Noch einmal „Heidelbeerwein“
[628] Noch einmal „Heidelbeerwein“. Die „Gartenlaube“ war eins der ersten Blätter, welche auf die hohe Bedeutung des Heidelbeerweines hingewiesen (vergl. Jahrg. 1886, S. 818). Wenn wir heute zu Gunsten desselben noch einmal das Wort ergreifen, so geschieht es lediglich, um die junge Fabrikation, welche so viel verspricht, vor einigen ihr drohenden Gefahren zu schützen. Die Handelsberichte einiger Zeitungen brachten vor Kurzem die Nachricht, daß die Engländer in Deutschland Heidelbeeren aufkaufen, um sie zur Weinherstellung zu verwenden. Es gewinnt also den Anschein, als ob das Ausland sich wiederum, wie das schon so oft geschehen, anschicke, deutsche Erfindungen auszubeuten, welche in dem Heimathlande nicht genügend gewürdigt werden. Die Herstellung des Heidelbeerweines bildet namentlich für Waldgegenden mit ärmerer Bevölkerung eine neue, nicht zu unterschätzende Quelle des Erwerbes, und wir sollten uns dieselbe nicht entgehen lassen. Freilich kommt es dabei vor Allem darauf an, daß eine wirklich gute Waare auf den Markt gebracht wird. Durch mangelhafte Herstellung sind schon früher der Johannisbeerwein und der Stachelbeerwein vielfach um ihren Kredit in Deutschland gekommen.
Es wäre nun wirklich zu bedauern, wenn auch den Heidelbeerwein, der die genannten bei Weitem übertrifft und entschieden besser ist, als die billigen und gleich theuren Bordeauxweine, dasselbe Schicksal ereilen sollte. Aus vielfachen Zuschriften und mündlichen Berichten haben wir ersehen, daß es in Deutschland Leute genug giebt, welche zur Herstellung des Heidelbeerweines Lust haben – aber sie nehmen die Sache viel zu leicht. Sie haben nicht die genügenden Vorkenntnisse, wissen nicht, daß dieser Wein zwei bis drei Jahre auf Fässern lagern muß, bevor er in Flaschen gefüllt werden kann, etc. Wir möchten daher Allen den Rath ertheilen, möglichst sorgfältig ans Werk zu gehen und sich dem Vorgang der ersten deutschen Heidelbeerwein-Firma, J. Fromm in Frankfurt am Main, anzuschließen, die jedem Berufenen gern die gewünschte Auskunft ertheilen wird. Durch eine fachgemäße Ausbeutung der Heidelbeere würden große Waldstrecken Deutschlands so zu sagen in Weinberge umgewandelt werden, ohne daß ihre gegenwärtige wirthschaftliche Ausbeute irgend wie beeinträchtigt würde. Alle diese Hoffnungen muß aber das Auftauchen von Schundwaare zu Nichte machen, und dies sollte von Anfang an verhindert werden. *