MKL1888:Mollusken
[726] Mollusken (Mollusca Cuv., Weichtiere, Malakozoen, hierzu Tafel „Mollusken und Tunikaten“) haben ihren Namen von Cuvier erhalten, der sie 1812 aus dem Verband der Linnéschen „Würmer“ lostrennte und sie zu einer besondern Klasse erhob. Seither sind aber einige Gruppen, welche Cuvier zu ihnen gerechnet hatte, an andre Plätze im zoologischen System verwiesen worden, so die Cirripeden, Brachiopoden, Tunikaten und Bryozoen. Über die Herkunft der M. im Sinn der neuern Zoologie herrschen verschiedene Ansichten, die jedoch darin übereinstimmen, daß ihre nächsten Verwandten unter den Würmern zu suchen seien. Der Körper der M. ist äußerlich völlig ungegliedert und zeigt auch im Innern nur noch Spuren einer vorhanden gewesenen Gliederung; dasselbe gilt von den Anhängen (Fühlern etc.). Ein äußeres Skelett fehlt, und da auch das innere nur in vereinzelten Fällen
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Mollusken und Tunikaten. |
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[1] Schiffsbohrwurm (Teredo fatalis). Natürl. Gr. (Art. Bohrmuscheln.) Die Pfeile bezeichnen die Richtung des Wasserstroms.
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[727] ausgebildet ist, so rechtfertigt sich der Name Weichtier. Dagegen kommt der großen Mehrzahl der M. eine äußere Schale, d. h. eine durch Ablagerung von Kalksalzen mehr oder weniger erhärtete Abscheidung gewisser Hautdrüsen, zu und bildet eins der wesentlichsten Merkmale, besonders da auch viele von denjenigen Formen, welche im erwachsenen Zustand nackt erscheinen, in der frühsten Jugend mit einem Gehäuse bekleidet sind. Die Bildung der Schale geht nur im Bereich einer auf der Rückenfläche des Tiers sich erhebenden, oft sehr umfangreichen Hautfalte, des sogen. Mantels, vor sich und führt entweder zu einem mehr oder weniger spiralig gewundenen Gehäuse (Schnecken) oder zu einem Paar gelenkig miteinander verbundener Schalenklappen (Muscheln); in beiden Fällen vergrößert sich mit dem Wachstum des Tiers, resp. seines Mantels auch dessen Produkt und hält also mit der Ausdehnung des zu schützenden weichen Körpers gleichen Schritt. Auf der Bauchfläche ist der Fuß für die M. in hohem Grad charakteristisch. Er ist ein über das Niveau des Tiers hervortretendes Stück der Haut und des Hautmuskelschlauches und dient vorzugsweise als Bewegungsorgan. Bei den meisten Schnecken ist er vom Reste des Körpers nur wenig abgesetzt und stellt nur die verbreiterte Sohle dar, auf welcher das Tier (mit oder ohne Schale) ruht oder sich fortbewegt; bei andern dagegen hat er die Form eines Ruders oder einer Flosse, bei Muscheln auch wohl die eines Beils, kurz, er ist in seiner Gestaltung so wechselnd, daß er vielfach zur Klassifizierung der M. verwendet wird (daher z. B. die Namen Bauchfüßer, Flügelfüßer etc.). Auch der Rest des Rumpfes ist mit Haut und unmittelbar darunter mit einer Muskelschicht bekleidet, somit einer Zusammenziehung und Ausdehnung fähig, welche Druck oder Lageveränderung der Eingeweide zur Folge hat. Bei den höhern Formen bildet sich nun das vordere Stück des sonst in der Längsrichtung gleichmäßigen Rumpfes zu einem besondern Kopf um, welcher Mund, Gehirn und Sinnesorgane enthält und an der spiraligen Drehung und Asymmetrie des hintern Körperabschnitts, wie sie bei Schnecken vorkommt, keinen Anteil nimmt. Die niedern M. dagegen sind kopflos und gewöhnlich von beiden Seiten her stark zusammengedrückt.
Die innern Organe sind in den einzelnen Klassen sehr verschieden entwickelt. Das Nervensystem zunächst besteht in seinem zentralen Teil aus drei durch Kommissuren untereinander verbundenen Gangliengruppen: einem obern Schlundganglion (Gehirn), welches die Sinnesnerven entsendet, einem untern Fußganglienpaar, welches hauptsächlich die Muskeln des Fußes versorgt, und einem dritten Paar, welches die Nerven für Mantel, Kiemen etc. liefert und noch mit kleinern Ganglien in Verbindung steht. Bei einigen Formen existieren im Verlauf der Hauptnerven des Fußes (Pedalnerven) noch zahlreiche Querkommissuren, so daß hier eine Art von Strickleiternervensystem zu stande kommt. Unter den Sinnesorganen sind die Augen meist von kompliziertem Bau; sie liegen in der Regel paarig am Kopf (zuweilen tief im Innern desselben) und nur da, wo dieser fehlt, zuweilen in größerer Anzahl am Mantelrand. Gehörorgane finden sich weitverbreitet als geschlossene Gehörblasen mit Flimmerhaaren im Innern; sie sind dem Fußganglion oder dem Gehirn angelagert. Auch Geruchs- und Geschmacksorgane sind, wenigstens bei den höher organisierten Formen, vorhanden. Dem Gefühlssinn endlich dienen die verschiedenartigsten Anhänge am Kopf, am Vorderteil des Körpers oder an den Mantelrändern sowie manchmal die sehr empfindliche Spitze des Fußes. Der Verdauungskanal hat überall selbständige Wandungen und zerfällt in mindestens drei Abteilungen, von denen die mittlere, der Magendarm, meist mit einer sehr großen Leber verbunden ist. Der After liegt ursprünglich in der Mitte des hintern Körperendes, ist aber oft durch Krümmung des Eingeweidesackes nach vorn oder zur Seite geschoben. Alle M. besitzen ein auf der Rückenseite gelegenes gedrungenes Herz, welches das arterielle Blut aus den Respirationsorganen in eine einfache oder mehrfache Vorkammer aufnimmt und aus der einfachen Kammer in den Körper sendet. An die Arterien schließt sich nur bei den höchsten Formen ein wirkliches Kapillargefäßnetz an; meist tritt zwischen Arterien und Venen ein System weiter Blutsinus, wie denn auch die Leibeshöhle einen solchen mit Blut erfüllten Behälter bildet. Die Blutflüssigkeit ist in der Regel farblos, indessen zuweilen grün, blau oder rot. Bei den Tintenfischen u. a. ist neuerdings ein dem Hämoglobin der Wirbeltiere analoger Körper, das Hämocyanin, nachgewiesen worden, der die Aufnahme des Sauerstoffs in das Blut zu vermitteln scheint. In vielen Fällen dient die gesamte äußere Körperfläche zur Respiration, in andern dagegen sind besondere Atmungsorgane (Kiemen, seltener Lungen) vorhanden. Die Kiemen bilden flimmernde Ausstülpungen der Körperfläche, meist zwischen Mantel und Fuß, in Form verästelter und verzweigter Anhänge oder breiter Lamellen; die Lunge dagegen entwickelt sich bei den Lungenschnecken (s. d.) als ein mit Luft gefüllter Raum in der Mantelhöhle. Die Niere ist bei den niedern M. noch paarig, bei den höhern Formen dagegen vielfach unpaar; sie befördert die Harnsubstanzen nach außen. Bei einem Teil der M. münden auch die Öffnungen der Geschlechtsorgane in sie und stehen nicht direkt mit der Außenwelt in Verbindung. Die Fortpflanzung erfolgt stets auf geschlechtlichem Weg. Der Hermaphroditismus, verbunden mit großer Komplikation der betreffenden Einrichtungen, ist sehr verbreitet; bei den niedersten Formen der M. sind die Geschlechtsorgane paarig, bei den übrigen unpaar. Charakteristisch ist vor allem die sogen. Zwitterdrüse, in der sowohl Eier als Same gebildet werden (wegen des nähern s. Schnecken). Besondere Ausführgänge fehlen in Einzelfällen, und dann übernimmt die Niere den Transport der Geschlechtsprodukte nach außen. Getrenntgeschlechtig sind viele Seeschnecken, Muscheln und alle Tintenschnecken. Die Entwickelung geschieht nur selten innerhalb des mütterlichen Körpers. Die fast immer an das Wasser oder an feuchte Orte in Form eines Laiches abgelegten Eier liefern einen Embryo, der sich häufig mittels Flimmerhaare schon im Ei bewegt und zum Teil auch bereits eine Schale erhält. Im allgemeinen jedoch sind die jungen, eben ausgeschlüpften Larven den erwachsenen Tieren sehr wenig ähnlich und zeichnen sich vielfach durch ein am Kopf angebrachtes sogen. Segel (Velum), d. h. eine flossenartige Verbreiterung der Haut, aus, das ihnen als Bewegungsorgan dient und sich später zurückbildet.
Die M. sind zu weitaus dem größten Teil Bewohner des Wassers und zwar vorwiegend des Meers; die Landtiere unter ihnen suchen sich feuchte Aufenthaltsorte. Sie sind über die ganze Erde verbreitet und haben auch in den frühern Epochen eine bedeutende Rolle gespielt. Vielfach dienen sie dem Geologen zur Bestimmung des Alters der Formationen und werden dann Leitmuscheln genannt. Gegenwärtig [728] teilt man die M. in drei große Gruppen, nämlich in Muscheln (Lamellibranchiata), Schnecken (Cephalophora, s. Tafel „Schnecken“) und Tintenschnecken (Cephalopoda, s. Tafel „Tintenschnecken“), erhebt aber auch wohl Unterabteilungen der Schnecken zu selbständigen Klassen (so die Skaphopoden und Pteropoden) und ist sich gleichfalls über die Beziehungen der genannten, in ihren Extremen ungemein verschiedenen Gruppen zu einander nicht einig.
Vgl. Cuvier, Mémoires pour servir à l’histoire et à l’anatomie des mollusques (Par. 1817); Deshayes, Traité élémentaire de conchyliologie (das. 1835 bis 1859, 3 Bde.); Johnston, Einleitung in die Konchyliologie (a. d. Engl. von Bronn, Stuttg. 1853); Woodward, Manual of the mollusca (3. Aufl., Lond. 1875); Philippi, Handbuch der Konchyliologie und Malakozoologie (Halle 1853); Adams, The genera of recent mollusca (Lond. 1853–58, 3 Bde.); Chenu, Manuel de conchyliologie et de paléontologie conchyliologique (Par. 1859–62, 2 Bde.); Reeve, Elements of conchology (Lond. 1860, 2 Bde.); Martini und Chemnitz, Systematisches Konchylienkabinett (Nürnb. 1769–1829, 1837 ff.; fortgesetzt von Kobelt und Weinkauff, noch nicht beendet); de Férussac und Deshayes, Histoire naturelle des mollusques terrestres et fluviatiles (Par. 1821 bis 1851, 4 Bde.); Reeve, Conchologia iconica (Lond. 1843–62, 14 Bde.); Sowerby, Thesaurus conchyliorum (das. 1842–62, 21 Tle.); Chenu, Illustrations conchyliologiques (Par. 1843–54, 85 Lfgn., unvollendet); Roßmäßler, Ikonographie der Land- und Süßwassermollusken (Leipz. 1835–59, 3 Bde.; fortgesetzt von Kobelt, Bd. 4–7, Wiesb. 1877–1881; neue Folge 1882 ff.); Clessin, Deutsche Exkursions-Molluskenfauna (2. Aufl., Nürnb. 1884); Kobelt, Illustriertes Konchylienbuch (das. 1876–81); Derselbe, Prodromus faunae molluscorum testaceorum etc. (das. 1886–87); v. Jhering, Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der M. (Leipz. 1877); v. Martens, Weich- und Schaltiere (das. 1883); Fischer, Manuel de conchyliologie (Par. 1881–87).
Mollusken (Mollusca, Hautpolypen), in der Pathologie rundliche, mehr oder weniger deutlich gestielt aufsitzende, weiche und schlaffe Geschwülste an der äußern Haut, besonders an den Augenlidern. Sie bestehen aus einer kleinen, sackförmigen Vorstülpung der Haut, deren Inneres mit wucherndem Fettgewebe oder weichem, saftigem Bindegewebe ausgefüllt ist. Die Haut über diesen Geschwülsten ist zuweilen stark verdünnt, gewöhnlich glatt, aber leicht in Falten legbar und rot gefärbt. Manchmal enthält die Haut vergrößerte Talg- und Schweißdrüsen, welche sich als gelbe Punkte darstellen. Die Größe der M. kann die einer Kirsche oder Walnuß erreichen. Am zweckmäßigsten entfernt man die M. durch Abschnüren. Molluscum sebaceum (contagiosum) ist eine stecknadelkopf- bis erbsengroße, halbkugelige, derbe Hervorragung über das Hautniveau; sie ist im Zentrum dellenartig eingedrückt, ähnlich der Pockenpustel, und an ihrer Basis von einem schmalen roten Saum umgeben. Diese M. entsprechen erweiterten Talgdrüsen und sondern eine weißliche Schmiere ab. Unter Umständen scheinen sie ansteckend zu sein.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Die Nummerierung der Figuren ist in der Vorlage nicht vorhanden und wurde zur Orientierung eingefügt.