Pomologische Monatshefte:1. Band:1. Heft:Vorrede

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 1, Seite 3–7
Johann Georg Conrad Oberdieck, Eduard Lucas
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Der Grafensteiner Apfel
[3]
Vorrede.




Wenn die unterzeichnete Redaktion sich entschlossen hat, die Herausgabe einer stehenden Zeitschrift für Pomologie und Obstbau zu unternehmen, so geschieht es theils in der Ueberzeugung, daß eine derartige Zeitschrift für gedeihliche Fortschritte in der Obstkunde und im Obstbau gegenwärtig Bedürfniß sey, welches sich ihnen auch durch vielfältig geäußerte Wünsche und erhaltene Anregung zur Herausgabe einer solchen Zeitschrift kund gegeben hat, theils im Vertrauen auf die thätige und kräftige Unterstützung Aller, die mit Pomologie und Obstbau in unserem Vaterlande sich jetzt näher beschäftigen, namentlich auch der geehrten Männer, die bereits ihre Mitwirkung zugesagt, und die Erlaubniß ertheilt haben, sie als Mitarbeiter zu unserem Blatte nennen zu dürfen.

Seit dem Aufhören des Sickler’schen Teutschen Obstgärtners, der seiner Zeit gar wesentlich zur Beförderung des Obstbau’s und zur Verbreitung pomologischer Kenntnisse beitrug, hat lange Zeit kein ausschließlich dem Obstbau gewidmetes, von hinreichenden Kräften unterstütztes Journal existirt, oder wenigstens sein Leben über einige Jahre hinaus gefristet. Nur die Altenburger pomologischen Annalen leisteten mehrere Jahre hindurch wirklich Werthvolles, und auch der Frauendorfer Obstbaumfreund hat manche Anregung und gute Belehrung gegeben; im Uebrigen zerstreute das, was den Obstbau betraf, sich zu sehr in Zeitschriften für Gartenbau überhaupt, oder in einzelnen größeren Schriften, die verhältnißmäßig in die Hände zu weniger Personen kamen. Diel’s Schriften und Bestrebungen blieben, so lange er lebte, der Centralpunkt der pomologischen Thätigkeit in Deutschland, und je mehr er durch seine umfassenden Anpflanzungen und ebenso ausgebreiteten, als thätigen, von Kritik geleiteten Forschungen frühere Pomologen überstrahlte, je mehr glaubte man hinsichtlich gehöriger Fortschritte der Obstkunde und des Obstbau’s bei dem, was er leistete, sich völlig beruhigen zu können, zumal für das Fach der Anzucht und Wartung des Obstbaues und der Obstbenützung schon früher alles Nöthige geleistet zu seyn schien. Man suchte von Diel Reiser zu beziehen, pflanzte die von ihm vorzüglich empfohlenen Obstsorten an, entwarf für größere Baumschulen Cataloge nach seinen Angaben, mit Notizen über Güte, Reifzeit, paßlichste Benutzung der verschiedenen Obstsorten, der Bodenart welche der Baum erfordere etc., suchte verbesserte und ausführlichere systematische Anordnung [4] und Zusammenstellung einzelner Diel’scher Obstklassen abzufassen, und vertraute hinsichtlich der Erhaltung einer gehörigen Obstkenntniß der Genauigkeit der Diel’schen Obstbeschreibungen und den an verschiedenen Orten ausgeführten größeren pomologischen Anpflanzungen, bis endlich Diel’s Bestrebungen, zum Theil selbst noch bei seinen Lebzeiten, durch das, bis zu einer gewissen Liebhaberei gesteigerte Sammeln von Obstsorten aus allen Ländern, und durch die, namentlich in Folge der in Belgien und England in umfaßendem Maßstabe fortgesetzten Kernzuchten stets mehr anschwellenden Zahl theils geringeren Werth habender, theils wirklich vorzüglich werthvoller Obstsorten, allmählig gewissermaßen überflügelt wurden. Eben damit aber ist auch nach und nach ein neues Stadium in der Pomologie, freilich zugleich auch eine bedenkliche Krisis eingetreten, die wenn man ihr nicht mit ernster und vereinter Anstrengung zu begegnen sucht, leicht gewaltige Rückschritte in der Pomologie und ein Verlorengehen eines großen Theils der bisherigen pomologischen Erfahrungen zugleich mit dem Verlorengehen einer richtigen und ausgebreiteteren Sortenkenntniß, veranlassen könnten. Die früher gemachten pomologischen Anlagen, – größtentheils nur das Werk von Privaten, – sind meistens wieder zerfallen, halb durch nicht hinreichend angewandte Sorgfalt, halb im zu großen Vertrauen auf andere ähnliche Anlagen, oder die ausreichende Genauigkeit der Dielschen Obstbeschreibungen; die Pomologen, welche von Diel direkt Reiser bezogen, und von denen man richtig benannte Pfropfreiser erhalten konnte, sind größtentheils ausgestorben; man macht immer mehr die Erfahrung, daß bei der so sehr angeschwollenen Zahl zum Theil einander sehr ähnlicher Obstsorten und bei den mancherlei nicht unmerklichen Abänderungen in Farbe, Form, selbst Güte und Tragbarkeit, denen viele Obstsorten in verschiedenen Gegenden und Bodenarten unterworfen sind, neue und ausgebreitetere Forschungen nöthig werden, und eine allgemeinere richtige Obstkenntniß zu erzielen und über Güte und Brauchbarkeit der verschiedenen Obstsorten, für verschiedene Gegenden und Bodenarten gewisser, als bisher urtheilen zu können, und wenn man in der früheren pomologischen Periode, bei den glücklichen Resultaten der Kernzuchten sich eine Zeitlang zum Theil der Ansicht hingeben konnte, daß Conservirung bestimmter Obstsorten durch Anzucht veredelter Obststämme, nach und nach überflüssig gemacht werden könne, so hat man gegenwärtig die Ueberzeugung allgemein gewonnen, daß, je größer die Zahl der wahrhaft werthvollen Obstsorten geworden ist, man um so sorgfältiger darauf bedacht seyn müsse, die besten unter ihnen vorerst durch umsichtige und umfassendere Beobachtungen heraus zu suchen und nach ihren verschiedenen Qualitäten für diverse Zwecke und Bodenarten kennen zu lernen, dann aber auch diese Sorten zu conserviren, ihre Kenntniß zu verbreiten, und sie unter unverändertem Namen der Nachwelt zu überliefern. Das aber zu erstreben ist nicht Sache weniger Jahre, oder Werk von ein paar einzelnen Pomologen, sondern verlangt die umsichtige Forschung und das thätige Zusammenwirken vieler Männer in verschiedenen Gegenden unseres Vaterlandes. Eben aber zur Anbahnung einer solchen Vereinigung der verschiedenen pomologischen Kräfte in [5] unserem Vaterlande und möglichster Hinleitung derselben auf Ein gemeinsames Ziel sollte, nach unserem Wunsche, unsere Zeitschrift dienen, zugleich aber durch Wohlfeilheit, und als ein allgemeines Archiv der Fortschritte im ganzen Bereiche des Obstbaues, dahin wirken, vermehrte Obstkenntniß und verbesserte, sowie ausgebreitetere Obstbaumzucht und Obstbenutzung möglichst in allen Kreisen und Gegenden unseres Vaterlandes zu verbreiten. Sie wird daher Aufsätze aus dem gesammten Bereiche der Pomologie und des Obstbaues enthalten, Beschreibungen und womöglich auch Abbildungen neuer und älterer, besonders werthvoller Obstorten geben, gemachte Fortschritte und neue Erfahrungen über Baumzucht und Obstbenutzung mittheilen, Anzeigen und Recensionen von Schriften, die den Obstbau und die Obstkenntniß betreffen, enthalten, auf ausgeführte größere und besonders auch für Erhaltung richtiger Obstkenntniß berechnete Obstanlagen ermunternd hinzuweisen, und diejenigen Baumschulen zu empfehlen suchen, in denen die besten Obstsorten unter richtigem Namen zu haben sind, – wie denn ihre Spalten auch zu Anzeigen der Baumschulenbesitzer oder überhaupt den Obstbau betreffenden Anzeigen gegen eine Vergütung von 4 kr. für die gespaltene Petit-Zeile, geöffnet seyn sollen, – sie wird überhaupt aber Alles anstreben und zu berücksichtigen suchen, was zur Verbesserung und Vervollkommnung des Obstbaues und der Obstbenutzung in Deutschland dienlich werden mag.

Möchte denn thätige und nachhaltige Unterstützung kenntnißreicher Pomologen bei unserm Unternehmen uns nicht fehlen, durch die allein wir in den Stand gesetzt werden können, unserer Aufgabe zu entsprechen! Aber auch den Wunsch sprechen wir dringend aus, daß auch das größere Publikum für eigentlichen Fortschritt des Obstbaues und der Obstkunde mehr, als es bisher wohl in den meisten Gegenden unseres Vaterlandes der Fall ist, sich interessiren, und namentlich die Zahl derjenigen Personen sich noch gar sehr mehren möge, die, wenn sie auch nicht zu eigentlichen pomologischen Forschungen Zeit und Gelegenheit haben, doch eine umfassendere richtige Obstkenntniß sich zu erwerben streben. Namentlich in letzterem Punkte ist das größere Publikum bisher theilnahmloser und gleichgültiger gewesen, als je, und betrachtet Bestrebungen, größere Obstkenntniß zu erlangen, als eine Art Liebhaberei, wenigstens als etwas für den einzelnen Gartenfreund und Obstpflanzer bei der großen Zahl der vorhandenen Obstsorten, Unerreichbares, das man den eigentlichen Pomologen und den Baumschuleninhabern überlassen müsse, bei welchen letzteren die Obstkenntniß denn häufig auch nicht eben groß ist. So ist es gekommen, daß bei dem für die Landeswohlfahrt und den Nutzen der Privaten doch so wichtigen Obstbaue noch bis auf diese Stunde im Ganzen ein Zustand herrscht, wie er bei dem Ackerbaue und der Waldwirthschaft stattfinden würde, wenn man sich denkt, daß der einzelne Landwirth und Forstmann seine Gewächse und Waldbäume nicht kennte, und genöthigt wäre, sich an Personen, die damit handeln, mit der Bitte zu wenden, ihm eben recht gute Kornarten und Forstbäume zu schicken, um seinen Grundbesitz damit zu bestellen. Der dadurch herbeigeführte Schaden ist bei dem Obstbau größer, als er bei der Ackerwirthschaft seyn würde, da gemachte Fehlgriffe [6] sich nicht so bald verbessern lassen, und in ihren Folgen sich meistens durch viele Jahre hindurch ziehen. Vielleicht ist diese Theilnahmlosigkeit des Publikums mit durch den Mangel eines in weite Kreise hingelangenden und öftere Anregung gebenden pomologischen Journals herbeigeführt worden, und eben darum unterlassen wir nicht, gleich hier um größere Sorgfalt in diesem Punkte zu bitten. Versäume doch künftig Keiner, die so kleine und doch so lohnende Mühe, die unter richtigen Namen bezogenen Obstsorten in einen Grundriß seines Gartens oder der Obstanlage nach ihrem Standorte und Namen einzutragen, und diesen Grundriß sorgfältig aufzubewahren, damit die Namen der angepflanzten Sorten nicht vergessen werden und verloren gehen. Und wer irgend dazu Zeit und Gelegenheit hat, suche durch Anfertigung einiger Probebäume, durch welche so leicht ja jetzt größere Obstkenntniß erlangt werden kann, sich und Andern zu nützen, und sich zugleich ein Vergnügen zu verschaffen, das schon an sich wohl mehr befriedigt, als die Beschäftigung mit Blumen, aber um so größer seyn wird, je mehr das allgemein Nützliche uns am Herzen liegt. Schreiber dieser Zeilen hat bei mehreren Versetzungen auf andere Stellen nun schon zum vierten Male sich Probebäume für die zahlreichen in seinem Besitze befindlichen Obstsorten angefertigt, und die Mühe, die das machte, so besonders groß nicht gefunden. Auch im laufenden Jahre hat er, ziemlich in einer einzigen Woche, nur mit Hülfe zweier jungen Burschen, eilf größere Probebäume größtentheils schon wieder fertig gemacht und mit mehr als 1000 Obstsorten besetzt, und findet in einer schlechten, hauptsächlich nur mit Zwetschenbäumen bestandenen Obstpflanzung, auf dem Raume eines Morgens Land, passende Kernobstbäume genug, um alle seine drittehalbtausend Obstsorten auf Probebäumen leicht anzubringen und schon in 3–4 Jahren wieder Früchte davon zu sehen; für den gewöhnlichen Obstliebhaber wird ein einziger großer Apfelbaum und großer Birnbaum meistens schon hinreichen, um alle werthvollsten Kernobstsorten darauf anzubringen, und wer solche Probebäume sich anfertigen will, wird es nach der von dem Concipienten dieser Zeilen dazu gegebenen Anweisung, bei auch nur einiger Dexterität, ohne Schwierigkeit können [1].

[7] Auch an die Landesregierungen möchten wir gleich hier im Vorworte die dringende Bitte richten, unsere Bestrebungen für dauernde Fortschritte des Obstbaues, wie es zu Hohenheim in Württemberg bereits geschieht, durch Anlage größerer pomologischer Gärten oder sogenannter Musterpflanzungen zu unterstützen und die sich reichlich dem Lande verzinsenden Kosten solcher Anlagen nicht zu scheuen. Bisher sind derartige Anlagen fast immer nur von Privaten ausgeführt, und mit deren Tode alsbald wieder zerfallen. Hat man mit Recht auf botanische Gärten, selbst auf Anlagen von Palmen- und Orchideenhäusern große Kosten verwandt, so wird man ja auch gewiß geneigt seyn, auf einen wohl ungezweifelt weit größeren Nutzen habenden pomologischen Garten einige Kosten zu verwenden, und wird eine solche Anlage wohl zweckmäßig zunächst immer mit den mehrfältig sich jetzt bildenden Acker- und Gartenbau-Schulen verbunden. Nur möge durch jedem Baume beigefügten Namen etc., auch die Anstalt für Besuchende hinreichend instructiv gemacht werden, und überhaupt durch Handhabung strenger Ordnung, durch an verschiedenen Orten aufbewahrte Grundrisse der Anlage mit eingetragenen Namen jeden Baumes, und sonstige Maßregeln dafür gesorgt werden, daß der richtige Name eines jeden Stammes nicht verloren gehe und richtig benannte Pfropfreiser aus der Anstalt in die Baumschulen des Landes sich verbreiten; wie auch der Beaufsichtigende verpflichtet werden möge, jährlich Notizen über Gesundheit, Ertrag etc. eines jeden Baumes niederzuschreiben und thunlichst Versuche über die verschiedene Benützungsart einer jeden Obstsorte zu machen, um so unter der angepflanzten möglichst großen Zahl von Sorten nach und nach, mit stets mehr Gewißheit, das Beste nur allein beizubehaltende herauszufinden.

So möge denn unser Unternehmen, von vielen Seiten kräftig gefördert, auch zur Förderung und Hebung des Obstbaues wirksam beitragen, auf dessen Hebung gewiß um so mehr Rücksicht zu nehmen ist, je mehr trotz aller Auswanderung die Population in Deutschland steigt. Es liegt eine Wahrheit in dem in Württemberg unter den Landleuten allgemein herrschend gewordenen Sprichworte: daß Wohlfeilheit der Lebensmittel auf den Bäumen wachse.

Geschrieben im August 1854.

Die Redaktion der Monatsschrift für Pomologie und Obstbau:

  1. Die Probe- oder Sortenbäume, als bestes und leichtestes Mittel, sich in kurzer Zeit umfassende pomologische Kenntnisse zu erwerben. v. Oberdieck, derzeit Superintendenten in Jeinsen. Hannover bei Hahn, 1844, 8 Neugr. – Verfasser der Broschüre weiß seinen in derselben gegebenen Anweisungen auch jetzt noch nichts Wesentliches hinzuzusetzen als:
    1) daß es zweckmäßig ist, namentlich wenn das Umpfropfen eines großen Baums erst spät und gegen den Mai hin geschieht, zuerst nur die eine Hälfte des Baums zurückzuschneiden und mit Probereisern zu besetzen, die andere Hälfte oder ein paar größere Zweige aber erst ein Jahr später, damit der Baum, gehörige Communication mit Luft und Licht behalte, und in seinem Safte nicht ersticke;
    2) daß er zu Copulirbändern sich nicht mehr der zu theuren leinenen Bänder, oder des Wollgarns, sondern gebleichten (nicht ungebleichten, beim Zerreißen sich zusammenrollenden) Nesseltuches bedient (pr. Elle 2 Ggr.), wollen ein Stück von angemessener Breite mit einer passenden und wohlfeilen Art Baumwachs mittelst eines Pinsels heiß auf einem Brette bestrichen und dann in Bänder von 2–4 Linien Breite, je nach Bedürfniß zerrissen wird;
    3) daß die Namenhölzer zweckmäßig nicht mit grauer, zu leicht schlecht bereiteter und in wenigen Jahren von den Hölzern herabregnender Oelfarbe, sondern mit etwas hellgrüner [7] Oelfarbe (etwa wie man sie an Gartenbänken oft findet) angestrichen werden, wobei ein Verlöschen der Namen nicht zu besorgen ist, zumal wenn man das Holz auf beiden Seiten mit dem Namen versieht.