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Marokkanisches Militär (Bibliothek für Alle)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: W. K. Abel
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Titel: Marokkanisches Militär
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aus: Bibliothek für Alle, 4. Jahrgang, 1. Bd., S. 176–178
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1912
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Die Geschichte Lionel Darings wurde von Walther Kabel teilweise wortgleich auch in den Beitrag Marokkanisches Militär eingearbeitet, welcher mit der Verfasserangabe W. Kabel erschien in: Deutscher Hausschatz, Illustrierte Familienzeitschrift, 37. Jahrgang Oktober 1910 – Oktober 1911, Seite 809–810. Des Weiteren wurde die Geschichte Lionel Darings in den Beitrag Gimpelfang in Afrika eingearbeitet, welcher mit der Verfasserangabe K. W. erschien in: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 9, S. 217–219.
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[176] Marokkanisches Militär.

Der englische Reisende Lionel Darings erzählt in seinem Werke „Marokkanische Streifzüge“ eine äußerst humorvolle Episode. Darings war in Fes von dem Besitzer eines Cafés darauf aufmerksam gemacht worden, daß sich in dem südwestlich gelegenen Städtchen Miknasa eine uralte Moschee befände, in der als größte Sehenswürdigkeit ganz Marokkos ein Mantel Mohammeds ausgestellt sei. Der Engländer ließ sich wirklich zu dem zweitägigen Ausfluge verleiten. Die Moschee bestand jedoch nur noch aus einigen zerfallenen Mauern, in denen ein halbverrückter Derwisch hauste, und erst gegen eine unverschämt hohes Trinkgeld den sogenannten Mantel Mohammeds, einen völlig zerissenen braunen Burnus entschieden neueren Datums, vorzeigte. Wütend wollte Darings nach dieser Enttäuschung den Ort sofort wieder verlassen, als ihn der Führer eines größeren, ebenfalls von Fes herübergekommen Fremdentrupps beiseite nahm und ihm mitteilte, daß am Nachmittag in dem Hofe des Kasernements der hier in Miknasa in Garnison liegenden Truppen zwei Räuber standrechtlich erschossen würden. Zu dieser Hinrichtung könne er dem hochgeborenen Efendi einen Zuschauerplatz an dem Fenster eines dem Kasernenhof benachbarten Gebäudes besorgen. Darings bezahlte als echter Engländer für dieses nervenerregende Schauspiel ein sehr reichliches Bakschisch, hatte dafür aber auch die Genugtuung, die einzelnen Phasen der Erschießung der beiden Übeltäter in mehreren Momentaufnahmen mit seinem Kodak festhalten zu können, wobei ihn nur störte, daß so und so viele andere Fremde die übrigen Fenster des Gebäudes besetzt hielten und daher dieselben hochaktuellen Photographien wie er zu „knipsen“ vermochten.

[177] Darings beschreibt dann genau, wie die Delinquenten inmitten eines Trupps in sehr schmutzige Uniformen gehüllter Soldaten aus den Kasernen heraustraten und ihnen von einem, nach der geringeren Zerlumptheit seines Äußeren offenbar höheren Militär der Inhalt eines großen Papiers mit einem mächtigen Siegel daran vorgelesen und darauf das Urteil an den beiden Räubern, die vor einer frisch aufgeworfenen Grube mit verbundenen Augen knieten, sogleich vollstreckt wurde. Nach der Salve seien sie rücklings in die Grube hinabgestürzt. Dort hätten die Soldaten sie auch vorläufig liegen lassen.

Darings fährt nun folgendermaßen fort: „Wer beschreibt mein Erstaunen, als ich nach drei Monaten bei der Rückkehr von der Küste wieder Miknasa passierte und derselbe Fremdenführer, der mich schon einmal zu der Hinrichtung eingeladen hatte, mich vor der Karawanserei anspricht und mir fast mit denselben Worten geheimnisvolle zuraunt, was er mir schon vor einem Vierteljahr zugeraunt hatte. Da ging mir mit einem Male ein Licht auf. Ich schwieg aber klugerweise, zahlte dem frechen Spitzbuben abermals ein sehr anständiges Bakschisch, beobachtete aber jetzt die Hinrichtung der beiden Räuber – das Programm war in allen Punkten genau dasselbe geblieben – mit ganz anderen, sehr kritischen Augen. Und da merkte ich, weil meine Nerven jetzt vollkommen ruhig waren, natürlich sofort, daß es sich hier um nichts anderes als ein fraglos recht häufig wiederholtes Schaustückchen handelte, in dem jede einzelne Person ihre Rolle bereits mit einer gewissen Nachlässigkeit spielte. So gaben sich zum Beispiel die beiden Delinquenten – was mir beiden ersten Male völlig entgangen war – auch nicht die geringste Mühe mehr, die dem Tode Verfallenen auch nur etwas lebenswahr darzustellen. Im Gegenteil – ihre Gleichgültigkeit den drohenden Flintenläufen gegenüber konnte gar nicht größer sein. Nachher nahm ich mir dann den Halunken von Fremdenführer vor und sagte ihm auf den Kopf zu, daß die Exekution ein plumper Schwindel gewesen sei und die Gewehre nur Papierpfropfen als Geschosse [178] enthalten hätten. Erst versuchte er noch zu leugnen, dann gab er alles zu. Äußerst bezeichnend für marokkanische Militärverhältnisse ist es, daß der Verdienst aus diesen nur für die Fremden inszenierten Hinrichtungen ehrlich zwischen allen Auftretenden geweilt wurde –, und zu diesen gehörten auch der Herr Kommandant der Truppen in Miknasa und seine Herren Offiziere.“

W. K. Abel.