Maler und Sportsman

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Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Maler und Sportsman
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 491, 494
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Johann Erdmann Gottlieb Prestel, vergl. ADB:Prestel, Johann Gottlieb
Blätter und Blüthen.
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[491]

Die Treppenfahrt des Grafen Sandor in Ofen.
Nach dem Originalbilde von G. Prestel.

[494] Maler und Sportsman. (Mit Abbildung.) Das ist ein waghalsiges Viergespann, welches hier die steile Treppe mit dem Wagen herunterklettert! Gleichwohl ist dies kein Bild, welches nur der Phantasie eines Zeichners und den im Atelier erträumten Situationsbildern angehört; es ist ein selbsterlebtes Abenteuer, welches der Künstler hier verewigt hat. Der Held desselben ist Graf M. Sandor, einer der abenteuerlustigsten unter den ungarischen Granden, das Jahr der Handlung das Jahr 1827, der Ort derselben die steile Treppe, welche von Ofen zur Christinenstraße hinabführt, und der Genosse der verwegenen Fahrt, welche keiner Wette ihren Ursprung verdankt, sondern nur der Laune des kühn die Gefahr herausfordernden Grafen, der Zeichner des Bildes, der Maler und eifrige Sportsman Johann Gottlieb Prestel, bekanntlich ein geborener Frankfurter.

In Folge einer unglücklich ausfallenden Ehrensache verließ der dort studirende Prestel München und fand in Ungarn längere Zeit eine Stellung als Director eines arabischen Gestüts. Das wildfeurige Magyarenland mit der prächtigen Zucht seiner Rosse und seinen abenteuerlustigen Magnaten bot ihm eine Fülle von Jagd- und Sportsvergnügungen, die seiner Kunst zugute kamen. Es konnte nicht fehlen, daß der Künstler, der selbst ein tüchtiger Sportsman, namentlich ein ausgezeichneter Reiter war, mit den Großen des Landes in nähere freundschaftliche Beziehung kam und zu allen ihren Jagden und Belustigungen mit eingeladen wurde. Namentlich stand er lange Jahre im innigsten Verkehr mit dem Grafen M. Sandor, dessen originelle, aber unsinnig gewagte und lebensgefährliche Abenteuer er sowohl mitmachte, als auch skizzirte. Der späteren Ausführung dieser Skizzen verdankt das bekannte und verbreitete Sandor-Album seine Entstehung. Jene Treppenfahrt in Ofen, deren Bild wir hier vorführen, war nicht einmal das vermessenste unter den Wagstücken des Grafen. Bei dem Durchblättern des Sandor-Albums, dessen Bilder übrigens mit großer Meisterschaft der Zeichnung und einer bewundernswerthen Kenntniß des Pferdes ausgeführt sind, wandelt uns oft ein haarsträubendes Grauen an, wenn wir die durchgehenden Rosse sehen, die sich von hohen Felsen herab in Steinbrüche stürzen, die vermessenen Winterstrompartien über den Eisgang der Donau, die verschiedensten Sprünge mit dem Pferde über hohe Gitter und Mauern, über kleine Flüsse, selbst über Wagen und Pferde hinweg, und dergleichen mehr – Reiterwagstücke, welche die Gartenlaube gelegentlich einer früheren Charakteristik des Grafen Sandor (Jahrgang 1866, Nr. 2) in Wort und Bild bereits ihren Lesern vorgeführt hat. Jedenfalls war der nähere Umgang mit ihm nicht ohne Gefahr; es kam dem vortrefflichen Wagenlenker nicht darauf an, einen Wagen absichtlich umzuwerfen, wenn seine darin sitzenden Gäste ein kleines Abenteuer wünschten, oder es machte ihm Vergnügen, einen Spazierritt mit lauter des Reitens unkundigen Personen zu veranstalten, welche dann nach kurzer Zeit sämmtlich auf der Erde lagen. Dieser Sportshumor hatte doch für die Dilettanten seine sehr bedenklichen Seiten.

Nach mehrmaligen größeren Ausflügen nach England, Frankreich und Italien, wo er sechs Jahre verweilte, wurde Prestel, der als Jagd- und Pferdemaler jedenfalls eine Specialität ist, im Jahre 1838 Hofmaler des Herzogs von Nassau und lebte dann in Wien und später in Mainz.