Konstitutionen von Clarendon aufheben und sich dem Papst unterwerfen, worauf er 1172 absolviert wurde. 1171 schon hatte er Irland erobert. Bald darauf aber brach ein noch weit gefährlicherer Aufstand gegen ihn aus. Seine eigne Gemahlin Eleonore reizte, von dem König vernachlässigt, den Thronerben Heinrich zur Empörung, und dieser begann in Verbindung mit seinen Brüdern und dem König von Frankreich 1173 Krieg gegen den Vater und zwar in den französischen Besitzungen. Zugleich erhob sich König Wilhelm von Schottland gegen H., und im Innern erregte der Graf Leicester einen Aufruhr. Aber H. schlug den letztern 1173 bei Dol, zwang durch den Sieg bei Alnwick 1174 den schottischen König zur Unterwerfung und setzte dann nach Frankreich über, wo er nicht weniger schnell die Ruhe herstellte. Am 30. Sept. 1174 wurde Friede geschlossen, nachdem H. 12. Juli am Grab des ein Jahr zuvor heilig gesprochenen Erzbischofs demütigende Buße gethan hatte, um seine Versöhnung mit der Geistlichkeit vollständig zu machen. 1183 erhob sich der Kronprinz Heinrich in Verbindung mit Frankreich aufs neue gegen den Vater, starb jedoch schon im Juni d. J. Eine letzte Empörung der beiden jüngern Söhne Heinrichs brach 1188 aus; der Gram und Unmut darüber nagte an dem Leben des Königs, der am 6. Juli 1189 im Schloß Chinon bei Saumur starb. Unter H. sind wesentliche Reformen des Gerichtswesens angebahnt und die wichtigen Institute des Geschwornengerichts, der Reiserichter, des Schatzkammergerichts und des Gerichtshofs der King’s Bench (s. d.) teils eingeführt, teils vervollkommt worden. Sein Nachfolger war Richard Löwenherz. Vgl. Lyttleton, History of the life of Henry II. (Lond. 1767, 3 Bde.).
20) H. III., König von England, Enkel des vorigen, Sohn Johanns ohne Land und der Isabella von Angoulême, geb. 1. Okt. 1207, folgte seinem Vater 1216 auf dem Thron und stand anfangs unter Vormundschaft des Reichsmarschalls Wilhelm Grafen von Pembroke, welcher unter Mitwirkung des päpstlichen Legaten die rebellischen Barone unterwarf und die Franzosen, welche ins Land eingedrungen waren, wieder vertrieb. Auch nachdem der König volljährig geworden, stand er fortwährend unter der Leitung der hohen Geistlichkeit und der Verwandten seiner Gemahlin Eleonore von Provence. Die Geldforderungen, die er stellte, um seinem Bruder Richard [317] von Cornwallis die Behauptung der römischen Königskrone zu ermöglichen und seinem jüngern Sohn, Edmund, die Herrschaft über Neapel und Sizilien zu verschaffen, führten einen allgemeinen Aufstand herbei, der für die Geschichte Englands (s. Großbritannien, S. 792) von der allergrößten Bedeutung geworden ist, weil während desselben der König 1264 geschlagen und gefangen genommen wurde und das Haupt der aufständischen Barone, Simon von Montfort, Graf von Leicester, zur Versammlung der Stände des Reichs Abgeordnete der Grafschaften und Städte hinzuzog, womit die Grundlage zur spätern Verfassung des englischen Parlaments gelegt wurde. H. wurde zwar durch die Schlacht von Evesham 4. Aug. 1265 von seinem Sohn Eduard aus der Gefangenschaft befreit, mußte sich aber in den noch übrigen Jahren seines Lebens zu einer mildern Regierungsweise und zur Beobachtung der Magna Charta bequemen. Er starb 16. Nov. 1272 in Westminster und hatte seinen Sohn Eduard II. zum Nachfolger.
21) H. IV., Bolingbroke nach seinem Geburtsort genannt, König von England, der erste König aus dem Haus Lancaster, geb. 1366, Sohn Johanns von Gaunt, Herzogs von Lancaster, u. Enkel Eduards III., war früher Graf von Derby und Herzog von Hereford. Da er sich als Jüngling eifrig an den innern Kämpfen beteiligt, auch auf einem Heereszug gegen die Litauer kriegerischen Ruhm erworben hatte, fürchtete ihn der schwache König Richard II. und verwies ihn infolge eines Streits mit dem Herzog von Norfolk 1398 auf immer aus England. H. begab sich an den französischen Hof, wo er freundliche Aufnahme fand, während der König ihn nach dem im Februar 1399 erfolgten Tod seines Vaters für unfähig erklärte, dessen Erbschaft anzutreten, und seine Güter einzog. H. landete darauf in der Grafschaft York, und in kurzer Zeit fiel ihm ganz England zu. Der ihm von Richard entgegengeschickte Graf von Salisbury vermochte nichts gegen ihn auszurichten; der König selbst fiel durch Verrat des Grafen von Northumberland 19. Aug. in seine Hände, mußte 29. Sept. 1399 eine Entsagungsakte unterschreiben und wurde überdies vor dem Parlament angeklagt, das ihn absetzte und 30. Sept. H. als König von England ausrufen ließ. Richard II. starb wenige Wochen darauf in Pontrefact wahrscheinlich eines gewaltsamen Todes. 1400 unternahm H. einen vergeblichen Zug nach Schottland, um den König zur Huldigung zu zwingen; in demselben Jahr erhob in Wales Owen Glendower, der Titel und Herrschaft der alten einheimischen Fürsten beanspruchte, die Fahne des Aufruhrs. Ein Feldzug Heinrichs gegen ihn 1402 blieb erfolglos, und mit ihm verband sich Heinrich Percy, Graf von Northumberland, ehemaliger Freund und Genosse Heinrichs; dessen Sohn Heinrich Percy, genannt Hotspur (d. h. Heißsporn), ward aber 21. Juli 1403 bei Shrewsbury geschlagen und getötet, worauf der Vater sich 1404 unterwarf. Eine zweite Empörung, die der alte Percy 1405 in Verbindung mit Richard Scrope, dem Erzbischof von York, gegen H. versuchte, endete mit der Gefangennahme und Hinrichtung des Erzbischofs im Juni 1405 und mit dem Tode des Grafen in dem Gefecht von Bramham 19. Febr. 1408, während Owen Glendower in den äußersten Norden von Wales, in die Schluchten des Snowdon, zurückgedrängt wurde. Seitdem regierte H. in Ruhe und bewies ebensoviel Klugheit und Mäßigung wie Energie. Den Vorschlag des Parlaments, einen Teil der geistlichen Güter einzuziehen, wies er zurück und suchte sich durch grausame Verfolgung der Anhänger Wiclefs die Gunst des Klerus zu verschaffen. Von der Furcht, der usurpierten Krone wieder beraubt zu werden, und von Gewissensbissen gequält, starb H. 20. März 1413. Ihm folgte sein Sohn Heinrich V. Shakespeare machte ihn zum Helden eines seiner Dramen. Vgl. Wylie, History of England under Henry the fourth (Lond. 1884, 2 Bde.).
22) H. V., König von England, Sohn des vorigen, geb. 19. Aug. 1387, führte als Kronprinz ein wüstes, ausschweifendes Leben, schlug aber nach seiner Thronbesteigung andre Bahnen ein und ward ein tüchtiger Regent, den auch menschliche Tugend und Liebenswürdigkeit zierten. Durch Gnadenakte gegen den bisher seiner Thronansprüche wegen in Haft gehaltenen Grafen Edmund von March und Heinrich Percy, den Sohn des „Heißsporns“, suchte er sich populär zu machen; doch fürchtete er so sehr die Macht des Klerus, daß er demselben die wiclefitisch gesinnten Lollarden opferte. Sein Hauptstreben war auf Gewinnung der Herrschaft über Frankreich gerichtet, die ihm um so leichter schien, als dies Land damals unter dem wahnsinnigen Karl VI. durch Parteikämpfe im Innern zerrissen wurde und H. mit dem Herzog Johann von Burgund seit 1414 in enger Verbindung stand. Nach Unterdrückung einer vom Grafen Richard von Cambridge, dem Stammvater des Hauses York, angezettelten Verschwörung landete er im August 1415 mit 30,000 Mann in der Normandie und erfocht über die mit vierfach überlegenen Streitkräften gegen ihn heranrückenden Franzosen den entscheidenden Sieg bei Azincourt (25. Okt. 1415). Im August 1417 erschien er wieder an der Spitze von 25,000 Mann in der Normandie, erstürmte Caen und eroberte im Laufe von zwei Jahren fast die ganze Provinz. Die durch den Dauphin und die Partei der Orléans angestiftete Ermordung des Herzogs von Burgund bewog dessen Sohn Philipp den Guten zu noch engerm Anschluß an H. Die Folge davon war der Abschluß des Vertrags von Troyes (21. Mai 1420) zwischen H. und dem französischen Hof, dem zufolge sich H. mit Katharina, der Tochter Karls VI., vermählte und die Regentschaft über Frankreich unter der Bedingung übernahm, daß nach Ableben des Königs ihm und seinen Nachkommen aus dieser Ehe die französische Krone zufallen solle. Da aber der enterbte Dauphin diesen Vertrag nicht anerkannte und, durch ein schottisches Hilfskorps unterstützt, 23. März 1421 bei Baugé die englische Armee unter dem Herzog von Clarence schlug, mußte H., der nach England gegangen war, abermals nach Frankreich übersetzen, starb aber schon 31. Aug. 1422 in Vincennes. Als Regent zeichnete er sich durch strenge Gerechtigkeit und ernste Handhabung des Gesetzes aus. Ihm folgte sein Sohn Heinrich VI. Seine Witwe Katharina vermählte sich zum zweitenmal mit dem wallisischen Edelmann Owen Tudor, dessen Nachkommen mit Heinrich VII. (s. d.) den englischen Thron bestiegen. Auch H. V. hat Shakespeare zum Helden eines Dramas gemacht. Vgl. Goodwin, History of the reign of Henry V. (Lond. 1704), Cole, Memorials of Henry V. (das. 1858).
23) H. VI., König von England, Sohn des vorigen und Katharinas von Frankreich, geb. 6. Dez. 1421, war beim Tod seines Vaters neun Monate alt und blieb ein Kind bis zu seinem Tod. Seine Vormünder, erst der Herzog von Bedford, dann Gloucester und der Bischof von Winchester, erzogen ihn zu einer willenlosen Puppe, die von den Parteiführern in den Kämpfen zwischen der roten und weißen Rose (s. Großbritannien, S. 795) so lange hin- und hergeworfen wurde, bis es dem jungen Herzog Eduard von York gelang, 1461 den Schwächling vom Thron zu stoßen. [318] H., dessen Gemahlin Margarete, eine Tochter des Herzogs Renatus von Anjou, vergeblich eine Armee gegen den Usurpator aufgestellt hatte, war den Nachstellungen seiner Feinde anfangs glücklich entgangen, bis er endlich 1464 entdeckt und nach schmachvoller Mißhandlung in den Tower gebracht wurde. 1470 ward er noch einmal durch den Grafen Warwick befreit und wieder auf den Thron gesetzt, schon im folgenden Jahr aber wieder gefangen genommen und 21. Mai 1471 im Tower ermordet. Auch H. VI. ist der Held eines Shakespeareschen Dramas.
24) H. VII., König von England, war der erste englische König aus dem Haus Tudor, von welchem er durch seinen Vater Edmund Tudor, Grafen von Richmond, abstammte; seine Mutter Margarete Beaufort dagegen war eine Urenkelin Johanns von Gaunt, Herzogs von Lancaster, und der Katharina Swynford. Die Nachkommenschaft aus dieser Verbindung war 1397 legitimiert worden; ob ihr aber dabei ein Anspruch auf die Thronfolge eingeräumt war, ist sehr zweifelhaft, und keinenfalls war H. deswegen erbberechtigt, weil sein väterlicher Großvater Owen Tudor die Witwe Heinrichs V. geheiratet hatte. Nichtsdestoweniger galt H. Tudor stets als Glied des Hauses Lancaster und bahnte sich als Lancaster den Weg zum Thron. Am 17. Jan. 1456 auf Schloß Pembroke geboren, ward er nach dem Sturz des Hauses Lancaster durch Eduard IV. von seinem Oheim, dem Grafen Pembroke, nach der Bretagne gebracht. Auf ihn richteten sich nach der Usurpation des englischen Throns durch Richard III. (s. d.) nicht nur die Augen der Anhänger des Hauses Lancaster, sondern auch die aller Gegner Richards. Durch seine Verlobung mit Elisabeth, der ältesten Tochter Eduards IV., die der Herzog von Buckingham zu stande brachte, wurden Heinrichs Ansprüche auf den Thron noch verstärkt. Von Karl VII. von Frankreich unterstützt, ging er mit 2000 Engländern zu Harfleur unter Segel und landete 6. Aug. 1485 zu Milford Haven in Südwales. Er brachte seine Schar schnell auf 6000 Mann und stieß bei Bosworth 22. Aug. d. J. auf Richard, der mit 12,000 Mann gegen ihn ausgezogen war. Der Übertritt des Lords Stanley auf Heinrichs Seite hatte die Niederlage Richards zur Folge, der selbst im Kampf blieb. H. ward darauf zum König von England proklamiert, und Volk und Adel, des ewigen Bürgerkriegs müde, waren mit seiner Erhebung zufrieden. Den letzten männlichen Sproß des Hauses York, den Grafen Eduard von Warwick, ließ H. in den Tower bringen; mit Elisabeth vermählte er sich erst nach seiner Krönung (30. Okt.), damit es nicht scheine, als ob er erst aus dieser Verbindung sein Recht auf die Thronfolge ableite. Zwei Kronprätendenten hatte er im Lauf seiner Regierung zu bekämpfen. Ein gewisser Lambert Simnel, der Sohn eines Tischlers, gab sich nämlich für Richard von York, den Sohn Eduards IV., aus und spielte seine Rolle so geschickt, daß ihn die Großen von Irland als Eduard VI. krönten. Auch sandte Eduards IV. Schwester, die verwitwete Herzogin von Burgund, ein Hilfskorps nach Irland, das, dort verstärkt, in England landete. Doch siegte H. bei Stoke 1487 über die Empörer. In den Streit des Herzogs von Bretagne mit der Krone von Frankreich verwickelt, erschien er, angeblich zur Wiedereroberung der frühern englischen Besitzungen, mit starker Streitmacht im Oktober 1492 vor Boulogne, schloß aber, durch ansehnliche Summen zufriedengestellt, 30. Nov. zu Etaples mit Karl VIII. Frieden. Ein neuer Prätendent tauchte später in der Person eines gewissen Perkin Warbeck (s. d.) gegen ihn auf, den König Jakob IV. von Schottland als Sohn Eduards IV. anerkannte. Selbst von vielen englischen Großen wurde der Prätendent willkommen geheißen, zuletzt aber von Jakob IV., der 1497 mit H. Frieden schloß, im Stiche gelassen. Die nun zurückkehrende Ruhe benutzte H., um seinen Thron zu befestigen und die königliche Machtbefugnis möglichst zu erweitern. Mit kluger Politik benutzte er die Ohnmacht des Adels, der aus den langen Bürgerkriegen an Zahl und an Mitteln sehr geschwächt hervorgegangen war, um unter Beibehaltung der verfassungsmäßigen Institutionen des Parlaments, der Jury, der Organe der Selbstverwaltung, doch überall die königliche Macht zu stärken; ein wesentliches Mittel dazu war die Errichtung der „Sternkammer“, eines Gerichtshofs für politische Prozesse. Er war ein guter Finanzmann, der große Schätze ansammelte und doch den materiellen Wohlstand des Volkes zu fördern nicht unterließ. Auch hob er das Bürgertum durch Verbesserung der Rechtspflege und begünstigte Handel und Schiffahrt selbst mit beträchtlichen Geldopfern. So unterstützte er die Entdeckungsfahrten des Venezianers Caboto, der 1497 das Festland von Amerika entdeckte. Die äußere Politik Heinrichs ist durch seine Allianz mit Spanien charakterisiert; sie gab ihm den wünschenswerten Rückhalt in der europäischen Politik. Er vermählte seinen ältesten Sohn, Arthur, und, als dieser starb, seinen zweiten, Heinrich, mit Katharina von Aragonien; durch die Ehe seiner Tochter Margarete mit Jakob IV. von Schottland kam das Anrecht auf die Krone von England an das Haus Stuart. H. starb 22. April 1509. Vgl. Campbell, Materials for a history of the reign of Henry VII. (Lond. 1873 ff.).
25) H. VIII., König von England, Sohn des vorigen, geb. 28. Juni 1491, bestieg 1509 den englischen Thron und verheiratete sich in demselben Jahr mit Katharina von Aragonien, der Witwe seines Bruders Arthur. H. war ein stattlicher Mann, mit glänzenden Gaben ausgestattet, ein in Gelehrsamkeit und ritterlichen Künsten gleichmäßig ausgezeichneter Fürst. Seine Regierung folgte den Impulsen, die sein persönlicher Charakter ihr gab; aber auch dem wachsenden Einfluß seiner Ratgeber war sie offen. Anfangs leitete der Kardinal Wolsey das Ruder des Staats. Im J. 1512 verband sich H. mit dem Kaiser Maximilian I. gegen Ludwig XII. von Frankreich, siegte zwar 17. Aug. 1513 in der sogen. Sporenschlacht bei Guinegate, schloß aber, ohne diesen Sieg zu benutzen, im folgenden Jahr Frieden mit Frankreich und dann mit Ludwigs XII. Nachfolger Franz I. sogar ein Bündnis gegen Karl V. Nochmals wechselte H. die Stellung, als er 1521 auf Betrieb Wolseys, der durch den Kaiser auf den päpstlichen Stuhl erhoben zu werden hoffte, eine Allianz mit Karl V. gegen Frankreich einging. Da sich Wolsey in seinen Aussichten auf den päpstlichen Stuhl getäuscht sah, erfolgte 1526 ein heftiger Bruch mit dem Kaiser, welcher zu den größten Ereignissen Anlaß gab. Durch die gegen Luthers Buch von der babylonischen Gefangenschaft gerichtete Schrift „Adsertio septem sacramentorum“ (Lond. 1521) hatte sich H. vom Papste den Titel Defensor fidei erworben, und er war infolge von Luthers 1522 erschienener Gegenschrift „Contra Henricum regem M. Lutherus“, die von H. unerwidert blieb, der entschiedenste Gegner des Protestantismus geworden. Bald nach eingetretenem Zerwürfnis mit dem Kaiser legte nun H. die Absicht an den Tag, seine Ehe mit Katharina von Aragonien, einer Tante des Kaisers, zu trennen, angeblich [319] aus Gewissensbissen, da eine Ehe mit der Witwe des Bruders nach den Gesetzen der Kirche verboten sei. Der eigentliche Beweggrund neben den politischen Motiven des Systemwechsels war aber seine Liebe zu der schönen Anna Boleyn (s. Anna 1). Nach langem Zögern übertrug Clemens VII. seinen Legaten Wolsey und Campeggio die Untersuchung über die Gültigkeit der Ehe des Königs und bevollmächtigte sie unter gewissen Bedingungen zur Auflösung derselben, hob aber nach einiger Zeit, ehe die Sache entschieden war, infolge seiner Annäherung an Karl V. die Untersuchungskommission wieder auf. H. entsetzte hierauf Wolsey seines Amtes, zog sein Vermögen ein und ließ auf den Rat des Theologen Thomas Cranmer nach dem Gutachten der berühmtesten Universitäten durch einen englischen Gerichtshof seine Ehe mit Katharina für ungültig erklären, worauf er im Anfang 1533 zur Vermählung mit Anna Boleyn schritt. Als der Papst darauf den König zur Verantwortung vor seinen Richterstuhl forderte, entschloß sich H., sein Reich von der geistlichen Oberherrschaft Roms frei zu machen; ja, er ließ sich sogar mit Beistimmung des Parlaments zum Protektor und Oberhaupt der „Anglikanischen Kirche“ (s. d.) ernennen; Cranmer wurde Primas des Reichs. Aber diese Trennung vom Papsttum, an welcher der Bannfluch, den der Papst gegen H. aussprach, nichts änderte, sollte keineswegs eine Lossagung vom Katholizismus bedeuten; dogmatisch blieb H. noch lange Zeit ein Gegner der protestantischen Reformation, deren Anhänger er ebenso fanatisch wie die Roms verfolgte; erst später neigte er sich mehr den Protestanten zu. Der Tod der Königin Katharina (6. Jan. 1536) schien die Streitigkeiten mit dem Kaiser zu beendigen, und wirklich machte dieser H. auch Anträge zur Erneuerung der frühern freundschaftlichen Beziehungen; H. zeigte jedoch wenig Neigung dazu. Um diese Zeit warf der König sein Auge auf das Hoffräulein Johanna Seymour und ließ gegen Anna auf Grund einiger von ihren Feinden erhobener Anklagen auf eheliche Untreue einen Prozeß einleiten, dessen Resultat ihre Hinrichtung 19. Mai 1536 war. Schon tags darauf vermählte er sich mit Johanna Seymour und ließ sodann durch einen Beschluß des stets von seinem Willen abhängigen Parlaments seine beiden frühern Ehen für unrechtmäßig und die daraus entsprossenen Kinder, die Prinzessinnen Maria und Elisabeth, für illegitim erklären. Zugleich räumte ihm das Parlament das Recht ein, seine Krone durch ein Testament zu geben, wem er wollte, sowie alle Güter, Rechte, Ehrenstellen und Freiheiten nach eignem Gutdünken zu verschenken; endlich stellte es fest, daß jeder, der das Ansehen des Papstes verteidigen oder die Oberherrschaft des Königs über die englische Kirche bezweifeln würde, mit dem Verlust seines Vermögens bestraft werden sollte. Neue Versuche der Katholiken, sich zu erheben, endeten 1536 unglücklich. Endlich wurde 12. Okt. 1537 durch die Geburt eines Sohns, des spätern Königs Eduard VI., Heinrichs sehnlichster Wunsch erfüllt, aber schon zwei Tage darauf starb die Königin. Das vom Parlament dem König zugestandene Recht, daß seine Verordnungen die Kraft beständiger Gesetze haben sollten und er die Ungehorsamen nach eignem Gutdünken strafen könne, machte ihn zum unumschränkten Monarchen, und das Leben und Eigentum aller seiner Unterthanen war seiner Willkür völlig preisgegeben. Inzwischen gewann eine wirklich protestantische Partei unter der Führung des Staatssekretärs Thomas Cromwell Einfluß auf den König. Cromwell bestimmte H. zu einer Vermählung mit der Prinzessin Anna von Kleve, deren Vater und deren Schwager, der Kurfürst von Sachsen, wichtige Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes waren. H. ging die Ehe ein, obwohl die Prinzessin ihm äußerlich sehr wenig gefiel. Dieselbe war aber äußerst unglücklich, und sobald H. die Gefahr, die ihm durch einen kaiserlichen Angriff 1540 gedroht, vorübergegangen glaubte, rächte er sich für die ihm angethane Gewalt. Cromwell ließ er vor dem Parlament des Verrats anklagen und ohne Verhör und Beweis für schuldig erklären und hinrichten; von Anna schied er sich gleich darauf, im Juli 1540, und vermählte sich schon im nächsten Monat mit Katharina Howard, einer Nichte des Herzogs von Norfolk, die ihn durch ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit gefesselt hatte und ihn zu einer antiprotestantischen Haltung bewog; doch vermochte auch diese fünfte Gemahlin Heinrichs ihn nicht dauernd zu fesseln, sondern ward der Untreue angeklagt und, schuldig befunden, im Januar 1542 hingerichtet. Ein Krieg mit Schottland erreichte seinen Zweck, auch dort die päpstliche Macht zu stürzen, nicht; ebenso blieb ein zweiter mit dem Kaiser gegen Frankreich 1544 unternommener Krieg ohne günstiges Ergebnis. In demselben Jahr vermählte sich der König, zum sechstenmal, mit Katharina Parr, der Witwe des Lords Latimer, aus dem Geschlecht der Nevils. Da H. nur einen männlichen Nachkommen hatte, so ließ er den beiden früher für illegitim erklärten Prinzessinnen Maria und Elisabeth für den Fall, daß Prinz Eduard ohne Erben sterben sollte, die Thronfolge durch einen Parlamentsbeschluß wieder zusichern. In seiner letzten Lebenszeit scheint H. wieder auf eine Aussöhnung mit dem Papst bedacht gewesen zu sein. Er starb 28. Febr. 1547. Ihm folgte sein Sohn Eduard VI. Vgl. Turner, History of Henry VIII. (neue Ausg., Lond. 1835, 2 Bde.); Thomson, Memoirs of the court of Henry VIII. (das. 1826; deutsch, Leipz. 1827, 2 Bde.); Tytler, Life of King Henry VIII. (neue Ausg., Edinb. 1861); Audin, Histoire de Henri VIII et du schisme d’Angleterre (4. Aufl., Par. 1876); Collette, Henry VIII. (Lond. 1864); Brewer, Calendar of letters, foreign and domestic, of the reign of Henry VIII. (das. 1862 ff.); Derselbe, The reign of Henry VIII. from his accession to the death of Wolsey (das. 1884, 2 Bde.).
[Flandern.] 26) Graf von Flandern und Hennegau, geb. 1174, begleitete 1201 seinen Bruder Balduin auf dem vierten Kreuzzug und wurde, als derselbe 1205 von den Bulgaren gefangen und getötet worden war, zuerst Reichsverweser und dann 1206 als Nachfolger desselben auf den lateinischen Kaiserthron in Konstantinopel erhoben. Er herrschte mild und versöhnlich, erwarb sich das Vertrauen der Griechen und behauptete die Oberhoheit über die lateinischen Vasallenstaaten sowie über Epirus. Gegen die auswärtigen Feinde, die Bulgaren, und den Kaiser Theodor Laskaris von Nicäa kämpfte er glücklich. Er starb 1216.
[Frankreich.] 27) H. I., König von Frankreich, dritter Sohn des Königs Robert und Konstanzes von Toulouse, Enkel Hugo Capets, geb. 1005, war erst Herzog von Burgund und folgte, nachdem er schon 1027 gekrönt und zum Mitregenten ernannt worden, 1031 seinem Vater auf dem französischen Thron. Zwar erregte seine herrschsüchtige Mutter zu gunsten seines jüngern Bruders, Robert, einen Aufstand; H. behauptete jedoch mit Hilfe des Herzogs Robert von der Normandie seine Ansprüche. Seine Regierung ist eine fortlaufende Kette von Kämpfen gegen den Adel und die in [320] dieser Periode sich entwickelnde Macht der Geistlichkeit. Er starb 1060 zu Vitry, nachdem er kurz zuvor seinen Sohn Philipp I. als Nachfolger hatte krönen lassen. H. war seit 1051 mit Anna, Tochter des Großfürsten Jaroslaw von Rußland, vermählt.
28) H. II., König von Frankreich, zweiter Sohn Franz’ I. und Claudias, der Tochter Ludwigs XII. von Frankreich, geb. 31. März 1518 zu St.-Germain en Laye, bestieg den Thron 1547 zu einer Zeit, wo von der Spaltung der Religionsparteien und der immer weiter um sich greifenden spanisch-österreichischen Macht dem französischen Reiche große Gefahr drohte. H. war von ritterlicher Gesinnung, nicht ohne Thatkraft, feurig und herrschsüchtig, aber ohne Ausdauer, unklar und fremdem Einfluß, namentlich seiner Geliebten Diana von Poitiers und des Connetables von Montmorency, zugänglich. Kaum hatte er 1548 einen in Guienne ausgebrochenen Aufstand unterdrückt, so begann er aufs neue den Krieg mit England, der im März 1550 die Rückgabe der Stadt Boulogne an die französische Krone zur Folge hatte. Am 15. Jan. 1552 schloß H. mit dem Kurfürsten Moritz von Sachsen und dessen protestantischen Bundesgenossen das Bündnis zu Chambord gegen den Kaiser, fiel zum Schutz der Freiheit der deutschen Nation, wie ein von Fontainebleau aus erlassenes Manifest besagte, im März mit 35,000 Mann in Lothringen ein, eroberte Toul und Verdun und besetzte Nancy und die Gegend von Hagenau bis Weißenburg, während der Connetable Metz durch Verrat nahm. Im Feldzug von 1554 stellte H. drei Armeen ins Feld, die Artois, Hennegau und Lüttich verwüsteten und die Kaiserlichen mehrfach schlugen. Mit weniger Glück ward seit 1552 der Krieg in Italien geführt. Erschöpft schloß Heinrich endlich im Februar 1556 mit dem Kaiser zu Vaucelles einen fünfjährigen Waffenstillstand, brach denselben aber auf Anstiften des Papstes Paul IV. und ließ den Herzog von Guise mit 20,000 Mann zur Eroberung Neapels in Italien einrücken. Das Unternehmen scheiterte jedoch an der überlegenen Feldherrnkunst des spanischen Führers, des Herzogs von Alba. Und noch unglücklicher als in Italien verlief der Krieg an der niederländischen Grenze. Der Connetable von Montmorency erlitt 10. Aug. 1557 bei St.-Quentin eine gänzliche Niederlage, die den König so außer Fassung brachte, daß er dem Herzog von Guise die Statthalterschaft über das ganze Königreich übertrug. Dieser führte nun den Krieg mit Glück, entriß den Engländern 1558 das 210 Jahre in deren Besitz gewesene Calais und eroberte Diedenhofen. Inzwischen machten sich sowohl bei H., der in seinem Reich die Protestanten durch scharfe Edikte zu unterdrücken bemüht war, als bei seinem Gegner Philipp II. Stimmen in friedlichem Sinn geltend, welche die Waffen dieser beiden katholischen Fürsten gegen das protestantische Europa zu vereinigen wünschten. So wurde 3. April 1559 zwischen Frankreich, Spanien und England der Friede zu Cateau-Cambrésis geschlossen. H. trat für die Rückgabe von Ham, St.-Quentin, Castelet und die Freilassung des bei St.-Quentin gefangenen Connetables das eroberte Piemont und überhaupt 198 feste Plätze ab. Zur Befestigung des Friedens wurde Heinrichs älteste Tochter, Elisabeth, mit Philipp II. von Spanien vermählt. H. hatte bei dieser Gelegenheit ein dreitägiges Turnier veranstaltet und erschien während desselben selbst in den Schranken. Sein Gegner, der Graf von Montgomery, hatte das Unglück, dem König eine schwere Verletzung durch einen Stoß ins rechte Auge beizubringen. Zehn Tage darauf (10. Juli 1559) starb H. an dieser Verwundung. H. war seit 1533 mit Katharina von Medicis vermählt, die ihm nach längerer Unfruchtbarkeit sieben Kinder, vier Söhne und drei Töchter, gebar; ihm folgten nacheinander seine Söhne Franz II., Karl IX., Heinrich III.
29) H. III., König von Frankreich, als Prinz Herzog von Anjou, dritter Sohn des vorigen und Katharinas von Medicis, geb. 19. Sept. 1551 zu Fontainebleau, war nicht ohne Anlagen, erhielt aber unter der Leitung seiner Mutter Katharina eine mangelhafte Erziehung. Kaum 18 Jahre alt, übernahm er das Kommando gegen die Hugenotten, siegte 1569 bei Jarnac und Moncontour und nahm an den Greueln der Bartholomäusnacht hervorragenden Teil. Nachdem seine Werbung um die Hand Elisabeths von England gescheitert, wurde er infolge der Ränke und Bestechungen seiner Mutter 1573 zum polnischen König gewählt und 15. Febr. 1574 zu Krakau gekrönt, verließ jedoch schon 18. Juni heimlich Polen, um den durch den Tod seines Bruders Karl IX. erledigten Thron von Frankreich einzunehmen. Hier ward er alsbald ein Spielball der Parteien. Er überließ seiner ränkesüchtigen Mutter die Sorgen der Regierung, während er sich Ausschweifungen aller Art ergab und von seinen Günstlingen (Mignons) sich beherrschen ließ. Am 15. Febr. 1575 zu Reims gekrönt, vermählte er sich am folgenden Tag mit Luise de Vaudemont aus dem Haus Lothringen, einer Verwandten der Guisen. Als die Religionskriege von neuem ausbrachen, benahm sich der König unentschlossen und haltlos. Bald näherte er sich, um sich der Übermacht der Guisen zu entledigen, den Hugenotten und schloß Frieden, bald wich er dem Andrängen seiner Mutter und der Katholiken und brach ihn wieder. Die Guisen arbeiteten unterdes im stillen an dem Wachstum ihrer Macht und brachten endlich nach dem unter der katholischen Partei allgemeinen Unwillen erregenden Friedensschluß zu Beaulieu (5. Mai 1576), in welchem den Hugenotten freie Religionsübung zugestanden wurde, die berüchtigte Heilige Ligue, angeblich zur Beschützung des katholischen Glaubens, im Grund aber zum Sturz des Hauses Valois, zu stande. H. erklärte sich zwar kurz darauf zum Haupte derselben, hatte aber nicht den Mut, sich selbst an die Spitze des Heers zu stellen, und somit hatte er seine Stellung durch die offene Parteinahme für die Katholiken nicht befestigt. Nach dem Tode des Herzogs von Anjou, seines Bruders und künftigen Nachfolgers (10. Juni 1584), trat er mit dem König Heinrich von Navarra in Unterhandlung und sicherte demselben die französische Thronfolge unter der Bedingung zu, daß er zum Katholizismus zurückkehre. Als aber darauf die Guisen zu den Waffen griffen, schloß er erschreckt mit der Ligue 7. Juli 1585 zu Nemours ein Abkommen, das über die Protestanten Verlust aller ihrer Rechte und Verbannung aus Frankreich verhängte. H. stellte nun gegen die Hugenotten drei Armeen ins Feld; der Sieg des Königs von Navarra bei Coutras 20. Okt. 1587 gab jedoch dem Krieg eine für die Liguisten und den Hof üble Wendung, welche der Herzog von Guise dazu benutzen wollte, den König gänzlich zu verderben. Die Häupter der Ligue legten im Januar 1588 dem König ein Ultimatum vor, in welchem derselbe zum aufrichtigen Anschluß an ihre Sache, Einführung der Inquisition etc. aufgefordert wurde. H. verwarf diese Forderungen mit ungewohnter Festigkeit und ließ 6000 Mann Truppen in Paris einrücken, worauf 12. Mai die sogen. Ligue der Sechzehner in den Straßen der Stadt einen Volksaufstand (Tag der Barrikaden) erregte. Der König wurde in [321] seinem Palast, dem Louvre, durch Barrikaden eingeschlossen, fand aber Gelegenheit, nach Chartres zu entfliehen, und unterschrieb 19. Juli einen Vergleich, wonach dem Herzog von Guise die Würde eines Generalstatthalters, dem Kardinal von Bourbon das Recht der Thronfolge zugesichert und der Ligue das Versprechen der Ketzervertilgung gegeben ward. Diesen Vergleich beschwor der König sogar im Oktober in der Versammlung der Reichsstände zu Blois auf die Hostie; 23. Dez. aber wurde der Herzog von Guise im Vorzimmer des Königs ermordet, und sein Bruder, der Kardinal von Lothringen, erlitt am folgenden Tag dasselbe Schicksal im Gefängnis. Da erhoben sich Paris und andre Städte des Reichs im offenen Aufstand, während die Sechzehner das Parlament vertrieben und ein neues aus ihrer Mitte bildeten. Der König floh nach Tours und warf sich (3. April 1589) dem König von Navarra in die Arme, ward aber dafür vom Papst in den Bann gethan. Beide Könige zogen mit dem Heer der Hugenotten gegen Paris, aber im Lager zu St.-Cloud stieß ein junger fanatisierter Dominikanermönch, Jacques Clément, den König 1. Aug. 1589 nieder. Am folgenden Tag verschied H., nachdem er den König von Navarra zum Thronerben eingesetzt. Mit ihm erlosch das Haus Valois im Mannesstamm. Vgl. de la Barre-Duparcq, Histoire de Henri III (Par. 1882).
30) H. IV., König von Frankreich, der erste König aus dem Haus Bourbon, Sohn Antons von Bourbon und der Johanna d’Albret, Tochter und Erbin Heinrichs von Navarra und Béarn, geb. 13. Dez. 1553 zu Pau. Seine frühste Jugend brachte er auf einem öden Pyrenäenschloß in ländlicher Einfachheit zu, die seinen Körper stählte. Er wurde im protestantischen Glauben erzogen, dem seine Mutter und sein Oheim, Prinz Condé, mit Eifer anhingen. Trotz des Unterrichts durch gelehrte und würdige Männer lernte H. wenig, und der wiederholte Aufenthalt am Pariser Hof gab früh seinem lebhaften, scharfen Geist eine frivole und ironische Richtung. Der Tod seines Vaters vor Rouen 1562 machte ihn schon im neunten Jahr zum König von Navarra. Aber erst beim Ausbruch des zweiten Religionskriegs (1567) wurde er nominelles und nach dem Tod Condés bei Jarnac (13. März 1569) wirkliches Oberhaupt der Hugenotten. Nach dem Frieden von St.-Germain (1570) sollte er sich mit Karls IX. Schwester Margarete vermählen und diese Heirat die Aussöhnung besiegeln. Sechs Tage nach derselben, 24. Aug. 1572, fand das furchtbare Gemetzel statt, das unter dem Namen der Bluthochzeit oder Bartholomäusnacht bekannt ist. Dem stündlich erwarteten Tod konnte sich H. nur durch den Besuch der Messe entziehen; nachher am Hof in ehrenvoller Gefangenschaft zurückgehalten, gewann er durch die Maske eines gutmütigen, harmlosen Menschen das Vertrauen König Heinrichs III., ja selbst Heinrichs von Guise. Aber bei der ersten Gelegenheit (3. Febr. 1576) entfloh er aus Paris und stellte sich an die Spitze der Hugenotten, deren Glauben er auch wieder annahm, die er aber, selbst ohne tieferes religiöses Gefühl, nur als eine politische Partei betrachtete und zur Erlangung einer einflußreichen Stellung ausnutzte. Er erwirkte auch 1580 den vorteilhaften Frieden von Fleix. Indes schon 1585, als der Tod Franz’ von Anjou (10. Juni 1584) H. zum legitimen Thronerben machte und die katholische Ligue, von Papst Sixtus V. und Philipp II. von Spanien unterstützt, Heinrichs Oheim, den altersschwachen Kardinal von Bourbon, als Thronfolger proklamierte, brach ein neuer Krieg aus, in dem H. die ganze Spannkraft seines Geistes, seine glänzenden militärischen und politischen Fähigkeiten bewies. Am 20. Okt. 1587 schlug er das königliche Heer bei Coutras. Eine entscheidende Wendung trat dann ein, als Heinrich III. nach der Empörung von Paris und der Ermordung Heinrichs von Guise (23. Dez. 1588) in sein Lager flüchtete und beim Zuge gegen die aufrührerische Hauptstadt 1. Aug. 1589 ermordet wurde. Nun war H. nach dem Salischen Gesetz König von Frankreich, indessen die Behauptung des Throns war schwierig. Zwar gewann H.[WS 2] die Partei der Politiker für sich und wußte sich die Anhänglichkeit seiner katholischen und protestantischen Freunde durch kluges und liebenswürdiges Benehmen zu erhalten. Aber die Ligue unter Guises Bruder, dem Herzog von Mayenne, und Paris blieben unversöhnliche Gegner und wurden von Spanien mit Geld und Truppen versehen. Indes erlitten sie 14. März 1590 bei Ivry eine fruchtbare Niederlage, die H. selbst durch einen Kavallerieangriff auf das beste feindliche Korps entschied. H. begann nun die Belagerung von Paris, jedoch dies wie nachher Rouen wurden von spanischen Heeren entsetzt. Seine Armee verlief sich nach dem erfolglosen Feldzug von 1592, und Mayenne wagte es, für Januar 1593 die Generalstände des Reichs behufs einer neuen Königswahl nach Paris zu berufen. Ehe es aber zu dieser kam, welche durch die Rivalität Spaniens und Mayennes erschwert war, gewann H. durch seinen abermaligen Übertritt zur katholischen Religion (in St.-Denis 23. Juli 1593) die Schwankenden für sich, beugte durch dies bei seinem religiösen Indifferentismus leichte Opfer einer dauernden Spaltung Frankreichs vor und ermöglichte die Herstellung des Friedens. Sogleich fielen ihm die meisten noch rebellischen Provinzen und Städte zu; 27. Febr. 1594 wurde er in Chartres gekrönt, und 22. März öffnete ihm Paris die Thore. Zwar machte ein junger Pariser, Châtel, der, aufgeregt durch die Lehren der Jesuiten, ein lasterhaftes Leben durch eine gottgefällige That sühnen wollte, 27. Dez. 1594 noch einen Mordanfall auf H. und verwundete ihn an der Oberlippe, worauf durch Parlamentsbeschluß die Gesellschaft Jesu aus Frankreich verbannt wurde. Indes sprach Papst Clemens VIII. 15. Sept. 1595 den König von allen kirchlichen Strafen los, 1596 unterwarf sich die Liga und ihr Haupt Mayenne zu Folembray, 2. Mai 1598 schloß auch Philipp II. von Spanien zu Vervins Frieden; das Edikt von Nantes (13. April 1598) aber sicherte den frühern Glaubensgenossen Heinrichs ihre Gleichstellung mit den Katholiken.
Einen kurzen Krieg mit Savoyen um Saluzzo (1600), in dem H. die Provinz Bresse erwarb, und einige Aufruhrversuche abgerechnet, hatte der König nun zwölf Jahre Ruhe, die er zur Reorganisation des durch die Bürgerkriege arg zerrütteten Reichs verwendete. Mit rastloser Thätigkeit arbeitete er daran und wurde dabei durch seinen klaren, raschen Blick, sein treffliches Gedächtnis und durch seine Räte unterstützt, die er vortrefflich auszuwählen wußte, und denen er die allgemeine Direktion selbst gab. Zunächst galt es, die Autorität der Staatsgewalt wiederherzustellen und ein starkes Königtum zu errichten. Er erhielt die katholische Kirche in ihrer Abhängigkeit von der königlichen Gewalt, entzog dem Adel das Recht, Truppen zu halten, vernichtete die Macht der Gouverneure der Provinzen und beseitigte die munizipale Selbständigkeit; die Generalstände wurden nie zusammenberufen, die Provinzialstände in enge Schranken gewiesen. Eine kleine stehende [322] Armee unterdrückte rasch einige Verschwörungen und Aufstände und hielt die Unterthanen im Zaum. Die Finanzen verwaltete der treffliche Maximilian von Béthune, Marquis von Rosny und Herzog von Sully, so gut, daß die auf 350 Mill. Livres angeschwollene Schuldenlast um 125 Mill. verringert, trotz Verminderung der direkten Steuern um 4 Mill. die Staatseinnahme auf jährlich 39 Mill. mit 18 Mill. Überschuß gesteigert und ein Schatz von 41 Mill. angesammelt wurde. Verkehrsstraßen wurden angelegt, das Kleingewerbe von vielen Schranken befreit, die Großindustrie, namentlich die Seidenmanufaktur, in Aufschwung gebracht; Ackerbau und Viehzucht blühten auf. Verträge mit fremden Mächten sicherten den französischen Handel, in Kanada wurde 1608 die erste Kolonie zu Quebec gegründet. Der Wohlstand hob sich rasch, die Bevölkerung stieg bis 1610 von 10 auf 13 Mill. Auch Künste und Wissenschaften förderte H. Sein Hauptaugenmerk richtete er aber auf die auswärtige Politik. Sein Ziel in derselben war die Schwächung der habsburgischen Macht (der H. zugeschriebene Plan einer europäischen Republik ist Erfindung Sullys), die, obwohl namentlich in Spanien innerlich morsch, doch noch Mittel- und Südeuropa beherrschte. Überall suchte er derselben Feinde und Verlegenheiten zu erwecken und verfuhr dabei ohne alle Rücksicht auf Verträge und Verpflichtungen. Währenddessen rüstete er mit allem Eifer und sammelte so viel Kriegsmaterial in seinen Arsenalen auf, daß er in kurzer Zeit seine Armee von 20,000 Mann auf 70,000 mit 32 Geschützen bringen konnte. Die Verwickelungen in Deutschland, wo die Mehrzahl der Protestanten 1608 die Union schloß, die mit H. ein Bündnis einging, sollten den Anlaß zu dem Entscheidungskrieg zwischen Frankreich und Habsburg geben. Im jülich-klevischen Erbfolgestreit stellte er sich auf die Seite der Feinde des Kaisers, der possedierenden Fürsten von Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg, schloß eine Allianz mit Savoyen, und der Ausbruch des Kriegs sollte 1610 zu gleicher Zeit in Italien, in Navarra und am Rhein erfolgen. Am 17. Mai wollte der König zur Hauptarmee nach Châlons abreisen, 13. Mai fand in St.-Denis die Krönung der Königin Maria von Medicis statt, die Regentin sein sollte; aber 14. Mai wurde H., als er in Paris in offenem Wagen durch eine enge versperrte Straße fuhr, von Franz Ravaillac erdolcht. Der Mörder gab trotz furchtbarster Martern keine Mitschuldigen an. Heinrichs Tod wandte vom Haus Habsburg eine große Gefahr ab; die Geschicke Europas nahmen einen ganz andern Lauf. – Die zahlreichen Lobredner Heinrichs haben seine Geschichte in eine Legende verwandelt, welche dem „guten und großen“ König bei der Nachwelt eine unverdiente Popularität verschafft hat. Er war kein sittlich reiner Charakter. Er war nicht rachgierig, aber auch im höchsten Grad undankbar, und zügellose Sinnlichkeit beherrschte ihn bis zu seinem Tod. Unter seinen zahlreichen Geliebten sind Gabrielle d’Estrées, von der die Herzöge von Vendôme abstammen, und Henriette d’Entragues zu nennen. Hoch zu schätzen ist H. als Feldherr und Staatsmann, und Frankreich hat von ihm in fast allen Beziehungen die Richtung vorgezeichnet erhalten, in der es im 17. und 18. Jahrh. sich bewegte und zu glänzenden Erfolgen gelangte. H. war von mittlerer Statur, sehnigem Körperbau, nicht schönen, aber charakteristischen Gesichtszügen. Von seiner zweiten Gemahlin, Maria von Medicis, mit der er sich 1600 nach der Trennung der Ehe mit Margarete vermählte, hinterließ er einen Sohn, Ludwig XIII., welcher sein Nachfolger wurde. Vgl. Péréfixe, Histoire de Henri IV (1661; neue Ausg. von Andrieux, Par. 1822); Poirson, tt<>Histoire du règne de Henri IV (3. Aufl., das. 1866, 4 Bde.); Lescure, Henri IV 1553–1610 (das. 1873); Lacombe, Henri IV et sa politique (das. 1878); M. Philippson, König H. IV. von Frankreich (im „Neuen Plutarch“, Bd. 1, Leipz. 1874); Guadet, Henri IV, sa vie, son œuvre, ses écrits (1879); de la Barre-Duparcq, Histoire de Henri IV (1884); Rambault, Henri IV et son œuvre (1884); Zeller, Henri IV et Marie de Médicis (1878); Rott, Henri IV, les Suisses et la haute Italie (1882); Philippson, H. IV. und Philipp III., die Begründung des französischen Übergewichts in Europa 1598 bis 1610 (Berl. 1870–73, 2 Bde.).
31) H. V., bei den französischen Legitimisten Name des Herzogs von Bordeaux, Grafen von Chambord, s. Chambord.
[Haïti.] 32) H. I., Kaiser von Haïti, s. Christophe.
[Hessen.] 33) H. I., das Kind, erster Landgraf von Hessen, Sohn Heinrichs I. von Brabant und Sophiens von Hessen, der Tochter des Landgrafen Ludwig des Heiligen von Thüringen und der heil. Elisabeth, geb. 24. Juni 1244. Seine Mutter kämpfte nach Heinrich Raspes, des letzten Landgrafen von Thüringen, Tod (1247) als nächste Erbin desselben mit Heinrich dem Erlauchten von Meißen um das ganze Erbe ihres Kindes, konnte aber durch den Vertrag von 1265 für H., bis dahin „das Kind von Brabant“ genannt, nur Hessen erlangen. H. schlug seinen Sitz in Kassel auf, säuberte das Land von Raubrittern und schützte es gegen die Anmaßungen des Erzbischofs von Mainz. Auch in die zerrütteten Verhältnisse seines väterlichen Erbes Brabant griff er thatkräftig ein; Kaiser Rudolf I. unterstützte er in dem Kriege gegen Ottokar von Böhmen. 1292 erhielt er vom König Adolf Boyenburg und Eschwege und die Belehnung mit Hessen als erblichem Reichsfürstentum. H. starb 21. Dez. 1308. Er ist der Begründer des hessischen Fürstenhauses.
[Kärnten.] 34) Herzog von Kärnten, aus dem görz-tirolischen Haus, kämpfte 1298 für Albrecht I. bei Göllheim, ward 1307 nach dem Erlöschen der Przemysliden und dem Tode des Habsburgers Rudolf zum König von Böhmen erwählt, konnte sich aber in dem zerrütteten Land nicht behaupten, wurde 1310 entsetzt und zog sich nach seinen Stammlanden Kärnten und Tirol zurück; doch übte er noch bei der Königswahl seines Neffen Friedrich des Schönen von Österreich (1314) sein titulares Wahlrecht als Kurfürst aus und entsagte der böhmischen Krone erst 1324 zu gunsten Johanns von Luxemburg. Er starb 2. April 1335 auf dem Schloß Tirol. Seine Tochter ist Margarete Maultasch.
[Kastilien.] 35) H. I., König von Kastilien, Sohn Alfons’ VIII., geb. 1203, folgte seinem Vater 1214 unter Vormundschaft des Grafen von Lara, wurde aber 1217 von einem herabfallenden Dachziegel getötet. Ihm folgte Ferdinand III.
36) H. II., de la Merced, Graf von Trastamara, König von Kastilien, natürlicher Sohn Alfons’ XI. und der Eleonora Guzman, geb. 1333, mußte nach dem Tod seines Vaters 1350, als Peter der Grausame den Thron bestiegen hatte, nach Portugal entfliehen. Peters Grausamkeit und Willkür hatten dem Prinzen bald eine große Partei verschafft, und schon 1354 erhob er die Fahne des Aufruhrs, mußte aber 1356 nach der Einnahme von Toro nach Frankreich flüchten. Von da ging H. nach Aragonien, dessen König Kastilien den Krieg erklärte, an dem sich [323] H. mit 1000 kastilischen Rittern tapfer beteiligte. 1366 drang er, unterstützt von französischen Truppen unter Bertrand Duguesclin (s. d.), in Kastilien ein, eroberte fast das ganze Reich, wurde aber 1367 bei Najera vom Schwarzen Prinzen, der Peter zu Hilfe gekommen, vollständig geschlagen und rettete sich mit Mühe nach Frankreich. Ein zweiter, wiederum mit französischer Hilfe unter Duguesclin unternommener Einfall endete aber mit dem Sieg bei Montiel (14. März 1369). Peter wurde geschlagen und von H. eigenhändig ermordet. H. ergriff darauf die Zügel der Regierung mit kräftiger Hand, wies die Anmaßungen des Königs Ferdinand von Portugal siegreich zurück und stellte die Ruhe vollkommen her. Er starb 29. Mai 1379, wahrscheinlich an Gift.
37) H. III., der Kränkliche, König von Kastilien, Enkel des vorigen, geb. 1379 zu Burgos, erhielt als der erste Thronfolger 1388 den Titel „Prinz von Asturien“, folgte seinem Vater Johann I. 1390 unter Vormundschaft eines Regierungsrats, faßte aber, da die Intrigen desselben allgemeine Verwirrung und Schmälerung des königlichen Ansehens herbeizuführen drohten, 14 Jahre alt, 1393 mit Zustimmung der Stände den Entschluß, selbst zu regieren. Durch Klugheit und überraschende Energie wußte er die Mißvergnügten zu beschwichtigen und auch ohne Krieg das Ansehen des Reichs gegen die Portugiesen, die afrikanischen Seeräuber und die Mauren in Granada zu wahren, starb aber schon 25. Dez. 1406. Während seiner Regierung wurden die Kanarischen Inseln wieder entdeckt.
38) H. IV., der Ohnmächtige, König von Kastilien, Enkel des vorigen, geb. 1423, folgte seinem Vater Johann II. 1454. Er war ein äußerst ausschweifender, entnervter Fürst. Als ihm seine zweite Gemahlin, Johanna von Portugal, 1462 eine Tochter gebar, wurde die Legitimität derselben angezweifelt und derselben von dem Liebhaber der Königin, Beltran de la Cueva, der Name „Beltraneja“ beigelegt. Dies benutzte der mit Heinrichs schlechter Regierung unzufriedene Adel als Vorwand zu einem Aufstand und erhob 1465 den elfjährigen Bruder Heinrichs, Alfons, auf den Thron. Nach einem mehrjährigen Bürgerkrieg und nach Alfons’ Tod anerkannte H. seine Schwester Isabella im Vertrag von Toro (5. Sept. 1468) als Erbin seiner Krone. Er starb 12. Dez. 1474 als letzter männlicher Sproß des Hauses Trastamara.
[Meißen.] 39) H. III., der Erlauchte, Markgraf von Meißen, Dietrichs des Bedrängten und Juttas von Thüringen jüngster Sohn, geb. 1216, folgte seinem Vater 1221 unter Vormundschaft seines Oheims, des Landgrafen Ludwig des Heiligen von Thüringen, nach dessen Tod 1227 Herzog Albrechts von Sachsen. Schon 1230 für mündig erklärt und 1234 mit Konstanze, der Tochter des Herzogs Leopold von Österreich, vermählt, verrichtete er seine ersten Waffenthaten 1237 in dem Kreuzzug gegen die Preußen und geriet bald darauf mit den Markgrafen von Brandenburg in Fehde. In dem Kampf zwischen Kaiser und Papst ergriff H. mit Entschiedenheit die Partei des erstern. Zum Dank dafür erteilte ihm Friedrich II. 1242 eine Eventualbelehnung mit Thüringen und der Pfalz Sachsen und verlobte 1243 seine Tochter Margarete mit Heinrichs Sohn Albrecht. Erst nach Konrads IV. Abzug aus Deutschland erkannte H. dessen Gegenkönig Wilhelm von Holland an. Sein Recht auf Thüringen konnte er nach Heinrich Raspes Tod 1247 nur mit dem Schwert gegen Ludwigs des Heiligen Tochter Sophie, die Gemahlin Heinrichs II. von Brabant, und den Grafen Siegfried von Anhalt behaupten. Erst nach langwierigem Krieg trat er Hessen an Heinrich, das Kind von Brabant, ab und behielt Thüringen, das er seinem Sohn Albrecht gab, und die Pfalz Sachsen. Diese Erwerbungen vergrößerten den wettinischen Länderbesitz, der jetzt von der Oder bis zur Werra, vom Erzgebirge bis zum Harz reichte, so, daß er nur von dem böhmisch-habsburgischen an Umfang übertroffen wurde. Allein häusliche Zwistigkeiten, hervorgerufen durch die Unwürdigkeit seines Sohns, Albrechts des Entarteten, trübten die spätern Jahre seiner Regierung und zerrütteten noch lange nach seinem 1288 erfolgten Tod sein Haus (s. Albrecht 14, Friedrich 34). H. war ein tapferer, edler, gerechter, kunstsinniger, freigebiger und prachtliebender Fürst; auch zu den Minnesängern zählt er. Er war in zweiter Ehe vermählt mit Agnes von Böhmen und zum drittenmal mit einer Ministerialin, Elisabeth b. Maltitz, die ihm Friedrich den Kleinen und Hermann gebar. Vgl. Tittmann, Geschichte Heinrichs des Erlauchten (Leipz. 1845–1846, 2 Bde.).
[Niederlande.] 40) Wilhelm Friedrich H., Prinz der Niederlande, geb. 13. Juni 1820 zu Soestdyk, zweiter Sohn des Königs Wilhelm II., trat als Offizier in die Marine und ward nach seines Vater Tod 1849 von seinem Bruder Wilhelm III. zum Statthalter des Großherzogtums Luxemburg ernannt, welches er nach streng parlamentarischen Grundsätzen regierte. Auch war er Admiralleutnant der niederländischen Flotte. Er vermählte sich 19. Mai 1853 mit der Prinzessin Amalia von Weimar (geb. 20. Mai 1830), Tochter des Herzogs Bernhard von Weimar; die Ehe blieb kinderlos, und 1. Mai 1872 starb die Prinzessin. Hierauf verheiratete er sich zum zweitenmal (24. Aug. 1878) mit der Prinzessin Marie von Preußen (geb. 14. Sept. 1855), ältesten Tochter des Prinzen Friedrich Karl, starb aber schon 13. Jan. 1879 in Luxemburg, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Vgl. Arendt, H., Prinz der Niederlande (Luxemb. 1879).
[Portugal.] 41) H. der Seefahrer (Dom Henrique el Navegador), Infant von Portugal, jüngster Sohn des Königs Johann I., geb. 4. März 1394 zu Oporto, zeichnete sich zuerst bei der Eroberung von Ceuta (1415) aus. Zum Großmeister des Christusordens ernannt, wandte er von nun an sein ganzes Sinnen und Trachten auf Seewesen und Entdeckungsreisen und widmete sich auf seinem Wohnsitz Sagres am Kap Vincent mathematischen, astronomischen und geographischen Studien. Er ließ erfahrene Seeleute ausbilden und rüstete alljährlich Schiffe aus, welche die Westküste Afrikas erforschen sollten. So wurde 1418 Porto Santo, 1419 Madeira entdeckt, welche Inseln Johanns I. Nachfolger Eduard (Duarte) 1433 seinem Bruder H. schenkte; 1434 drangen Gilianes und Gonsalves über das Kap Bojador vor, 1441 wurde das Kap Branco, 1443 die Bai von Arguim, 1445 das Kap Verde und 1455 die Kapverdischen Inseln entdeckt und endlich das fruchtbare Senegambien gefunden und zur Genugthuung des Prinzen der irrige Glaube zerstört, daß die heiße Zone unbewohnbar sei. Die von H. veranstalteten Seereisen nach Westen führten 1447 zur Auffindung der Azoren. Nachdem H. noch einen Feldzug in Nordafrika mitgemacht, starb er 13. Nov. 1460 in Sagres. Er hat die Portugiesen mit der edlen Leidenschaft für kühne Seeunternehmungen erfüllt und den Grund zu der großartigen Entwickelung seines Volkes gelegt. Anfangs von Vorurteil und Engherzigkeit vielfach behindert, genoß er zuletzt allgemeine Verehrung. Sein Wahlspruch [324] war: „Talent de bien faire“. Vgl. De Beer, H. der Seefahrer und seine Zeit (Königsb. 1864); Major, Life of prince Henry of Portugal, surnamed the Navigator (Lond. 1868); Derselbe, Discoveries of prince Henry the Navigator and their results (das. 1877).
[Preußen.] 42) Friedrich H. Ludwig, Prinz von Preußen, gewöhnlich Prinz H. genannt, dritter Sohn Friedrich Wilhelms I., Bruder Friedrichs II., geb. 18. Jan. 1726 zu Berlin, ward, wie sein Bruder, streng erzogen. Erst 16 Jahre alt, wohnte er 1742 als Oberst und Adjutant des Königs dem Feldzug in Mähren bei und machte die Schlachten von Tschaslau (1742), im zweiten Schlesischen Krieg die von Hohenfriedeberg und Soor (1745) mit. Nach dem Frieden setzte er seine Studien fort, vermählte sich 25. Juni 1752 mit der Prinzessin Wilhelmine von Hessen-Kassel und erhielt vom König das Schloß Rheinsberg und einen neugebauten Palast in Berlin. Schon in dieser Zeit begannen die durch Heinrichs allzu große Empfindlichkeit und verschiedene politische Anschauung (H. war ganz Franzose) hervorgerufenen Mißverständnisse zwischen ihm und dem König. Im Anfang des Siebenjährigen Kriegs befehligte er unter dem König eine Brigade, führte in der Schlacht bei Prag das Regiment Itzenplitz zum Sturm, focht bei Roßbach, wo er verwundet wurde, und erhielt dann den Oberbefehl über die Truppen in der Leipziger Gegend. An der Spitze der zweiten Armee von 25,000 Mann deckte er 1758 die Südgrenzen des preußischen Staats gegen eine weit überlegene Macht, drang 1759 in Böhmen ein, zerstörte die Magazine der Österreicher und wendete sich darauf gegen die Reichsarmee in Franken, der er empfindliche Verluste zufügte. In die Mark Brandenburg gerufen, wußte er nach dem Verlust der Schlacht bei Kai 23. Juli und noch mehr nach der Niederlage bei Kunersdorf 12. Aug. durch geschickte Manöver das österreichische und russische Heer so lange in Unthätigkeit zu erhalten, bis sein Bruder den erlittenen Verlust ersetzt hatte. 1760 bot er mit 35,000 Mann den Russen die Spitze und entsetzte Breslau, doch sah er sich im Feldzug von 1761 ganz auf die Verteidigung beschränkt. Von Anfang des Kriegs an war H. mit der nach seiner Meinung allzu genialen Kriegführung seines Bruders unzufrieden und stand an der Spitze einer weitverbreiteten Opposition im Offizierkorps. Er fügte sich oft nur ungern, obwohl pünktlich den Befehlen desselben. Es kam daher wiederholt zu Mißhelligkeiten, und im April 1762 forderte H., durch Vorwürfe Friedrichs gekränkt, seine Entlassung. Mit Mühe versöhnte ihn der König. Durch den Sieg bei Freiberg 29. Okt. 1762 führte er das Ende des Kriegs herbei. Friedrich II. bezeichnete ihn als den einzigen General, der im ganzen Krieg keinen Fehler gemacht habe. Nach dem Frieden lebte H. wieder zu Rheinsberg den Wissenschaften und Künsten. 1770 ging er in Angelegenheiten Polens nach Petersburg. Im bayrischen Erbfolgekrieg 1778, den H. übrigens durchaus nicht billigte, rückte er mit 90,000 Mann in Sachsen und, nachdem sich der Kurfürst von Sachsen mit ihm vereinigt hatte, in Böhmen ein, mußte sich aber aus Mangel an Lebensmitteln wieder zurückziehen. 1784 unterhandelte er in Paris vergeblich wegen eines Bündnisses gegen die Vergrößerungspläne Österreichs. Auch unter Friedrich Wilhelm II. übte er auf die Leitung der auswärtigen Politik, z. B. den Abschluß des Baseler Friedens (1795), großen Einfluß aus. Er starb 3. Aug. 1802 in Rheinsberg, wo er einen kleinen Hof mit ziemlich lockern Sitten hielt und allen von Friedrich II. verkannten oder mit Undank belohnten Offizieren des Siebenjährigen Kriegs ein Denkmal errichtet hat. Er liegt im dortigen Park begraben unter einer Pyramide, die mit einer von ihm selbst verfaßten merkwürdigen Grabschrift versehen ist. Vgl. Bouillé, Vie privée, politique et militaire du prince Henri de Prusse (Par. 1809); Crousaz, Prinz H. (Berl. 1877); Schmitt, Prinz H. von Preußen als Feldherr im Siebenjährigen Krieg (Greifsw. 1886 ff.). Seine militärische Korrespondenz enthält Schöning, Der Siebenjährige Krieg (Potsd. 1851, 3 Bde.).
43) Albert Wilhelm H., Prinz von Preußen, geb. 14. Aug. 1862 zu Potsdam, zweiter Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm und der Kronprinzessin Viktoria, besuchte 1875–77 das Gymnasium zu Kassel, widmete sich sodann dem Seedienst, machte 1878–80 seine erste Weltreise mit der Korvette Prinz Adalbert und ist jetzt Kapitänleutnant.
[Reuß.] 44) H. Posthumus, Burggraf von Gera, aus dem Haus Reuß, geb. 10. Juni 1572 nach seines Vaters, Heinrichs des jüngern, Tod, erhielt eine vortreffliche Erziehung, studierte in Jena und Straßburg und übernahm 1595 die Regierung seines Landes, welches er durch Vermehrung zu dem jetzigen Umfang von Reuß jüngerer Linie erweiterte. Er verwaltete das Land vortrefflich, gründete gute Schulen und sorgte für eine gewissenhafte Rechtspflege. Bei den Kaisern stand er in hohem Ansehen. Er starb 3. Dez. 1635. In Gera ist ihm ein Standbild errichtet.
45) H. XXII., Fürst von Reuß älterer Linie, geb. 28. März 1846, Sohn des Fürsten Heinrich XX. und der Prinzessin Karoline von Hessen-Homburg, folgte 8. Nov. 1859 seinem Vater in der Regierung und stand bis 28. März 1867 unter der Vormundschaft der Fürstin Karoline. Er brach mit dem bisherigen absolutistischen Regierungssystem und gab seinem Land bei der selbständigen Übernahme der Regierung eine Verfassung (vgl. Reuß, Geschichte). Er ist seit 8. Okt. 1872 mit der Prinzessin Ida von Schaumburg-Lippe vermählt. Der Erbprinz Heinrich XXIV. ist 20. März 1878 geboren.
46) H. XIV., Fürst von Reuß jüngerer Linie, geb. 28. Mai 1832, Sohn des Fürsten Heinrich LXVII. und der Prinzessin Adelheid von Reuß-Ebersdorf, folgte seinem Vater 11. Juli 1867 in der Regierung (vgl. Reuß, Geschichte). Er war seit 6. Febr. 1858 mit der Herzogin Agnes von Württemberg (gest. 9. Juli 1886) vermählt. Der Erbprinz Heinrich XXVII. ist 10. Nov. 1858 geboren.
[Sardinien.] 47) König von Sardinien, s. Enzio.
[Schlesien.] 48) H. II., Herzog von Schlesien und Polen, Sohn Herzog Heinrichs I. und der heil. Hedwig von Meran (s. Hedwig 2), folgte 1238 seinem Vater in der Herrschaft, förderte unter dem Einfluß seiner frommen Gemahlin Anna von Böhmen die Interessen der Kirchen und Klöster seines Landes, wurde aber in seinem segensreichen Wirken durch den Einfall der Mongolen unter Batu 1241 unterbrochen. Nachdem sie ihn in Liegnitz belagert hatten, lieferte er ihnen 9. April 1241 bei Wahlstatt an der Katzbach eine Schlacht, in welcher er besiegt wurde und den Tod fand. Doch scheint sein heldenmütiger Widerstand die Mongolen zur Umkehr veranlaßt zu haben. H. wurde in Breslau beigesetzt.
[Thüringen.] 49) H. Raspe IV., Landgraf von Thüringen, zweiter Sohn Hermanns I. und Sophiens von Bayern, vertrieb nach dem Tod seines ältern Bruders, Ludwigs des Frommen (gest. 1227), [325] dessen Gemahlin, die heil. Elisabeth, samt ihren Kindern von der Wartburg und übernahm die Landgrafschaft Thüringen nebst der Pfalzgrafschaft Sachsen, anfangs in Vormundschaft seines Neffen Hermann II., nach dessen Tod 1241 in eignem Namen. Er unterstützte die Böhmen gegen die einbrechenden Mongolen, ward 1242 Reichsverweser für Konrad, den Sohn Kaiser Friedrichs II., schloß sich aber bald der päpstlichen Partei an und ward von dieser nach Friedrichs II. Absetzung auf dem Konzil zu Lyon (1245) 22. Mai 1246 in Veitshöchheim bei Würzburg zum Gegenkönig erwählt. Da seine Wahl größtenteils von geistlichen Fürsten ausgegangen war, wurde er spottweise der „Pfaffenkönig“ genannt. Mit päpstlichen Geldern sammelte er ein Heer und schlug seinen Gegner, den König Konrad, 5. Aug. 1246 bei Frankfurt, erkrankte aber während der Belagerung von Ulm und starb auf der Wartburg 17. Febr. 1247. Mit ihm erlosch der Mannesstamm des thüringischen Landgrafengeschlechts. Um sein reiches Erbe erhob sich der thüringische Erbfolgestreit.
Heinrich, 1) Christian Gottlieb, deutscher Historiograph, geb. 14. Aug. 1748 zu Dahlen, studierte in Leipzig, ward 1782 Professor der Geschichte und Hofrat zu Jena und starb hier 24. Mai 1810. Er ist Verfasser einer Reihe brauchbarer Handbücher der Geschichte. Hervorzuheben sind: „Deutsche Reichsgeschichte“ (Leipz. 1787–1805, 9 Bde.); „Handbuch der sächsischen Geschichte“ (fortgesetzt von Pölitz, das. 1810–12, 2 Bde.); „Geschichte von Frankreich“ (das. 1802–1804, 3 Bde.); „Geschichte von England“ (das. 1806–10, 2 Bde.). Bekannt ist sein Konflikt mit Schiller, den er nicht als Professor der Geschichte anerkennen wollte, und der ihm in den Xenien als Professor historiarum ein Andenken stiftete.
2) Guillaume Alfred, franz. Litterarhistoriker, welcher sich besonders mit der deutschen Litteratur beschäftigt, geb. 4. Dez. 1829 zu Lyon, ward, nachdem er in Paris studiert und längere Zeit auf Reisen, namentlich in Deutschland, zugebracht hatte, 1859 Professor der fremden Litteraturen an der Universität Lyon, die ihn 1871 zu ihrem Dekan ernannte. Er schrieb (mit vorwiegend klerikaler Tendenz): „Le Parcival de Wolfram d’Eschenbach et la légende du Saint-Graal“ (1855); „Histoire de la littérature allemande“ (1870–73, 3 Bde.); „Les invasions germaniques en France“ (1871); „La France, l’étranger et les partis“ (1873); „La légende jacobine et la critique“ (1878).
3) Gustav, ungar. Litterarhistoriker, geb. 17. März 1845 zu Pest, studierte in Leipzig und Wien und ist seit 1875 Professor der germanischen Philologie an der Universität zu Budapest sowie Mitglied des Landesunterrichtsrats und (seit 1880) der Akademie daselbst. H. schrieb: „Bankban in der deutschen Dichtung“ (1879); „Boccaccios Leben und Werke“ (1882); „Etzelburg und die ungarische Hunnensage“ (1882) und eine Reihe deutscher Lehrbücher für den deutschen Unterricht, darunter eine „Deutsche Verslehre“ (2. Aufl. 1878). Auch besorgte er Ausgaben von Goethes und Bürgers Balladen (1878), von Herders „Cid“ (1879), Schillers „Tell“ (1883) etc. mit ausführlichem (ungarischen) Kommentar. Zugleich redigiert er die „Allgemeine philologische Zeitschrift“ (seit 1877) und die „Ungarische Revue“ (seit 1880).
4) Karl, Pseudonym, s. Keck.
[427] Heinrich, 24) und 25) H. VII. und VIII., Könige von England. Vgl. Gairdner, Henry the Seventh (Lond. 1889); Moberley, Early Tudors: Henry VII., Henry VIII. (das. 1887).
28) H. II., König von Frankreich. Vgl. de la Barre-Duparcq, Histoire de Henri II (Par. 1887).
30) H. IV., König von Frankreich. Vgl. Bongars, Henri IV et l’Allemagne (Par. 1887).
42) H. (Friedrich H. Ludwig), Prinz von Preußen (1726–1802). Ihm zu Ehren erhielt 1889 das brandenburgische Füsilierregiment Nr. 35 den Namen Füsilierregiment Prinz H. von Preußen.
43) H. Albert Wilhelm, Prinz von Preußen, wurde 1887 zum Korvettenkapitän und Major à la suite des 1. Garderegiments zu Fuß, 1889 zum Kapitän zur See und Oberst ernannt; auch ist er Linienschiffskapitän der österreichisch-ungarischen Marine. Er vermählte sich 24. Mai 1888 zu Charlottenburg mit der Prinzessin Irene von Hessen, Tochter des Großherzogs Ludwig IV., seiner Kousine, und nahm seinen Wohnsitz im Schloß zu Kiel, wo ihm 20. März 1889 ein Sohn, Prinz Waldemar, geboren wurde. Er befehligt eine Kreuzerkorvette im Mittelmeer.
[409] Heinrich 4) und 5). H. IV. und H. V., deutsche Kaiser. Vgl. Meyer v. Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter H. IV. und H. V. (Leipz. 1890, Bd. 1).
9) H. VII. von Luxemburg. Vgl. Sommerfeldt, Die Romfahrt Kaiser Heinrichs VII. (Königsb. 1888).
15) H. der jüngere, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel. Vgl. Bruns, Die Vertreibung Herzog Heinrichs von Braunschweig durch den Schmalkaldischen Bund (Marb. 1889).
[England.] 19) H. II., König von England. Vgl. Mrs. Green, Henry the Second (Lond. 1888).
25) H. VIII., König von England. Vgl. Gasquet, H. VIII. und die englischen Klöster (deutsch von Elsäßer, Mainz 1890, Bd. 1).
[Frankreich.] 29) H. III., König von Frankreich. Vgl. Robiquet, Paris et la Ligue sous le règne de Henri III (Par. 1886); Lady Jackson, The last of the Valois and the accession of Henry of Navarra (Lond. 1888).
30) H. IV., König von Frankreich. Vgl. de la Ferrière, Henri IV, le roi, l’amoureux (Par. 1889).
Heinrich, Guillaume Alfred, franz. Litterarhistoriker, starb 29. Mai 1887 in Lyon.
[436] Heinrich, 45) H. XXII., Fürst von Reuß älterer Linie. Seine Gemahlin, die Fürstin Ida, geb. Prinzessin von Schaumburg-Lippe, starb 29. Sept. 1891 in Greiz.