Melpomene/Band 2/017 Bei dem Grabe einer alten ehrwürdigen Würthin

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aus: Melpomene
Seite: Band 2, S. 65-67
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17. Bei dem Grabe einer alten ehrwürdigen Würthin.

Melod. IX.

1. Hier modert, versenkt in der Bahre,
Die Leiche der Marianna Merk,
Die endlich im achtzigsten Jahre
Vollendet hienieden ihr Werk.
Wie bog ihr gebrechliches Alter
Den schwächlichen Körper so tief,
In welchem sie endlich in kalter
Umarmung des Todes entschief.

2. Es hatte an leiblichen Kräften
Ihr leider! schon lange gefehlt,
Es war von verdorbnen Säften
Ihr kränklicher Körper gequält;
Sie wehrte sich lange noch gegen
Die drohende Lebensgefahr,
Bis daß sie sich nieder zu legen,
Durch Schwäche genöthiget war.

3. Sie wälzte auf schmerzlichem Lager
Beinahe drei Monate sich,
Bis, wie ein Gerippe so mager,
Sie endlich im Tode verblich;
Da mußte sie leiden unsäglich,
So lang es dem Höchsten gefiel,
Und sehnte sich immer so kläglich
Nach ihrem erlösenden Ziel.
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4. Doch litt sie die heftigsten Schmerzen
Mit immer vermehrter Geduld,
Und seufzte mit liebendem Herzen
Nach Gottes erbarmender Huld;
Sie hatte sich gänzlich ergeben
In seinen allweisen Beschluß,
Und hoffte das ewige Leben
Im himmlischen Freudengenuß.

5. Auch hatte sie würdige Früchte
Aufrichtiger Buße gebracht,
Und fröhlich dem hohlen Gesichte
Des Todes entgegen gelacht,
Und auf die so wichtige Reise
Ins ewige Vaterland auch
Genossen die himmlische Speise
In Jesus allgnädigem Hauch.

6. Sie hatte schon lange verzichtet
Auf allen vergänglichen Tand,
Und immer die Augen gerichtet
Empor zu dem himmlischen Land;
So hielt sie sich immer bereitet
Zu einem glückseligen Tod,
Und gründliche Hoffnung begleitet
Sie sicher hinüber zu Gott.

7. So hörte sie wonnevoll schlagen
Die Stunde zum tödlichen Kampf,
Und ohne darüber zu klagen
Erlag sie dem heftigsten Krampf;
Sie kämpfte zehn bittere Stunden
[67] Entgegen der ewigen Ruh,
Und schloß, als ihr Athem verschwunden,
Den sterbenden Thränenblick zu.

8. Wir können uns also getrösten:
Gott habe ihr Sehnen gestillt,
Und der von den Leiden Erlössten
Erwartung im Himmel erfüllt;
Denn sicher gelangen die Frommen
Im Tode zum ewigen Licht,
Und werden zu sehen bekommen
Das göttliche Gnadengesicht.

9. Wohlan denn! wir wollen verzichten
Auf thörichtes Erdengewühl,
Und immer das Augenmerk richten
Auf unser erhabenes Ziel;
Dann möge das Freudengetümmel
Uns rauben der bittere Tod;
Wir kommen dafür in den Himmel,
Und leben dort ewig in Gott.