Monolog mit Chören

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Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Monolog mit Chören
Untertitel:
aus: Mit 5 PS Seite 350-351
Herausgeber:
Auflage: 10. – 14. Tausend
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1928
Verlag: Ernst Rowohlt
Drucker: Herrosé & Ziemsen
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Aus dem Zyklus: Wenn der alte Motor wieder tackt
Erstdruck in: Weltbühne, 25. August 1925
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 Monolog mit Chören

Ich bin so menschenmüde und wie ohne Haut.
Die andern mag ich nicht – sie tun mir wehe.
Wenn ich nur fremde Menschen sehe,
lauf ich davon – wie sind sie derb und laut!

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Ich bin so müde und wie ohne Haut!

(Chor der Arbeitslosen): Das ist ja hervorragend interessant, Herr Tiger!

Ich spinn mich selig in die Schönheit ein.
Schönheit ist Einsamkeit. Ein stiller Morgen
im feuchten Park, allein und ohne Sorgen,

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durchs Blattgrün schimmert eine Mauer, grau im Stein.

Ich spinn mich selig in die Schönheit ein …
(Chor der Proletariermütter): Wir wüßten nicht, was uns mehr zu Herzen ginge, Herr Tiger!

Ich dichte leis und sachte vor mich hin.
Wie fein analysier ich Seelenfäden,

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zart psychologisch schildere ich jeden

und leg in die Nuance letzten Sinn …
(Chor der Tuberkulösen): Sie glauben nicht, wie wohl Sie uns damit tun, Herr Tiger!

Ich dichte leis und sachte vor mich hin …

(Alle Chöre): Wir haben keine Zeit, Nuancen zu betrachten!

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Wir müssen in muffigen Löchern und Gasröhren übernachten!

Wir haben keine Lust, zu warten und immer zu warten!
Unsre Not schafft erst deine Einsamkeit, deine Stille und deinen Garten!

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Wir: Arbeitslose, welke Mütter, Tuberkelkranke wollen heraus
aus euerm Dreck in unser neues Haus!

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Wir singen auch ein Lied. Das ist nicht fein.

Darauf kommts auch gar nicht an. Und wir stampfen es euch in die Ohren hinein:

 Völker, hört die Signale!
 Auf zum letzten Gefecht!
 Die Internationale

30
 Erkämpft das Menschenrecht –!