Neujahrsmorgen vor Paris
[20] Neujahrsmorgen vor Paris. (Zu dem Bilde auf S. 1.) Sie war recht kalt, die Sylvesternacht 1870/71 vor Paris, und wer von den Deutschen im Einschließungsheere sie nicht im Quartier, sondern auf Feldwache oder Vorposten verbrachte, dem wurden wehmütige Vergleiche zwischen sonst und jetzt recht nahe gelegt. Je mehr der Dezember zu Ende ging, desto stärker war die Kälte geworden, und bei den dafür sehr empfindlichen Franzosen versicherten die bekannten „ältesten Leute“, seit Menschengedenken keinen derartigen Frost erlebt zu haben – den hätten die „Barbaren des Nordens“ eigens mit aus ihrem Lande gebracht. „Es ist freilich auch arg genug,“ denkt der Posten, den wir im Hintergrunde unseres Bildes gewahren. Bei solch einer Hundekälte macht das Postenstehen doppelt wenig Vergnügen, zumal am Neujahrsmorgen! Es ist blutgetränkter Boden, auf dem er steht: die von der Marne umflossene Halbinsel Joinville mit den am 30. November und 2. Dezember so heiß umstrittenen Oertlichkeiten Champigny, Bry, Villiers, Coeuilly und Chennevières. An dem lodernden Fener im Vordergrunde sind drei Soldaten von jenen Truppenteilen vereinigt, die dort in treuer Waffenbrüderschaft den in gewaltiger Ueberzahl unternommenen Durchbruchsversuch Ducrots so ruhmvoll zurückwiesen. Ein sächsischer Schütz, ein Württemberger und ein Pommer vom II. Armeecorps sind dabei, sich ihren Morgenmokka zu kochen, jedoch mit Kaffee kann man das neue Jahr nicht begrüßen! Zum Glück enthalten die Feldflaschen noch einen ordentlichen Schluck; mit gutem Humor stoßen die Drei an und rufen einander zu: „Prosit Neujahr, Bruder, und auf treue Kameradschaft!“, während in der Ferne die Kanonen den „Salut“ dazu „böllern“. F. R.