MKL1888:Schnitzer

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schnitzer“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 588
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Schnitzer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 588. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schnitzer (Version vom 15.12.2023)

[588] Schnitzer, Eduard, unter dem Namen Emin Pascha bekannter Afrikareisender, geb. 28. März 1840 zu Oppeln als Sohn eines jüdischen Kaufmanns, nach dessen Tode die Mutter nach Neiße zog. Auf dem dortigen Gymnasium vorgebildet, studierte S. in Breslau, Berlin und Königsberg Medizin, begab sich darauf nach der Türkei, wurde in Antivari Hafen- und Distriktsarzt, machte als Militärarzt eine Expedition nach Syrien und Arabien mit und folgte 1871 einem Ruf des Gouverneurs Ismail Pascha, den er zuerst nach Trapezunt und Erzerum, dann in das Exil und nach Ismail Paschas Wiedereinsetzung in seine Würde nach Janina begleitete, und bei dem er bis zu dessen Tod (1873) verblieb. S. heiratete darauf die Witwe seines Beschützers, eine Griechin. Inzwischen war S. nicht nur des Französischen, Englischen, Italienischen, verschiedener slawischer Idiome, des Türkischen, Arabischen und Persischen vollständig mächtig geworden, er hatte sich auch die orientalischen Sitten und Gebräuche so angeeignet, daß niemand ihm den westeuropäischen Ursprung anmerkte. Nach kurzem Besuch der Heimat 1875 begab sich S. nach Ägypten, folgte 1876 Gordon Pascha in den Sudân, wurde als Emin Efendi zum Chefarzt ernannt, ging mit Gordon zum Ukerewesee und untersuchte den Somerset (Victoria-Nil), fuhr 1877 von Lado über Dufile abermals den Nil hinauf bis Magungo am Mwutansee und begab sich dann über Masindi nach Mruli und zwischen dem Kafurfluß und dem Ibrahim Pascha-See durch Unyoro südwärts bis zu Mtesas Residenz Rubagha unweit des Ukerewe. Darauf zum Bei befördert und 1878 zum Gouverneur in den Äquatorialprovinzen ernannt, ging er von Rubagha zum Ukerewesee und über Mruli und Fauvera wieder nach Magungo. In Unyoro erfuhr er, daß der von Stanley entdeckte Beatricegolf nicht, wie jener glaubte, zum Mwutan gehöre, sondern zu einem südlichern Seebecken. 1879 unternahm er eine Reise nach dem vorher noch nie besuchten westlichen Uferland des Mwutan, 1880 besuchte er das Makrakaland. 1881 wurden die Gebiete von Rohl und Amadi, Teile der Niam-Niam-Länder und ganz Monbuttu zu seiner Provinz hinzugefügt, und S. war unermüdlich thätig, diese Gebiete zu organisieren, wie die angrenzenden noch unbekannten Landschaften zu erforschen, als der Aufstand des Mahdi und die Vernichtung der ägyptischen Herrschaft in den nördlich von seiner Provinz gelegenen Bezirken ihn plötzlich völlig von aller Verbindung mit seiner Regierung abschnitt und ihn in eine äußerst gefährdete Lage brachte. Da sich zu derselben Zeit W. Junker (s. d.) und Casati bei S. befanden, so wurde auf Veranlassung des in Petersburg ansässigen Bruders des letztern durch Vermittelung Bastians 1886 der Massaiforscher Fischer an der Spitze einer Expedition abgesandt, um sie zu befreien. Doch war es unmöglich, vom Herrscher von Uganda die Erlaubnis zum Durchzug zu erlangen, und Fischer mußte umkehren. Junker gelangte trotzdem glücklich an die Küste, S. aber blieb auf seinem Posten in Wadelai. Nun organisierte man in England auf Anregung Felkins eine Expedition, an deren Spitze Stanley gestellt wurde, die über Sansibar (zur Anwerbung von Trägern) zum Congo ging. Wohl noch nie war eine so bedeutende und so sorgfältig ausgerüstete Expedition ausgezogen. Stanley hatte unter sich 9 Europäer, 61 Sudanesen, 13 Somal und 620 Sansibariten, führte 50 Esel und außer vortrefflichen Gewehren auch eine Maximkanone mit sich. Auch wußte Stanley den arabischen Händler Tippu-Tip zu gewinnen, der den Posten eines Gouverneurs am obern Congo annahm. Inzwischen war S. durch Junker von Uganda aus reichlich mit Vorräten versorgt worden. Stanley ging in Dampfern des Congostaats den Congo aufwärts bis zum Aruwimi, an welchem aufwärts er nun die Landreise antrat. S. setzte inzwischen seine Erforschungsreisen fort und unternahm eine Expedition zur Untersuchung des Kakibbi, des südlichen Zuflusses des Albert Nyanza; er erklärte auch, als die Nachricht von einer abgesandten Entsatzexpedition bei ihm anlangte, ganz entschieden, seinen Posten nicht verlassen zu wollen und hoffte, die Ordnung in seiner Provinz selbst aufrecht erhalten zu können. Da aber von Stanley bis Ende 1888 keine Nachrichten nach Europa gelangten, auch Berichte von einer Eroberung der Provinz Schnitzers, der inzwischen von der ägyptischen Regierung zum Pascha ernannt worden war, und seiner Gefangennahme durch den Mahdi nach Europa gelangten, so begann man von verschiedenen Seiten Hilfsexpeditionen auszurüsten. Von Amerika brach Leutnant Shufeldt auf, von England sollte eine Expedition unter Leutnant Swaine ausgehen, von Deutschland wollte man eine Vorhut unter Wißmann absenden, während die Leitung der Hauptexpedition Peters übernehmen sollte. In Deutschland wurden Sammlungen zu diesem Zweck überall gemacht. Inzwischen brach in dem von der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft in Verwaltung genommenen Küstenstrich ein lange vorbereiteter, von den dortigen arabischen Sklavenhändlern organisierter Aufstand aus, welcher zur Räumung fast sämtlicher Stationen nötigte. Dennoch beschloß man deutscherseits, von der Absendung einer Hilfsexpedition nicht abzustehen, und da Wißmann die Stellung eines Reichskommissars für Ostafrika annahm, so wurde Peters mit der alleinigen Leitung der Expedition betraut. Vgl. „Emin Pascha. Eine Sammlung von Reisebriefen und Berichten“ (hrsg. von Schweinfurth und Ratzel, Leipz. 1888).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 734735
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[734] Schnitzer, Eduard (Emin Pascha), Afrikareisender, geb. 1840 zu Neiße (nicht Oppeln). Von den zur Unterstützung oder zum Entsatz Schnitzers ausgesandten Expeditionen (unter Fischer, Lenz, Stanley, Swaine, Shufeldt, Peters) erreichte nur Stanley (s. d., Bd. 17) wirklich sein Ziel. Derselbe gelangte, vom Congo den Aruwimi aufwärts marschierend, 13. Dez. 1887 an die Südwestecke des Albert Nyanza, und hier traf auch der von Stanleys Kommen benachrichtigte S. mit Casati 29. April 1888 in einem Dampfer von Wadelai ein. Beide blieben bis 25. Mai zusammen, nachdem verabredet worden war, daß Stanley die von ihm an der Aruwimimündung zurückgelassenen Vorräte heranholen und dann mit S. gemeinsam ostwärts zur Küste ziehen sollte. Nachdem aber S. mit Jephson, einem Offizier Stanleys, nach Wadelai zurückgekehrt war, brach unter seinen ägyptischen Offizieren eine Meuterei aus, S. wurde entsetzt und gefangen gehalten und entging nur durch das Dazwischentreten seiner Soldaten dem Tod. Als nach einem Einfall der Mahdisten, welche Lado und Redjaf eroberten, die an die Stelle Schnitzers getretenen Offiziere eine Niederlage erlitten, verlangten die Soldaten S. wiederum zum Führer, die Mahdisten wurden geschlagen und ihr weiteres Vordringen verhindert; da sie aber mit Verstärkungen zurückzukehren versprachen, auch S. seine alte Autorität nicht wiederzuerlangen vermochte, so war der inzwischen schwankend gewordene S. bereit, sich Stanley, welcher bereits seit Monaten auf sein Kommen am Südende des Albert Nyanza gewartet hatte, auf seinem Zug nach O. anzuschließen. Mit S. zog eine große Zahl ägyptischer Soldaten und Beamten mit ihren Frauen und Kindern. Doch versuchten die zurückbleibenden ägyptischen Offiziere noch einmal, im Lager Stanleys eine [735] Meuterei zu erregen, ein Versuch, der indessen sofort energisch unterdrückt wurde. Der Zug ging, den Semliki, den Verbindungskanal zwischen Albert Nyanza und Mwutan, überschreitend und dann dem Nordostufer des Mwutan eine Zeitlang folgend, zum Südufer des Ukerewe und von da über Tabora nach Mwapwa, der ersten Station auf deutschem Gebiet, von wo eine vom Reichskommissar Major Wißmann abgesandte Truppe ihn nach Bagamoyo geleitete. Nach einem daselbst zu Ehren Schnitzers vom Reichskommissar gegebenen Bankett hatte S. das Unglück, aus dem obern Stockwerk des Hauses zu stürzen und sich schwere innere Verletzungen zuzuziehen, von denen er sich nur langsam erholte. Als er wiederhergestellt Anfang 1890 nach Sansibar hinüberging, wo er mit dem Major Liebert zusammentraf, welcher ihm Vorschläge der deutschen Regierung überbrachte, wurde er vom Sultan in feierlicher Audienz durch den höchsten Orden Sansibars ausgezeichnet. Ende März d. J. trat er in deutsche Dienste, um 20. April mit einer Expedition an den Ukerewe aufzubrechen. Vgl. Little, Emin Pasha, his life and work (Lond. 1889).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 840
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[840] Schnitzer, Eduard (Emin Pascha), Afrikareisender. In Bezug auf die Zurückführung Emin Paschas aus der Äquatorialprovinz durch Stanley sind gegen letztern inzwischen viele Zeugen aufgetreten, die im Verein mit den Aussagen Emin Paschas behaupten, daß Stanley (s. d.) Emin Pascha durch Vorspiegelung falscher Thatsachen und zuletzt durch Androhung von Gewalt zur Aufgebung seines durchaus nicht gefährdeten Postens in der Äquatorialprovinz gezwungen habe. Zu den gegen Stanley sprechenden Veröffentlichungen der Tagebücher von Barttelot (s. d.) und des Reisewerks von Casati (s. d.) ist neuerdings eine Veröffentlichung der Briefe und Tagebücher des verstorbenen James S. Jameson, der die Stanleysche Expedition als Naturforscher begleitet hat, unter dem Titel: „Story of the rear column of Emin Pasha relief expedition“ (in deutscher Ausgabe: „Forschungen und Erlebnisse im dunkelsten Afrika“, Hamb. 1891) hinzugekommen, woraus hervorgeht, daß die Darstellung von E. M. Barttelot auf Wahrheit zu beruhen und die Verteidigung Stanleys hinfällig zu sein scheint. Über die Gründe der Zurückberufung Emin Paschas (s. Deutsch-Ostafrika, S. 201) ergibt sich aus den Berichten des Reichskommissars v. Wissmann (s. d.), die teils im „Deutschen Reichsanzeiger“, teils in den dem deutschen Reichstag zugegangenen Weißbüchern mitgeteilt worden sind, daß Emin Pascha seine Befugnisse überschritten und die ihm von seinem Vorgesetzten gegebenen Befehle mißachtet, besonders daß er gegen Wissmanns ausdrückliche Warnung nach Tabora gegangen sei und dort die deutsche Flagge geheißt habe. Außerdem habe sich Emin Pascha entgegen der ihm zu teil gewordenen Instruktion in kriegerische Unternehmungen eingelassen, die zwar anfangs zum Siege geführt, durch die er sich aber den Stamm der Watuta oder Wangoni verfeindet habe. Die nächste Folge dieses übereilten Vorgehens war denn auch, daß Leutnant Langheld, der im Auftrag Emins den Zug gegen die Watuta unternommen, Anfang Oktober 1890 in Usongo in einen Hinterhalt fiel und sich nur mit Mühe retten konnte. Daraufhin erteilte v. Wissmann Emin Pascha 6. Dez. eine neue Instruktion, in der als Hauptzweck seiner Thätigkeit die Errichtung einer Station am Nyanzasee möglichst südlich, die gleichzeitig als Hafenstation für einen Dampfer zu betrachten ist, und ein gutes Einvernehmen mit Mr. Stokes, der die Verbindung zwischen dem See und Mpwapwa aufrecht zu erhalten hat, gefordert wird. Der letzte Auftrag an Emin Pascha ging dahin, daß er die Station am Nyanzasee bis 1. April 1891 gründen sollte, wo die Kolonie in eine Kronkolonie umgewandelt werden würde. Nach der definitiven Regelung der Verhältnisse in Ostafrika soll Emin Pascha als Kommissar zur Verfügung des Gouverneurs v. Soden für ein Gebiet am Victoria Nyanzasee angestellt werden. Inzwischen hat Emin Pascha auch seine auf materielle Erträge abzielende Thätigkeit begonnen, da im März 1891 seine erste Elfenbeinsendung im Werte von 80,000 Mk. in Bagamoyo eingetroffen ist. Vgl. Staby, Emin Pascha (Stuttg. 1891); Kirchhoff, Stanley und Emin nach Stanleys eignem Werke (Halle 1890); Volz, Emin Paschas Entsatz und Stanleys Zug durch das dunkelste Afrika (Leipz. 1891), und die weitern Litteraturangaben in dem Artikel Geographische Litteratur, S. 346.