Originale unter den nordamerikanischen Präsidenten

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Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Originale unter den nordamerikanischen Präsidenten
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aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 3, S. 206–208
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Erscheinungsdatum: 1911
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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(Nachdruck verboten.)

Originale unter den nordamerikanischen Präsidenten. – Zu diesen gehört in erster Linie der siebente Präsident, Andrew Jackson. Er stammte aus den einfachsten Verhältnissen und blieb bis an sein Lebensende ein richtiges „Rauhbein“. Volkstümlich wurde er im Jahre 1813, als er einen Einfall der Creekindianer zurückschlug, wobei er sich selbst am Nahkampfe beteiligte und die Rothäute mit einer großen Streitaxt scharenweise vor sich her trieb. Ebenso zeichnete er sich im Kampfe gegen die Seminolen in Florida aus. Hier erwarb er sich den Beinamen „Old Hickory“, mit dem er sich auch später als Präsident am liebsten anreden ließ. Von guten Umgangsformen hatte Jackson keine Ahnung. Am liebsten aß er mit seinem Taschenmesser. Suppen tunkte er mit Hilfe von Brotstücken aus. Am Tage seiner Amtseinführung als Präsident, 6. September 1828, bewirtete er im Weißen Hause jeden, der genug Ellbogenkraft besaß, um sich in die Festsäle einzudrängen. So wurde aus dem feierlichen Bankett bald ein wüstes Trinkgelage, dem die kostbarsten Teppiche und Möbel zum Opfer fielen. An diesem Tage wurden aus dem Weißen Hause nicht weniger als fünfzehn wertvolle Gemälde gestohlen.

Die fremden Diplomaten pflegte er mit der Pfeife im Munde in der Küche zu empfangen, wo er sich am Feuer Kartoffeln briet. Natürlich hatte ihn die gute Gesellschaft der Bundeshauptstadt Washington wegen seiner offenbaren Mißachtung aller Regeln des guten Tons sehr bald in die Acht erklärt. Damen besuchten seine Bälle nie. Nur vor der Gattin des französischen Gesandten d’Artoille empfand er Respekt. Diese hatte ihn nämlich einmal, als er ihren Salon mit schmutzigen Stiefeln und in einer zerrissenen Reithose betrat, durch ihre Diener einfach hinauswerfen lassen.

[207] Kurz vor seinem Rücktritt gab dieses Original noch eine Gesellschaft, zu der jeder Geladene sein eigenes Messer mitbringen mußte, um sich selbst ein Stück von dem auf der Tafel aufgestellten Riesenkäse abschneiden zu können. Bei diesem „Käsefest“ wurden nur noch dicke Brotschnitten und – Schnaps in Flaschen gereicht!

Eine ähnliche Figur war Andrew Johnson, der siebzehnte Präsident. Er war zuerst Schneidergeselle und erhielt von seiner Frau Unterricht im Lesen und Schreiben. Doch bald nahm er lebhaften Anteil an der Politik, und Glück und diplomatisches Geschick brachten ihn schnell vorwärts. Als Präsident war er bestechlich, liebte zweifelhafte Gesellschaft und ebensosehr den Trunk. Bei seinen Agitationsreden passierte es ihm des öfteren, daß er umfiel und fortgeschafft werden mußte. Bezeichnend für seine Unsauberkeit ist es, daß nach seiner Amtszeit das Weiße Haus erst von Ungeziefer gereinigt werden mußte.

Der damalige englische Gesandte in Washington, Lord Walser, stand sich mit Johnson so schlecht und hatte so häufig ernste Konflikte persönlicher Natur mit ihm, daß er schon mehrmals bei seiner Regierung seine Abberufung beantragt hatte, jedoch stets vergebens. Da schickte er eines Tages einen neuen Abberufungsantrag nach London, und in einem besonderen Umschlag fügte er ein Papptäfelchen bei, auf dem drei nicht näher zu bezeichnende Tierchen in breitgedrücktem Zustande aufgeklebt waren. Darunter standen die Worte: „Dieses Ungeziefer ist einem englischen Lord bei seinem letzten Besuche beim Präsidenten Johnson auf den Rock gekrochen.“ Die Königin Viktoria von England soll diesen augenscheinlichen Beweis von der Berechtigung des Antrages ihres Gesandten herzlich belacht haben. Lord Walser wurde darauf in der Tat abgelöst.

Am 5. März 1877 wurde General Burchard Hayes Präsident, ein Mann, der sich nur von einer einzigen Person beeinflussen ließ – von seiner Frau. Hayes war tatsächlich der vollkommenste Pantoffelheld. Noch als Bräutigam hatte er einen guten Tropfen sehr geliebt, aber als Ehemann trank [208] er nur noch Wasser. Während seiner Amtszeit soll es im Weißen Hause nur zu den großen Festlichkeiten Wein gegeben haben. In Washington scherzte man damals: „Bei Hayes fließt das Wasser wie Champagner.“ Auf seinen dienstlichen Reisen begleitete ihn seine Gattin stets, und zu dem Gouverneur von Ohio soll er einst bei einem Besuche gesagt haben: „Heute komme ich Gott sei Dank ausnahmsweise allein.“ Dabei war er persönlich sehr tapfer und kaltblütig.

W. K.