Mathematische Principien der Naturlehre/Buch2-IX

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Buch II. Abschnitt VIII. Mathematische Principien der Naturlehre (1872) von Isaac Newton, übersetzt von Jakob Philipp Wolfers
Buch II. Abschnitt IX.
Buch III.


ABSCHNITT IX.
Von der kreisförmigen Bewegung flüssiger Körper.

§. 73. Hypothese. Der Widerstand, welcher aus einer unvollkommenen Schlüpfrigkeit der Theile einer Flüssigkeit entspringt, ist unter übrigens gleichen Umständen der Geschwindigkeit proportional, mit welcher diese Theile sich von einander trennen.

§. 74. Lehrsatz. Dreht sich ein unbestimmt langer Cylindcr in einer gleichförmigen und unbegrenzten Flüssigkeit mit gleichförmiger Bewegung um seine der Lage nach gegebene Axe, und wird die Flüssigkeit bloss durch Einwirkung derselben herumgetrieben; verharret ferner jeder Theil der Flüssigkeit gleichförmig in seiner Bewegung: so verhalten sich die Umlaufszeiten der Theile der Flüssigkeit wie ihre Abstände von der Axe des Cylinders.

Es sei AFL der gleichförmig um die Achse S gedrehte Cylinder, und es werde durch die concentrischen Kreise BGM, CHN, DJO, EKP

Fig. 186.
etc. die Flüssigkeit in unzählige und concentrische cylindrische Schalen von gleicher Dicke getheilt.

Da die Flüssigkeit homogen ist, so verhalten sich die gegenseitig ausgeübten Eindrücke zusammenhängender Schalen (nach §. 73.) wie die gegenseitigen Verschiebungen und wie die zusammenhängenden Oberflächen, an denen die Eindrücke stattfinden. Ist der Eindruck gegen irgend eine Schale grösser oder kleiner an der concaven, als an der convexen Seite, so wird der stärkere Eindruck überwiegen, und die Bewegung der Schale entweder beschleunigen oder verzögern, je nachdem er in derselben oder der entgegengesetzten Richtung jener Bewegung einwirkt. Damit ferner jede Schale in ihrer Bewegung gleichförmig verharre, müssen die Eindrucke von beiden Seiten einander gleich sein und nach entgegengesetzten Richtungen erfolgen. Da nun die Eindrücke den zusammenhängenden Flächen und deren Verschiebungen proportional sind, so verhalten sich die letzteren umgekehrt wie die Oberflächen, d. h. umgekehrt wie die Entfernungen der Oberflächen von der Axe. Es verhalten sich aber ferner die Winkelbewegungen um die Axe, wie diese Verschiebungen, dividirt durch die Abstände, d. h. umgekehrt wie die Quadrate der Abstände. Errichtet man daher auf der unbegrenzten Linie SABCDEQ in ihren einzelnen Punkten die Perpendikel Aa, Bb, Cc, Dd, Ee etc., welche den Quadraten von SA, SB, SC, SD, SE etc. umgekehrt proportional sind, und denkt man sich durch die Endpunkte der Perpendikel eine hyperbolische Linie gezogen; so verhalten sich die Summen der Winkelbewegungen, d. h. die ganzen Winkelbewegungen wie die entsprechenden Summen der Linien Aa, Bb, Cc, Dd, Ee etc. Vermehrt man, um ein gleichförmig flüssiges Mittel zu erhalten, die Zahl der Schalen in’s Unendliche, und vermindert man in demselben Maasse ihre Breite; so verhalten sich die Winkelbewegungen wie die, diesen Summen entsprechenden, hyperbolischen Flächen AaQ, BbQ, CcQ etc., und es verhalten sich die, den Winkelwegungen umgekehrt proportionalen Zeiten, umgekehrt wie diese Flächen. Es verhält sich daher die Umlaufszeit irgend eines Theilchens D umgekehrt wie die Fläche DdQ, d. h. (nach der bekannten Quadratur der Curven)[1] direct wie der Abstand SD.   W. z. b. w.

Zusatz 1. Hiernach verhält sich die Winkelbewegung der Theilchen der Flüssigkeit umgekehrt wie ihre Abstände von der Axe des Cylinders und die absoluten Geschwindigkeiten sind einander gleich.

Zusatz 2. In einem cylindrischen Gefässe von unbestimmter Länge befindet sich eine Flüssigkeit und ein anderer Cylinder, beide Cylinder drehen sich um die gemeinschaftliche Axe und ihre Umdrehungszeiten sind ihren Halbmessern proportional. Verharret jeder Theil der Flüssigkeit in seiner Bewegung, so sind die Umlaufszeiten der einzelnen Theile ihren Abständen von der Axe der Cylinder proportional.

Zusatz 3. Wird dem auf diese Weise bewegten Cylinder und der Flüssigkeit irgend eine gemeinschaftliche Winkelbewegung hinzugefügt oder genommen; so wird, weil diese neue Bewegung die wechselseitige Reibung der Theile der Flüssigkeit nicht ändert, auch die Bewegung der Theile unter sich unverändert bleiben. Die gegenseitige Verschiebung der Theile hängt nämlich von der wechselseitige Reibung ab und jeder Theil wird in derjenigen Bewegung verharren, welche durch die, an beiden Seiten gegen entgegengesetzte Theile ausgeübte, Reibung nicht mehr beschleunigt als verzögert wird.

Zusatz 4. Nimmt man daher dem ganzen System der Cylinder und der Flüssigkeit alle Winkelbewegung des äusseren Cylinders, so erhält man die Bewegung der Flüssigkeit in einem ruhenden Cylinder.

Zusatz 5. Ruhet daher die Flüssigkeit und der äussere Cylinder, und wird der innere gleichförmig umgedreht, so theilt sich die kreisförmige Bewegung der Flüssigkeit mit und wird sich allmählig durch die ganze Flüssigkeit fortpflanzen. Sie wird ferner nicht eher aufhören so wachsen, als bis die einzelnen Theile der Flüssigkeit die im vorhergehenden Zusatz erklärte Bewegung erlangt haben.

Zusatz 6. Da die Flüssigkeit das Bestreben hat, ihre Bewegung noch weiter fortzupflanzen, so wird durch diesen Trieb auch der äussere Cylinder herumgedreht werden, wenn er nicht kräftig zurückgehalten wird und es wird seine Bewegung so lange beschleunigt werden, bis beide Cylinder gleiche Umlaufszeiten haben. Wird der äussere Cylinder durch eine Kraft festgehalten, so bestrebt er sich, die Bewegung der Flüssigkeit zu verzögern, und wenn nicht eine von aussen her beigebrachte Kraft den Inneren Cylinder in seiner Bewegung erhält, wird jener ein allmähliges Aufhören derselben bewirken. Alles dieses kann man durch Versuche bei einem stehenden tiefen Wasser sehen.

§. 75. Lehrsatz. Wenn eine feste Kugel sich in einer gleichförmigen und unbegrenzten Flüssigkeit um eine, der Lage nach gegebene Axe, mit gleichförmiger Bewegung dreht, und die Flüssigkeit durch diesen Impuls allein zur Umdrehung getrieben wird; wenn ferner jeder Theil der Flüssigkeit gleichförmig in seiner Bewegung verharret : so verhalten sich die Umlaufszeiten dieser Theile wie die Quadrate ihrer Abstände vom Mittelpunkte der Kugel.

1. Fall. Es sei AFL die gleichförmig um die Axe S (Fig. §. 74) im Kreise herumgetriebene Kugel, und durch die Kreise BGM, CHN, DJO, EKP etc. werde die Flüssigkeit in unzählige concentrische Schalen von gleicher Dicke getheilt. Man denke sich nun jene Schalen fest, alsdann werden, da die Flüssigkeit gleichartig ist, die wechselseitig ausgeübten Eindrücke der sich berührenden Schalen (nach der Hypothese) ihren gegenseitigen Verschiebungen und den sich berührenden Oberflächen, an denen die Eindrücke erfolgen, proportional sein. Wenn der Eindruck auf eine dieser Schalen grösser oder kleiner an der concaven, als an der convexen Seite ist; so wird der stärkere Eindruck überwiegend sein und die Geschwindigkeit der Schale entweder beschleunigen oder verzögern, je nachdem er nach derselben oder nach der entgegengesetzten Richtung ihrer Bewegung erfolgt. Damit ferner jede Schale gleichförmig in ihrer Bewegung verharre, müssen die Eindrücke von beiden Seiten einander gleich und entgegengesetzt gerichtet sein. Da nun die Eindrücke den sich berührenden Oberflächen und den gegenseitigen Verschiebungen der letzteren proportional sind; so werden die Verschiebungen sich umgekehrt, wie die Oberflächen, d. h. umgekehrt wie die Quadrate der Abstände dieser Oberflächen vom Centrum verhalten. Es verhalten sich aber die verschiedenen Winkelbewegungen um die Axe wie diese Verschiebungen, dividirt durch die Abstände, oder direct wie die Verschiebungen und indirect wie die Abstände, d. h. (wenn man die Verhältnisse zusammensetzt) indirect wie die Cuben der Abstände.

Wenn man daher in den einzelnen Punkten der unbestimmten Linie SABCDEQ Perpendikel Aa, Bb, Cc, Dd, Ee etc. errichtet, welche den Cuben von SA, SB, SC, SD, SE etc. umgekehrt proportional sind; so verhalten sich die Summen der verschiedenen Winkelbewegungen, wie die entsprechenden Summen der Linien Aa, Bb, Cc, Dd, Ee etc. Indem man nun (zur Herstellung eines gleichförmigen Mittels) die Zahl der Schalen in’s Unendliche vermehrt und ihre Breite in demselben Maasse vermindert, so verhält sich die ganze Winkelbewegung wie die, jenen Summen analogen, hyperbolischen Flächen AaQ, BbQ, CcQ, DdQ, EeQ etc. Ferner werden die, den Winkelbewegungen umgekehrt proportionalen, Umlaufszeiten sich umgekehrt wie diese Flächen verhalten. Es verhält sich daher die Umlaufszeit der beliebigen Schale DJO umgekehrt wie die Fläche DdQ, d. h, (nach der bekannten Quadratur der Curve[2] direct wie das Quadrat des Abstandes SD.   W. z. b. w.

2. Fall. Man ziehe vom Mittelpunkte aus sehr viele unbestimmte gerade Linien, welche mit der Axe gegebene Winkel bilden und einander um gleiche Stücke übertreffen. Indem diese geraden Linien sich um die Axe herumdrehen, wird jede der vorigen Schalen in unzählige Ringe getheilt, und jeder von diesen wird von vier anderen Ringen berührt werden, nämlich einem inneren, einem äusseren und zwei an seinen Seiten. Durch die Reibung des inneren und äusseren Ringes kann jeder einzelne Ring, bei der nach dem Gesetze des 1. Falles entstandenen Bewegung, nur gleich und nach entgegengesetzten Seiten gedrängt werden. Dies folgt aus dem Beweise des 1. Falles. Es wird daher jede, vom Mittelpunkte aus auf einer geraden Linie in’s Unendliche fortgehende Reihe von Ringen, sich nach dem Gesetze des 1. Falles bewegen, so weit nicht die Reibung der an den Seiten befindlichen Ringe dies verhindert. Aber bei der nach diesem Gesetze stattfindenden Bewegung findet keine Reibung der Seitenringe statt, und die letztere verhindert daher nicht, dass die Bewegung nach jenem Gesetze erfolge. Wenn die vom Mittelpunkte gleich weit abstehenden Ringe sich entweder schneller oder langsamer an den Polen, als in der Nähe des Aequators, umdrehten; so würden die langsameren durch die wechselseitige Reibung beschleunigt, die schnelleren hingegen verzögert werden und so die Umlaufszeiten sich stets, nach dem Gesetze des 1. Falles, der Gleichheit nähern. Diese Reibung verhindert daher nicht eine jenem Gesetze entsprechende Bewegung, dasselbe gilt daher auch hier, d. h. die Umlaufszeiten der einzelnen Ringe verhalten sich wie die Quadrate ihrer Abstände vom Centrum.

3. Fall. Nun theile man jeden Ring durch Querschnitte in unzählige Theilchen, welche eine absolut und gleichförmig flüssige Substanz enthalten. Da diese Schnitte sich nicht auf das Gesetz der Kreisbewegung beziehen, sondern nur zur Einschliessung der Flüssigkeit führen; so wird die Kreisbewegung wie früher fortdauern. Durch diese Schnitte werden alle noch so kleinen Ringe ihre Rauhigkeit und gegenseitige Reibung entweder gar nicht, oder gleich stark ändern. Bleiben somit die Ursachen einander proportional, so bleiben es auch die Wirkungen, d. h. die Bewegungen und Umlaufszeiten bleiben proportinal.   W. z. b. w.

Da übrigens die Kreisbewegung und die hieraus entspringende Centrifugalkraft im Aequator grösser ist, als an den Polen, so muss irgend eine Ursache da sein, wodurch die einzelnen Theilchen in ihren Kreisen zurückgehalten werden, damit nicht die am Aequator befindliche Materie sich stets vom Mittelpunkte entferne, durch die äusseren Seiten eines Wirbels nach den Polen und von da längs der Axe in beständiger Circulation zum Aequator zurückkehre.

Zusatz 1. Hiernach verhalten sich die Winkelbewegungen aller flüssigen Theile um die Axe der Kugel umgekehrt wie die Quadrate der Abstände vom Centrum, und die absoluten Geschwindigkeiten umgekehrt wie diese Quadrate, dividirt durch die Abstände.

Zusatz 2. Dreht sich eine Kugel in einer ruhenden, ähnlichen und unbegrenzten Flüssigkeit mit gleichförmiger Bewegung um eine, der Lage nach gegebene Axe, so wird jene Bewegung der Flüssigkeit nach der Weise eines Wirbels mitgetheilt werden und sich nach und nach in’s Unbegrenzte fortpflanzen. Sie wird ferner erst dann aufhören, in den einzelnen Theilen beschleunigt zu werden, wenn die Umlaufszeiten der letzteren den Quadraten ihrer Abstände vom Centrum proportional sind.

Zusatz 3. Da die inneren Theile des Wirbels wegen ihrer grösseren Geschwindigkeit gegen die äusseren reiben und drücken, und denselben hierdurch beständig Bewegung mittheilen; da diese äusseren Theile zugleich dieselbe Grösse der Bewegung auf andere weiter ausserhalb gelegene Theile übertragen und hierdurch die Grösse ihrer eigenen Bewegung unverändert beibehalten: so ist klar, dass die Bewegung beständig vom. Mittelpunkte nach der Peripherie des Wirbels übertragen und durch die Unbegrenztheit derselben absorbirt wird. Die zwischen zwei beliebigen sphärischen, um den Wirbel concentrischen Oberflächen enthaltene Materie wird niemals beschleunigt werden, weil sie alle, von der inneren Materie enthaltene, Bewegung stets auf die äussere Materie überträgt.

Zusatz 4. Ferner ist, um den Wirbel beständig in demselben Zustande der Bewegung zu erhalten, irgend ein thätiges Princip erforderlich, von welchem die Kugel immer die Grösse der Bewegung erhalte, welche sie der Materie des Wirbelt mittheilt. Ohne ein solches Princip müssen nothwendig die Kugel und die inneren Theile des Wirbels, da sie ihre Bewegung nach aussen fortpflanzen und keine neue Bewegung erhalten, allmählig sich verzögern und zuletzt aufhören sich umzudrehen.

Zusatz 5. Wenn eine andere Kugel in diesen Wirbel, bis zu einer gewissen Entfernung von seinem Mittelpunkte hineinschwimmt, und sich dabei um irgend eine der Neigung nach gegebene Axe, vermöge irgend einer Kraft, umdreht; so wird durch diese Umdrehung die Flüssigkeit in einen neuen Wirbel fortgerissen werden. Zuerst wird dieser zweite und kleine Wirbel mit seiner Kugel sich um das Centrum der ersteren drehen, inzwischen aber seine Bewegung sich weiter fortpflanzen und so nach und nach wie der erste Wirbel in’s Unendliche ausbreiten. Auf dieselbe Weise wie diese zweite Kugel durch den ersten, wird auch die erste Kugel durch den zweiten Wirbel fortgerissen werden, dergestalt dass beide Kugeln sich um irgend einen, zwischen ihnen liegenden, Punkt herumdrehen und wegen jener Kreisbewegung sich von einander entfernen würden, wenn nicht irgend eine Kraft sie zusammen hielte.

Wenn später die beständig beigebrachten Kräfte, vermöge welcher die Kugeln in ihren Bewegungen verharren, zu wirken aufhörten und alles mechanischen Gesetzen überlassen würde; so müsste allmählig die Bewegung beider Kugeln (nach Zusätzen 3. und 4.) langsamer werden und endlich die Wirbel zur Ruhe kommen.

Zusatz 6. Wenn mehrere Kugeln sich an gegebenen Orten, um gegebene Axen und mit bestimmten Geschwindigkeiten fortwährend umdrehen, so werden eben so viele Wirbel entstehen, welche sich in’s Unendliche ausdehnen. Denn die einzelnen Kugeln pflanzen nach derselben Weise, nach welcher es bei einer einzigen geschieht, ihre Bewegungen in’s Unendliche fort, so dass jeder Theil der unbegrenzten Flüssigkeit durch die Bewegung angetrieben wird, welche aus der Wirksamkeit aller Kugeln hervorgeht. Die Wirbel werden daher nicht innerhalb bestimmter Grenzen eingeschlossen, sondern treten allmählig und wechselseitig in einander über, und vermöge ihrer gegenseitigen Wirkungen bewegen sich die Kugeln beständig von ihren Stellen, wie im vorhergehenden Zusatze gezeigt worden ist. Sie behalten daher keine bestimmte Lage gegen einander, wenn sie nicht durch irgend eine Kraft festgehalten werden. Wenn aber die Kräfte, welche durch ihre beständige Einwirkung auf die Kugeln diese Bewegungen erhalten, zu wirken aufhören; so wird die Materie, aus dem in Zusatz 3. und 4. angegebenen Grunde, nach und nach zur Ruhe kommen und aufhören, im Wirbel herumgetrieben zu werden.

Zusatz 7. Ist eine ähnliche Flüssigkeit in einem kugelförmigen Gefässe verschlossen, und wird sie durch die gleichförmige Umdrehung einer im Mittelpunkt befindlichen Kugel im Wirbel herumgetrieben; drehen sich Kugel und Gefäss in derselben Richtung und um dieselbe Axe, sind zugleich ihre Umlaufszeiten den Quadraten ihrer Halbmesser proportional: so werden die Theile der Flüssigkeit nur dann erst ohne Beschleunigung und Verzögerung in ihrer Bewegung verharren, wenn ihre Umlaufszeiten den Quadraten der Abstände vom Mittelpunkte proportional sind. Keine andere Einrichtung des Wirbels kann von Dauer sein.

Zusatz 8. Wenn das Gefäss, die eingeschlossene Flüssigkeit und die Kugel diese Bewegung beibehalten, und sich ausserdem mit gemeinschaftlicher Winkelbewegung um irgend eine gegebene Axe umwälzen; so wird durch diese neue Bewegung die Reibung der flüssigen Theilchen unter sich unverändert bleiben. Die gegenseitige Ortsveränderung der Theilchen hängt nämlich von der Reibung ab, und jedes wird in einer Bewegung verharren, wodurch bewirkt wird, dass es durch die Reibung von der einen Seite nicht mehr verzögert, als von der entgegengesetzten beschleunigt wird.

Zusatz 9. Wenn daher das Gefäss ruhet und die Bewegung der Kugel gegeben ist, so wird auch die Bewegung der Flüssigkeit gegeben sein. Denkt man sich nämlich eine, durch die Axe der Kugel gehende und mit entgegengesetzter Bewegung sich umdrehende, Ebene und setzt man voraus, dass die Summe der Umdrehungszeiten der Ebene und der Kugel sich zu der letzteren verhalte, wie das Quadrat vom Halbmesser des Gefässes zum Quadrat des Halbmessers der Kugel; so werden die Umlaufszeiten der flüssigen Theile in Bezug auf diese Ebene sich verhalten, wie die Quadrate ihrer Abstände vom Mittelpunkte der Kugel.[3]

Zusatz 10. Wenn ferner das Gefäss sich um dieselbe Axe wie die Kugel, oder um irgend eine davon verschiedene Axe mit einer beliebigen gegebenen Geschwindigkeit bewegt; so ist auch die Bewegung der Flüssigkeit gegeben. Nimmt man nämlich dem ganzen Systeme die Winkelbewegung des Gefässes, so bleiben alle gegenseitigen Bewegungen dieselben, wie vorher nach Zusatz 8. Jene Bewegungen werden alsdann nach Zusatz 9. gegeben.

Zusatz 11. Wenn Gefäss und Flüssigkeit ruhen, die Kugel sich aber mit gleichförmiger Bewegung umdreht, so wird die letztere sich allmählig durch die ganze Flüssigkeit im Gefäss fortpflanzen und dieses so herumgetrieben werden, wenn nicht eine Kraft es zurückhält. Flüssigkeit und Gefäss werden nicht früher aufhören, beschleunigt zu werden, als bis ihre Umlaufszeiten derjenigen der Kugel gleich sind. Wird das Gefäss durch irgend eine Kraft festgehalten, oder dreht es sich mit irgend einer constanten und gleichförmigen Bewegung um, so wird das Mittel allmälig zu dem, in den Zusätzen 8., 9. und 10. erklärten, Zustande der Bewegung gelangen und in keinem anderen verharren. Wenn hierauf die Kräfte, vermöge deren Gefäss und Kugel sich mit bestimmten Bewegungen umdrehten, zu wirken aufhören und das ganze System mechanischen Gesetzen unterworfen ist; so werden Gefäss und Kugel mittelst der Flüssigkeit aufeinander wirken und nicht früher aufhören, ihre Bewegungen wechselseitig gegen einander fortzupflanzen, als bis ihre Umlaufszeiten einander gleich sind und das ganze System sich wie Ein fester Körper zugleich umdreht.

§. 76. Anmerkung. In dieser ganzen Untersuchung setze ich voraus, dass der flüssige Körper aus einer, in Bezug auf ihre Dichtigkeit und Flüssigkeit gleichartigen, Materie bestehe. So ist derjenige beschaffen, in welchem dieselbe Kugel bei derselben Bewegung und in derselben Zwischenzeit ähnliche und gleiche Bewegungen stets in gleiche Entfernungen fortpflanzen kann, wo auch immer die Kugel sich im flüssigen Körper befinde. Es versucht zwar die Materie, durch ihre kreisförmige Bewegung von der Axe des Wirbels zurückzuweichen und drückt daher gegen die weiter entfernte Materie. Aus diesem Drucke entspringt eine stärkere Reibung der Theile und eine schwierigere Trennung derselben von einander; folglich wird die Materie weniger flüssig werden. Sind ferner die Theile des flüssigen Körpers irgendwo dicker oder grösser, so ist derselbe weniger flüssig, weil die Zahl der Oberflächen, an denen die Theile sich von einander trennen können, geringer ist. Ich vermuthe, dass in derartigen Fällen die mangelnde flüssige Beschaffenheit entweder durch Schlüpfrigkeit der Theile, oder durch eine andere biegsam machende Eigenschaft ersetzt werde. Geschähe dies nicht, so würde die Materie da, wo sie weniger flüssig ist, fester zusammenhängen und träger sein, folglich die Bewegung langsamer annehmen und weiter fortpflanzen, als nach dem oben angegebenen Verhältniss der Fall sein soll. Ist die Form des Gefässes nicht sphärisch, so werden die Theilchen sich nicht in Kreislinien, sondern in Curven bewegen, welche der Figur des Gefässes ähnlich sind, und ihre Umlaufszeiten werden sich sehr nahe wie die Quadrate ihrer mittleren Abstände vom Centrum verhalten. In den Theilen zwischen dem Centrum und dem Umfange, wo die Räume breiter sind, werden die Bewegungen langsamer, wo jene enger sind, werden diese schneller sein; jedoch werden die schnelleren Theilchen nicht dahin streben, sich dem Umfange zu nähern. Sie beschreiben nämlich weniger gekrümmte Bogen und ihr Streben, sich vom Mittelpunkt zu entfernen, wird nicht weniger durch die Abnahme dieser Krümmung vermindert, als durch die Zunahme der Geschwindigkeit vermehrt. Indem sie von den engeren Räumen zu den weiteren fortschreiten, entfernen sie sich allmählig vom Centrum, werden aber durch diese Entfernung langsamer; indem sie später wieder von den weiteren zu den engeren Räumen übergehen, werden sie beschleunigt und es werden so die einzelnen Theilchen fortwährend wechselweise beschleunigt und verzögert. So verhält es sich in einem festen Gefässe; denn in einer unbegrenzten Flüssigkeit ist das Verhalten der Wirbel nach Zusatz 6. des vorhergehenden Paragraphen bekannt.

Die Eigenschaften der Wirbel habe ich aber in diesem Lehrsatze zu erforschen versucht, um zu erfahren, ob durch irgend ein Verhältniss derselben die Himmelserscheinungen mittelst der Wirbel erklärt werden können. Es zeigt sich z. B. dass die Umlaufszeiten der um den Jupiter sich bewegenden Trabanten, im 3/2ten Verhältniss ihrer Abstände vom Centrum des Jupiters stehen, und dieselbe Regel gilt für die sich um die Sonne bewegenden Planeten. Diese Regeln gelten aber für jene Trabanten und diese Planeten aufs genaueste, so weit nämlich die astronomischen Beobachtungen dies bis jetzt angeben konnten.

Wenn daher jene Himmelskörper durch die um den Jupiter und die um die Sonne sich drehenden Wirbel herumgetragen werden, müssen auch diese sich nach demselben Gesetze herumdrehen. Die Umlaufszeiten der Theile des Wirbels standen aber im doppelten Verhältniss ihrer Entfernung vom Centrum der Bewegung, und es kann dieses Verhältniss nicht vermindert und etwa auf das 3/2te reducirt werden, wenn nicht entweder die Materie des Wirbels desto flüssiger ist, je weiter sie vom Mittelpunkte absteht, oder der Widerstand, welcher aus der mangelhaften Schlüpfrigkeit der Theile der Flüssigkeit entspringt, durch die Zunahme der Geschwindigkeit, womit die Theile der Flüssigkeit sich von einander trennen, in einem grösseren Verhältniss wächst, als die Geschwindigkeit. Keines von beiden scheint jedoch mit der Vernunft (rationi) übereinzustimmen. Die dickeren und weniger flüssigen Theile werden, wenn sie nicht gegen den Mittelpunkt gravitiren, nach der Peripherie streben, und es ist wahrscheinlich, dass, wenn ich auch des Beweises wegen eine solche Hypothese, dass der Widerstand der Geschwindigkeit proportional sei, am Anfang dieses Abschnittes aufgestellt habe, doch der Widerstand in einem kleineren Verhältniss als dem der Geschwindigkeit stehe. Wird dies zugegeben, so werden die Umlaufszeiten der Theile des Wirbels in einem grösseren als dem doppelten Verhältniss ihrer Abstände vom Centrum stehen. Wenn die Wirbel (wie einige meinen) sich nahe beim Centrum schneller, hierauf bis zu einer gewissen Grenze langsamer, dann in der Nähe der Peripherie aufs neue schneller bewegen; so kann sicher weder das 3/2te, noch irgend ein anderes festes und bestimmtes Verhältniss gelten. Es mögen daher die Naturforscher sehen, auf welche Weise jene Erscheinung des 3/2ten Verhältnisses durch Wirbel erklärt werden könne.

S. 77. Lehrsatz. Körper, welche in einem Wirbel kreisförmige Umläufe machen, sind von derselben Dichtigkeit wie der Wirbel und bewegen sich, was Geschwindigkeit und Richtung betrifft, nach demselben Gesetze, wie die Theile desselben.

Nimmt man nämlich an, dass irgend ein kleiner Theil des Wirbels, dessen Theilchen oder physische Punkte eine gegebene Lage unter sich beibehalten, erstarre; so wird dieser, weil weder seine Dichtigkeit, noch die ihm eingeflösste Kraft, noch seine Gestalt sich ändert, sich nach demselben Gesetzen wie früher bewegen. Umgekehrt wenn ein erstarrter und fester Theil des Wirbels dieselbe Dichtigkeit wie die übrigen Theile hat, und dann flüssig wird; so wird er sich nach demselben Gesetze wie früher bewegen, so weit nicht seine nun flüssig gewordenen Theilchen sich unter einander bewegen. Vernachlässigt man daher die Bewegung der Theilchen unter einander, als nicht zur fortschreitenden Bewegung des Ganzen gehörend; so wird die letztere unverändert wie vorher bleiben. Die Bewegung derselben wird aber mit derjenigen der anderen Theile des Wirbels, welche eben so weit vom Mittelpunkte entfernt sind, identisch sein, weil der flüssig gewordene feste Körper ein, den übrigen Theilen des Wirbels ähnlicher, Theil wird. Daher wird ein fester Körper, welcher gleiche Dichtigkeit wie die Materie des Wirbels besitzt, mit derselben Bewegung wie die Theile des Wirbels fortschreiten, indem er in Bezug auf die ihn zunächst umgebende Materie ruhet. Ist er dichter, so wird er dahin streben, weiter vom Mittelpunkte zurückzuweichen als früher, und indem er jene Kraft des Wirbels, durch welche er vorher in seiner Bahn, gleich wie im Zustande des Gleichgewichtes erhalten wurde, nun überwindet, wird er sich vom Mittelpunkte entfernen und bei seinem Umlaufe eine Spirale beschreiben, aber nicht mehr in denselben Kreis zurückkehren. Nach derselben Weise wird er, wenn er weniger dicht ist, sich dem Centrum nähern. Er wird daher nur dann denselben Kreis beschreiben, wenn er gleiche Dichtigkeit wie die Flüssigkeit hat. In diesem Falle ist aber gezeigt, dass er seinen Umlauf nach demselben Gesetze ausführen werde, welches die gleichweit vom Mittelpunkte entfernten Theile der Flüssigkeit befolgen.   W. z. b. w.

Zusatz 1. Ein fester Körper, welcher sich in einem Wirbel bewegt und immer denselben Kreis beschreibt, wird in Bezug auf die Flüssigkeit, in welcher er schwimmt, ruhen.

Zusatz 2. Ist der Wirbel von gleichmässiger Dichte, so kann derselbe Körper in jeder Entfernung vom Centrum des Wirbels seinen Umlauf ausführen.

§. 78. Anmerkung. Hieraus ergibt sich, dass die Planeten nicht durch körperliche Wirbel herumgetragen werden. Nach den Hypothesen ran Copernicus[4] bewegen sich nämlich die um die Sonne fortgeführten Planeten in Ellipsen, deren Brennpunkt sich in der Sonne befindet und beschreiben mit den nach der Sonne gezogenen Radien Vectoren den Zeiten proportionale Flächen.

Die Theile eines Wirbels können sich aber nicht auf eine solche Weise bewegen. Es bezeichnen AD, BE, CF drei um die Sonne S beschriebene Bahnen, deren äusserste CF ein um die Sonne concentrischer Kreis sei, die Aphele der beiden inneren Bahnen seien A und B, ihre Perihele in D und E. Ein in der Bahn CF sich bewegender Körper wird, mit den nach der Sonne gezogenen Radien Vectoren der Zeit proportionale Flächen beschreiben und sich gleichförmig bewegen. Ein in
Fig. 187.
der Bahn BE sich bewegender Körper wird sich aber nach astronomischen Gesetzen langsamer im Aphel B und geschwinder im Perihel E bewegen, wogegen nach mechanischen Gesetzen die Materie des Wirbels sich in dem engeren Raume zwischen A und C geschwinder, als in dem weiteren Raume zwischen D und F, d. h. schneller im Aphel als im Perihel bewegen müsste. Beides widerstreitet einander.

So verhält sich im Anfange des Zeichens der Jungfrau, wo jetzt das Aphel des Mars sich befindet, der Abstand zwischen den Bahnen des Mars und der Venus zu ihrem Abstande im Anfange des Zeichens der Fische ungefähr wie 3 : 2[5] und es muss daher die Materie des Wirbels sich zwischen jenen Bahnen in den Fischen schneller bewegen, als in der Jungfrau in demselben Verhältniss 3 : 2. Je enger nämlich der Raum ist, durch welchen dieselbe Menge der Materie in derselben Zeit geht, mit desto grösserer Geschwindigkeit muss sie hindurch gehen. Wenn daher die Erde, in dieser Materie am Himmel relativ ruhend, fortgetragen würde und mit ihr zugleich um die Sonne liefe; es würde ihre Geschwindigkeit im Anfange der Fische sich zu der Geschwindigkeit im Anfange der Jungfrau verhalten wie 3 : 2. Die tägliche scheinbare Bewegung der Sonne würde daher in der Jungfrau > 70' und im Anfange der Fische < 48' sein, während doch nach der Erfahrung jene scheinbare Bewegung der Sonne in den Fischen grösser als in der Jungfrau[6], also die Bewegung der Erde in der Jungfrau grösser als in den Fischen ist.

Demnach wiederspricht die Hypothese der Wirbel durchaus den astronomischen Erscheinungen, und dient nicht so sehr zu ihrer Erklärung, als zu ihrer Verwirrung. Wie aber jene Bewegungen in freien Räumen ohne Wirbel ausgeführt werden, kann man aus dem ersten Buche ersehen und wird vollständiger im Weltsysteme gelehrt werden.


Bemerkungen und Erläuterungen [des Übersetzers][Bearbeiten]

  1. [616] No. 190. S. 369. (Fig. 186.) Setzt man nämlich SD = x, Dd = y; so wird, weil SQ = ∞ und nach der Construction y = anzunehmen ist, die Fläche DdQ = ydx = + . Es ist also DdQ umgekehrt proportional x oder SD.
  2. [616] No. 191. S. 371. Setzt man allgemein SD = x, Dd = y, C = Constans,
    so hat man y = und für SQ = ∞, die Fläche

    also DdQ umgekehrt proportional SD² und die Umlaufszeit direct proportional SD².

  3. [616] No. 192. S. 374. Im Fall Kugel, Flüssigkeit und Gefäss sich nach Zusatz 7. um eine gemeinschaftliche Axe drehten, sei
    die Winkelbewegung die Umlaufszeit der Radius
    für die Kugel G γ S
    für einen Punkt der Flüssigkeit K κ k
    für das Gefäss E ε e;

    alsdann ist nach Zusatz 7.

    1.   G : K = k² : g²
    2.   K : E = e² : k²

    also auch

    3.   G : E = e² : y².
    Da hier das Gefäss ruhen soll, so muss später E — E für die Winkelbewegung des Gefässes gesetzt werden, und man hat zugleich die Winkelbewegung der Kugel = G — E, die Winkelbewegung des flüssigen Punktes = K — E zu setzen. Setzt man nun die entgegengesetzte Winkelbewegung der Ebene = P, ihre Umlaufszeit = π; so ist nach der Voraussetzung [617]
    4.     π + γ : γ = e² : g²

    ferner

    5.     G – E : P = π : γ

    also aus 4. und 5.

    G – E + P : P = π + γ : γ = e² : g²

    oder

    6.     G – E : P = e² – g² : g².

    Aus 3. folgt

    7.     G – E : E = e² – g² : g²,

    nach 6. u. 7. ist daher

    E = P.

    Nach 2 ist

    K – E : E = e² – k² : k²

    also

    8.     K – P : P = e² – k² : k².

    Hier bezeichnet K – P die Winkelbewegung der Kugel bei ruhendem Gefässe, also K – P + P = K dieselbe in Bezug auf die entgegengesetzt bewegte Ebene. Es folgt aus 8. oder aus 2. für E = P, K : P = e² : k² und was von dem beliebigen Punkte der Flüssigkeit gilt, gilt auch von jedem andern.

  4. [617] No. 196. S. 377. Statt „Hypothese von Copernicus, müsste hier nach meiner unmassgeblichen Meinung zu lesen sein: „Keplers Gesetzen“.
  5. [617] No. 194. S. 378. Im Berliner astronomischen Jahrbuche für 1871 Pag. 166 folg, findet man beiläufig
    log r() log r'()
    für die Fische oder die Länge 330° 9,8621 0,1404 r = 0,728 r' = 1,382
    Jungfrau 150 9,8566 0,2216 =0,719 =1,666
    mithin für 330° r' – r = 0,654
    150 r' – r = 0,947

    also diese Abstände für die Zeichen der Jungfrau und der Fische nahe im Verhältniss 3 : 2.

  6. [617] No. 195. S. 378. A. a. O. Pag. 9 und Pag. 45 finden wir
    für Länge = 330°, Δ = 60′
    = 150 Δ = 58
    also umgekehrt für Länge = 150° Δ = 60′
    = 330 Δ = 58.


Buch II. Abschnitt VIII. Nach oben Buch III.
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