Mein Traum
Als vom Schlummer leis beschlichen
Sich die Augenwimper schloß,
Und die Bilder all erblichen
Die der Tag um mich ergoß,
Süsser Ruhe Unterpfand,
Jüngst ein Traum zu mir hernieder,
Den mein Schutzgeist mir gesandt.
Rauher Winterstürme Brausen
Kalter Regengüsse Sausen
Schallte aus dem Sturm hervor,
Als am Fenster meiner Zelle
Wo ich ängstlich still gelauscht,
Schnell und scheu vorüberrauscht.
Schwirrend streift es hin und wieder,
Schlägt das kleine Flügelpaar;
Am erstarrenden Gefieder
Sieh das arme Vöglein spähet
Nach dem Nestgen, das gewiß
Dieser Sturm, dem nichts entgehet,
Von des Hüttchens Obdach riß.
Vom beeisten Fenster ihn;
Und es sinkt der silberweiße
Starre Vogel leblos hin,
Mir in Schooß, es bebt der Arme
Aengstlich ihn, daß er erwarme
An den heissen Busen preßt.
Lebe, holder Fremdling, lebe!
Ruf’ ich selbst mir kaum bewußt;
Neue Wärme diese Brust!
Sieh, er regt sich, frisch erhebet
Das gesenkte Köpfgen sich,
Und mit munterm Fluge schwebet
Aber, Wunder sonder Gleichen!
Meinen Augen trau ich kaum;
Zarte Rosenglieder steigen
Aus der Federn seidnem Pflaum.
Wo der kleine Schnabel war
Seh ich Purpurlippen winken
Und ein schelmisch Augenpaar.
Kurz, am schönsten Knaben zeiget
Von der weißen Schulter steiget
Goldbesäumt die Schwinge nur.
Ha! Du Schelm! gar wohl belehret
Dieses Goldgefieder mich,
Losesten der Vögel dich.
Süß und lispelnd jetzt versetzet
Er mit lächelndem Gesicht:
Daß dich mein Geschoß verletzet,
In der Brust die mich gepfleget,
Ruht ein warmes treues Herz,
Doch das ruhige beweget
Nie der Liebe süßer Schmerz.
Mitleid öfnet oft die Thür,
Deine Schwestern zu besiegen,
Zu den weichen Herzen mir,
Doch das deine sey verschonet;
Einem Gotte Schutz, er lohnet
Dir mit solchem Undank nie.
Meiner Fackel Glut entzünde
Sie mit wilder Flamme nicht,
Nie der heitern Blicke Licht;
Schmerzlos sey dir meiner Pfeile
Meines goldnen Bogens Macht.“
Hier entfloh mit loser Eile