MKL1888:Wein

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 16 (1890), Seite 490498
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Wein. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 490–498. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wein (Version vom 11.10.2022)

[490] Wein, Pflanzengattung, s. v. w. Weinstock (s. d.); wilder W., s. Ampelopsis.

Wein, alkoholisches Getränk, welches durch Gärung zuckerhaltiger Obstsäfte gewonnen wird, im engern Sinn der gegorne Saft der Beeren des Weinstocks. Die unreifen Weinbeeren enthalten vorwiegend freie Säure und wenig Zucker; während des Reifungsprozesses verschwindet aber die freie Säure mehr und [491] mehr, und in viel höherm Maß steigt der Gehalt an Zucker. Der Reifungsprozeß erreicht ein der Traubensorte und der Jahreswitterung entsprechendes Maximum (Edelreife), und wenn die Traube länger am Stock bleibt, so treten schnell diejenigen Umsetzungen und Veränderungen ein, welche der Winzer mit Edelfäule bezeichnet. Die Trauben werden gelb, dann braun und trocknen bei gutem Wetter zu Rosinen ein; bei feuchtem aber entwickelt sich der bekannte Traubenschimmel, welcher den Zucker schnell zerstört. Bei dem Schrumpfen verliert die Beere erheblich an Gewicht, aber nicht allein durch Verdunsten des Wassers, sondern es vermindert sich auch ganz erheblich der Gehalt an den wichtigsten Bestandteilen. Den richtigen Zeitpunkt der Lese zu treffen, ist also von größter Wichtigkeit, zumal die Güte des Weins in erster Linie von der möglichst vollkommenen Reife der Beere abhängt. Für einen ganz besonders guten W. sucht man deshalb auch das Material durch Auslesen (Ausbruch) der schönsten, reifsten Trauben und Beeren zu gewinnen. Häufig knickt man auch die Trauben am Stengel und läßt sie noch einige Zeit hängen oder setzt die abgenommenen Trauben, auf Stroh ausgebreitet, der Sonne aus und erhält dann aus dem wasserärmern Saft (ein Nachreifen der Trauben findet nicht statt) den Sekt (vino secco) oder Strohwein. Ist das Wetter bei der Ernte regnerisch, so saugt die Beere begierig Wasser ein, und das Produkt wird geringer. Die Weinbeeren enthalten 12–30 Proz. Zucker (ein Gemenge von Traubenzucker und Fruchtzucker), außerdem Weinsäure (meist an Kali gebunden als Weinstein), Pektinkörper, eiweißartige Körper und mineralische Stoffe. Das Verhältnis zwischen Säure und Zucker gestaltet sich in guten Jahren und bei guten Sorten wie 1 : 29, in mittlern Jahren und bei leichten Sorten wie 1 : 16; doch sinkt das Verhältnis selbst auf 1 : 10. Die Beeren enthalten auch mehrere eigentümliche Stoffe (Extraktivstoffe), über deren Natur man nichts Näheres weiß, die indes auf die Beschaffenheit des Weins den größten Einfluß ausüben. Den Gehalt des Mostes an Zucker ermittelt man mit der Mostwage (Öchsle, Kinzelbach, Babo), deren Angabe indes, wie die aller Aräometer, durch sämtliche im Most gelöste Bestandteile beeinflußt wird. Zur wissenschaftlichen Untersuchung des Mostes benutzt man daher das Polarisationsinstrument, welches nur den Zuckergehalt angibt. Die quantitative Zusammensetzung des Traubensafts zeigt folgende Tabelle, welche auch die Schwankungen in den Jahrgängen erkennen läßt:

  Neroberger Riesling Steinberger Auslese Hattenheimer
1868: 1869:
Grade der Mostwage 95 115 117 90
Zucker 18,06 24,24 23,56 16,67
Freie Säure 0,42 0,43 0,46 0,79
Eiweißartige Körper 0,22 0,18 0,19 0,33
Mineralbestandteile 0,47 0,45 0,44 0,24
Gebundene organ. Säuren und Extraktivstoffe 4,11 3,92 5,43 5,17
Summe der gelösten Bestandteile: 23,28 29,22 30,08 23,20
Wasser 76,72 70,78 69,92 76,80
  100,00 100,00 100,00 100,00

Die Traubenschalen enthalten Gerbstoff und bei den blauen Trauben den Farbstoff welcher sich nur höchst selten, z. B. bei dem sogen. Färber, auch im Saft findet. Bei vorsichtiger Gewinnung des letztern erhält man aus blauen Trauben einen fast weißen W., und zur Darstellung von Rotwein muß man den Saft mit den Schalen gären lassen, um durch die Säure des Mostes und den gebildeten Alkohol den Farbstoff allmählich in Lösung zu bringen. Die Kerne sind sehr reich an Gerbstoff und enthalten auch fettes Öl, die Stiele (Grappen, Kämme) neben Gerbsäure viel freie Säure.

Bereitung des Weins.

Die geernteten Trauben werden noch vielfach in größern Kufen mit den nackten oder mit hölzernen oder ledernen Stiefeln bekleideten Füßen oder mit einer hölzernen Stampfe zerquetscht; vorteilhafter ist die Anwendung der Traubenmühle, auf welcher die Beeren zwischen hölzernen oder eisernen, fein kannelierten Walzen zerquetscht werden, ohne daß durch Verletzung der Stiele und Kerne Gerbstoff in den Saft kommt. Um reinern, edlern W. zu erzielen, beert man auch die Trauben ab und zerdrückt die von den Stielen getrennten Beeren auf sogen. Raspeln. Dies Verfahren (Rebeln) kommt aber mit der Vervollkommnung der Geräte zur Mostgewinnung immer mehr ab. Zur Trennung des Safts (Most) von den Trebern (Schalen, Stielen und Samen) benutzt man die Keltern, zum Teil sehr primitive Baumpressen, Hebelkeltern oder Schraubenpressen, zum Teil auch verbesserte Vorrichtungen, hydraulische Pressen und Zentrifugalmaschinen, welch letztere mindestens ebensoviel Most liefern wie die Pressen, aber schneller arbeiten und eine Mehrausbeute von freiwillig (ohne Druck) abfließendem Saft ergeben. Auch soll der auf Zentrifugen gewonnene Most sich bei der Gärung besser verhalten als der gepreßte. Aus 100 Teilen Trauben erhält man 60–80 Teile Most, aus geschrumpften Beeren natürlich weniger, und in jedem Fall, besonders in letzterm, bleibt ein erheblicher Anteil wertvollster Bestandteile in den Beeren zurück, welchen man wohl durch Anrühren mit Wasser und abermaliges Pressen zu gewinnen sucht. Der aus dieser Flüssigkeit erhaltene W. heißt Lauer oder Treberwein. Sehr vorteilhaft rührt man die Treber von Auslesetrauben mit saurem Most an, läßt die Mischung eine kurze Zeit stehen und preßt sie dann aus. Aber auch abgesehen von der unvollkommenen Saftabscheidung bleibt in den Trebern ein Teil derjenigen Substanzen zurück, welche zur Boukettbildung beitragen. Läßt man die Maische (die zerquetschten Beeren) über Nacht oder länger stehen, so nimmt der W. an Wohlgeruch und Stärke zu. Im Rauenthal keltert man die zerdrückten Auslesetrauben erst nach 18–20 Tagen und gewinnt W. mit köstlichem Boukett. Die dabei aus den Trebern ausgezogene Gerbsäure wird durch Eiweißkörper des Traubensafts wieder abgeschieden. Der freiwillig aus vorsichtig zerquetschten Trauben abfließende Most gibt den edelsten W. (Essenz), auch mäßiger Druck liefert nur Saft (Preßmost) aus vollkommen reifen Beeren; wie aber der Druck steigt, wird der Saft saurer (Trestermost), indem nun auch unreife Beeren und zuletzt selbst die Kämme zerquetscht werden.

Der gewonnene Saft (bei Rotwein die Maische) wird in Fässern oder Gärkufen der Gärung überlassen. Diese tritt ohne Zusatz von Hefe sehr schnell ein, da die Keime der gärungerregenden Pilze genügend in der Luft verbreitet sind und in dem Most eine zu ihrer Entwickelung sehr geeignete Flüssigkeit finden. Unter dem Einfluß der Hefe zerfällt der Zucker des Mostes in Alkohol und Kohlensäure, auch bilden sich neben geringen Mengen Glycerin und Bernsteinsäure jene Stoffe, welche dem W. den allen Sorten zukommenden Weingeruch und das für bestimmte Sorten charakteristische Weinboukett verleihen. Sehr vorteilhaft hat sich die Begünstigung des Luftzutritts [492] zum Most erwiesen. Man bläst deshalb Luft durch denselben, bearbeitet ihn mit breiten Rührschaufeln (Schaufelwein) oder mit der Mostpeitschmaschine. Diese besteht aus einem vertikalen, sehr schnell um seine Achse sich drehenden Rohr, welches am untern, in den Most eintauchenden Ende mit einem hohlen, horizontalen Doppelarm versehen ist. Bei der Rotation des Rohrs wird Luft eingesogen, die an den Endstücken der Rohre austritt und den Most in lebhafteste Bewegung setzt. Man erreicht durch das Lüften eine größere Haltbarkeit des Weins, namentlich wenn der beim Durchpeitschen sich bildende starke Schaum entfernt wird. Von bedeutendem Einfluß auf die Beschaffenheit des Weins ist die Gärungstemperatur. Zwischen 5 und 15° erfolgt die Gärung sehr langsam, und wenn diese Temperatur nie überschritten wird, so erhält man einen sehr angenehm schmeckenden, boukettreichen, haltbaren W. Zwischen 15 und 25° jedoch tritt stürmische Gärung ein, der W. wird feurig (alkoholreich), aber minder boukettreich und weniger haltbar. In den Rheingegenden schwankt die Gärungstemperatur zwischen 7,5 und 15°, die Gärung ist also Untergärung; in Österreich und Frankreich dagegen entsteht schon viel W. durch Obergärung, und in Südeuropa tritt der Charakter der obergärigen Weine noch viel deutlicher hervor. Bei der Rotweingärung werden die Treber durch die Kohlensäure zum Teil aus dem Most herausgehoben und bilden den sogen. Hut, welcher die Essigsäurebildung begünstigt, und dessen Entstehung man daher durch Siebböden, Körbe etc. zu verhindern sucht. Je gleichmäßiger die Treber in dem Most verteilt sind, um so gleichmäßiger verläuft auch die Gärung. Während derselben wird sehr viel Gerbsäure aus den Kämmen, Schalen und Kernen ausgezogen, und man beert deshalb die Trauben vorteilhaft ab und läßt die Maische nur so lange gären, als zum Übergang einer genügenden Menge Farbstoff in den W. erforderlich ist. Dann wird gekeltert, wobei man wohl den freiwillig abfließenden W. von dem ausgepreßten saurern sondert. Der zur Weißweinbereitung bestimmte Most wird sofort oder nach dem Lüften in Fässer oder in Zisternen aus Zement, Stein- oder Glasplatten gefüllt und vergärt vorteilhafter unter Abschluß der Luft in Fässern, die mit einem sogen. Gärspund verschlossen sind. Letzterer besteht aus einem im Spundloch sitzenden Rohr, welches durch den Boden eines flachen Gefäßes geht und mit einem Glas überdeckt ist. Der Rand dieses Glases taucht in das in dem flachen Gefäß enthaltene Wasser, und so kann zwar die Kohlensäure aus dem Faß entweichen, die äußere Luft aber nicht zu dem Inhalt des Fasses gelangen. Die Hauptgärung, bei welcher der größte Teil des Zuckers unter stürmischer Entwickelung von Kohlensäure zersetzt wird, verläuft in warmen Gegenden in 3–8, in Deutschland meist in 8–14 Tagen, in sehr kalten Kellern in 4–6 Wochen. Wird dann die Kohlensäureentwickelung unbemerkbar, senkt sich die Hefe zu Boden, und wird der W. klar, so zieht man ihn vorsichtig auf Fässer mit Gärspund ab und überläßt ihn der stillen oder Nachgärung, welche in 3–6 Monaten den Jungwein liefert. In dieser Zeit verbraucht die Hefe den Rest der noch im W. enthaltenen eiweißartigen Stoffe, die Zersetzung des Zuckers, also die Alkoholbildung schreitet weiter fort, infolge derselben scheidet sich viel saures weinsaures Kali (Weinstein) ab, vor allem aber beginnt auch die Entwickelung der Blume oder des Bouketts. Den in voller Gärung begriffenen Most trinkt man als Brausewein, Federweißer oder Sauser, und viele kleine Weine werden als Jungwein konsumiert. Seine vorzüglichsten Eigenschaften, vornehmlich die Vollendung der Blume und die Haltbarkeit, erlangt der W. aber erst beim Reifen. Man zieht ihn vorsichtig von dem Faßgeläger (Lager, Drusen, Trub) in sehr sorgfältig gereinigte Fässer ab und hält diese durch Nachgießen von W. durch den lose verschlossenen Spund beständig gefüllt. Der W. schwindet nämlich beträchtlich, indem durch die Wände des Fasses hauptsächlich Wasser verdunstet. Dabei wird der W. alkoholreicher, und es scheidet sich Weinstein und infolge der Einwirkung in das Faß eintretenden Sauerstoffs unlöslich werdende eiweißartige Stoffe, auch etwa noch vorhandene Hefe ab, und die Bildung des Bouketts dauert fort. Die im jungen W. vorhandene Kohlensäure scheidet sich im Frühjahr unter dem Einfluß der steigenden Temperatur in Bläschen ab und bewirkt jene Erscheinung, welche man in der Regel dem Eintreten einer neuen Gärung zuschrieb und mit dem Erwachen der Vegetation oder der Traubenblüte in Verbindung brachte. Je nach den klimatischen Verhältnissen und dem Gebrauch zieht man den W. im Februar oder März, oft auch schon im Dezember auf die Lagerfässer, in welchen noch weitere Abscheidung von Weinstein und Hefe, aber auch eine bedeutende Veredelung des Weins stattfindet. Das Abziehen des Weins von dem am Boden des Fasses abgelagerten Niederschlag wird so oft wiederholt, bis er auch bei längerm Liegen klar bleibt, flaschenreif geworden ist; dann werden die minder feinen Weine auf kleinere Fässer, die bessern auf Flaschen gefüllt, die man gut verkorkt in horizontaler Lage aufbewahrt. Edle Weine reifen in den Flaschen noch nach, entwickeln ihr Boukett weiter und verbessern sich von Jahr zu Jahr, während die alkoholarmen, wenig gehaltreichen Weine keine lange Lagerung vertragen. Im allgemeinen sind Rotweine weniger für langes Lagern geeignet als Weißweine.

Sehr häufig werden die Fässer, auf welche man den W. abzieht, geschwefelt, um dem Krankwerden des Weins vorzubeugen. Die schweflige Säure tötet allerdings Organismen, welche Krankheiten des Weins hervorrufen, aber sie tötet auch vorzeitig die noch vorhandene Hefe und wirkt in andrer Weise ungünstig auf den W., so daß es viel geratener erscheint, nicht zu schwefeln und Krankheiten des Weins durch rationelle Behandlung, namentlich durch größte Reinlichkeit, zu verhüten. Erlangt der W. beim Lagern nicht hinreichende Klarheit, bleibt er vielmehr durch fein verteilte organische Substanzen, durch Reste von abgestorbener Hefe etc. trübe, so wird er geschönt, indem man z. B. Lösungen von Gelatine, Hausenblase, Eiweiß, Milch etc. zusetzt. Es entsteht unter Mitwirkung der Gerbsäure des Weins ein Niederschlag, und dieser reißt die trübenden Teile mit zu Boden. Bisweilen wird aber die Trübung durch einen Überschuß an eiweißartigen Stoffen im W. bedingt, und dann schönt man mit Gerbsäure (Abkochung von Thee, Traubenkernen oder Tanninlösung), welche die Eiweißkörper fällt. Viele Schönungsmittel wirken lediglich mechanisch, wie Thon, Kaolin, die graue spanische Erde (Yeso gris), Papierbrei oder Filtrieren durch Schwämme oder eigentümlich zubereitete Papiermasse.

Methoden der Weinverbesserung.

Ein in guten Weinjahren aus vollkommen reifen edlen Trauben gewonnener Most liefert bei rationeller Behandlung ohne alle weitern Zuthaten, selbst ohne Schönen einen vorzüglichen Naturwein. In minder günstigen Jahren und aus geringern Traubensorten [493] erhält man dagegen viel geringern W., welcher durch allerlei Künsteleien (Schmierereien) genießbar gemacht zu werden pflegt. Derartigen nicht zu billigenden heimlichen Manipulationen steht eine rationelle Weinverbesserung gegenüber, welche mit unschädlichen Mitteln den W. oder Most in der Weise verbessert, daß man ein wohlschmeckenderes und der Gesundheit zuträglicheres (weil z. B. nicht übermäßig saures) Getränk erhält. Ein auf solche Weise erhaltener guter Kunstwein ist schlechtem Naturwein weit vorzuziehen, und es ist durchaus ungerechtfertigt, rationelle Wein- und Mostverbesserung anders zu beurteilen als die allgemein übliche Verbesserung andrer Nahrungs- und Genußmittel. Das Vorurteil gegen Kunstweine wird meist direkt oder indirekt durch Fabrikanten und Händler genährt, welche fürchten, die als Naturwein in den Handel gebrachten Produkte heimlicher Schmierereien durch wohlschmeckende gesunde Kunstweine verdrängt zu sehen.

Sehr allgemein werden die Weine verschnitten, d. h. dunkle werden mit hellen, zu alte mit jungen, leichte mit schweren, alkoholreiche, dicke mit leichten, feurigen Weinen vermischt, um ein Produkt zu erhalten, welches an Güte den Wert der einzelnen zur Mischung benutzten Weine übertrifft. In Frankreich werden auch Weine mit zu geringem Alkoholgehalt mit fuselfreiem Spiritus verschnitten, den nach längerm Lagern des Weins auch eine geübte Zunge nicht mehr erkennt. Junger W. wird anhaltend erwärmt (gefeuert), um ihm die Eigenschaften alten Weins zu geben. Umgekehrt wird W. stark abgekühlt (glaciert), wobei sich fast reines Eis, Weinstein, Eiweißsubstanzen, Farbstoff etc., die sich sonst erst in Flaschen und Gebinden allmählich ablagern würden, sofort ausscheiden und der W. kräftiger, feuriger, alkoholreicher wird. Das Glacieren wird mit Kältemischungen und Zentrifugalmaschinen zur Trennung des Eises ausgeführt. Kühlt man Most mit Hilfe von Kältemischungen auf −16° ab und entfernt das Eis, so erhält man einen konzentrierten Most und aus diesem einen W., welcher sich den Ausleseweinen besserer Jahrgänge anreiht. In neuerer Zeit wird saurer W. mit Glycerin versetzt (1–3 Volumprozent), um die Säure zu verdecken und dem W. mehr Körper zu geben, ihn vollmundiger zu machen (Scheelisieren). Beim Alkoholisieren des Mostes mischt man Most von mindestens 20 Proz. Zuckergehalt vor Eintritt der Gärung mit ca. 10 Proz. Spiritus und behandelt ihn wie gewöhnlich. Der W. kann in 1,5–2 Jahren fertig, d. h. noch süß, hell und dauerhaft, in Flaschen füllbar, sein. Nach Chaptals Vorschlag neutralisiert man einen Teil der Säure in zu saurem Most mit kohlensaurem Kalk u. setzt die noch erforderliche Menge Zucker zu. Dies Chaptalisieren ist noch gegenwärtig beim Burgunderwein gebräuchlich. Rationeller ist das Gallisieren. Man sondert die völlig reifen besten Trauben von den minder guten, bereitet aus erstern einen reinen Naturwein, verdünnt aber den sauren Most aus den geringern Trauben mit Wasser bis auf den normalen Säuregehalt und fügt den noch fehlenden Zucker hinzu. Der Most muß im Hektoliter 0,6 kg Säure und 24 kg Zucker enthalten. Man gewinnt hierbei einen vortrefflichen Tischwein neben Boukettweinen und überdies eine bedeutende Vermehrung der Ausbeute. In der Regel benutzt man gegenwärtig Traubenzucker, doch verdient vielleicht reiner Rohrzucker den Vorzug. Unreiner, nicht kristallisierter Traubenzucker ist jedenfalls verwerflich. Das Gallisieren gestattet selbst in schlechten Jahren, konstant guten W. zu gewinnen. Die gallisierten Weine erfordern nur ein Jahr hindurch Aufmerksamkeit und Behandlung und sind haltbarer als Naturweine. Die Möglichkeit der Verdünnung des Mostes beruht darauf, daß die Beeren hinreichend boukettbildende Stoffe für eine bedeutend größere Quantität W. enthalten. Dieser Gehalt wird aber erst beim Pétiotisieren vollständig ausgenutzt. Man läßt bei Darstellung von Rotweinen zunächst die Maische gären, schöpft den Jungwein ab, gießt eine gleiche Quantität Zuckerwasser (aus Rohrzucker) von dem Gehalt, welchen der Traubensaft besaß, auf die Treber, läßt bei etwas erhöhter Temperatur gären, zieht wieder ab und wiederholt das Verfahren ein zweites und drittes Mal. Sämtliche Weine werden dann gemischt und nach längerer Zeit der Säure- und Gerbstoffgehalt kontrolliert und nötigen Falls durch Zusatz von Weinsäure u. Tannin korrigiert. Auch färbt man die Weine, wenn nötig, mit Malven, Heidelbeeren, Holunderbeeren, Farbhölzern, Anilinfarben etc. In Frankreich stellt man nach diesem Verfahren die großen Massen billiger Bordeauxweine her, und es wird allgemein zugegeben, daß die pétiotisierten Weine sehr feurig, schön von Farbe, sehr würzig und boukettreich, haltbar und leicht zu behandeln sind. Von der ersten Gärung an gerechnet, werden sie in vier Monaten flaschenreif. Sie erreichen selbstverständlich niemals die edlen hochfeinen Naturweine, welche in guten Jahren aus reinem Most gewonnen werden; aber sie bilden ein sehr absatzfähiges Getränk, welches viel besser ist als der W., den man aus dem verwendeten Most ohne Hilfe der Kunst gewonnen haben würde. Zur Bereitung der schweren südlichen Weine wird ein Teil des Mostes eingekocht und dann mit dem übrigen Most vermischt. Sehr allgemein benutzt man in Frankreich den Gips, um die Farbe des Weins zu verbessern, ihn zu klären und haltbar zu machen. Man bestreut die Trauben beim Keltern mit gebranntem Gips oder setzt diesen beim Beginn der Gärung oder als Schönungsmittel dem fertigen W. zu. Der Gips scheint in der That in der angegebenen Weise zu wirken, er setzt sich indes mit den Bestandteilen des Weins in weinsauren Kalk, der sich ausscheidet, und saures weinsaures Kali um. Letzteres Salz bleibt im W. gelöst, und da es schwerlich günstig auf den Organismus des Trinkers wirkt, so ist das Gipsen des Weins verwerflich.

Behandlung. Weinsorten etc., Produktion.

Die Weine unterliegen, namentlich bald nach der Gärung, mancherlei Veränderungen, welche ihre Qualität verringern oder sie gänzlich unbrauchbar machen. Gerbsäurearme Weine, besonders zu früh auf Flaschen gefüllte, werden leicht schleimig, dickflüssig, fadenziehend (Zäh- oder Langwerden), wobei Zucker zersetzt wird. Diese Krankheit verschwindet bisweilen bei kräftigen Weinen von selbst oder beim Schütteln mit Luft oder bei erneuter Gärung nach Zusatz von Zucker. Man verhütet sie durch Zusatz von ca. 15 g Tannin auf 230 Lit. W. Alkoholarme Weine werden bei hoher Temperatur und Luftzutritt leicht essigsauer; bei Beginn dieser Krankheit ist es ratsam, durch Zuckerzusatz von neuem Gärung hervorzurufen; Imprägnieren mit schwefliger Säure kann die Essigbildung einige Zeit verzögern, aber nicht völlig hindern. Rotweine werden bisweilen bei hohem Alter und Temperaturerhöhung bitter; durch 0,25–0,5 g gelöschten Kalk pro Liter soll der bittere Stoff fällbar sein. Alkoholarme Weine bedecken sich auf der Oberfläche mit einer weißen Schimmelhaut (Kahm) als Vorbote des Sauerwerdens. Aus dem Faß entfernt man den Kahm durch Einfüllen von W. mittels eines langen Rohrs, bis die Haut vollständig [494] herausgespült ist. Nötigen Falls gießt man den W. durch Leinwand. Beim Abstehen (Umschlagen) verschwinden der Alkohol und die Säure, der W. wird dunkler, fade, dann trübe und übelriechend; im Beginn der Krankheit hilft ein kleiner Zusatz von Ätherschwefelsäure. Faßgeschmack (Faß- oder Schimmelgeruch) wird durch anbrüchige Dauben oder in dumpfigen Kellern hervorgebracht und durch Schütteln mit Olivenöl und frisch ausgeglühter Holzkohle beseitigt, wobei freilich ein großer Teil des Bouketts verloren geht. Man vermeidet diese Krankheiten des Weins durch rationelle Behandlung desselben und wendet zur Heilung eine große Zahl von Mitteln an, welche, aus der Empirie hervorgegangen, im besten Fall nichts schaden. Erst seitdem man weiß, daß fast alle Erkrankungen des Weins auf der Anwesenheit von Organismen beruhen, hat man im Pasteurisieren (Pastrieren) das wirksamste Konservierungsmittel entdeckt. Dasselbe besteht darin, daß man den gesunden oder kranken W. kurze Zeit einer seiner Beschaffenheit angemessenen höhern Temperatur aussetzt, um die Organismen zu töten. Haben letztere dem W. bereits geschadet, so erhält er freilich durch das Pasteurisieren seine ursprüngliche gute Beschaffenheit auch nicht wieder. Pasteurisierter W. ist vollkommen haltbar, erträgt jeden Temperaturwechsel, Reisen in tropische Gegenden, kann aber wieder erkranken, wenn schädlichen Organismen Zutritt gewährt wird. Man kann jeden W. pasteurisieren, er gewinnt viel eher durch das Erhitzen, als daß Geschmack und Boukett leiden. Schwache junge Weine erhitzt man auf 60–65°, alle übrigen auf 55° und zwar in Flaschen oder Fässern in eigentümlichen Apparaten. Auch Salicylsäure (0,02–0,06 g auf eine Flasche) eignet sich zum Konservieren des Weins.

Der Most schlechter oder mittlerer Weinjahre enthält im Verhältnis zum vorhandenen Zucker immer eine genügende Menge eiweißartiger Körper zur Hefebildung und vergärt daher vollständig, so daß in dem fertigen Jungwein oft kaum noch eine Spur von Zucker zu finden ist. In sehr zuckerreichem Most dagegen findet der Hefepilz schließlich keine eiweißartige Nahrung mehr, und überdies hört die Gärung auch bei Gegenwart von Zucker auf, sobald der Alkoholgehalt auf 12–14 Proz. angewachsen ist. Man unterscheidet danach trockne Weine, in denen der Zuckergehalt vollständig vergoren ist, und süße Weine, in denen ein Teil des Zuckers aus den angegebenen Gründen erhalten ist. Manche süße Weine verdanken indes ihren Zuckergehalt auch einem Zusatz von Zucker, eingekochtem Most oder Vermischen des Mostes mit 20 Proz. Alkohol. Dicksaftige, süße Weine heißen Likörweine. Nach der Farbe unterscheidet man Weiß- und Rotweine, hellroten Schiller und rötlichen Bleichart. Junger W. heißt im ersten Jahr Most, dann grüner W.; abgelagerter W. heißt Firnewein. An Alkohol und Extraktivstoffen reiche Weine haben Körper, an Alkohol und ätherischen Stoffen reiche Weine heißen schwer.

Der W. enthält außer Wasser, der kaum verminderten freien Säure des Mostes und gewissen, nicht näher bekannten Extraktivstoffen Reste von Zucker (meist Fruchtzucker), Farbstoff (Önocyanin in den Rotweinen, veränderte Extraktiv- und Gerbstoffe in den Weißweinen) und Spuren von Fett, Reste von Proteinkörpern, mehr oder weniger Gerbsäure, Gummi, Pektinkörper und Salze. Zu diesen aus dem Moste stammenden Bestandteilen gesellen sich als Gärungsprodukte Alkohol, geringe Mengen von Butyl- und Propylalkohol, zusammengesetzte Äther (Önanthäther etc.), Glycerin, Bernsteinsäure, Essigsäure, vielleicht auch Milchsäure, größere oder geringere Mengen Kohlensäure etc. Der Alkoholgehalt beträgt bei Pfälzer Weinen 7–9,5, Frankenweinen 8–10, Rheinweinen 6–13, meist 9–10, Ungarweinen 9–11, roten französischen Weinen 9–14, badischen Weinen 9,8–11,5, Champagner 9–12, Jeres 17, Madeira, Portwein, Marsala 15–24 Volumprozente. An Zucker enthalten französische Rotweine 0,5, Rheinweine 3,6–8,6 Proz.; die Süßigkeit der Weine rührt aber auch vom Glycerin her, von welchem z. B. in österreichischen Weinen 2,6 Proz. vorkommen. Mit zunehmendem Alter verschwindet das Glycerin allmählich, und dadurch werden die Weine mager; auch durch eine eigentümliche Gummiart (Önanthin, 0,3–1,1 Proz.) erhält der W. eine gewisse Konsistenz (Körper). Der Extraktgehalt (Verdampfungsrückstand) beträgt bei Rheinweinen 4,2–10,6, Pfälzer Weinen 1,9–10,7, Frankenweinen 1,1 bis 7,2, österreichischen Weinen 2,25–2,64 Proz. Der Säuregehalt beträgt bei österreichischen Weinen 0,47 bis 0,7, französischen 0,46–0,84, deutschen 0,053–0,82, spanischen 0,36–0,63, portugiesischen 0,40–0,67, ungarischen 0,57–0,72, sizilischen 0,33–0,55 Proz. Der Gehalt an Weinsäure schwankt zwischen 0,2 u. 0,7 Proz. Gerbsäure findet sich am reichlichsten in schwer gedeckten Bordeauxweinen und Portwein. Der Aschengehalt (Kali, Kalk, Magnesia, Natron, Eisen, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Chlor) beträgt bei Rheinwein 0,19, Ungarwein 0,18, Portwein 0,24, Madeira 0,25 Proz.

Über die Zusammensetzung einiger Weine vgl. folgende Tabelle:

  Spez. Ge­wicht Alkohol Extrakt Zucker Wein­säure Asche
Volumen­prozente Proz. Proz. Proz. Proz.
Pisport, 1848er 0,998 10,8 2,226 0,520 0,583 0,203
Rüdesheim, 1848er 0,996 11,4 2,450 0,425 0,519 0,179
Johannisberg, 1842er 0,992 10,0 2,059 0,416 0,514 0,120
Aßmannshausen, 1857er 0,993 10,4 2,675 0,427 0,212
Oberingelheim, 1866er 0,999 10,22 3,876 0,510 0,247
Walportsheimer Berg, 1865er 0,993 11,12 3,025 0,077 0,514 0,200
Forster Auslese, 1848er 0,996 11,4 2,464 0,630 0,484 0,133
Leistenwein, 1871er 0,993 11,02 0,011 0,660 0,171
Vöslauer Goldeck, Kabinett 0,993 10,281 2,534 0,592 0,258
Pauillac-Beycheville, 1865er 0,995 9,055 2,534 0,637 0,198
St.-Julien, 1865er 0,995 9,281 2,546 0,637 0,228

           
Malaga 1,069 13,20 14,40 9,90
Madeira 0,994 18,00 5,51 0,37 0,428
Sherry 0,991 20,70 3,71 1,66 0,464 0,479
Portwein 0,996 20,10 4,30 2,79 0,439 0,278
Tokayer 1,007 16,67 8,13 11,36 0,481
Champagner 13,60 11,1

Der Weingeruch, welchen man bei jedem W. wahrnimmt, wird durch den sogen. Önanthäther, ein Gemisch verschiedener Stoffe, namentlich von Kapryl- und Kaprinsäureäther, hervorgebracht. Über die das Boukett (Blume) bildenden Stoffe ist wegen der höchst geringen Menge, welche sich davon im W. findet (am meisten in sauren Rhein- und Moselweinen), so gut wie nichts bekannt; sehr wahrscheinlich spielen auch hier zusammengesetzte Äther, die sich wohl großenteils bei der zweiten und Lagergärung bilden, und vielleicht Fermentöle die Hauptrolle. In sehr alten Weinen entwickelt sich ein eigentümlicher Geruch (Jufteln), welcher durch Acetal hervorgebracht wird, wenigstens durch Zusatz von sehr wenig [495] Acetal jedem W. mitgeteilt werden kann. Manche Riechstoffe der Trauben (Muskateller, Isabelltrauben) gehen direkt in den W. über, und man unterscheidet demnach gewürzhafte und Boukettweine, ohne zwischen beiden eine scharfe Grenze ziehen zu können. Zur Hebung des Bouketts werden verschiedene Blätter, Blüten und Früchte, besonders die Blüte des Weinstocks und Holunderblüten, benutzt. Bemerkenswert ist, daß eine Ölemulsion, gärendem Most oder gärender weinsaurer Zuckerlösung zugesetzt, starken Weingeruch erzeugt. Ein bestimmter Gehalt des Bodens der Weinberge an Kali soll der Entwickelung des Bouketts sehr förderlich sein.

Bei der Weinbereitung ergeben sich mehrere Rückstände und Abfälle. Die Treber dienen zur Darstellung von Branntwein, Grünspan, Essig, Pottasche, Leuchtgas, als Viehfutter, zuletzt als Brennmaterial und Dünger. Aus den Kernen gewinnt man fettes Öl und Gerbsäure. Das Weingeläger liefert Branntwein, Drusenöl, Weinstein, Pottasche, und aus den Stielen und Kernen bereitet man auch durch Verkohlen ein schwarzes Farbmaterial (Weinrebenschwarz, Frankfurter Schwarz). Der in den Fässern sich abscheidende Weinstein wird gereinigt und auf Weinsäure verarbeitet.

Gewöhnlich teilt man die Weine in Weiß-, Rot- und hellrote Schillerweine, außerdem in folgende Hauptsorten ein: 1) Süße Weine (Likörweine, Strohweine, Essenzen), z. B. Lunel, Malaga, Roussillon. Madeira, Tokayer, Kanariensekt und ähnliche Weine bilden eigentlich eine besondere Gruppe. 2) Saure oder harte Weine, wie die Rhein-, Mosel- und Ungarweine. 3) Geistige (alkoholreiche) Weine sind die Burgunder-, Portweine, viele italienische, spanische, griechische Weine etc. 4) Adstringierende (gerbstoffreiche) Weine, wie Bordeaux, manche Rheinweine etc. 5) Schaumweine, Champagner, moussierender Burgunder, Ungar-, Rheinwein etc. Wichtiger als diese doch nicht streng durchzuführende Einteilung ist die Gruppierung der Weine nach den Produktionsländern (s. die einzelnen Artikel: Bordeauxweine, Moselweine, Rheinweine, Ungarweine etc.). Die Weinkultur erstreckt sich über alle Erdteile; am bedeutendsten ist sie in Europa, wo man den Weinbau durch besondere Fachschulen, die önochemischen Versuchsstationen (Karlsruhe, Wiesbaden, Klosterneuburg) u. Weinbauvereine zu fördern sucht. Die durchschnittliche Jahresproduktion von W. beträgt (in Hektolitern) in

Frankreich 36679000
Italien 21759000
Spanien 20519000
Österreich-Ungarn 8920000
Portugal 4000000
Deutsches Reich 2089200
Griechenland 2000000
Rußland 1840000
Rumänien 1000000
Schweiz 600000
Serbien 500000
Belgien 1500
Europa 99907700
Verein. Staaten 800000
Algerien 690000
Kapland 170000
Australien 72000
Außereuropäische Gebiete 1732000
Gesamtproduktion 101639700

Der mittlere Weinverbrauch pro Kopf der Bevölkerung beträgt in Litern in Frankreich 102,1, Spanien 79,1, Portugal 75,9, Italien 70,7, Schweiz 47,0, Österreich-Ungarn 21,1, Deutschland 4,8, Holland 3,0, Großbritannien 2,0, Norwegen 0,9, Schweden 0,5. Von den zahlreichen Weinsorten haben sich nur wenige zu dem Rang von Weltweinen aufgeschwungen und werden überall getrunken, so besonders Portwein, Madeira und Champagner, von denen aber der zweite gegenwärtig geringere Bedeutung hat. Nächstdem haben Bordeaux und Burgunder die größte Verbreitung, in dritter Reihe der spanische Sherry und die Rheinweine.

Schaumweine (Champagner).

Schaumweine (moussierende Weine, Champagner) sind gewöhnlich gute Weine, welche so viel Kohlensäure enthalten, daß sie beim Ausgießen aus der Flasche stark moussieren. Zur Darstellung derselben verarbeitet man meist eine Mischung von weißen und roten Trauben, entbeert diese, keltert schnell oder läßt die Maische, wenn der W. rötlich werden soll, leicht angären und hält darauf, daß der Most 18 Proz. Zucker und 0,6–0,75 Proz. Säure enthält. Um die Gärung zu mäßigen und den W. alkoholreicher zu machen, setzt man 1 Proz. Kognak hinzu. Im Frühjahr des nächsten Jahrs hat der auf gewöhnliche Weise behandelte W. genügende Reife erlangt, oft werden dann mehrere Weinsorten gemischt, um ein geeignetes Produkt zu erhalten. Dies wird, wenn nötig, geschönt und nach hinreichender Klärung auf sehr starke Flaschen gefüllt, welche einen hohen innern Druck ertragen. Auf jede Flasche fügt man ein bestimmtes Quantum ganz reiner Zuckerlösung (aus Raffinade bereiteter Sirup), bisweilen auch starken alten W. hinzu, in welch letzterm Fall der W. mit dem Anschein des Alters versandt werden kann, bevor er ein Jahr alt ist. Die gefüllten, verkorkten, mit Bindfaden und Eisendraht verbundenen Flaschen werden im Gärlokal liegend aufgeschichtet und beginnen alsbald zu arbeiten. Durch die noch in dem jungen W. enthaltene Hefe wird die Gärung von neuem eingeleitet, und der zugesetzte Zucker zerfällt in Alkohol und Kohlensäure, während die umgewandelten fermentartigen Körper sich als Bodensatz abscheiden. Ein auf den Flaschen angebrachtes Manometer läßt den Gasdruck erkennen, welcher dem Grade der Vergärung des zugesetzten Zuckers entspricht. In diesem Zustand wird der W. in der Champagne als vin brut an die Weinhändler von Reims, Epernay, Châlons etc. verkauft und erfährt nun die letzte Behandlung. Die Flaschen werden tüchtig gerüttelt, damit der Bodensatz sich gleichmäßig verteile, und dann in schräger Lage mit der Mündung nach unten im Keller aufgeschichtet. Nach einigen Tagen bringt man durch einen geschickten Ruck den Bodensatz, welcher sich etwa in der Schulter der Flasche angesammelt hat, dem Kork etwas näher und vergrößert allmählich die Neigung der Flasche, bis der Bodensatz auf dem Kork liegt und die Flasche vertikal auf diesem steht. Das Entfernen des Niederschlags aus der Flasche geschieht durch das Degorgieren, wobei man den gelösten Pfropfen geschickt abspringen läßt, damit der herausspritzende W. den Niederschlag mit fortreißt. In demselben Moment reinigt man den Flaschenhals von noch anhaftender Hefe mit dem Finger, füllt die Flasche sofort wieder mit Dosierungslikör, verkorkt sie und überschnürt den Kork mit Bindfaden und Draht. Diese Operationen müssen ungemein schnell ausgeführt werden, damit noch hinreichend Kohlensäure im W. bleibt. Der Likör, welcher den Schaumwein seinen spezifischen Geschmack gibt, ist eine Lösung von Kandis in demselben W., enthält aber noch Kognak, andre Weine und Essenzen, Himbeerwasser, Kirschwasser etc.; ein Teil des Zuckers wird gegenwärtig oft durch Glycerin ersetzt. Gewöhnlich genügen 12–13 Proz. Likör, man setzt aber auch 16 Proz. und mehr hinzu. Zum Färben des Weins dient ein durch Kochen von Holunderbeeren mit Weinstein erhaltenes Präparat, welches nach der Stadt, wo es im großen bereitet wird, Fismes heißt. Der Crémant rose ist vielfach beliebter als der reine W., obwohl er einen härtern Geschmack und ein ganz besonderes Parfüm besitzt. Seine [496] höchste Vollendung erreicht der Champagner in 5 Jahren, macht dann aber nicht mehr so viel Schaum wie im Alter von 2–3 Jahren. Ein jedes französisches Champagnerhaus hat seinen eignen „Brand“ oder seine „Marke“, welche durch leichtes Andrücken des Korks gegen das glühende Brandzeicheneisen hervorgebracht wird. Die Handelshäuser sind meist bereit, jede gewünschte Marke auf den Kork zu drücken, aber nicht so leicht wird man die Marke einer andern Firma nachahmen. Die Erhaltung des Champagners und namentlich seines Gehalts an Kohlensäure ist abhängig von der Güte des Korks, und die Flaschen müssen daher auch liegend aufbewahrt werden, damit der Kork nicht trockne und zusammenschrumpfe. Am besten eignet sich zum Aufbewahren ein kalter, nötigen Falls mit Eis versehener Keller. Aus solchem Keller schmeckt der Champagner stets am besten. Verfügt man nicht darüber, so kühlt man den W. in Eis; aber gewöhnlich thut man dabei zu viel. Erreicht der W. die Temperatur des Eises selbst, so sterben Geschmack und Blume ab. Zehn Minuten lang im Eis gedreht, ist hinreichend, um den Zustand hervorzubringen, welchen die Franzosen frappé nennen. Zum Einschenken bedient man sich dann eines Flaschenhalters oder Schenkgriffs, weil schon die Wärme der Hand einem guten Champagner schädlich wird. Guter Champagner übertrifft an Wohlgeschmack, köstlichem Parfüm und rascher Wirkung auf Geist und Gemüt alle übrigen Weine. Aber gar selten sind die Weinlesen, welche ein vorzügliches Produkt liefern (von 1845 bis 1857 gab es z. B. keine einzige). Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung einiger Champagner:

  1. 2. 3. 4. 5. 6.
Freie Säure pro Mille 5,3 5,9 7,6 7,8 6,2 5,6
Alkohol Proz. 8,4 9,5 8,7 8,4 9,8 8,4
Zucker 8,2 4,3 7,9 0,1 7,5 5,4
Extrakt 11,7 7,5 10,3 12,0 11,6 15,2
Spez. Gewicht 1,036 1,029 1,089 1,046 1,36 1,041

1. Sorte aus Châlons; 2., 3. und 4. Würzburger Mousseux, und zwar 2. für den Export nach Indien bestimmt, 3. von J. Oppmann, 4. von Silligmüller, beide in Deutschland höchst beliebte Sorten; 5. von Soutaine u. Komp. in Reims; 6. Schaumwein einer renommierten rheinischen Fabrik, in welchem ein großer Teil des Zuckers durch Glycerin ersetzt war.

Das Aroma des Champagners entsteht wohl zum Teil durch die Einwirkung der Kohlensäure auf die Weinbestandteile, besonders auf den Alkohol, und rührt vielleicht von Kohlensäureäther her. Den Druck der Kohlensäure im W. bestimmt man während der Fabrikation mittels eines Manometers (Aphrometers), welches sich leicht auf der Flasche anbringen läßt. Mit Hilfe dieses Apparats wurde konstatiert, daß eine Mousse mit 4–41/2 Atmosphären noch verkäuflich ist; mit 41/2–5 Atmosphären nennt man sie eine schöne Mousse, mit 51/2–6 eine sehr starke; bei 7–8 Atmosphären Druck springen fast sämtliche Flaschen. Beim Öffnen der Champagnerflasche treibt die in dem leeren Raum unter dem Pfropfen (in der Kammer) befindliche Kohlensäure letztern mit Gewalt heraus. Faßt die Kammer etwa 15 ccm, so enthält sie bei einem Druck von 51/2 Atmosphären 82 ccm Kohlensäure. Beim Abfliegen des Korks bleiben nur 15 ccm zurück, und die entweichenden 67 ccm verursachen den Knall. Sobald aber der Druck von dem W. genommen ist, vermag dieser nicht mehr die Kohlensäure gelöst zu halten, und ein großer Teil derselben entweicht in Bläschen. Unter dem gewöhnlichen Atmosphärendruck, d. h. also im offenen Glas, kann ein kühler W. auf die Dauer 11/3 Volumen Kohlensäure zurückhalten; denn so groß ist das Lösungsvermögen des Alkohol- und Wassergemisches, welches den W. bildet, für die Kohlensäure unter den genannten Verhältnissen. Es dauert aber sehr lange, bis der W. so weit an Kohlensäure verarmt. Die Zähigkeit der Flüssigkeit läßt die Kohlensäure sehr langsam entweichen, und fortwährend sieht man von den kleinsten Unebenheiten, von fast unsichtbaren Stäubchen in der Spitze der kegelförmigen Champagnergläser die Kohlensäurebläschen aufsteigen (pétillement); jeder rauhe Körper befördert die Entwickelung des Gases, und ein eingetauchtes Stück Biskuit bringt heftiges Schaumwerfen hervor. Auf die Zunge wirkt aber nur die noch gelöste Kohlensäure, und je behutsamer man den W. eingießt, um so größern Genuß gewährt er. Alles Künsteln mit demselben ist eine Thorheit. Um die Unbequemlichkeiten dieser Darstellungsweise des Champagners zu vermeiden, benutzt man bisweilen ein großes, starkes, längliches Gefäß von glasiertem Eisenblech, welches einige Hektoliter W. faßt, luftdicht verschlossen werden kann und oben und unten mit einem Hahn versehen ist. In diesem Gefäß verläuft die Nachgärung des mit Zucker versetzten Weins, und allmählich lagert sich am Boden die Hefe ab, die dann mit einemmal durch den untern Hahn ausgespritzt werden kann. Der ganz fertige Schaumwein wird aus diesem „Önophor“ mittels derselben Vorrichtungen auf Flaschen gefüllt wie Mineralwasser, d. h. indem man den obern Hahn mit einem andern, zehnmal größern Apparat in Verbindung bringt, in welchem Kohlensäure entwickelt wird. Nach Angabe eines Manometers läßt man dann aus dem Gazostateur so viel Kohlensäure in den Önophor treten, daß trotz des Abfüllens der Druck stets derselbe bleibt. Mancher Champagner ist nichts andres als ein süßes Weingemisch, in welches man mit den Apparaten der Mineralwasserfabriken Kohlensäure gepreßt hat.

Weingenuß, Gastronomisches.

Was den W. als Getränk betrifft, so kommt hier in erster Linie der Alkoholgehalt in Betracht; doch weicht die Wirkung des Weins so sehr von der des reinen Alkohols ab, daß man unbedingt auch den übrigen alkohol- und ätherartigen Weinbestandteilen eine bedeutende Rolle zuschreiben muß. Der Weingenuß belebt vorherrschend die Phantasie. Die Steigerung derselben Kraft, welche Bilder erzeugt, hat eine Erleichterung der Ideenassociation und eine Schärfung des Gedächtnisses zur Folge. Auch die Sinne werden in ihrer Thätigkeit gefördert, die Eindrücke werden schnell und klar wahrgenommen, und das Urteil wird leichter gebildet. Alle willkürlichen Muskelbewegungen erfolgen leicht, die Stimme wird voller und kräftiger, Müdigkeit und Abspannung verschwinden, und es entsteht ein Gefühl von Wohlbehagen und Lust, das auch die geistigen Verstimmungen, Sorge, Gram und Furcht, verscheucht (Moleschott). Nach Cabanis sind die Menschen in den Weinländern im allgemeinen heiterer, geistreicher und geselliger; sie haben mehr Offenheit und Zuvorkommenheit in ihrem Betragen. Im Streit brausen sie leicht auf, aber sie tragen selten nach, wenn sie geärgert wurden, und ihre Rache ist nicht tückisch. Infolge seines Alkoholgehalts teilt der W. die physiologischen Wirkungen des Branntweins, und wenn ein mäßiger Weingenuß namentlich ältern Leuten durchaus zuträglich ist, so wirkt ein häufiger und dabei (wenn auch nur wenig) übermäßiger Weingenuß [497] im höchsten Grad nachteilig, und der Weinsäufer kann ebenso am Delirium tremens erkranken wie der Branntweinsäufer. Auch der Wein- und Gerbsäuregehalt kann nachteilig wirken. Zur arzneilichen Anwendung kommt der W. als wichtiges Unterstützungsmittel bei einem auf die allgemeine Kräftigung absehenden Heilverfahren. Am besten gibt man hier schweren W., namentlich ungarischen, oder guten Rotwein.

Der W. bildet einen überaus wichtigen Bestandteil einer Mahlzeit, namentlich sobald letztere einen festlichen Charakter annimmt. Feine, auserlesene Speisen dürfen nicht mit gewöhnlichen Weinen getrunken werden. Die Auswahl der richtigen Weine zu den verschiedenen Gerichten erfordert Umsicht, Geschmack und Kenntnisse. Im Servieren der Weine muß eine gewisse Reihenfolge innegehalten werden; als Regel gilt: aufsteigen von dem Gewöhnlichen zum Feinern und Besten. Im allgemeinen kann festgehalten werden: Tischweine, rot und weiß in Karaffen, welche bis zum Dessert stehen bleiben, nach der Suppe Sherry oder Madeira, seltener Portwein; zu den Austern französischer Weißwein, St.-Péray, deutscher Schaumwein, auch englischer Porter; zum Fisch ein moussierender W. (St.-Péray, moussierender Rheinwein), Chablis oder feiner Moselwein; zur grosse pièce besserer Bordeaux, welcher dann bis zum Schluß der Tafel fleißig nachgeschenkt wird; bei den Entrees weißer Bordeaux oder roter Burgunder; bei den kalten Speisen feiner Rheinwein; beim Braten ganz feiner Rotwein und Champagner, welch letzterer bis zum Ende der Mahlzeit beibehalten wird; bei Butter und Käse Portwein; beim Eis und Dessert süße Weine. Neuerdings ist es Sitte, Champagner von der Suppe an bis zum Schluß einzuschenken. Champagner und Mousseuxweine werden aus der Flasche den Gästen eingeschenkt, feine Weine im gefüllten Glas angeboten. Champagner muß in Eis gekühlt werden, aber nicht zu sehr; das Gefrieren (Frappieren) ist geschmacklos und aus der Mode. Die roten Bordeauxweine müssen die gehörige Wärme (ca. 14°) besitzen, d. h. temperiert sein; die Erwärmung darf nur nach und nach bewirkt werden; zu kalt verlieren sie das Boukett, zu warm wird der W. matt und flach. Sorgfältiges und ruhiges Einschenken ist bei feinem, abgelagertem Bordeaux dringend zu empfehlen, denn durch Vermischung des an der Flasche abgesetzten Satzes (Farbstoffs) verliert der beste W. seinen Geschmack. Deshalb wird solcher feiner Bordeaux vielfach vorher vorsichtig abgegossen und umgefüllt (décantage), so daß der Bodensatz in der Flasche zurückbleibt. Schaumweine, weiße Bordeaux und Burgunder haben ihren besten Geschmack bei Kellertemperatur, welche man im heißen Sommer dadurch erzielen kann, daß man den W. leicht auf Eis kühlt. Leichte, geringere Weine müssen stärker gekühlt werden. Likörweine dürfen nur kühl, nicht kalt sein.

Auch in der Küche bedarf man verschiedener Weine. Zu Suppen, Kaltschalen und einigen Saucen kann man leichte Rot- und Weißweine verwenden, aber niemals wirklich geringen oder gar schlechten und verdorbenen W., da dieser immer den Geschmack verdirbt. Zu den Madeirasaucen darf man nur wirklich guten W. verwenden, zu Gelees, Cremes etc. wenigstens bessere Weine. Zu Mehlspeisen und Backwerk empfiehlt sich die Verwendung alkoholreicher Weine, da sich der Geschmack leichter Weine beim Kochen und Backen zu sehr verflüchtigen würde. Die Verwendung verdorbenen Weins muß unter allen Verhältnissen auch in der Küche ausgeschlossen bleiben.

Kulturgeschichtliches.

Das Vaterland des Weinstocks, die Gegenden südlich vom Kaspischen Meer, war auch der Ursitz des semitischen Stammes oder eines seiner Hauptzweige, und hier wird man auch zuerst W. dargestellt haben. Aus jener Gegend begleitete der W. die sich ausbreitenden semitischen Stämme an den untern Euphrat und in die Wüsten und Paradiese des Südwestens. Aus Syrien ging die Weinkultur weiter über das ganze Kleinasien und drang von Norden her in die griechische Halbinsel, während sie gleichzeitig durch den phönikischen Handel dorthin in andrer Richtung und direkt übermittelt wurde. Zur Zeit des Homer und Hesiod war die Einführung längst geschehen, und der Weinstock galt als eine natürliche Gabe des Landes, als ein Geschenk des Dionysos, dessen Geburt die Mythe auf den indischen Berg Nysa (Hindukusch) verlegt. In Ägypten wurde der Weinstock schon zu den Zeiten des Pyramidenbaues kultiviert, man unterschied viele Sorten nach Geschmack und Farbe und genoß W. bei allen Gelagen. In Griechenland scheint sich der Weinbau von Thrakien aus nach Süden verbreitet zu haben; auf den Inseln des Ägeischen Meers ging er aber von Kreta, einem Mittelpunkt phönikischer Ansiedelungen, nach Naxos u. Chios und strahlte von dort weiter aus. Berühmt war der pramnische W. von Ikaros und der maroneische von Zakynthos. Auch Lesbos, Kos und Thasos waren berühmte Stätten dieser Kultur. Um 550 v. Chr. kannten die Karthager schon die Bereitung der Ausbruchweine. Nach uralter Sitte machte man den W. durch Zusatz von Terpentin haltbar, und daher bildet den Knauf des Thyrsusstabes ein Tannenzapfen. Die frühsten Seefahrten der Griechen brachten den W. nach Italien. Romulus opferte den Göttern noch Milch; aber Numa Pompilius verbot schon, den Toten auf dem Holzstoß W. zu sprengen. Zuerst wurde W. in Kampanien gebaut; doch kam er frühzeitig auch an die Pomündungen, und die Landschaft Picenum wird als besonders weinreich geschildert. Sehr berühmt waren auch die Vina raetica, d. h. die heutigen Tiroler und Veltliner Weine, welche Vergil nur dem Falerner nachstellte. In den spätern Zeiten der Republik war Italien ein Weinland geworden, welches W. aus-, Getreide aber einführte. Die gerühmtesten italienischen Weine waren der Falerner, Faustiner, Setiner, Formianer, Puciner, Tarentiner, Messalier, Massiker, Calener, Cäkuber und Sorrentiner, sämtlich in Kampanien, Sabiner in Etrurien etc. Nach Gallien kam der Weinbau 600 v. Chr. durch die Phokäer in Massilia. Cäsar fand vortreffliche Weingärten in Gallia Narbonensis, man kannte die Trauben der Bituriger (Bordelais). Ausonius rühmt die Weine der Medulli (Médoc), Plinius den avernischen (Auvergne), den helvischen (Viviers) und den bäternanischen (Frontignac) W. Domitian ließ zu gunsten Italiens die Hälfte der gallischen Weinberge zerstören. Probus hob diese Maßregel wieder auf, und Aurelian und die Antonine bepflanzten die Côte d’Or mit Reben (daher Romanée). Wurde der W. bisher in Schläuchen aus Tierfellen, mit Harz gedichtet, oder in thönernen Gefäßen, Dolien und Amphoren, mit Öl oder Pech verschlossen, aufbewahrt, so erfanden die Gallier die hölzernen Fässer, die sie nach Strabon so groß wie die Häuser bauten. Karl d. Gr. besaß Weinberge in Burgund (Charlemagne) und verpflanzte von dort die ersten Reben nach Rüdesheim. Aus den Kreuzzügen brachten französische Ritter ungarische, griechische und syrische Reben in ihre Heimat (Heunischtraube Lothringens). Spaniens Weinbau datiert ebenfalls [498] von den Phokäern, nach Plinius war der hispanische W. in Rom sehr beliebt. Peter Simon brachte im 16. Jahrh. die Rebe vom Rhein nach Malaga, welche jetzt den edelsten spanischen W. liefert. Madeira wurde 1421 von Heinrich dem Seefahrer mit Reben aus Kreta und Cypern bepflanzt, die Kanariensekte stammen von Reben, die Karl V. vom Rhein sandte. Deutschland erhielt seinen Weinbau aus Gallien, indem gallische und hispanische Legionen am Rhein die Rebe anpflanzten. An der Mosel aber blühte damals schon der Weinbau und lieferte ein Produkt, welches Ausonius mit dem italienischen verglich. Unter Karolingern und Hohenstaufen verbreitete sich der deutsche Weinbau namentlich auch nach Norden, der Dreißigjährige Krieg, das Klima und die Verbesserung der Verkehrsmittel aber zogen die Grenzen wieder enger. Der Winter von 1437 vernichtete alle Weinberge an der Weichsel, und es wird ausdrücklich berichtet, daß sie nicht wieder angepflanzt worden seien. Den fränkischen Weinbau begründeten Herzog Priamus und die heil. Adelheid 745. Österreichs Weinbau ist ebenso alt wie der rheinische, der böhmische reicht in das 9. Jahrh. Ludmilla, die Gemahlin des Herzogs Borivoy, pflanzte 870 mährische Trauben bei Melnik an, Tiroler W. von Glanich und Leitach war nach Vergil Lieblingsgetränk des Kaisers Augustus. Der Kaiser Probus brachte griechische Reben nach Pannonien an den Fuß der Karpathen und nach Syrmien. Unter König Stephan im 11. Jahrh. kamen auch italienische Reben nach Ungarn, der Tokayer W. erhielt seine volle Berühmtheit seit Ende des 15. Jahrh. und besonders seit 1560, als man anfing, Ausbruch zu machen. Am Kap begründeten Hugenotten 1685 den Weinbau. In Nordamerika schlug 1620 ein Versuch, aus der wilden Rebe Virginias W. zu bereiten, fehl. Schweizer Kolonisten gewannen zu Anfang des 19. Jahrh. aus der Schuylkilltraube (Vitis labrusca) guten Rotwein, festen Fuß faßte der Weinbau aber erst seit 1821, als Adlum die Catawbarebe vom Potomac nach Washington brachte. Am günstigsten entwickelte sich der Weinbau in Ohio, bis in den letzten Jahren Kalifornien den größten Vorsprung gewann. China kannte den W. bereits 2000 Jahre vor unsrer Zeitrechnung, doch scheint er zunächst nur zu religiösen Opfern gedient zu haben. Später wurde seine Gewinnung und Benutzung verboten, und die Weingärten mußten ausgerodet werden. Einige Provinzen liefern gegenwärtig noch Rosinen, und so wird dort auch wohl W. gewonnen. In Japan wurde bisher zwar Weinbau betrieben, aber kein W. hergestellt; erst 1880 begründete die Regierung eine Versuchsweinpflanzung mit französischen, deutschen und österreichischen Reben. Die Fabrikation der Schaumweine begann im 17. Jahrh., wenigstens findet sich das Champagnerglas mit schäumendem Inhalt auf Gemälden niederländischer Maler aus dieser Zeit. Die Erfindung des Schaumweins soll sich an die Anwendung des Korks zum Verschließen von Flaschen knüpfen und wird dem Pater Kellermeister der Abtei von Haut-Villers, Dom Pérignon, zugeschrieben, dessen Wirksamkeit in die Jahre 1670–1715 fällt.

[Litteratur.] Babo und Metzger, Die Wein- und Tafeltrauben (2. Ausg., Stuttg. 1851, 72 Tafeln); Babo, Der Weinstock und seine Varietäten (2. Ausg., Frankf. 1857); Bronner, Die wilden Trauben des Rheinthals (Heidelb. 1857); Goethe: Atlas der für den Weinbau Deutschlands und Österreichs wertvollsten Traubensorten (Wien 1873–76), Ampelographisches Wörterbuch (das. 1876), Handbuch der Ampelographie (2. Aufl., Graz 1887); Odart, Ampélographie universelle (5. Aufl., Par. 1862); Jullien, Topographie de tous les vignobles connus (6. Aufl., das. 1871); Guyot, Les vignobles de la France (2. Aufl., das. 1876, 3 Bde.); Rendu, Ampélographie française (2. Aufl., das. 1857); Hamm, Das Weinbuch (3. Aufl., Leipz. 1886); Bronner, Klassifikation der Traubenvarietäten (Heidelberg 1878); Rubens, Winzerbuch (2. Aufl., Hannover 1875); Derselbe, Leitfaden zum Weinbau (das. 1875); v. Babo und Rümpler, Kultur und Beschreibung der amerikanischen Weintrauben (Berl. 1885); Thümen, Die Pilze des Weinstocks (Wien 1878); Mulder, Chemie des Weins (deutsch, Leipz. 1856); Shaw, The wine and the cellar (Lond. 1864); Neubauer, Chemie des Weins (Wiesbad. 1870); Roth: Chemie der Rotweine (Heidelb. 1878), Der Rheingauer Weinbau (Frankf. a. M. 1878), Weinbereitung und Weinchemie (Heidelb. 1877); Hellenthal, Hilfsbuch für Weinbesitzer (9. Aufl., Wien 1873); Maier, Die Ausbrüche, Sekte und Südweine (das. 1875); Balling, Die Weinbereitung (2. Aufl., Prag 1855); Pasteur, Études sur le vin (2. Aufl., Par. 1873); Pohl, Untersuchungen österreichischer Weine (Wien 1864); Mohr, Der Weinstock und der W. (Kobl. 1864); Neßler, Der W. und seine Bestandteile (Chemn. 1865); Derselbe, Bereitung, Pflege und Untersuchung des Weins (5. Aufl., Stuttg. 1889); Knauthe, Die Weintraube in historischer, chemischer und physiologischer Beziehung (Leipz. 1874); v. Babo und Mach, Handbuch des Weinbaues und der Kellerwirtschaft (2. Aufl., Berl. 1881–85, 2 Bde.); Dahlen, Die Weinbereitung (Braunschw. 1878); über das Gallisieren die Schriften von Gall (s. d. 2) und Pohl, Behelfe zum Gallisieren (Wien 1863); Barth, Die Weinanalyse (Hamb. 1884); Borgmann, Anleitung zur chemischen Analyse des Weins (Wiesbad. 1884); v. Carlowitz, Versuch einer Kulturgeschichte des Weinbaues (Leipz. 1846); Schultze, Geschichte des Weins und der Trinkgelage (Berl. 1867); Samuelson, History of drink (Lond. 1878); Blankenhorn, Bibiotheca oenologica (Heidelb. 1875); Glaß, Weinlexikon (Berl. 1885); „Önologischer Jahresbericht“ (hrsg. von Weigelt, Kassel, seit 1880); „Annalen der Önologie“ (hrsg. von Blankenhorn, Heidelb. 1869–83); „Die Weinlaube“ (hrsg. von Babo, Wien); „Weinbau und Weinhandel“ (hrsg. von Dahlen, Mainz); „Deutsche Weinzeitung“ (das.) u. a.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 821823
korrigiert
Indexseite

[821] Wein. Bei der Beurteilung des Weins kommt in erster Linie stets Geschmack und Geruch in Betracht. Die Chemie vermag nicht die einzelnen Sorten der verschiedenen Weinklassen, noch viel weniger die Jahrgänge zu unterscheiden, es sei denn, daß Vergleichungsobjekte vorlägen, wo es sich dann nur um Feststellung der Identität handelt, was sehr leicht auszuführen ist. Aber auch hierbei wird immer noch die Zunge mitzuwirken haben. Die chemische Untersuchung hat es in der Regel lediglich mit Konstatierung der Reinheit zu thun, und auch hier liegen Schwierigkeiten vor, da für die Beurteilung der gewonnenen Resultate verschiedene Standpunkte zulässig sind. Eine von der Reichsregierung einberufene Kommission von Fachmännern hat 1884 einheitliche Methoden der Weinuntersuchung festgestellt, aus welchen im folgenden das Wichtigste wiedergegeben wird. Das spezifische Gewicht des Weins (eine bei demselben W. allmählicher Änderung unterworfene Größe) wird mit Hilfe des Pyknometers oder der Westphalschen Wage bestimmt. Zur Bestimmung des Alkoholgehalts destilliert man von 50–100 g W. etwa zwei Drittel ab und berechnet aus dem spezifischen Gewicht mit Hilfe der Tabellen von Baumhauer oder Hehner den Alkoholgehalt. (Schneller als diese direkte Methode führt die indirekte zum Ziel: Man ermittelt das spezifische Gewicht des Weins, verdampft bis zur Verjagung des Alkohols, verdünnt auf das ursprüngliche Volumen und bestimmt abermals das spezifische Gewicht. Die Differenz vom spezifischen Gewicht des Wassers abgezogen, gibt das spezifische Gewicht des Weins ohne Extrakt, woraus sich mit Hilfe der Tabellen leicht der Alkoholgehalt berechnen läßt. Ebenso liefert das spezifische Gewicht des entgeisteten Weins die Grundlage zur Berechnung des Extraktgehalts.) Zur direkten Bestimmung des Extrakts werden 50 ccm W. im Wasserbad verdampft, der Rückstand 21/2 Stunden im Wassertrockenschrank erhitzt und gewogen. Diese Extraktbestimmung erfordert des Glyceringehalts halber sehr genaue Einhaltung der festgestellten Vorschrift. Zur Bestimmung des Glycerins werden 100 ccm W. auf 10 ccm verdampft, mit Quarzsand und Kalkmilch versetzt und zur Trockne verdampft. Den Rückstand erschöpft man mit 100–200 ccm Alkohol, verdampft dann den Auszug bis zur zähflüssigen Konsistenz, nimmt ihn mit 10 ccm absolutem Alkohol auf, mischt mit 15 ccm Äther, verdampft die klare Flüssigkeit, bis sie nicht mehr leicht fließt, und trocknet noch eine Stunde im Wassertrockenschrank. Bei Süßweinen wird das Verfahren etwas modifiziert. Die freien Säuren titriert man mit [822] Normallauge unter Feststellung des Neutralisationspunktes nach der Tüpfelmethode und berechnet sie als Weinsäure. Die flüchtigen Säuren sind durch Destillation im Wasserdampfstrom und Titrieren des Destillats zu bestimmen und als Essigsäure zu berechnen. Indem man die äquivalente Menge Weinsäure von der Menge der freien Säuren abzieht, erhält man die Menge der nicht flüchtigen freien Säuren. Die Gegenwart freier Weinsäure im W. erkennt man, indem man 20–30 ccm W. mit gefälltem und fein geriebenem Weinstein sättigt, die klare Flüssigkeit mit 2–3 Tropfen einer 20proz. Lösung von Kaliumacetat versetzt und 12 Stunden bei möglichst gleichbleibender Temperatur stehen läßt. Entsteht hierbei ein irgend erheblicher Niederschlag, so ist freie Weinsäure vorhanden. Zur Bestimmung des Weinsteins und der Weinsäure werden zwei Proben W. von je 20 ccm mit 100 ccm Alkohol und 100 ccm Äther gemischt, nachdem der einen Probe 2 Tropfen einer 20proz. Lösung von Kaliumacetat zugesetzt worden waren. Man schüttelt stark, läßt die Mischungen bei niedriger Temperatur 16–18 Stunden stehen, filtriert, wäscht die Niederschläge mit Ätheralkohol aus, titriert und berechnet in den Proben den Gehalt an Weinstein und freier Weinsäure. Zum Nachweis von Salicylsäure schüttelt man 100 ccm W. wiederholt mit Chloroform, verdunstet das abgeschiedene Chloroform und prüft die wässerige Lösung des Rückstandes mit stark verdünnter Eisenchloridlösung. Soll die Gerbsäure bestimmt werden, so werden in 10 ccm W., wenn nötig, die freien Säuren mit titrierter Alkaliflüssigkeit bis auf 0,5 g in 100 ccm abgestumpft. Dann setzt man 1 ccm 40prozentige Natriumacetatlösung und tropfenweise 10proz. Eisenchloridlösung zu, bis kein Niederschlag mehr entsteht. Ein Tropfen Eisenchloridlösung fällt 0,05 Proz. Gerbstoff. Von fremden Farbstoffen sind nur Teerfarbstoffe mit Sicherheit im W. nachzuweisen. Man verdampft 100 ccm W. auf die Hälfte, übersättigt mit Ammoniak und schüttelt mit 25–30 ccm Äther. In den abgegossenen Äther thut man einige 5–6 cm lange weiße Wollfäden und läßt verdunsten. Sind nur Spuren von Fuchsin im W. zugegen, so färbt sich die Wolle rötlich. Die Farbe verschwindet beim Betupfen mit Salzsäure, kehrt aber nach dem Trocknen bei Einwirkung von Ammoniak wieder. Mit völliger Sicherheit wird das Fuchsin durch das Spektroskop nachgewiesen. (Zur Nachweisung der sogen. Säurefarben, z. B. des rosanilinsulfosauren Natrons, schüttelt man 100 ccm W. mit 20 ccm Amylalkohol und prüft letztern spektroskopisch. Hierbei ergibt sich die Gegenwart von Fuchsin und Sulfofuchsin. Wird nun der W. mit Ammoniak übersättigt und geschüttelt, so erscheint die Alkoholschicht rot, wenn Fuchsin vorhanden ist, während sie farblos bleibt, wenn Sulfofuchsin zugegen ist.) Der Zucker ist nach Übersättigung des Weins mit Natriumcarbonat nach der Fehlingschen Methode zu bestimmen und als Traubenzucker zu berechnen. Stark gefärbte Weine sind bei niederm Zuckergehalt mit gereinigter Tierkohle, bei hohem Zuckergehalt mit Bleiessig zu entfärben. Deutet die Polarisation auf Rohrzucker hin, so ist eine zweite Zuckerbestimmung nach Inversion durch Erhitzen mit Salzsäure auszuführen und der Rohrzucker aus der Differenz zu berechnen. Behufs der Polarisation wird der W. mit Bleiessig versetzt, filtriert, dann mit Natriumcarbonat versetzt und abermals filtriert. Rohr- und Traubenzucker polarisieren bekanntlich rechts, Fruchtzucker links. Die beiden letztern sind im Most enthalten und vergären fast vollständig, so daß der W. nur sehr schwache Drehung zeigt. Bei Zusatz von Traubenzucker bleibt das in demselben enthaltene Amylin im W. und bewirkt Rechtsdrehung. Zeigt nun W. eine stärkere Rechtsdrehung (0,3° Wild), so muß man die Weinsäure, die ebenfalls geringe Rechtsdrehung bewirkt, durch Kaliumacetat und Alkohol ausfällen und dann polarisieren. Zeigt sich hierbei stärkere Rechtsdrehung als 0,5° Wild, so enthält der W. die unvergärbaren Bestandteile des Traubenzuckers. Wurde bei der Prüfung mit Fehlingscher Lösung mehr als 0,3 g Zucker in 100 ccm W. gefunden, so kann die durch Amylin verursachte Rechtsdrehung durch linksdrehenden Zucker vermindert worden sein. Man läßt dann den Zucker durch Zusatz von Hefe vergären, fällt die Weinsäure wie angegeben und polarisiert. Bei erheblichem Gehalt an reduzierendem Zucker (Fehling) und verhältnismäßig geringer Linksdrehung kann die Verminderung der letztern durch Rohrzucker, Dextrin oder Amylin hervorgerufen sein. Man invertiert und polarisiert nochmals. Hat die Linksdrehung zugenommen, so ist Rohrzucker vorhanden. Versetzt man 4 ccm W. mit 10 ccm Weingeist (96 Volumprozent), so gibt reiner W. nur Flocken, die sich bald absetzen, bei Gegenwart von Dextrin und Gummi klärt sich der W. sehr langsam, der Niederschlag haftet zum Teil am Glas und bildet feste Klümpchen. Stickstoff und Mineralstoffe bestimmt man in gewöhnlicher Weise, zur Chlorbestimmung verdampft man W. mit Natriumcarbonat, verascht den Rückstand etc. Schwefelsäure wird im W. direkt mit Chlorbaryum bestimmt. Zur Phosphorsäurebestimmung verdampft man W. mit Natriumcarbonat und Kaliumnitrat, verascht und bestimmt mit Molybdänsäure.

Enthält W. auf 100 g Alkohol weniger als 7 g Glycerin, so ist er mit Alkohol versetzt worden, enthält er dagegen auf 100 g Alkohol mehr als 14 g Glycerin, so hat ein Zusatz von letzterm stattgefunden. Ist im ersten Fall die Menge der Mineralbestandteile im allgemeinen und speziell die der Phosphorsäure, Magnesia und des Kalis sehr gering, so ist neben Alkohol auch Wasser zugesetzt (mouillage). Qualitativer Nachweis von Salpetersäure (mit Diphenylamin) und hoher Chlorgehalt beweisen ebenfalls den Wasserzusatz. Gegipste Weine enthalten viel Schwefelsäure und Kali, aber sehr wenig Weinsäure. Berechnet man alle gefundene Schwefelsäure als Kaliumsulfat, so kann man W. mit mehr als 2 g Kaliumsulfat in 1 Lit. als übermäßig gegipst betrachten. Medizinische Weine sollen höchstens 1 g Kaliumsulfat in 1 Lit. enthalten. Ist bei hohem Schwefelsäuregehalt der Kaligehalt normal, übersteigt er nicht wesentlich die Hälfte des Gehalts an Mineralstoffen, und betragen letztere nicht wesentlich mehr als 0,25 g in 100 ccm W., so ist der W. stark geschwefelt, und die schweflige Säure ist in Schwefelsäure übergegangen. Zur Nachweisung von schwefliger Säure versetzt man 100 ccm W. mit Phosphorsäure und destilliert im Kohlensäurestrom ein Drittel ab. Die Vorlage muß 5 ccm Normaljodlösung enthalten. Man säuert das Destillat mit Salzsäure an und fällt die gebildete Schwefelsäure mit Chlorbaryum. Gehalt an schwefliger Säure ist als gesundheitsschädlich zu betrachten, wenn der W. alsbald getrunken werden soll. Tresterweine erkennt man an höherm Gerbsäuregehalt, wenn nicht die gerbstoffartigen Körper durch Schönungsmittel entfernt worden sind. Gallisierte Weine enthalten wegen der Verdünnung mit Wasser geringere Mengen von Mineralstoffen, namentlich an Phosphaten und Magnesia, immerhin ist der [823] Nachweis der Gallisierung nur mit Sicherheit zu führen, wenn der W. unvergornen Rohrzucker oder Amylin enthält. War der zugesetzte Rohrzucker vollständig vergoren, oder war reiner Traubenzucker zugesetzt, so versagt die chemische Untersuchung. Die bayrischen Chemiker wollen W. als übermäßig gallisiert beanstanden, welcher durch diese Operation einen höhern Alkoholgehalt als 7,2 g oder einen niedrigern Gehalt an freien Säuren als 0,7 g in 100 ccm W. erhalten habe. Die Benutzung von unreinem Stärkezucker ist stets zu beanstanden. Die erwähnte Kommission wollte die Verwendung von reinem Zucker zur Verbesserung des Mostes auch dann nicht als Fälschung im Sinn des Nahrungsmittelgesetzes betrachten, wenn das Getränk als W. verkauft werde, vorausgesetzt, daß die unmittelbar oder nach vorherigem Ausziehen von Trestern verwendete Menge Wasser das doppelte Gewicht des zugesetzten Zuckers nicht übersteigt. Ist W. mit mehr kohlensaurem Kalk entsäuert worden, als zur Ausscheidung der Weinsäure erforderlich ist, so besitzt er abnorm hohen Kalkgehalt (von mehr als 8–12 mg in 100 ccm).

Nach einem französischen Gesetz vom 15. Aug. 1889 darf niemand unter der Bezeichnung „Wein“ ein andres Produkt versenden, verkaufen oder zum Verkauf stellen als das aus der Gärung frischer Trauben gewonnene Erzeugnis. Das unter Zusatz von Zucker und Wasser gewonnene Gärungserzeugnis der Treber frischer Trauben sowie die Mischung eines solchen Erzeugnisses mit „W.“ darf nicht anders als unter der Bezeichnung „gezuckerter W.“ (vin de sucre) verkauft werden; das Erzeugnis der Gärung getrockneter Beeren mit Wasser, desgleichen jede Mischung eines derartigen Erzeugnisses darf nur unter der Bezeichnung „W. aus getrockneten Beeren“ (Rosinenwein) versandt, verkauft oder zum Verkauf gestellt werden. Fässer oder Behälter, welche gezuckerten W. oder W. aus getrockneten Beeren enthalten, müssen die Bezeichnung tragen: „Gezuckerter W.“ oder „W. aus getrockneten Beeren“. Alle Bücher, Rechnungen, Frachtbriefe, Konnossemente müssen, je nach der Natur des Erzeugnisses, die nämlichen Bezeichnungen enthalten. Jeder Zusatz zum W., zum gezuckerten W. oder zum W. aus getrockneten Beeren, sei es während oder nach der Gärung, von einem Gärungs- oder Destillationserzeugnis aus Feigen, Johannisbrot, Mowreblumen, Reis, Gerste oder andern zuckerhaltigen Stoffen bildet eine Verfälschung von Nahrungsmitteln und fällt unter das Gesetz vom 27. März 1851.