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Mathematische Principien der Naturlehre/Buch2-VIII

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Buch II. Abschnitt VII. Mathematische Principien der Naturlehre (1872) von Isaac Newton, übersetzt von Jakob Philipp Wolfers
Buch II. Abschnitt VIII.
Buch II. Abschnitt IX.


ABSCHNITT VIII.
Von der in Flüssigkeiten fortgepflanzten Bewegung.

§. 62. Lehrsatz. Ein Druck pflanzt sich in einer Flüssigkeit nur dann geradlinig fort, wenn ihre Theilchen in gerader Linie liegen.

Liegen die Theilchen a, b, c, d, e in gerader Linie, so kann sich der Druck zwar von a bis e geradlinig fortpflanzen, aber das Theilchen e wird gegen die schief anliegenden Theilchen f und g in schiefer Richtung drücken, und die letzteren werden nur dann den gegen sie ausgeübten Druck aushalten, wenn sie durch entfernteren Theilchen h und k unterstützt werden, und so weit dies geschieht, drücken sie selbst wieder gegen die sie unterstützenden Theilchen.

Fig. 180.

Diese werden wieder den Druck nur dann aushalten, wenn sie durch die entfernter liegenden Theilchen l und m unterstützt werden, und diese wieder drücken, u. s. w. f. in’s Unendliche. Der Druck wird also, sobald er sich auf Theilchen fortpflanzt, welche nicht in gerader Linie liegen, sich spalten und alsdann in schiefer Richtung bis in’s Unendliche fortpflanzen. Hat er angefangen, sich in schiefer Richtung fortzupflanzen, und trifft er dann auf weiter entlegene Theilchen, welche nicht in gerader Linie liegen, so wird er sich auf’s neue spalten und zwar so oft, als er auf Theilchen trifft, welche nicht genau in gerader Linie liegen. W. z. b. w.

Zusatz. Wird ein Theil des, von einem gegebenen Punkte aus in einer Flüssigkeit fortgepflanzten, Druckes durch ein Hinderniss aufgefangen, so wird der übrige, nicht aufgefangene Theil in die hinter dem Hinderniss gelegenen Räume sich ausbreiten. Dies wird folgendermaassen gezeigt.

Vom Punkte A pflanze sich der Druck, und zwar, wenn es angeht, längs gerader Linien fort. Durch das in BC durchbohrte Hinderniss NBCK

Fig. 181.

werde der ganze Druck aufgefangen, mit Ausnahme des kegelförmigen Theils APQ, welcher durch die kreisförmige Oeffnung BC hindurchgeht. Durch die Transversal-Ebenen de, fg, hi, etc. werde der Kegel APQ in Stücke getheilt, und während der Kegel ABC durch Fortpflanzung des Druckes gegen das entferntere Kegelstück degf an der Oberfläche de drängt, dränge dieses gegen das nächstfolgende fgih an der Oberfläche fg, dieses wieder gegen ein drittes Stück u. s. w. f. in's Unendliche. Offenbar wird aber (nach dem 3. Gesetz der Bewegung) das erste Stück degf durch die Gegenwirkung des zweiten ebenso stark an seiner Oberfläche fg gedrängt und gedrückt, als es selbst gegen das zweite drängt und drückt. Das Stück degf zwischen dem Kegel Ade und zwischen dem Stück fghi wird daher von beiden Seiten her zusammengedrückt und kann (nach §. 27., Zusatz 6.) seine Gestalt nur dann beibehalten, wenn es von allen Seiten her mit derselben Kraft zusammengedrückt wird. £s wird daher mit derselben Intensität, mit welcher es an den Oberflächen de und fg zusammengedrückt wird, versuchen nach den Seiten df und eg auszuweichen und würde dort (da es nicht fest, sondern durchaus flüssig ist) heraustreten und sich ausdehnen, wenn die es umgebende Flüssigkeit nicht da wäre, durch welche jenes Streben aufgehoben wird. Ferner wird es vermöge des Strebens herauszutreten, ebenso stark gegen die an den Seiten df und eg es umgebende Flüssigkeit drücken, als das Stück fghi. Der Druck pflanzt sich daher nicht weniger von den Seiten df und eg nach den beiden Räumen NO und KL an beiden Seiten fort, als von der Oberfläche fg nach PQ hin.   W. z. b. w.

§. 63. Lehrsatz. Jede in einer Flüssigkeit sich fortpflanzende Bewegung weicht vom geraden Wege nach unbewegten Räumen hin aus.

1. Fall. Es pflanze sich die Bewegung vom Punkte A (Fig. 181) aus durch die Oeffnung BC fort und gehe, wenn es möglich ist, im konischen Räume BCQP weiter längs gerader Linien, welche von A aus divergiren. Setzen wir zuerst voraus, die Bewegung sei die der Wellen auf der Oberfläche eines stillstehenden Wassers. Es seien de, fg, hi, kl etc., die höchsten Stellen der einzelnen Wellen, welche durch eben so viele zwischenliegende Thäler von einander getrennt sind. Da nun das Wasser auf den Gipfeln der Wellen höher steht, als in den unbewegten Theilen NO und KL der Flüssigkeit, so wird es von den Endpunkten e, g, i, l, etc. und d, f, h, k, etc. der Gipfel respective nach KL und NO herabfliessen, und da es in den Thälern der Wellen niedriger steht, als in den unbewegten Theilen KL und NO; so wird es von diesen nach jenen hinfliessen. Durch den ersten Abfluss werden die Gipfel, durch den letzten die Thäler sich nach beiden Seiten ausdehnen und gegen KL und NO hin fortpflanzen. Da nun die Wellenbewegung von A gegen PQ, durch einen beständigen Abfluss der Gipfel in die nächstfolgenden Thäler erfolgt und sie daher nicht geschwinder ist, als nach Verhältniss der Geschwindigkeit des Herabsteigens; da ferner das beiderseitige Herabfliessen nach KL und NO mit derselben Geschwindigkeit erfolgen muss: so wird die Ausdehnung der Wellen gegen KL und NO mit derselben Geschwindigkeit erfolgen, mit welcher die Wellen selbst von A gegen PQ geradlinig fortschreiten. Ferner wird der ganze Raum auf beiden Seiten gegen KL und NO hin, durch die sich ausdehnenden Wellen rfgr, shis, tklt, vmnv, etc. eingenommen werden.   W. z. b. w. Dass dies sich so verhalte, kann jeder mittelst eines Versuches auf ruhendem Wasser erfahren.

2. Fall. Gesetzt, dass de, ig, hi, kl, mn, etc. Stösse bezeichnen, welche sich vom Punkt A in einem elastischen Mittel fortpflanzen. Man denke sich, dass die Stosse sich mittelst auf einander folgender Verdichtungen und Verdünnungen des Mittels fortpflanzen, so dass der dichteste Theil eines jeden Stosses auf einer, um A als Mittelpunkt beschriebenen sphärischen Oberfläche liege und zwischen den auf einander folgenden Stössen sich gleiche Zwischenräume befinden. Es mögen de, fg, hi, kl, etc. die dichtesten Theile der Stösse bezeichnen, welche durch die Oeffnung BC sich fortgepflanzt haben. Da das Mittel dort dichter ist, als in den auf beiden Seiten gelegenen Räumen KL und NO, so wird es sich eben so sehr gegen diese hin ausdehnen, als gegen die lockeren Zwischenräume der Stösse, und da es auf diese Weise immer lockerer aus der Gegend der Zwischenräume, hingegen dichter aus der Gegend der Stösse hervortritt; so wird es an deren Bewegung Theil nehmen. Da nun die fortschreitende Bewegung der Stösse aus der beständigen Erweiterung der dichteren Theile gegen die vorangehenden lockerern Zwischenräume entspringt; da ferner die Stösse ungefähr mit derselben Geschwindigkeit gegen die ruhenden Theile KL und ON des Mittels sich erweitern müssen: so werden jene Stösse sich überall ungefähr mit derselben Geschwindigkeit gegen die unbewegten Räume KL und ON hin ausdehnen, mit welcher sie sich geradlinig vom Mittelpunkt A aus fortpflanzen. Sie nehmen daher den ganzen Raum KLON ein.   W. z. b. w.

Wir nehmen dies bei den Tönen wahr, welche entweder hinter einem zwischenliegendem Berge gehört werden, oder durch ein Fenster in's Zimmer treten, sich nach allen Theilen des letzteren ausbreiten und in allen Ecken gehört werden, indem nicht die entgegengesetzten Wände sie zurückwerfen, sondern die Fortpflanzung vom Fenster aus direct erfolgt, soweit man dies nämlich mittelst der Sinne beurtheilen kann.

3. Fall. Gesetzt endlich, dass eine Bewegung irgend einer Art sich von A aus durch die Oeffnung BC fortpflanze. Da diese Fortpflanzung nur erfolgt, in so fern die dem Centrum A näher liegenden Theile des Mittels gegen die entfernten drücken und dieselben bewegen; da ferner die gedrückten Theile flüssig sind und daher nach allen den Seiten hin, wo sie weniger gedrückt werden, ausweichen; so werden dieselben gegen alle ruhenden Theile des Mittels, sowohl gegen die zur Seite liegenden KL und NO, als gegen die vorderen PQ zurückweichen. Auf diese Weise wird jede Bewegung, sobald sie durch die Oeffnung BC gegangen ist, sich auszudehnen anfangen und hierauf, wie vom Anfangs- und Mittelpunkt aus, sich nach allen Seiten geradlinig fortpflanzen.   W. z. b. w.

§. 64. Lehrsatz. Jeder zitternde Körper wird in einem elastischen Mittel die Bewegung seiner Stösse überall hin geradlinig fortpflanzen; in einem nicht elastischen Mittel aber wird er eine kreisförmige Bewegung hervorbringen.

1. Fall. Die Theile des zitternden Körpers werden nämlich, indem sie wechselweise vor- und zurückgehen, bei ihrem Fortschreiten die ihnen nächsten Theile des Mittels drängen und fortstossen, und durch diesen Drang sie zusammendrücken und verdichten; hierauf aber bei ihrer Rückkehr den zusammengedrückten Theilen gestatten, zurückzugehen und sich auszudehnen. Daher werden die dem zitternden Körper am nächsten liegenden Theile wechselseitig vor- und zurückgehen, gleich wie die Theile des zitternden Körpers selbst, und eben so wie diese die ihnen nächsten Theile des Mittels antreiben, werden auch die letzteren wieder die ihnen zunächst liegenden Theile antreiben, eben so diese die ihnen weiter folgenden, u. s. w. f. in’s Unendliche. So wie ferner die ersten Theile des Mittels beim Vorwärtsschreiten sich verdichten und bei der Rückkehr auflockern, wird dasselbe mit den übrigen Theilen der Fall sein. Daher werden sie nicht alle zugleich vor- und zurückgehen (sie würden nämlich, indem sie gleiche Entfernung von einander behielten, auf diese Weise sich nicht wechselseitig verdünnen und verdichten) sondern sich einandern nähern, wenn sie dichter, und von einander entfernen, wenn sie lockerer werden; also werden einige von ihnen vorwärts gehen, während die anderen zurückkehren.[1] Dies wird wechselweise bis in’s Unendliche geschehen. Die vorwärtsgehenden und dabei verdichteten Theile machen wegen ihrer fortschreitenden Bewegung, durch welche sie auf alle ihnen entgegenstehenden Körper einen Schlag ausüben, die Stösse aus, und es pflanzen sich daher die auf einander folgenden Stösse von jedem zitternden Körper geradlinig fort. Das Letztere geschieht in ungefähr gleichen Abständen von einander, wegen der gleichen Zeitintervalle, in denen der Körper durch seine zitternden Bewegungen die einzelnen Stösse hervorbringt. Obgleich die Theile des zitternden Körpers nach einer bestimmten Richtung vor- und rückwärts gehen, so werden doch die von ihm durch ein Mittel fortgepflanzten Stösse sich, nach dem vorhergehenden Paragraphen, auch nach den Seiten hin ausdehnen und sich so von jenem zitternden Körper als gemeinschaftlichen Mittelpunkt, längs nahezu sphärischer und concentrischer Oberflächen nach allen Seiten hin fortpflanzen.

Ein Beispiel hierzu haben wir an den Wellen, welche durch einen zitternden Finger hervorgebracht werden, und alsdann nicht nur beiderseits längs der Richtung, in welcher der Finger sich bewegt, sich fortpflanzen, sondern auch den letzteren, nach Art concentrischer Kreise, sogleich umschliessen, und sich so nach allen Richtungen ausbreiten. Das Gewicht der Wellen ersetzt hier nämlich die Stelle einer elastischen Kraft.

2. Fall. Ist das Mittel nicht elastisch, so können seine, durch die vibrirenden Theile des zitternden Körpers gedrückten, Theile nicht verdichtet werden, und es pflanzt sich die Bewegung augenblicklich nach den Seiten fort, wo das Mittel am leichtesten nachgiebt, d. h. nach den Stellen, welche der zitternde Körper sonst hinter sich leer lassen würde. Dasselbe findet statt, im Fall ein Körper in einem beliebigen Mittel fortgeworfen wird. Das vor den Projectilen ausweichende Mittel entfernt sich von ihnen nicht bis in’s Unendliche, sondern dringt in kreisförmiger Bewegung in die Räume, welche der Körper hinter sich leer lässt. So oft daher ein zitternder Körper sich nach irgend einer Seite hin bewegt, begiebt sich das ausweichende Mittel in kreisförmiger Bewegung nach der Stelle, welche der Körper verlässt und so oft der Körper nach seinem früheren Orte zurückkehrt, wird das Mittel von dort fortgestossen und kehrt ebenfalls nach seiner früheren Stelle zurück. Wenn auch der zitternde Körper nicht fest, sondern auf jede Weise biegsam ist, so bleibt seine Grösse doch unverändert, weil er durch seine zitternde Bewegung das Mittel nirgends zusammendrücken kann, sondern dieses ihm sogleich ausweicht. Er bewirkt daher, dass das Mittel, welches ihm an der Stelle ausweicht, wo der Druck stattfindet, immer nach den Theilen fortgeht, welche dem Körper folgen.   W. z. b. w.

Zusatz. Es träumen daher diejenigen, welche glauben, dass die Theile einer Flamme einen Druck hervorbringen, der sich durch das umgebende Mittel längs gerader Linien fortpflanzt. Ein derartiger Druck darf nicht aus der blossen Wirkung der Theile der Flamme, sondern aus der Ausdehnung der ganzen Flamme abgeleitet werden.

§. 65. Lehrsatz. In den perpendikulären Schenkeln KL und MN eines Kanals steigt und sinkt das Wasser wechselweise. Construirt man nun ein Pendel, dessen Länge zwischen dem Aufhängepunkt und Schwingungspunkt halb so gross ist, als die Länge des Wassers im Kanal; so wird das Wasser in denselben Zeiten steigen und sinken in denen das Pendel oscillirt.

Die Länge des Wassers messe ich längs der Axen des Kanals und der Schenkel, und setze sie der Summe dieser Axen gleich. Ich vernachlässige hier den Widerstand des Wassers, welcher von seiner Reibung an den Wänden des Kanals herrührt. Es mögen demnach AB

Fig. 182.

und CD die mittleren Höhen des Wassers in beiden Schenkeln bezeichnen, und wenn das Wasser im Schenkel KL zur Höhe EF ansteigt lalle es im Schenkel MN zur Höhe GH herab. Es sei ferner P die Linse, VP der Faden des Pendels, V der Aufhängepunkt und SQPR die Cycloïde, welche das Pendel beschreibt, P ihr tiefster Punkt und der Bogen PQ gleich der Höhe AE. Die Kraft, durch welche die Bewegung des Wassers wechselweise beschleunigt und verzögert wird, ist der Ueberschuss vom Gewicht des Wassers in dem einen Schenkel über das im anderen. Steigt daher das Wasser im Schenkel KL zur Höhe EF, und sinkt es im anderen bis GH, so ist jene Kraft gleich dem doppelten Gewicht des Wassers EABF, und verhält sich daher zum Gewicht des ganzen Wassers, wie EA : VP oder wie PQ : PR. Ferner verhält sich die Kraft, durch welche das Gewicht P in jedem Orte Q der Cycloïde beschleunigt oder verzögert wird, zu seinem ganzen Gewichte (nach erstem Buche, §. 92., Zusatz), wie sein Abstand PQ vom tiefsten Punkte P zur Länge PR der Cycloïde. Es sind daher die bewegenden Kräfte des Wassers und des Pendels, welche die gleichen Wege AE und PQ beschreiben, den zu bewegenden Gewichten proportional. Diese Kräfte werden ferner, wenn Wasser und Pendel sich beim Anfange in Ruhe befinden, bewirken, dass beide sich in gleichen Zeiten gleich bewegen und ausserdem, dass sie in ihren gegenseitigen Bewegungen zugleich vor- und rückwärts gehen.   W. z. b. w.

Zusatz 1. Das Wasser wird wechselweise isochronisch steigen und sinken, mag die Bewegung stark oder weniger stark sein.

Zusatz 2. Beträgt die ganze Länge des Wassers im Kanal 61/9 Par. Fuss, so wird das Wasser in Zeit von einer Secunde sinken und in derselben Zeit steigen u. s. w. f. wechselweise ins Unendliche. Ein Pendel von 31/18 Fuss Länge macht nämlich seine Schwingungen in 1 Secunde.

Zusatz 3. Nimmt ferner die Länge des Wassers zu oder ab, so nimmt auch die Zeit der gegenseitigen Bewegung zu oder ab, und zwar im halben Verhältniss der Länge.

§ 66. Lehrsatz. Die Geschwindigkeit der Wellen steht im halben Verhältniss ihrer Breite.

Das folgt aus dem folgenden §.

§ 67. Aufgabe. Man soll die Geschwindigkeit der Wellen finden.

Man construire ein Pendel, dessen Länge zwischen dem Aufhängepunkte und Schwingungspunkte der Breite der Wellen gleich ist; alsdann eine werden die Wellen sehr nahe in derselben Zeit, in welcher jenes Pendel einzelne Schwingung macht, ihre Breite zurücklegen.

Fig. 183.

Breite der Wellen nenne ich den Abstand zwischen den tiefsten Stellen zweier Thäler oder den höchsten Punkten zweier Gipfel. Es bezeichne ABCDEF die Oberfläche eines stillstehenden Wassers, welches in aufeinanderfolgenden Wellen auf- und niedersteigt, und es seien A, C, E, etc. die Gipfel, B, D, F, etc. die zwischenliegenden Thäler der Wellen. Da die Bewegung der letztern durch aufeinander folgendes Steigen und Linken des Wassers geschieht, dergestalt, dass ihre Theile A, C, E, etc., welche jetzt die höchsten sind, hierauf die tiefsten werden; da ferner die bewegende Kraft, durch welche die höchsten Theile herab- und die tiefsten hinaufsteigen, mit dem Gewicht des gehobenen Wassers identisch ist: so wird das wechselseitige Steigen und Sinken der gegenseitigen Bewegung des Wassers im Kanale (§. 65.) analog sein und dieselben Gesetze der Zeit beobachten. Wenn daher (nach §. 65.) die Entfernungen zwischen den höchsten Punkten der Wellen A, C, E, etc. und den tiefsten B, D, F, etc., d. h. zwischen A und B, C und D, etc. der doppelten Länge des Pendels gleich sind; so werden die höchsten Theile A, C, E in der Zeit einer Schwingung die untersten werden und in der Zeit einer zweiten Schwingung aufs neue ansteigen. Zwischem dem Uebergange der einzelnen Wellen wird daher die Zeit zweier Schwingungen verfliessen, d. h. die Welle beschreibt ihre Breite in derselben Zeit, in welcher jenes Pendel zwei Schwingungen macht. In derselben Zeit wird ein Pendel von der vierfachen Länge, welches mithin so lang als die Breite der Welle ist, Eine Schwingung machen.

Zusatz 1. Daher werden Wellen, deren Breite 31/18 Par. Fuss beträgt, die letztere in Zeit von 1 Secunde zurücklegen; in Zeit von 1 Minute legen sie sehr nahe 183⅓ und in 1 Stunde 11OOO Fuss zurück.

Zusatz 2. Die Geschwindigkeit der grösseren oder kleineren Wellen nimmt zu oder ab im halben Verhältniss ihrer Breite. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die Theile des Wassers geradlinig auf- und absteigen; beides geschieht aber, der Wahrheit mehr entsprechend, in einer Kreislinie, daher gebe ich die durch diesen Satz bestimmte Zeit nur als sehr nahe richtig an.

§. 68. Lehrsatz. Pflanzen sich die Stösse in einer Flüssigkeit fort, so werden die einzelnen Theilchen der letzteren, welche mit der kürzesten gegenseitigen Bewegung vor- und rückwärts gehen, immer nach dem Gesetz eines schwingenden Pendels beschleunigt und verzögert.

Es bezeichnen AB, BC, CD etc. gleiche Abstände der aufeinander folgenden Stösse, ABC die Richtung, in welcher die Bewegung der Stösse von A gegen B erfolgt; E, F, G drei physische Punkte des ruhenden Mittels, welche auf der Linie AC in gleichen Abständen von einander liegen. Ferner seien Ee, Ff, Gg sehr kurze gleiche Wege, über welche jene Punkte bei gegenseitiger Bewegung in den einzelnen Schwingungen vor- und rückwärts gehen; ε, φ, γ beliebige zwischenliegende Orte derselben Punkte; EF, FG physische Linien oder lineare Theile des Mittels, welche zwischen jenen Punkten liegen, und nach und
Fig. 184.
nach zu den Orten εφ, φγ und ef, fg übertragen werden. Man ziehe eine Linie PS = Ee, halbire dieselbe in O und beschreibe aus diesem als Mittelpunkt und mit OP als Radius einen Kreis SJPi. Durch die ganze Peripherie desselben und ihre Theile werde die ganze Zeit Einer Schwingung und ihrer proportionalen Theile ausgedrückt, dergestalt dass nach Verlauf irgend einer Zeit PH oder PHSh man auf PS das Perpendikel HL oder hl fälle und und wenn Eε = PL oder = Pl genommen wird, der physische Punkt E sich in ε befinden. Hiernach wird jeder Punkt E, welcher von E durch ε nach e geht, und von hier durch ε nach E zurückkehrt, die einzelnen Schwingungen mit demselben Grade der Beschleunigung und Verzögerung ausführen, wie ein schwingendes Pendel. Zu beweisen ist, dass die einzelnen physischen Punkte des Mittels durch eine solche Bewegung angetrieben werden müssen. Denken wir uns also ein Mittel, welches durch irgend eine Ursache zu einer solchen Bewegung angetrieben wird und sehen wir, was daraus folgt.
Fig. 185.

Auf der Peripherie PHSh nehme man die gleichen Bogen HJ und JK, oder hi und ik an, welche in demselben Verhältniss zur ganzen Peripherie stehen, wie die gleichen Linien EF und FG zum ganzen Zwischenraum BC der Stösse. Man fälle die Perpendikel JM und KN oder im und kn. Da die Punkte E, F, G successiv durch ähnliche Bewegungen angetrieben werden und ihre ganzen, aus einem Hin- und Hergange zusammengesetzten, Vibrationen in der Zeit vollführen, während welcher der Stoss von B nach C übergeht; so wird, wenn PH oder PHSh die Zeit vom Anfang der Bewegung des Punktes E an bezeichnet, PJ oder PHSi die Zeit vom Anfang der Bewegung des Punktes F an und endlich PK oder PKSk die Zeit vom Anfang der Bewegung des Punktes G an ausdrücken. Es wird daher

beim Hingange Eε = PL, beim Hergange Eε = Pl,
„ „ Fφ = PM, „ „ Fφ = Pm,
„ „ Gγ = PN, „ „ Gγ - Pn,

und hiernach respective εγ = GE — LN und εγ = GE + ln = GE + LN.[2] Es ist aber εγ die Breite der Ausdehnung des Theiles EG des Mittels im Orte εγ, und es verhalt sich daher diese Ausdehnung zur mittlern Ausdehnung dieses Theiles beim Hingange wie GE — LN : GE und beim Hergange wie GE + LN : GE. Da nun

1.   LN : KH = JM : OP[3]
2.   KH : EG = PHShP : BC = OP : V,

wenn man nämlich V statt des Radius eines Kreises setzt, dessen Peripherie gleich dem Intervall BC der Stösse ist; so wird aus diesen beiden Proportionen

3.   LN : EG = JM : V.

Es verhält sich daher nach dem Obigen die Ausdehnung des Theiles EG, oder des physischen Punktes F im Orte εγ zu seiner mittleren Ausdehnung im ersten Orte EG, wie

V — JM : V beim Hingange und
V + JM : V „ Hergange.

Die elastische Kraft desselben wird in beiden Fällen sich zur mittleren im Orte EG erhalten, wie respective und . Auf dieselbe Weise ergiebt sich, dass die elastischen Kräfte der physischen Punkte E und G beim Hingange sich verhalten, wie und . Der Unterschied beider Kräfte wird sich zur mittleren elastischen Kraft des Mittels verhalten, wie

Dieses Verhältniss geht unter der Voraussetzung, dass (wegen der Kürze der Stösse) HL und KN unendlich kleiner als V seien, über in = HL - KN : V. Da nun V gegeben ist, so wird der Unterschied der Kräfte proportional HL — KN, d. h. (weil HL — KN : HK = OM : OJ = OM : OP, also HL — KN = , wo HK und OP constant sind) jener Unterschied proportional OM. Wenn man daher Ff in Ω halbirt, so ist der Unterschied der Kräfte proportional Ωφ. Nach derselben Weise wird der Unterschied der elastischen Kräfte, welche den physischen Punkten ε und γ eigen sind, beim Rückgange der physischen Linie εγ, proportional Ωφ. Jener Unterschied aber (d. h. der Ueberschuss der elastischen Kraft des Punktes ε aber die des Punktes γ) ist die Kraft, durch welche die zwischenliegende Linie εγ des Mittels beim Hingange beschleunigt und beim Hergange verzögert wird, und daher verhält sich die beschleunigende Kraft der Linie εγ, wie der Abstand vom mittleren Orte Ω der Schwingung. Ferner wird die Zeit (nach §. 78. des ersten Buches) linear ausgedrückt durch den Bogen PJ. Der lineare Theil εγ des Mittels wird sich daher nach dem vorgeschriebenen Gesetze, d. h. nach dem Gesetze eines schwingenden Pendels bewegen, und dasselbe ist bei allen linearen Theilen, aus denen das Mittel zusammengesetzt wird, der Fall.   W. z. b. w.

Zusatz. Hieraus erhellt, dass die Zahl der fortgepflanzten Stösse dieselbe ist, als die der Vibrationen eines zitternden Körpers und dass die erstere beim Fortgange nicht vervielfältigt wird. Denn die physische Linie εγ wird, sobald sie zu ihrem ersten Orte zurückgekehrt ist, ruhen und sich nur dann auf’s neue bewegen, wenn sie durch den Stoss eines zitternden Körpers, oder durch den Impuls der von dem letzteren fortgepflanzten Stösse, zu neuer Bewegung angeregt wird. Sie wird daher in Ruhe bleiben, sobald die Stösse vom zitternden Körper sich fortzupflanzen aufhören.

§. 69. Lehrsatz. Die Geschwindigkeiten der in einem elastischen Mittel sich fortpflanzenden Stösse stehen in einem Verhältniss, welches aus dem halben directen der elastischen Kraft und dem halben indirecten Verhältniss der Dichtigkeit zusammengesetzt ist; vorausgesetzt, dass die elastische Kraft der Flüssigkeit ihrer Verdichtung proportional sei.

1. Fall. Sind die Mittel homogen und die Abstände der Stösse in ihnen unter sich gleich, ist aber die Bewegung in einem von ihnen stärker; so werden die Zusammenziehungen und die Ausdehnungen analoger Theile denselben Bewegungen proportional sein. Diese Proportion findet nicht genau statt; sind indessen die Zusammenziehungen und Ausdehnungen nicht sehr gross, so wird sie nahe richtig sein und man kann sie als physikalisch genau annehmen. Die bewegenden elastischen Kräfte verhalten sich aber wie die Zusammenziehungen und die Ausdehnungen, und die Geschwindigkeiten gleicher Theile, welche in derselben Zeit erzeugt werden, sind den Kräften proportional. Gleiche und correspondirende Theile entsprechender Stösse legen daher zusammen ihren Hin- und Hergang in Räumen zurück, welche den Zusammenziehungen und Ausdehnungen proportional sind und mit Geschwindigkeiten, welche sich wie die Wege verhalten. Folglich werden die Stösse, welche während der Zeit des Hin- und Herganges fortschreitend ihre ganze Breite zurücklegen, und welche immer an die Stelle der nächst vorhergehenden Stösse treten, wegen der Gleichheit der Abstände, mit gleicher Geschwindigkeit in dem einen und anderen Mittel fortrücken.

2. Fall. Sind die Abstände oder Breiten der Stösse grösser in dem einen Mittel, als in dem andern, so wollen wir voraussetzen, dass die correspondirenden Theile jedesmal, wenn sie hin- und hergehen, Wege beschreiben, welche den Breiten der Stösse proportional sind; alsdann werden ihre Zusammenziehungen und Ausdehnungen gleich sein. Sind also die Mittel homogen, so werden die bewegenden elastischen Kräfte, welche sie mit reciproker Bewegung antreiben, auch gleich sein. Die Materie aber, welche durch diese Kräfte bewegt werden soll, verhält sich wie die Breite der Stösse und der Raum, in welchem sie ihren Hin- und Hergang vollführen müssen, steht in demselben Verhältniss. Die Zeit eines Hin- und Herganges steht also in einem Verhältniss, welches aus dem halben Verhältniss der Materie und dem halben des Raumes zusammengesetzt ist; sie ist mithin dem Raume selbst proportional. Die Stösse legen aber während der Zelten eines Hin- und Herganges ihre Breiten, d. h. den Zeiten proportionale Wege zurück; also sind ihre Geschwindigkeiten gleich.

3. Fall. In Mitteln von derselben Dichtigkeit und elastischen Kraft haben alle Stösse dieselbe Geschwindigkeit. Vergrössert man entweder die Dichtigkeit oder die elastische Kraft des Mittels, so nimmt die bewegende Kraft im Verhältniss der elastischen und die zu bewegende Materie im Verhältniss der Dichtigkeit zu. Die Zeit, in welcher dieselben Bewegungen wie vorhin ausgeführt werden, wächst also im halben Verhältniss der Dichtigkeit und nimmt ab im halben Verhältniss der elastischen Kraft. Folglich steht die Geschwindigkeit der Stösse in einem Verhältniss, welches aus dem halben indirecten der Dichtigkeit des Mittels und dem halben directen Verhältniss der elastischen Kraft zusammengesetzt ist.   W. z. b. w.

Die Wahrheit dieses Satzes geht noch deutlicher aus der Construction des folgenden Paragraphen hervor.

§. 70. Aufgabe. Die Dichtigkeit und elastische Kraft eines Mittels ist gegeben; man sucht die Geschwindigkeit der Stösse.

Denken wir uns, dass das Mittel durch ein aufliegendes Gewicht nach Art unserer Atmosphäre zusammengedrückt werde, und es sei A die Höhe eines homogenen Mittels, dessen Gewicht dem aufliegenden gleich und dessen Dichtigkeit dieselbe ist, als die des zusammengedrückten Mittels, in welchem die Stösse sich fortpflanzen. Man denke sich ferner ein Pendel construirt, dessen Länge zwischen Aufhänge- und Schwingungspunkt = A ist, und welches in derselben Zeit eine aus Hin- und Hergang zusammengesetzte Schwingung macht, worin die Stösse fortschreitend einen, der Peripherie eines Kreises zum Radius A gleichen, Weg zurücklegen. Bei derselben Construction wie §. 68. werde die beliebige physische Linie EF, indem sie in einzelnen Vibrationen den Weg PS beschreibt, in den äussersten Punkten P und S des Hin- und Herganges durch eine elastische Kraft gedrängt, welche ihrem Gewichte gleich ist. Sie wird alsdann die einzelnen Vibrationen in derselben Zeit ausführen, in welcher sie in einer Cycloïde von der Länge PS schwingen könnte, und zwar würde dies geschehen, weil gleiche Kräfte gleiche Körperchen durch gleiche Räume treiben. Da nun die Schwingungsseiten im halben Verhältniss der Pendellängen stehen, und die Länge des Pendels der Hälfte des ganzen cycloïdischen Bogens gleich ist; so würde die Zeit Einer Vibration sich zur Schwingungszeit eines Pendels von der Länge A verhalten, wie , d. h. wie . Die elastische Kraft, durch welche die kleine physische Linie EG in ihren äussersten Punkten P und S angetrieben wird, verhielt sich aber (in §. 68.) zu ihrer ganzen elastischen Kraft, wie HL — KN : V, d. h. (da K jetzt mit P zusammenfällt) wie HK : V[4]. Ferner verhält sich jene ganze Kraft, d. h. das aufliegende Gewicht, wodurch die kleine Linie EG zusammengedrückt wird, zum Gewicht der letztern, wie die Höhe A des aufliegenden Gewichtes zur Länge EG der Linie, d. h. wie A : EG. Man erhält daher durch Zusammensetzung das Verhältniss der auf EG in P und S einwirkenden Kraft zum Gewicht dieser kleinen Linie, wie HK · A : V · EG oder wie PO · A : V², weil früher (§. 68., Gl. 2,) HK : EG = PO : V war. Da nun die Zeiten, in denen gleiche Körper durch gleiche Wege getrieben werden, im umgekehrten halben Verhältniss der Kräfte stehen[5]; so wird die Zeit Einer Vibration unter Einwirkung des Gewichts sich verhalten, wie , und zur Zeit Einer Oscillation des Pendels von der Länge A, wie und zusammengesetzt, d. h. wie V : A.

Es legt aber in der Zeit Einer, aus Hin- und Hergang zusammengesetzten Vibration der Stoss fortschreitend seine Breite BC zurück. Es verhält sich daher die Zeit, in welcher der Stoss den Weg BC zurücklegt, zur Zeit Einer aus Hin- und Hergang zusammengesetzten Oscillation, wie V : A, d. h. wie BC zur Peripherie des mit dem Radius A beschriebenen Kreises.

Ferner steht die Zeit, in welcher der Stoss den Weg BC zurücklegt, zu der Zeit, in welcher er eine dieser Peripherie gleiche Länge zurücklegen würde, in demselben Verhältniss. Daher wird, in der Zeit einer solchen Oscillation, der Stoss die Länge dieser Peripherie beschreiben.

Zusatz 1. Die Geschwindigkeit der Stösse ist dieselbe, welche schwerere Körper erlangen würden, indem sie, mit gleichförmig beschleunigter Bewegung fallend, ½A zurücklegten. In der Zeit dieses Falles wird nämlich, mit der während desselben erlangten Geschwindigkeit, der Stoss einen Weg zurücklegen, welcher der ganzen Höhe A gleich ist, und daher wird er in der Zeit einer, aus Hin- und Hergang zusammengesetzten, Schwingung einen Weg zurücklegen, welcher der mit dem Radius A beschriebenen Peripherie gleich ist. Es verhält sich nämlich die Zeit des Falles zu der Schwingungszeit, wie der Radius eines Kreises zu seiner Peripherie.

Zusatz 2. Da nun jene Höhe A sich verhält, wie direct die elastische Kraft der Flüssigkeit und in direct die Dichtigkeit derselben; so steht die Geschwindigkeit der Stösse in einem Verhältniss, welches aus dem halben indirecten Verhältniss der Dichtigkeit und dem halben directen der elastischen Kraft zusammengesetzt ist.

§. 71. Aufgabe. Die Abstände der Stösse zu finden.

Man suche die, einer gegebenen Zeit entsprechende, Zahl der Vibrationen des Körpers, durch dessen Zittern die Stösse hervorgebracht werden. Durch jene Zahl dividire man den Weg, welchen der Stoss in derselben Zeit zurücklegen könnte und es wird der so gefundene Theil der Breite eines Stosses gleich sein.

§. 72. Anmerkung. Die letzten Sätze beziehen sich auf die Bewegung des Lichtes und des Schalles. Das erstere pflanzt sich nämlich längs gerader Linien fort und kann (nach §§. 62 und 63.) nicht aus einem einzigen Stosse bestehen. Der Schall aber entspringt aus zitternden Körpern, und ist nach §. 64. nichts weiter, als ein fortgesetzter Stoss der Luft. Bestätigt wird dies durch die zitternde Bewegung, welche er in entgegenstehenden Körpern erregt, wenn die Töne selbst nur heftig und tief sind, wie diejenigen der Pauken; denn eine schnellere und kürzere zitternde Bewegung wird nicht so leicht erregt. Dass aber auch beliebige Töne, welche auf den Saiten tönender Körper angeschlagen werden, eine zitternde Bewegung hervorbringen, ist hinreichend bekannt. Dies wird auch durch die Geschwindigkeit der Töne bestätigt

Das specifische Gewicht des Regenwassers verhält sich nämlich zu dem des Quecksilbers, wie ungefähr 1 : 13⅔, und wenn das letztere im Barometer eine Höhe von 30 engl. Zoll erreicht, verhält sich das specifische Gewicht der Luft zu dem des Regenwassers, wie ungefähr 1 : 870; daher verhält sich das specifische Gewicht der Luft zu dem des Quecksilbers, wie 1 : 11890. Da ferner die Höhe des Quecksilbers 30 Zoll beträgt, so würde die Höhe der gleichförmigen Luft, deren Gewicht unsere unterhalb gelegene Atmosphäre zusammendrücken könnte, 356700 Zoll oder 29725 Fuss engl. betragen. Diese Höhe ist diejenige, welche wir bei der Construction der obigen Aufgabe (§. 70.) durch A. bezeichnet haben. Die Peripherie eines mit dem Radius von 29725 Fuss beschriebenen Kreises beträgt 186768 Fuss. Da ferner ein Pendel von 391/5 Zoll Länge, wie bekannt, eine aus Hin- und Hergang zusammengesetzte Schwingung in 2 Secunden vollendet; so wird ein Pendel von 29725 Fuss = 856700 Zoll eine ähnliche Schwingung in Zeit von 190¾ Secunden zurücklegen müssen[6]. In dieser Zeit legt aber der Schall fortschreitend einen Weg von 186,768 Fuss und in Zeit von 1 Secunde einen Weg von 979 Fuss zurück.

Uebrigens habe ich bei dieser Rechnung keine Rücksicht auf die Dicke der festen Theilchen der Luft genommen, durch welche sich der Schall augenblicklich fortpflanzt. Das Gewicht der Luft verhält sich nämlich zu dem des Wassers, wie 1 : 870, und Salze sind fast zweimal so dicht, als das letztere. Setzt man nun voraus, dass die Lufttheilchen ungefähr ebenso dicht, als Wasser- oder Salztheilchen seien und der lockere Zustand der Luft nur von den zwischen den Theilchen befindlichen Zwischenräumen herrühre; so wird der Durchmesser eines Lufttheilchens sich zum Abstande der Mittelpunkte zweier Theilchen ungefähr wie 1 : 9 oder 1 : 10[7] und zum Abstande der Theilchen selbst wie 1 : 8 oder 1 : 9 verhalten.

Man muss daher zu den 979 Fuss, welche der Schall in 1 Secunde durchlaufen soll, nach der vorhergehenden Rechnung noch = 109 Fuss ungefähr addiren; also legt der Schall in 1 Secunde etwa 1088 Fuss zurück. Hierzu kommt noch, dass die in der Luft enthaltenen Dämpfe eine andere Spannung als jene haben und einen anderen Ton angeben; sie nehmen daher kaum Theil an der Bewegung der reinen Luft, welche den Schall fortpflanzt. Befinden sich nun diese Theile in Ruhe, so wird die Bewegung schneller durch die reine Luft fortgepflanzt, und zwar im halben Verhältniss der geringeren Menge der Materie. Ist daher die Atmosphäre aus 10 Theilen reiner Luft und Einem Theile Dampf zusammengesetzt, so wird die Bewegung des Schalles schneller sein im Verhältniss d. h. ungefähr wie 21 : 20, als wenn sie 11 Theile reiner Luft enthielte. In diesem Verhältniss muss man die vorhergefundene Geschwindigkeit des Schalles vergrössert werden. Sie wird daher in 1 Secunde = 1142 Fuss. Dies muss sich so im Frühjahr und Herbst verhalten, wo die Luft durch eine massige Wärme verdünnt und ihre Elasticität merklich vergrössert wird. Im Winter hingegen, wo die Luft durch die Kälte verdichtet und ihre Elasticität vermindert wird, muss die Bewegung im halben Verhältniss der Dichtigkeit der Luft langsamer sein. Im Sommer muss sie aber geschwinder sein.

Versuche haben in der That gezeigt, dass der Schall in 1 Secunde 1142 engl. oder 1070 par. Fuss zurücklegt.

Kennt man die Geschwindigkeit des Schalles, so kann man auch die Intervalle der Schwingungen bestimmen. Sauveur fand durch Versuche, dass eine offene, ungefähr 5 par. Fuss lange Röhre den Schall eines Tones hervorrief, den eine Saite angeben würde, welche in 1 Secunde 100 Vibrationen macht. Es finden also ungefähr 100 Vibrationen in einem Raume von etwa 1070 par. Fuss, welche der Schall in 1 Secunde zurücklegt, statt und eine Vibration nimmt daher einen Raum von etwa 10,7 Fuss, d. h. die doppelte Länge der Röhre ein. Hiernach ist es wahrscheinlich, dass die Breiten der Schwingungen solcher Töne, welche in offenen Röhren stattfinden, doppelt so gross sind, als die Länge der Röhren beträgt.

Ferner sieht man (nach §. 68., Zusatz dieses Buches), warum der Ton in demselben Augenblick aufhört, wo die Bewegungen des tönenden Körpers zur Ruhe kommen; warum wir sie nicht länger hören, wenn wir vom tönenden Körper entfernt sind, als wenn wir uns in seiner Nähe befinden. Man sieht auch durch die aufgestellten Principien ein, warum der Schall im Sprachrohr verstärkt wird. Jede reciproke Bewegung pflegt nämlich, so oft sie reflectirt wird, durch dieselbe Ursache zuzunehmen, durch welche sie hervorgebracht wird. Daher verliert sich die Bewegung langsamer und wird stärker reflectirt in den Röhren, welche der Ausbreitung des Schalles Widerstand leisten; sie wächst daher durch die bei jeder Zurückwerfung eingeflösste neue Bewegung.

Dies sind die hauptsächlichsten Erscheinungen des Schalles.


Bemerkungen und Erläuterungen [des Übersetzers]

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  1. [615]
    No. 183. S. 357. Diess lässt sich noch deutlicher aus einer graphischen Darstellung ersehen. Bezeichnen a, b, c, d, e, f u. s. w. einzelne Theilchen, geben die Pfeile die Richtung der Bewegung an, wobei a, c, e einerlei, b, d, f die entgegengesetzte Richtung haben; so findet im oberen Falle eine Verdichtung, im untern Falle eine Verdünnung der zunächst auf einander folgenden Theile statt.
  2. [615] No. 184. S. 362. (Fig. 184., 185.) Im ersten Falle
    LN = PL — PN = EG + Gε — Gε — εγ oder εγ = GE — LN.

    Im zweiten Falle ist Gγ — Eε = (Gε + εγ) — (EG + Gε) = εγ — GE = Pn — Pl = ln oder εγ = GE + In.

  3. [615] No. 185. S. 362. Denkt man sich aus K eine Linie Kn LN und = LN, so wird Δ KHn ∼ JMO, weil die Seiten beider Dreiecke auf einander perpendikulär stehen, mithin Kn : KH = JM : JO oder LN : KH = JM : OP.
  4. [615] No. 186. S. 365. (Fig. 184.) Es ist nämlich HL = sin PH und KN = sin PK. Fällt nun K mit P zusammen, so wird KN = sin O = 0 und es kann HL = sin PH alsdann = PH oder = KH gesetzt werden, weil wegen der Kleinheit der Linie EG der Bogen KH = PH nothwendig sehr klein ist.
  5. [615] No. 187. S. 365. Setzt man die eine Kraft; = 2g, die andere = 2g', die [616] entsprechenden Zeiten = t und t' und den von beiden beschriebenen gleichen Weg = s, so hat man s = gt² und s = g't'² also gt² = g't'² und t : t' = .
  6. [616] No. 188. S. 366. Wir haben nämlich die Proportion
    = 2 : 190,78.
  7. [616] No. 189. S. 367. Nach der im Texte aufgestellten Hypothese kann man die Wasser- und Lufttheilchen einander gleich und = 1 annehmen. Im Wasser liegen sie unmittelbar nebeneinander, nimmt man dagegen den Abstand ihrer Mittelpunkte von einander in der Luft = 9 oder = 10 an, so wird dasselbe Volumen Luft oder , d. h. oder der Menge fester Theilchen enthalten, welche sich im Wasserkörper befinden. Beide Verhältnisse schliessen das im Text angenommene ein.


Buch II. Abschnitt VII. Nach oben Buch II. Abschnitt IX.
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