MKL1888:Wohnungen, prähistorische

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wohnungen, prähistorische“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 718719
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Wohnungen, prähistorische. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 718–719. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wohnungen,_pr%C3%A4historische (Version vom 27.12.2022)

[718] Wohnungen, prähistorische. Die ältesten Spuren von Wohnungen des vorgeschichtlichen Menschen finden sich in Höhlen, welche wohl hauptsächlich im Winter benutzt wurden, während aus Fellen hergestellte, leicht transportable Zelte auf sommerlichen Jagdzügen als Wohnungen dienten. Einzelne Höhlen, wie z. B. diejenigen des nordwestlich von Krakau gelegenen Jurahöhenzugs sowie diejenigen des fränkischen Jura (Bayern), waren während der jüngern Steinzeit bewohnt, und die Viktoriahöhle bei Settle (in Yorkshire) hat von der Diluvialzeit bis zur Okkupation Großbritanniens durch die Römer Menschen zum Aufenthalt gedient. Wo es an Höhlen fehlte, traten häufig mit Baumzweigen überdeckte Erdgruben an deren Stelle. Die Germanen gruben für ihre Wohnungen Vertiefungen in den Erdboden und deckten dieselben mit Mist. Vielfach sind wohl auch aus einem Skelett von Pfählen oder Baumästen hergerichtete, außen mit Rasen oder gestampfter Erde bedeckte, mit einer für den Rauchabzug bestimmten Öffnung im Dach versehene, fensterlose Hütten vom vorgeschichtlichen Menschen als Wohnungen benutzt worden; solche Hütten haben nach Lartet und Ducrost die Bewohner der vorgeschichtlichen Ansiedelung zu Solutré (Frankreich) errichtet. Gewisse Umstände machen es wahrscheinlich, daß die Winterwohnungen der neolithischen Bevölkerung in den höhlenarmen Gegenden Nordeuropas ähnlich den skandinavischen Ganggräbern aus einem niedrigen, ovalen, auch runden oder viereckigen Hauptraum bestanden haben, zu welchem, wie bei den meisten Wohnungen arktischer [719] Völker, von Süden oder Osten her ein noch niedrigerer, langer und schmaler Gang führte, durch welchen man nur kriechend gelangen konnte. Die in Deutschland, in der Schweiz und in Frankreich nachgewiesenen Mardellen oder Trichtergruben sind nach Hartmann als Unterbauten von prähistorischen Wohnungen oder als Aufbewahrungsräume für Vorräte aufzufassen. Zum Typus der Grubenwohnungen gehören auch die Penpits (s. d.) oder Pitsteades sowie die zum Teil aus Steinen erbauten Weems Großbritanniens. Dagegen stehen die künstlich hergestellten Höhlenwohnungen Nordschottlands, welche sich von den großen Grabhügeln äußerlich kaum unterscheiden und im Innern eine Anzahl von um einen gemeinsamen Mittelraum gruppierten Kammern enthalten, auf der Oberfläche des Erdbodens. Die Penpits wie die Weems und die schottischen Höhlenwohnungen waren nach Lubbock während der Bronzezeit bewohnt; dagegen gehören die Bienenkorbhäuser Großbritanniens, die ihren Namen ihren dicken, bienenkorbartigen Erdmauern verdanken, zum Teil noch der Steinzeit an. Wohl mehr als Befestigungen denn als Wohnungen sind die Brochs oder Türme der Shetland- und Orkneyinseln sowie die Nurhagen der Insel Sardinien aufzufassen. Betreffs der auf dem Wasser oder in Sümpfen errichteten vorgeschichtlichen Wohnungen vgl. Pfahlbauten und Terramaren.