Madame Neumann
[164] Madame Neumann. Selten hat wohl eine Künstlerin eines so ungetheilten Beifalls sich zu erfreuen gehabt, als Madame Neumann in Berlin im Jahre 1822. Selbst Herren, aus denen das Alter jeden Funken von Begeisterung längst verwischt zu haben schien, wurden von ihrem Anblick entzündet und schlugen ihr entgegen; ja merkwürdig genug hatte sich gerade aus dieser Klasse der Alten ein engerer Kreis von Verehrern gebildet, der sie überall, im Parkett, beim Ein- und Aussteigen am Schauspielhause, oder wo sich die Künstlerin öffentlich zeigte, umgab, dessen unermüdete Bestrebungen auch recht bald vom Publiko durch den Ehrennamen der „heiligen Schaar“ oder der „alten Garde“ belohnt wurden. Dies hatte aber die natürliche Folge, daß die Jüngeren, die nicht gern vor der Zeit zu der „alten Garde“ gerechnet sein wollten, sich in weiterer Entfernung hielten, als es wohl sonst geschehen wäre, und nur Einer, der zu zu schwach zum Widerstande, den Zauberkreis durchbrechend sich der „alten Garde“ anschloß, wurde, seiner großen Jugend von 40 Jahren wegen, ausnahmsweise der Voltigeur genannt. Alles dies gab Veranlassung zu einem Bilde, welches in Berlin reißenden Abgang fand. Es stellte in der Mitte eine schöne Frau vor, um sie her eine Truppe treffend portraitirter Herren. Unter dem Bilde stand: La vieille Garde meurt; mais Elle ne se rend pas! (Die alte Garde stirbt; aber sie ergiebt sich nicht!)