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MKL1888:Pflanzenkrankheiten

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Pflanzenkrankheiten“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 963965
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Pflanzenkrankheiten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 963–965. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pflanzenkrankheiten (Version vom 05.12.2024)

[963] Pflanzenkrankheiten (hierzu die Tafel), alle diejenigen Zustände einer Pflanze, welche von den normalen Erscheinungen derselben Pflanzenspezies abweichen. Sie bilden den Gegenstand einer eignen Wissenschaft innerhalb der Botanik, der Pathologie der Pflanzen oder Phytopathologie. Ausgeschlossen bleiben davon die Mißbildungen, soweit sie nur zufällige Bildungsabweichungen, nicht der Ausdruck eines eigentlichen Leidens sind und den Gegenstand der Teratologie der Pflanzen ausmachen (s. Mißbildung, S. 676); jedoch ist die Grenze zwischen Mißbildungen und pathologischen Erscheinungen schwer zu ziehen, so daß vielfach auch die erstern zu den P. gezählt werden. Man pflegt die P. nach den krankmachenden Ursachen einzuteilen und gewinnt damit zugleich die richtige Vorstellung von dem Wesen der Krankheit und von den Mitteln zur Verhütung und Bekämpfung derselben. Viele P. werden bedingt durch den Einfluß der anorganischen Naturkräfte. Da alle chlorophyllhaltigen Pflanzen nur im Lichte die rohen Nährstoffe Kohlensäure und Wasser zu organischen Verbindungen zu assimilieren vermögen, so wird durch dauernde Entziehung des Lichts oder ungenügende Beleuchtung ihre Ernährung gehindert (vgl. Etiolement). Hierauf beruht zum wesentlichen Teil das sogen. Ersticken niedriger Pflanzen im Unkraut, wenn dieses rascher und höher wächst und beschattend wirkt, oder des Klees unter einer Deckfrucht, die Wirkung des dicht belaubten Hochwaldes auf das Unterholz und die niedere Vegetation des Waldbodens; auch das sogen. Lagern des Getreides ist vorzugsweise hierauf zurückzuführen. Die Temperatur hat auf das Wachstum der Pflanzen in der Weise Einfluß, daß letzteres bei einem für jede Spezies bestimmten Grad am lebhaftesten erfolgt, sich immer mehr verlangsamt, je weiter aufwärts und abwärts die Temperatur von diesem Punkt sich entfernt, um bei einer bestimmten obern und untern Grenze ganz zu unterbleiben, so lange als die Temperatur von diesem Punkt nicht wieder zurückgeht. Auch durch plötzliche Temperaturschwankungen wird das Wachstum verzögert, und die Chlorophyllbildung unterbleibt unterhalb und oberhalb bestimmter Temperaturgrade, auch wenn die Pflanze in genügender Beleuchtung sich befindet; daher das mangelhafte und langsame Ergrünen des neugebildeten Laubes besonders gewisser Sträucher bei andauernd kalter Witterung im Frühjahr. Noch weitere Erhöhung oder Abkühlung der Temperatur wirkt tödlich, jedoch tritt dabei wegen der ungleichen Empfindlichkeit der einzelnen Teile einer Pflanze häufig nur eine partielle Schädigung ein. Saftreiche und zarte Teile sind empfindlicher als wasserarme und härtere, daher die größere Widerstandskraft der trocknen Samen und der Holzpflanzen im Winter. Pflanzen, welche aus wärmern Klimaten stammen, werden schon durch Abkühlung auf einige Grade über dem Gefrierpunkt getötet. Unsre einheimischen erfrieren erst bei Temperaturen unter 0° C., aber dabei ist nicht die niedrige Temperatur an und für sich tödlich, sondern ein zu rascher Übergang des gefrornen Zustandes der Pflanzensäfte in den aufgetauten; denn gefrorne Pflanzen bleiben am Leben, wenn jener Übergang infolge gewisser Umstände sehr allmählich vollzogen wird (Einlegen in eiskaltes Wasser, Umgeben mit schlechten Wärmeleitern, Schneedecke und Erdboden gewähren Schutz für die darunter befindlichen Pflanzenteile). Verminderung des Wasserdunstgehalts der Luft kann für die Pflanzen verderblich werden, insofern dadurch die Verdunstung gesteigert wird und, wenn dieselbe, zumal bei Trockenheit des Bodens, größer wird als die gleichzeitige Wasseraufnahme durch die Wurzeln, eine Verarmung des Körpers an Wasser eintritt. Dagegen wirkt eine Sättigung der Luft mit Wasserdunst, wodurch die Transpiration aufgehoben wird, nur insofern nachteilig, als dabei eine geringere Menge Nährstoffe aus dem Boden in die Pflanze übergeführt und somit die Gesamtstoffbildung derselben geringer wird als bei ungehinderter Verdunstung. Besonders ist hier noch der krankmachenden Wirkung zufällig in der Atmosphäre vorhandener giftiger Gase zu gedenken, wie sie sich zumal bei den Hüttenrauchschäden herausstellt. Schweflige Säure wirkt auf Klee, Kartoffeln, Hafer und verschiedene Gräser tödlich, wenn 1/40000 davon der Luft beigemengt ist und die Pflanzen nur zweimal täglich zwei Stunden lang solcher Luft ausgesetzt sind. Arsendampf hat sich dagegen als unschädlich erwiesen, ebenso der oft als den Pflanzen verderblich verschrieene Ruß für sich allein. Ebenfalls sehr schädlich wirken die Dämpfe von Salzsäure, Chlor, Schwefelwasserstoff u. a.; auch das aus Röhrenleitungen im Boden ausströmende Leuchtgas hat nach Versuchen Knys auf benachbarte Bäume tödlichen Einfluß. Von den Witterungserscheinungen haben die Pflanzen außer den mechanischen Schäden, welche durch Blitzschlag, Sturm, Hagel und Schneebruch verursacht werden, auch durch den Regen insofern zu leiden, als die Antheren der Blüten, wenn sie von Wasser benetzt sind, geschlossen bleiben und die aus ihnen entleerten Pollenkörner bersten, somit bei längerer Dauer des Regens die Befruchtung und daher Frucht- und Samenbildung vereitelt werden. Auch das sogen. Aufspringen voluminöser, fleischiger Pflanzenteile ist eine Folge andauernder Benetzung mit Regenwasser, wenn dasselbe durch zufällige kleine Wundstellen eindringt und eine stärkere Spannung des Parenchyms hervorbringt. Die krankmachenden Einflüsse des Bodens können zunächst auf ungünstigen Mengenverhältnissen der für die Pflanze erforderlichen Stoffe beruhen. Die Folgen des ungenügenden Wassergehalts sind oben bereits angedeutet. Ist der Boden ganz mit Wasser gesättigt, so gestatten die mit Wasser erfüllten Poren des Bodens der zur Atmung nötigen Luft nicht mehr genügenden Zutritt zu den Wurzeln, bez. den ausgesäeten Samen, und es tritt Fäulnis ein. Fehlen einzelne der notwendigen Nährstoffe (s. Ernährung der Pflanzen), so zeigt sich eine auffallend kümmerliche Gesamtentwickelung der Pflanze; Mangel an Eisen im Boden erzeugt Gelbsucht, weil dasselbe zur Bildung des Chlorophylls unentbehrlich ist. Aber auch physikalische Verhältnisse, welche auf die Porosität, auf das verschiedene Verhalten der Bodenarten zum Wasser und auf die Temperaturverhältnisse derselben Einfluß haben, sind für die Pflanzen von Wichtigkeit.

[Beilage]

[Ξ]

PFLANZENKRANKHEITEN.
Fig. 1–5. Flugbrand des Getreides. 1. Gerste. – 2. Weizen. – 3. Hafer. – 4. Sporen (400:1). – 5. Keimende Sporen (400:1).
Fig. 6. Steinbrand des Weizens (Art. Brandpilze).
Fig. 7–10. Kartoffelkrankheit (s. d. Art.). 7. Krankes Blatt. – 8. Durchschnitt zu Fig. 7. – 9. Spore, s mit eindringendem Keimschlauch (400:1). – 10. Schwärmsporen.
Fig. 11–15. Getreiderost (Art. Rostpilze). 11. Rostkranke Blätter. – 12. a Teleutospore, b Uredosporen (200:1). – 13. Keimende Teleutospore (400:1). – 14. Aecidium Berberidis. – 15. Durchschnitt zu Fig. 14.
Fig. 16. 17. Traubenkrankheit (s. d. Art.). 16. Rebenblatt mit Oidium Tuckeri. – 17. Oidium (400:1).
Fig. 18–23. Mutterkorn (s. d. Art.). 18. Roggen. – 19. Fruchtknoten, a. Sphacelia. – 20. Ältere Sphacelia. – 21. Keimendes Mutterkorn. – 22. Perithecium (200:1). – 23. Sporen (300:1).

[964] Wenn giftig wirkende Bestandteile im Boden vorhanden sind, z. B. wenn gedüngt worden ist mit stark alkalischer Asche oder mit Kalkmilch aus Gasfabriken, welche Schwefelwasserstoff entwickelt, so wird die Krankheit bemerklich, nachdem von diesen Stoffen so viel in den Blättern sich angesammelt hat, daß die schädliche Wirkung auf die Gewebe eintritt; die Blätter färben sich dann von den Spitzen aus gelb oder braun, oder sie bekommen solche Flecke und vertrocknen, und zwar in der Folge ihres Alters; die Pflanze geht dann häufig vorzeitig ein.

Zahlreichen und wichtigen Krankheiten sind die Pflanzen aber auch ausgesetzt durch den Einfluß der belebten Natur. Das Pflanzenreich selbst zählt eine Menge Wesen, welche andern Pflanzen schädlich werden. Mittelbar können die Pflanzen bei dichtem Stande durch ihresgleichen oder durch andre in ihrer Gesellschaft wachsende Arten (Unkräuter) geschädigt werden, insofern diese mit ihnen konkurrieren in den Ansprüchen an die Nährstoffe des Bodens und an Genuß von Licht und Luft. Auch mechanisch schaden diejenigen Unkräuter, welche zu den Schlingpflanzen gehören, indem sie die in ihrer Nähe wachsenden Pflanzen erwürgen und niederdrücken. Die gefährlichsten Pflanzenfeinde finden sich aber unter den Schmarotzerpflanzen, indem diese direkt den andern Pflanzen organische Säfte und Bestandteile rauben und dadurch ausgeprägte Krankheitserscheinungen hervorrufen. Von höhern Gewächsen kommt hier fast nur die Flachs- und Kleeseide (Cuscuta) in Betracht. Dagegen wird eine ganze Anzahl der allgemeinsten und verderblichsten Krankheiten der Kulturgewächse durch Pilze verursacht. Die Veränderungen, welche das auf oder in dem Körper der Nährpflanze entwickelte Mycelium dieser Pilze an denselben hervorbringt, und das Eigenartige der Fruchtbildung derselben, die bald als gefärbte, staubartige Sporenmassen, bald in Form eigentümlich gestalteter Körper an den befallenen Pflanzen sichtbar wird, bedingt die gewöhnlich sehr charakteristischen Symptome dieser Krankheiten. Die unmittelbare krankmachende Wirkung besteht in der Tötung derjenigen Gewebe, auf oder in welchen der Pilz sich entwickelt. Entweder löst das Mycelium die Zellen vollständig, insbesondere die Membranen derselben, also die festen Teile des Gewebes, auf, so daß der Pflanzenteil völlig zerstört wird und der Pilz an dessen Stelle tritt, oder die Zellen bleiben unverletzt, aber das Mycelium saugt daraus die wichtigsten Inhaltsbestandteile aus, so daß die Zelle getötet wird und der betreffende Pflanzenteil gewöhnlich unter Verlust seiner natürlichen Farbe abstirbt, vertrocknet und zu Grunde geht. Mitunter geht dabei eine abnorme Vergrößerung des befallenen Pflanzenteils unter monströser Formbildung voraus. Je nach dem Organ, welches auf diese Weise durch den Schmarotzer zerstört wird, ist die Folge der Krankheit für den Gesamtorganismus der leidenden Pflanze verschieden. Fallen nur die Blüten oder reifenden Früchte dem Pilze zum Opfer, so entwickelt sich die Pflanze im übrigen normal; aber sie bleibt steril und gewährt keine Ernte an Früchten oder Samen. Werden aber die Blätter und Stengel oder die Wurzeln durch den Schmarotzer angegriffen, so verliert die Pflanze Organe, die bei der Ernährung unentbehrlich sind, und es kann dadurch schon frühzeitig die Entwickelung überhaupt gehemmt, der Tod herbeigeführt und somit ebenfalls die Produktion vereitelt werden. Während man früher glaubte, bei den in Rede stehenden Krankheiten sei der Schmarotzerpilz nur eine sekundäre Erscheinung, er siedle sich nur auf der schon krankhaft disponierten Pflanze an, ist es in der jüngern Zeit allgemein nachgewiesen und anerkannt, daß diese Pilze durch ihre Sporen sich fortpflanzen und an jedem normalen Individuum ihrer betreffenden Nährpflanzen zur Entwickelung kommen können, damit zugleich aber die spezifische Krankheit hervorbringen. Insofern lassen sich die Sporen dieser Parasiten zugleich als die Keime der Krankheit betrachten, und bei der Massenhaftigkeit, in der sie erzeugt werden, erklärt es sich, daß diese Krankheiten ansteckend sind, und daß sie sogar als Epidemien auftreten, die sich über ganze Länder verbreiten und in manchen Gegenden endemisch geworden sind. Zugleich ist dadurch der Weg bezeichnet, wie man diese Krankheiten zu bekämpfen und zu verhüten hat: daß man nämlich die Sporen dieser Pilze vernichten oder keimunfähig machen muß und die Bedingungen ihrer Keimung und Weiterentwickelung, unter denen dauernde Feuchtigkeit des Bodens und der Luft obenan stehen, möglichst zu beseitigen sucht. Hierzu ist selbstverständlich die Kenntnis der Lebensweise der betreffenden Schmarotzerpilze das erste Erfordernis. Die wichtigsten hier in Betracht kommenden Schmarotzer sind die Brandpilze (Ustilagineae) und die Rostpilze (Uredineae); Peronosporeen verursachen die Kartoffelkrankheit und den weißen Rost, Exoascus die an den Pflaumen vorkommenden Taschen, Erysiphe-Arten den eigentlichen Meltau, Oidium Tuckeri Berk. die Traubenkrankheit; Pyrenomyceten erzeugen den Rußtau, die Fleckenkrankheit der Blätter, und zu ihnen gehören auch der Wurzeltöter der Luzerne, der Rübentöter und der Erzeuger des Mutterkorns; Diskomyceten erzeugen den Tannen- und Fichtenritzenschorf, den Runzel- oder Blattschorf am Ahorn und an den Weiden, den Kleekrebs und den Lärchenkrebs, endlich von den Hymenomyceten Agaricus melleus Vahl am Grunde der Stämme und an den Wurzeln verschiedener Bäume den Erdkrebs (Harzsticken). Die Tafel „Pflanzenkrankheiten“ gibt charakteristische Habitusbilder einiger der wichtigsten P. und zugleich die Entwickelung der die letztern verursachenden Pilze.

Tiere schädigen die Pflanzen, indem sie Teile derselben abfressen, benagen etc. Hierher gehören die Schäden, welche das Wild besonders im Winter veranlaßt, indem es die Knospen und jungen Zweige, desgleichen die Sämlinge der Baumschulen verbeißt und die Rinde der Stämme bis auf den Splint abnagt. Besonders aber fallen den pflanzenfressenden Insekten die verschiedensten Teile der Pflanzen zum Opfer, bald die Wurzeln (z. B. Engerlingen), bald Rinde und Bast (z. B. Borkenkäfern), bald Blüten und Früchte, besonders der Obstbäume, den Raupen verschiedener Schmetterlinge; am größten aber ist die Zahl der laubzerstörenden Insekten. Die eigentlich parasitischen Tiere zerstören dagegen die Pflanzenteile durch ihre Freßwerkzeuge nicht, sie benutzen die Pflanze als Wohnplätze entweder zeitlebens oder nur während ihres Ei- und Larvenzustandes und saugen dabei bloß flüssige Säfte aus denselben oder nähren sich nur von innern Teilen, ohne das Organ der Pflanze, welches ihnen ein Asyl gewährt, zu zerstören; aber sie verursachen abnorme, krankhafte Erscheinungen, Verlust der natürlichen Farbe, vorzeitiges Absterben des unmittelbar bewohnten Teils oder entfernterer Teile, wenn diese durch das Leiden des direkt affizierten Organs in Mitleidenschaft gezogen werden. So bewirken kleine, achtbeinige Milben aus der Gattung Tetranychus, welche auf der Unterseite der Blätter vieler Kräuter und Sträucher [965] leben und dieselben mit sehr feinen Fäden überspinnen, ein Gelbwerden und frühes Absterben des Laubes (Blattdürre); hierher gehört auch die Krankheit des Weinstocks, welche gegenwärtig durch die auf den Wurzeln desselben schmarotzende Reblaus erzeugt wird. Meistens aber verursacht der Parasitismus wirkliche Neubildungen an den bewohnten Teilen (Gallen, s. d.), zu deren Ausbildung meist ein größeres Quantum von Nährstoffen dem Körper entzogen wird, und durch welche die Organe, an denen sie entstehen, in der Regel ganz oder teilweise funktionsunfähig werden. So kann Sterilität die Folge sein, wenn die Gallen aus Teilen der Blüten oder Früchte entstehen; dahin gehören das Gicht- oder Radenkorn des Weizens, die Kernfäule der Karden (s. Aaltierchen), knollenförmige Anschwellungen an den Wurzeln des Rapses, Rübsens und Kohls, durch Larven der Rapsfliegen (Anthomyia) und andrer Dipteren erzeugt. Die meisten und verschiedenartigsten Gallen finden sich auf Blättern und bewirken bei reichlichem Auftreten Laubverderbnis. Zu ihnen gehören auch die durch mikroskopisch kleine, vierbeinige Milben (Phytoptus) verursachten abnormen Haarbildungen, welche auf dem Weinstock und den meisten unsrer Holzgewächse die Filzkrankheit der Blätter (s. Erineum) darstellen. Blattläuse bewirken Verkrümmungen, Kräuselungen, blasige Auftreibungen und beutelförmige Aussackungen an den Blättern und bringen durch ihre Sekretionen Honigtau (s. d.) und durch die bei ihren Häutungen zurückbleibenden Bälge Meltau (s. d.) hervor. – Von einer Anzahl P. können wir eine bestimmte Ursache noch nicht angeben; es ist zu vermuten, daß sie auf Ernährungsverhältnisse, bedingt durch die Beschaffenheiten des Bodens, zurückzuführen sind. Dahin gehören die Erscheinungen des Rückschlags auf den wilden Zustand, wie das Holzigwerden fleischiger Wurzeln und Knollen und das Steinigwerden der Birnen, ferner die Krankheiten, welche in einer Desorganisation gewisser Gewebe, insbesondere des Holzkörpers, bestehen, wie die Gummikrankheit des Steinobstes, die Harzkrankheit der Nadelhölzer, der Krebs der Kernobstgehölze und desgleichen die Bleichsucht oder Chlorose. Vgl. Meyen, Pflanzenpathologie (Berl. 1841); Kühn, Die Krankheiten der Kulturgewächse (2. Aufl., das. 1859); Hallier, Phytopathologie (Leipz. 1868); Sorauer, Handbuch der P. (2. Aufl., Berl. 1886; Atlas 1887 ff.); Frank, Die Krankheiten der Pflanzen (Bresl. 1880); Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten (Berl. 1882); Zimmermann, Atlas der P. (Halle 1885–86).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 721726
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[721] Pflanzenkrankheiten. Der pflanzliche Organismus steht unter denselben Entwickelungsgesetzen und Einflüssen wie der Tierkörper, ist mithin wie dieser zu beurteilen und zu behandeln. Die Technik der Behandlung hat sich selbstverständlich der abweichenden Organisation und dem entsprechend den anders gearteten Bedürfnissen anzupassen. Das angeerbte Entwickelungsgesetz bedingt, daß auch die Pflanze wie der Tierkörper in allen Generationen denselben Formenkreis und dieselben Phasen der stofflichen Zusammensetzung innerhalb bestimmter Zeitabschnitte durchläuft. Genaue Grenzwerte, die durch bestimmte Zahlen ausgedrückt werden könnten, gibt es weder für die Zeitdauer der Entwickelung, d. h. für das Lebensalter, noch für die gestaltliche oder stoffliche Zusammensetzung einer Spezies; wir sehen vielmehr bei den einzelnen Individuen derselben Art stets Abweichungen auftreten. Indes bewegen sich diese Schwankungen innerhalb der von uns geschichtlich überblickbaren Zeit doch immer zwischen gewissen Maximal- und Minimalgrenzen, welche der Pflanzenspezies [722] eigentümlich und sich in allen Generationen wiederholen, also typisch für sie sind. Wenn wir beispielsweise den Birnbaum betrachten, der in so mannigfachen Kulturformen alle Übergänge von der mit Dornen versehenen wilden Birne bis zu den zartesten Butterbirnen zeigt, so finden wir eine ganz bedeutende Anzahl wesentlicher Abweichungen. Bei den wilden Birnen ist das Fruchtfleisch fest, die Frucht klein, stark steinig, im Geschmack zusammenziehend; bei den guten Kulturformen dagegen zeigt die bisweilen auf eine enorme Größe gebrachte Frucht bei dem Genuß keine Spur mehr von dem zusammenziehenden Gerbsäuregeschmack und nur geringe Andeutungen der zwischen den Zähnen knirschenden Steine, wohl aber einen ganz bedeutenden Zuckerreichtum und eine große Weichheit (schmelzende Beschaffenheit) des Fleisches. Auch im anatomischen Bau sind merkliche Abweichungen zwischen den wilden Birnbäumen und den Kultursorten vorhanden. In der Frucht sind die sogen. Steinzellen, welche die zwischen den Zähnen knirschenden Körnchen darstellen, dünnwandiger und weiter auseinander gerückt; im Zweigbau erweist sich bei den Kultursorten die Rinde fleischiger, der Markkörper größer und der Holzring kleiner, also der Zweig dicker und weicher als bei gleichalterigen Zweigen der Wildbirne. Trotz dieser und mannigfacher andrer Abänderungen bleiben die Merkmale des Birnbaums doch immer derart, daß wir ihn nur sehr selten, bei genauer Prüfung niemals, mit einer andern Kernobstart verwechseln werden. Der Blütenbau, die kreiselförmige Gestalt der Frucht mit ihren stets vorhandenen Steinzellen, die Blattbeschaffenheit etc. sind Merkmale, welche bei den verschiedensten Formen immer eine charakteristische Übereinstimmung erkennen lassen, die durch keinerlei natürliche oder künstliche Eingriffe sich dauernd haben verändern lassen. Wir müssen demgemäß behaupten, daß der pflanzliche Organismus uns in gewissen Typen gegenübertritt, die nicht erschüttert werden können, wohl aber weitgehende Schwankungen in der stofflichen und gestaltlichen Entwickelung zulassen. Diese in allen Generationen immer wieder innerhalb bestimmter Zeitepochen zu Tage tretenden typischen Merkmale bezeichnen wir als normale Entwickelung.

Eine solche sehen wir zu stande kommen trotz der wechselnden Witterungsverhältnisse verschiedener Jahre, so daß die Vermutung nahegelegt wird, daß der pflanzliche Organismus, im wesentlichen in seiner gestaltlichen und stofflichen Entwickelung von den Witterungsverhältnissen unabhängig, lediglich dem innewohnenden erblichen Gesetze folge. Genauere Beobachtung läßt jedoch bald das Gegenteil erkennen. Wir bemerken, daß die Witterung von ganz bedeutendem Einfluß ist, daß sie fortwährend ändernd auf die Beschaffenheit des Pflanzenleibes wirkt, daß derselbe bis zu einem gewissen Grade direkt das Spiegelbild der Vegetationsbedingungen wird, die alljährlich auf ihn einwirken, und daß wir nur deshalb große Veränderungen von langer Dauer am Pflanzenkörper nicht auftreten sehen, weil innerhalb größerer Perioden die Jahreswitterungen sich wieder ausgleichen, so daß der langlebige Organismus Beeinflussungen eines Jahres durch entgegengesetzte andrer Jahre auszugleichen im stande ist. Um einen klaren Einblick in das Abhängigkeitsverhältnis der Pflanze von den äußern Vegetationsbedingungen zu erhalten, empfiehlt es sich, kurzlebige, schnellwüchsige Arten zu beobachten. Wir dürfen nur die besonnten und schattig stehenden, die auf trocknem Sand- und feuchtem Lehmboden wachsenden Exemplare derselben Pflanzenart miteinander vergleichen, um sofort den Einfluß der Beschattung in dem schmächtigen, langgliederigen Bau, den Einfluß der Trockenheit in den kleinblätterigen, behaarter erscheinenden, gedrungener wachsenden Exemplaren herauszufinden. Was von der größern oder geringern Lichtmenge, von der beschränkten oder genügenden Wasserzufuhr gilt, bezieht sich auf alle Faktoren, von denen das Pflanzenleben abhängig ist. Jeder Vegetationsfaktor wirkt nach Maßgabe seiner vorhandenen Stärke auf das Pflanzenleben ein und kommt bei dem Aufbau des pflanzlichen Organismus zur Geltung. Jede Pflanze braucht zu ihrem Gedeihen eine gewisse Menge von jedem einzelnen Vegetationsfaktor (Licht, Wärme, Bodennährstoffe, Luftzufuhr etc.), um sich überhaupt am Leben zu erhalten. Unterhalb dieser Minimalgrenze hören die Thätigkeitsäußerungen des Organismus auf; es tritt ein Starrezustand ein, der bei längerer Dauer zum Tode führt, bei Wiedereintritt der notwendigsten Minimalmengen der einzelnen Lebensbedingungen nach kurzer Unterbrechung einer erneuerten Lebensthätigkeit aber wieder Platz macht. Von dieser Minimalgrenze ab steigern sich die Funktionen des Organismus, wenn Wärme, Licht, Nährstoffzufuhr und die andern lebenbedingenden Faktoren an Menge zunehmen, bis zu einem Gipfelpunkte, dem Optimum, um dann bei weiterer Steigerung der Vegetationsbedingungen wieder an Intensität nachzulassen, an einer Maximalgrenze endlich abermals zum Stillstand zu kommen und in einen Starrezustand einzutreten, der über eine gewisse Zeitdauer hinaus zum Absterben führt. Der von uns in seinen Wirkungen am leichtesten zu überschauende Faktor ist die Wärme. Die Kulturen der tropischen Pflanzen in unsern Gewächshäusern sind das nächstliegende Beispiel für die Thatsache, daß jedes der einzelnen Pflanzengeschlechter besondere Ansprüche an die Temperatur stellt, und daß viele Arten schon bei Wärmegraden sterben, bei denen andre noch freudig wachsen. Genauere Beobachtung zeigt aber auch, daß die einzelnen Varietäten derselben Art sich in ihren Wärmeansprüchen verschieden verhalten, ja, daß selbst innerhalb derselben Varietät sich stets einige Individuen finden, die frosthärter als andre sind. Es werden also einzelne Exemplare derselben Art noch bei einer Temperatur Lebensthätigkeit zeigen, bei denen die Mehrzahl schon im Zustande der Kältestarre sich befindet. Was von dem Wärmebedürfnis gesagt ist, gilt auch für jeden einzelnen andern Vegetationsfaktor. Einzelne Arten und Individuen sind noch mit Wasserquantitäten zufrieden, bei denen andre schon im Zustande der Trockenstarre sich befinden, begnügen sich mit Lichtmengen, die für andre unzureichend sind und sie in den Zustand der Dunkelstarre versetzen etc. Ebenso wie es innerhalb jeder Art einzelne Individuen gibt, welche ganz besonders geringe Mengen der einzelnen Vegetationsfaktoren beanspruchen, gibt es anderseits auch solche, die auch extrem große Quantitäten vertragen. Innerhalb der Minimal- und Maximalgrenze jedes einzelnen Vegetationsfaktors schwankt die Intensität des Wachstums nun fortwährend hin und her; es vollziehen sich alle Funktionen, und alle Phasen der Entwickelung werden normal durchlaufen. Das Pflanzenleben bewegt sich dann innerhalb der Breite der Gesundheit. Sinkt ein einziger der für das Pflanzenleben notwendigen Faktoren unter die für die Spezies eigentümliche Minimalmenge oder wird er über die Maximalgrenze [723] hinaus gesteigert, so erhält der typische Entwickelungsgang eine Störung durch Aussetzen einzelner Funktionen, und damit ist die Existenz der Pflanze bedroht. Jeder derartige Stoß auf den typischen Entwickelungsmodus ist eine Krankheit.

Die Disziplin, welche sich mit dem Studium der P. beschäftigt, heißt die Phytopathologie.

Das Studium beginnt mit der Charakterisierung des Krankheitszustandes, also einer Beschreibung nach den einzelnen Anzeichen oder Symptomen (Pathographie oder Symptomatik). In zweiter Linie folgt die Erörterung der Frage nach der Entstehung der Krankheit (Pathogenie oder Ätiologie), und nach der Lösung dieser Frage erst kann die Heilmittellehre (Therapie) zur Wirksamkeit kommen. Von größerer praktischer Bedeutung aber als die Heilmittellehre ist jedenfalls derjenige Zweig der Pathologie, welcher sich mit den Vorbeugungsmaßregeln zur Verhütung der Krankheiten befaßt (Prophylaxis). Die besten Vorbeugungsmaßregeln werden in der Ausbildung der Lehre von der Erhaltung der Gesundheit der Pflanze, also der Pflanzenhygiene, gefunden.

Die Aufgabe der Phytopathologie aber ist damit nicht abgeschlossen, daß sie nur diejenigen Störungen in Betracht zieht, welche die Existenz des pflanzlichen Organismus bedrohen (absolute Krankheiten). Wir müssen bedenken, daß wir eine große Anzahl von Gewächsen aus ihren natürlichen Wachstumsverhältnissen entfernt und der Züchtung unterworfen haben. Die Züchtung hat den Zweck, die Pflanzen in bestimmter Richtung zu einer gesteigerten Produktion zu veranlassen. Unsre Kultur wünscht eine Erhöhung gewisser Eigenschaften. Bald wünschen wir eine Vermehrung der Masse, wie bei der Ausbildung der Getreidekörner, bald die möglichst reiche Entwickelung bestimmter Inhaltsstoffe, wie z. B. des Zuckers bei der Zuckerrübe, oder wir verlangen die Umwandlung einzelner Organe, wie beispielsweise die Umbildung von Staubgefäßen zu Blumenblättern behufs Erzielung gefüllter Blüten etc. Je mehr unsre Kulturpflanzen den an sie gestellten Züchtungsansprüchen nachkommen, desto mehr pflegen wir sie als vollkommen anzusehen und als normal anzusprechen. Dieser durch den Kulturzweck geschaffene Begriff der Normalität kann dem Grundbegriff gerade entgegenlaufen, so daß wir eine Rückkehr der Pflanze in den natürlich-normalen Zustand geradezu als abnorm, die Rückkehr zum Typus der Art geradezu als Ausartung bezeichnen. Eins der bekanntesten Beispiele bietet sich in der holländischen Karotte, also jener Mohrrübensorte dar, die sehr zuckerreich, kurz und dick ist, sich plötzlich unten in ein dünnes Wurzelende zusammenzieht und für die Frühbeetkulturen ganz besonders geeignet erscheint. Diese Karotte stammt, ebenso wie die weiße, stärkehaltige Futtermöhre, von unsrer wilden Mohrrübe ab, die eine schlank spindelförmige, weiße, holzige, stärkereiche Wurzel besitzt. Jede Neigung bei den kurzen Karotten, die lange, spindelförmige Wurzelgestalt anzunehmen und Stärke statt des Zuckers abzulagern, bezeichnen wir als eine Ausartung, obgleich es eigentlich gerade der Ausdruck eines Strebens der Pflanze ist, zum natürlichen Entwickelungstypus zurückzukehren. Solche Ausartungen finden sich bei allen von uns kultivierten Gewächsen und werden als Störungen des Entwickelungsganges der Pflanze betrachtet, welche von der Pathologie bekämpft werden sollen. Das Arbeitsgebiet der Phytopathologie umfaßt somit nicht nur die Störungen, welche die Existenz der Pflanze bedrohen, sondern auch diejenigen Abweichungen des durch unsre Kultur abgeänderten Entwickelungsganges, welche lediglich den Kulturzweck schädigen, und die man deshalb als relative Krankheiten den absoluten anzureihen hat.

Vielfach ist der Begriff der Ausartung oder Degeneration auch in der Weise gebraucht worden, daß man nicht bloß die obenerwähnten Rückschläge unsrer Kulturformen zu den wilden Stammformen damit bezeichnete, sondern daß man annahm, auch die typische unkultivierte Art zeige aus innern Ursachen allmählich Schwächeerscheinungen und ein Nachlassen oder Einstellen gewisser Funktionen, welche zum Aussterben der Art früher oder später führen müssen. Diese Anschauung beruht auf der Annahme, daß jeder Pflanzenart ein bestimmtes Lebensalter eigentümlich sei, wie solches bei den Individuen erkennbar ist, und daß somit notwendigerweise die Folgen des Alters, also Senilitätserscheinungen sich geltend machen müssen. Die Verteidiger dieser Ansicht stützen sich auf die Erfahrung, daß gewisse Arten und Varietäten an Örtlichkeiten nicht mehr gedeihen wollen, in denen sie früher in großer Üppigkeit wuchsen. Dieser Ansicht gegenüber ist zu betonen, daß nirgends das plötzliche gleichzeitige Verschwinden einer Art aus den verschiedenen Wohnungsgebieten unzweifelhaft festgestellt ist, daß aber das Aussterben gewisser Varietäten und Kulturformen sich durch sehr natürliche Wachstumsvorgänge erklären läßt, die ganz unabhängig vom Alter der Spezies oder des Geschlechts sind.

Es ist im vorhergehenden bereits erwähnt worden, daß die Kräftigkeit der Entwickelung einer Pflanze davon abhängt, in welcher Menge ihr die einzelnen Vegetationsfaktoren zur Verfügung stehen. Nun hat aber außerdem auch jede einzelne Entwickelungsphase des Individuums ihre besondern Minimal- und Maximalgrenzen innerhalb der Existenzskala. Es vollziehen sich beispielsweise häufig die Keimung und die Laubentwickelung bei Temperaturen und Lichtmengen, welche für die Ausbildung von Blüte und Frucht ungenügend sind. Die Pflanze geht nicht zu Grunde, wenn sie die Bedingungen zur Fruchtbildung nicht erhält, aber sie beschränkt ihre Produktion auf diejenigen Phasen, die unter den gegebenen Verhältnissen eben möglich sind. Wirken derartige ungünstige Umstände dauernd auf Individuen oder ganze Generationen ein, so werden derartige Neigungen zu einseitiger Produktion erblich, und wir erhalten Rassen mit unvollkommener Entwickelung. Im vorliegenden Beispiel würden Rassen mit Neigung zur Unfruchtbarkeit gebildet werden und wir von einer Degeneration sprechen dürfen. In andern Fällen kann die Unfruchtbarkeit dadurch zu stande kommen, daß von gewissen Vegetationsfaktoren ein Überschuß geboten wird. Wir sehen die gefüllten Blumen zum Teil dadurch entstehen, daß die Pflanzen dauernd in sehr nährstoffreichem Boden bei günstigster Bewässerung erzogen werden. Es bildet sich dann die Neigung heraus, die Staubgefäße in Blumenblätter umzuwandeln, und die Individuen sind für sich allein wegen Mangel der Blütenstaub produzierenden Organe nicht mehr fähig, den Befruchtungsakt zu vollziehen. So lassen sich zahlreiche Beispiele einer einseitig gesteigerten Entwickelung durch Mangel oder Überschuß einzelner Vegetationsfaktoren vorführen. Geht diese einseitige Ausbildung gewisser Funktionen oder Organe auf Kosten andrer vor sich, deren Erhaltung für den Kulturzweck oder die Fortpflanzung der Art wünschenswert ist, dann haben wir Degenerationserscheinungen [724] vor uns. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß dies nur lokale und temporäre Abweichungen im Entwickelungsgange einer Art sind, die sich durch entgegengesetzte Eingriffe wieder reparieren lassen und mit dem Lebensalter einer Art nichts zu thun haben. Der pflanzliche Organismus ist bis zu einem gewissen Grade wie Wachs, das äußere Eindrücke aufnimmt und festhält und durch die Kultureingriffe beweglicher und leichter formbar wird. So gut wie Kultureingriffe, vermögen auch Veränderungen der natürlich gebotenen Vegetationsbedingungen (Senkung des Grundwasserspiegels, Veränderungen des Klimas durch Zerstörung der Wälder u. dgl.) degenerative Erscheinungen an manchen Arten an einzelnen Örtlichkeiten hervorzurufen. Es sind dabei direkt oder indirekt jedoch stets äußere Einflüsse als Ursache nachweisbar, und eine Entartung aus innern Ursachen kann bei unsern Pflanzen nicht angenommen werden.

Die hier entwickelten Gesichtspunkte finden auch ihre Anwendung bei der Entscheidung der wissenschaftlich noch umstrittenen Frage der Prädisposition der Pflanzen für Krankheiten. Diejenigen, welche eine Prädisposition nicht anerkennen, verstehen unter dieser Bezeichnung eine im Individuum bereits ruhende Krankheitsanlage, welche nur durch äußere Eindrücke geweckt zu werden braucht; es wird also ein innerer abnormer Zustand stets dabei vorausgesetzt. Eine solche Auffassung ist jedoch als eine zu beschränkte, auf verhältnismäßig wenig Fälle nur anwendbare, zu verwerfen. Vielmehr muß man das Wort Prädisposition zur Bezeichnung des Begriffs einer Neigung zur Erkrankung (Erleichterung der Erkrankungsfähigkeit) verwenden. Eine solche vorherbestehende Geneigtheit wird in den meisten Fällen mit Entwickelungsstadien des Pflanzenkörpers zusammenfallen, die als normal bezeichnet werden können, d. h. die in den Rahmen derjenigen Vorgänge fallen, welche zum typischen Entwickelungsgange gehören und das Leben des Individuums stützen, anstatt dasselbe zu bedrohen. Als Beispiel für die Existenz einer derartigen gesteigerten Geneigtheit, einer Krankheitsursache eher zu erliegen, erwähnen wir den leicht zu wiederholenden Versuch, eine wilde Pflanze unsrer Wiesen in einem Topfe längere Zeit in einem warmen Gewächshause zu kultivieren und darauf dem Winterfrost auszusetzen. Wir sehen dann eine solche Staude schon bei Kältegraden erfrieren, die vollkommen schadlos an den im Freien verbliebenen Schwesterexemplaren vorübergehen. Durch die Entwickelung der im Topfe befindlichen Exemplare im Warmhause sind dieselben zarter geworden; ihr Gewebe ist dünnwandiger und wasserreicher und damit leichter reizbar durch den Stoß geworden, der in der Form des Frostes auf die Zellen einwirkt. Nehmen wir eine andre Krankheitsursache statt der ungünstigen Witterungsverhältnisse, nämlich einen Parasiten, so finden wir ebenfalls experimentell gewonnene Thatsachen, die eine leichtere und heftigere Erkrankung derartig verzärtelter Exemplare darthun. Dieser bei der Glashauskultur gewonnene Charakter der Zartheit kann nicht als ein krankhafter Zustand der Pflanze bezeichnet werden, sondern stellt einen Fall normaler, aber einseitig bevorzugter Entwickelung dar. Das Individuum kann bei vorsichtiger Pflege alle Phasen seines Lebens ungestört durchlaufen und auch das durchschnittliche Lebensalter erreichen. Wir werden unter diesen Umständen von einer normalen Prädisposition gegenüber einer abnormen zu sprechen haben. Mit letzterm Ausdruck möchten diejenigen Zustände in einem Pflanzenkörper zu bezeichnen sein, welche an sich schon Störungen der bisherigen zweckmäßigen Lebensvorgänge, also selbst schon Wirkungen krankheitserregender Einflüsse sind und als solche nun weiter die Ursache für die Wirksamkeit neuer Krankheitserzeuger abgeben. Der Frost liefert auch Belege für eine abnorme Prädisposition, indem er beispielsweise Risse oder andre Wunden erzeugt, welche die Ansiedelungsherde für parasitische Pilze abgeben. Die Parasiten töten nun die Gewebe, würden aber nicht zum Angriff gekommen sein, wenn sie nicht die Frostwunde zur Ansiedelung gehabt hätten.

Auf das Studium der normalen Prädisposition hat die Pathologie das größte Gewicht zu legen; denn hier ist die Grundlage für eine rationelle Pflanzenhygiene zu finden. Diesem Teile der Pathologie fällt die Aufgabe zu, experimentell festzustellen, bis zu welcher Höhe die zur Erreichung eines bestimmten Kulturzweckes durchgeführte einseitige Steigerung gewisser Wachstumsrichtungen statthaft ist, ohne die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen äußere Störungen allzusehr abzuschwächen.

Das allgemein befolgte Prinzip der Einteilung der Krankheiten nach ihren Ursachen findet in seiner Durchführung vorläufig noch große Schwierigkeiten, weil in sehr vielen Fällen noch der experimentelle Beweis fehlt, daß eine bestimmte Erkrankung durch die von den Forschern angenommene Ursache thatsächlich bedingt wird. Am naturgemäßesten lassen sich die Krankheiten gruppieren in solche, die parasitären und nichtparasitären Ursprunges sind. Eine Übergangsgruppe zwischen beiden Abteilungen bilden die Schädigungen unsrer Kulturpflanzen durch Unkräuter, die keine natürliche Gruppe untereinander verwandter Arten darstellen, sondern Pflanzen aus den verschiedensten Familien umfassen, welche nur durch das gemeinsame Merkmal zusammengehalten werden, daß sie schnellwüchsiger und vermehrungsfähiger gegenüber den gleichzeitig angebauten Kulturgewächsen sind und augenblicklich keinem Kulturzwecke dienen. Durch diese schnellere Entwickelung berauben sie die Feldfrüchte der Bodennährstoffe und der notwendigen Luft- und Lichtzufuhr. Es ist also gleichsam ein Raumparasitismus, der sich hier geltend macht.

Die nichtparasitären Krankheiten gliedern sich in solche, bei denen die Ursache in den Bodenverhältnissen gesucht werden muß. Entweder gibt die Lage des Bodens Veranlassung zu Wachstumsstörungen, oder die physikalische oder chemische Bodenzusammensetzung ist derart, daß Wasser- und Nährstoffmangel oder auch Überschuß an einzelnen dieser Faktoren eintritt. Eine fernere Gruppe von Krankheiten bilden die durch atmosphärische Einflüsse ausgeübten Beschädigungen. An diese schließen sich die von Jahr zu Jahr zunehmenden Störungen des Wachstums durch industrielle Einrichtungen, also die Verpestung der Atmosphäre durch Rauchgase, die Verschlechterung der Gewässer durch Fabrikabfälle etc.

Eine besondere Krankheitsgruppe bilden die Wunden, und zwar sowohl diejenigen, die durch Menschenhand zur Erlangung gewisser Kulturzwecke ausgeführt werden, als auch solche, welche durch Tiere zur Befriedigung des Nahrungs- und Wohnungsbedürfnisses dem Pflanzenkörper zugefügt werden. An diese Gruppe von Krankheiten schließt sich naturgemäß die Betrachtung der Gallen, d. h. derjenigen Auswüchse, bei denen die verschiedenen Pflanzenteile auf die [725] ihnen von den Tieren zugefügten Verwundungen durch Bildung charakteristisch gebauter Gewebewucherungen antworten. Den Anhang stellen die Maserbildungen dar, die sich in der Mehrzahl der Fälle als Unregelmäßigkeiten im Holzbau zeigen, wozu häufig eine abnorme Vermehrung der Zweiganlagen Veranlassung gibt.

Die parasitären Krankheiten ist man vielfach geneigt, als Erscheinungen aufzufassen, die mehr oder weniger aus dem Rahmen der übrigen Lebensvorgänge heraustreten und besondern Gesetzen unterworfen wären. Thatsächlich erweist sich der Parasitismus aber nur als das Endglied einer Kette von den mannigfachen Beziehungen, in denen die Organismen zu einander stehen. Zwischen allen Organismen, die gemeinsam leben, entwickeln sich gegenseitige Beziehungen, die teils fördernd, teils hemmend für die Zusammenlebenden wirken. Schon bei den Pflanzen eines Getreidefeldes zeigen sich derartige gegenseitige Beeinflussungen. Hemmend wirkt ein Halm auf den andern, indem er ihm eine Summe von Licht und mit seinen Wurzeln einen Teil von Nährstoffen entzieht. Fördernd erweist sich der dichte Stand, indem ein Halm den andern stützt und teilweise gegen schädliche Einflüsse schützt. Bei dem vorerwähnten Beispiel der Unkräuter gestaltet sich das Verhältnis schon ungünstiger für eine Seite, weil das Unkraut den Vorteil der schnellern Entwickelung hat, also die Vorhand in der Empfangnahme von Licht und Nahrung gewinnt. Die Verhältnisse des Zusammenlebens oder der Symbiose werden schon unlösbarere, wenn Pflanzen angewiesen sind, auf andern zu wohnen (Epiphytismus). Die Orchideen und Aroideen unsrer Gewächshäuser liefern dafür die Beispiele. In vielen Fällen werden die beiden Symbionten ohne wesentlichen Einfluß aufeinander sein; aber dieses Gleichgültigkeitsverhältnis ändert sich, wenn der Epiphyt in solcher Massenhaftigkeit auf der Herbergspflanze erscheint, daß dieser nicht mehr genügend Licht und Luft zugeführt werden kann. Wenn auch der Epiphyt keine organisierte, lebendige Substanz seinem Wirt entzieht, sondern vielfach an seinen Luftwurzeln besondere Vorrichtungen zur Aufnahme von Gasen und Flüssigkeiten aus der Luft besitzt, so ist dennoch diese durch ihn veranlaßte Entziehung des Lichtes für den Laubkörper des Wirtes eine nicht zu unterschätzende Schädigung.

In den bisher erwähnten Fällen handelt es sich um Pflanzen mit gut entwickeltem grünen Laubapparat, also um Individuen, die durch ihren Chlorophyllreichtum die Fähigkeit in genügendem Grade besitzen, rohe, anorganische Nährstoffe in organische Substanz umzuwandeln und durch diesen Prozeß das Baumaterial für die neuangelegten Organe zu beschaffen. Diesen selbständigen Pflanzen stehen solche gegenüber, die durch ihr bleiches Aussehen bereits andeuten, daß in ihnen das Blattgrün nur spärlich auftritt oder gänzlich mangelt, daß mithin ihre Kraft, rohe Bodennährstoffe zu verarbeiten, eine sehr geschwächte ist. Solche Pflanzen sind bereits auf Nahrung angewiesen, die zur Aufnahme für sie schon vorgearbeitet, d. h. die schon einmal einem Organismus angehört hat und nun im Zerfall begriffen ist (Humus). Bei diesen Humusbewohnern sehen wir den für die Aufnahme der Bodenlösung bestimmten Apparat, den Wurzelkörper, bereits stark zurückgegangen. Von den hierher gehörigen einheimischen Orchideen besitzt z. B. die zierliche Neottia Nidus avis mit ihren blattlosen, chlorophyllarmen Stengeln noch ein Adventivwurzelsystem, während die nahe verwandte Corallorhiza innata an ihrem korallenartig verzweigten Wurzelstock überhaupt keine wirklichen Wurzeln mehr aufweist, sondern nur noch haarförmige Papillen aus den unterirdischen Achsenteilen hervortreibt. Der in eine den Heidekräutern verwandte Familie gehörige Fichtenspargel (Monotropa Hypopitys) ist ein Humusbewohner, der schon an eine bestimmte Wurzel gebunden und mit der Nadelholzwurzel so eng vereinigt ist, daß man an eine parasitische Verbindung glauben muß.

Von derartigen Gewächsen, welche ihre Nahrung nur von zersetzter organischer Substanz beziehen können (Saprophyten), bis zu solchen, welche ausschließlich auf das dem lebendigen Organismus noch angehörige Nährstoffmaterial angewiesen sind (Parasiten), finden wir nun noch weitere Übergänge. Unter unsern Wiesenpflanzen finden sich in reichlicher Verbreitung die einer Unterfamilie der Skrofulariaceen, nämlich den Rhinanthaceen, angehörigen Pflanzen, wie der Feldwachtelweizen (Melampyrum arvense), der Klappertopf (Rhinanthus Crista galli), das Läusekraut (Pedicularis) und der Augentrost (Euphrasia officinalis), die durch ihre grüne, reiche Belaubung gewiß nicht den Gedanken erwecken, daß sie zu ihrer Ernährung die Beihilfe andrer Gewächse in Anspruch nehmen. Dennoch finden wir an ihnen Organe, die als fleischige, den Wurzelverzweigungen seitlich anhängende Wärzchen den Wurzeln andrer Pflanzen sich anlegen und denselben die Säfte entziehen. Erreicht nun z. B. ein derartiges Saugorgan (Haustorium) des Klappertopfes eine Graswurzel, so legt sich in der Regel die Rindenschicht des Haustoriums unter Zerstörung des Rindengewebes der Nährwurzel an die Gefäßbündelscheide der letztern an. Der Gefäßkörper des Haustoriums setzt sich in direkte Verbindung mit den Gefäßbündeln der Nährwurzeln und entzieht denselben die benötigten Stoffverbindungen. Hier ist der Parasitismus als Hilfsvorrichtung wirksam. Bei den nächstverwandten, derselben Hauptfamilie angehörigen Orobancheen ist dagegen die parasitäre Ernährung die ausschließliche.

Noch häufiger als bei den phanerogamen Pflanzen treten uns diese Verhältnisse bei den Kryptogamen, namentlich bei den Pilzen, entgegen. Hier finden wir eine beträchtliche Anzahl von Arten, darunter unsre häufigsten Schimmelpilze, welche gewöhnlich saprophytisch leben, namentlich tote Pflanzenteile der weitern Zersetzung entgegenführen. Diese Arten sind aber keineswegs obligate Saprophyten, die unter allen Umständen an die in Zersetzung begriffene Pflanzensubstanz gebunden sind, sondern nachweisbar Organismen, welche auch das lebendige Pflanzengewebe angreifen und zerstören können. Sie bilden daher eine Mittelstufe, die wir als gelegentliche oder fakultative Parasiten zu bezeichnen pflegen. Andre Pilze dagegen, wie z. B. die Rostpilze, können unter keinen Umständen sich weiter entwickeln, wenn sie nicht in die lebendige Pflanze sich einnisten und von derselben sich ernähren können; dies sind die unbedingten oder obligaten Parasiten.

Wir haben somit eine Reihe von Verhältnissen gegenseitiger Beeinflussung von zusammenlebenden Pflanzen kennen gelernt und gesehen, daß der auf die Gemeinschaft der Organismen gegründete Kampf ums Dasein sich in verschiedenen Formen äußert. Eine dieser Formen ist der Parasitismus.

Alljährlich gehen durch P. große Summen verloren, und der Wunsch, diesen Ausfall an unsern Ernten und diese dauernde Schädigung an dem Nationalvermögen [726] möglichst einzuschränken, hat endlich dahin geführt, die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Phytopathologie zu lenken. Die neuesten Bestrebungen zur systematischen Bekämpfung der P. richten sich auf die Organisation eines allgemeinen Überwachungsdienstes unsrer Feld-, Wald- und Gartenkulturen durch wissenschaftliche Kräfte und die Ergreifung gemeinsamer Abwehr- und Vorbeugungsmaßregeln. Denn in wissenschaftlichen und praktischen Kreisen mußte sich die Erkenntnis bald Bahn brechen, daß bei der leichten Verbreitung der Pilzsporen und andrer Krankheitskeime es nur wenig erfolgreich sein kann, wenn der einzelne Pflanzenzüchter seine Ernten zu schützen sucht, da aus benachbarten Gegenden immer wieder neue Infektionen stattfinden können. Infolgedessen wurde von Sorauer bereits im J. 1882 die Idee angeregt, eine internationale Verbindung der phytopathologischen Forscher herzustellen, die in ihrem speziellen Vaterlande einen Überwachungsdienst einrichten sollten und bei Ausbruch epidemischer Erkrankungen rechtzeitig die Forscher andrer Länder benachrichtigen möchten, um dort die nötigen Schutz- und Vorbeugungsmaßregeln treffen zu können. Diese Idee fand nun auf dem Wiener internationalen land- und forstwirtschaftlichen Kongreß im September 1890 die notwendige Unterstützung der praktischen Pflanzenzüchter und führte zur Gründung einer internationalen phytopathologischen Kommission, welche die obenerwähnten Ziele verfolgen sollte. Es gehören dieser Kommission die bedeutendsten Forscher auf dem Gebiete der Phytopathologie an, und der Antragsteller fungiert als ständiger Schriftführer derselben. Ein Teil der deutschen Mitglieder der Kommission (Kühn-Halle, Frank-Berlin, Sorauer-Proskau) ist nun gleichzeitig thätig in dem von der großen deutschen Landwirtschaftsgesellschaft gewählten Sonderausschuß für Pflanzenschutz, der im J. 1891 ein Netz von wissenschaftlichen Beobachtern über ganz Deutschland gelegt hat; diese haben sich verpflichtet, nicht nur den Mitgliedern der Gesellschaft, sondern auch gegen einen etwas höhern Kostensatz andern Fragestellern mit Rat beizustehen und die Ergebnisse ihrer Beobachtungen alljährlich der Zentralstelle einzureichen. Dadurch wird der erste Schritt für eine Statistik der P. eingeleitet und damit allmählich das Material beschafft, das in Zahlen zeigen wird, welche großen Summen alljährlich durch Krankheiten und Feinde der Kulturpflanzen verloren gehen. Zu derselben Zeit hat auch der Deutsche Pomologenverein auf Antrag des Schriftführers der internationalen Kommission eine Sektion für P. gebildet, und diesem Beispiel ist bereits eine Anzahl andrer Vereine gefolgt, so daß für die praktischen Kreise der Landwirte und Gärtner in Fällen der Not ein wissenschaftlicher Rat stets zur Stelle ist. Die holländischen Mitglieder der Kommission haben nun auch eine niederländische phytopathologische Gesellschaft gegründet, welche dieselben Ziele wie die deutschen genannten Vereine verfolgt. In andern Ländern sind vorbereitende Schritte für ähnliche Einrichtungen im Gange, und der im September 1891 im Haag tagende internationale landwirtschaftliche Kongreß ist bereits der Frage näher getreten, die Phytopathologie, die bisher noch als Zweig der physiologischen Botanik betrieben wird, als eine selbständige Wissenschaft, ähnlich der Tierheilkunde und Medizin, loszulösen, weil sich immer mehr herausstellt, daß die jetzigen Forscher einseitig sind. Die Botaniker sind nicht genügend in der Zoologie, Bodenkunde, Chemie etc. unterrichtet, um eine phytopathologische Frage nach allen Richtungen hin in Angriff zu nehmen, und ebenso verhält es sich mit Forschern, die in andern Wissensgebieten stehen. Es kommt dazu, daß jede Krankheitslehre eine praktische Wissenschaft ist, welche den Organismus auch in seinen normalen Züchtungsverhältnissen und augenblicklichen Existenzbedingungen berücksichtigen muß. Daraus ergibt sich für den Phytopathologen die Notwendigkeit, ein praktisches Urteil über die Kulturmethoden der Pflanzen zu besitzen. Alle die notwendigen Einzeldisziplinen in ihrer Vollständigkeit zu studieren, um das für die Krankheitslehre Brauchbare zu lernen, überschreitet die Kräfte des einzelnen. Es muß mithin, wie in der Medizin, eine Verkürzung der Grundwissenschaften, ein Zuschnitt derselben für den bestimmten Zweck erfolgen, und dies geht eben nur dann an, wenn die Phytopathologie als abgegrenztes Wissensgebiet, als besondere Disziplin aus den Grundwissenschaften herausgearbeitet wird. Alle diese Bestrebungen finden ihre Vertretung in dem ersten, diesem speziellen Wissenszweige gewidmeten besondern Organ, der von Sorauer gegründeten „Zeitschrift für P.“. Auf Anregung der internationalen Kommission wurde 9. Dez. 1890 im preußischen Abgeordnetenhause der Antrag eingebracht, der Phytopathologie die nötige staatliche Unterstützung durch Gründung besonderer phytopathologischer Versuchsstationen angedeihen zu lassen. Die Kommission für die Agrarverhältnisse hat darauf beschlossen, den Antrag der königlichen Staatsregierung zur Erwägung nach der Richtung hin zu überweisen, „ob es nicht angezeigt sei, wenn die Errichtung der beantragten Zentralstelle nicht für zweckmäßig befunden wird, dann die bestehenden Einrichtungen zur Bekämpfung der pflanzlichen Schädlinge mit reichern Mitteln auszustatten“. Infolge dieses Beschlusses hat der Minister für Landwirtschaft nunmehr zunächst Berichte darüber eingefordert, wie im Interesse einer bessern Bekämpfung der pflanzlichen und tierischen Schädlinge bei den einzelnen Lehranstalten für Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft Einrichtungen getroffen werden können, welche es ermöglichen, den Pflanzenschutz in ausreichendem Maße den praktischen Berufskreisen zu gewähren. Diesen Anfängen der besondern staatlichen Fürsorge für die Phytopathologie werden hoffentlich alsbald weitere Maßnahmen folgen.