Pomologische Monatshefte:1. Band:3. Heft:Der Obstbaumschnitt

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 3, Seite 108–110
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Zwanzigster Jahresbericht des Thüringer Gartenbau-Vereins zu Gotha für das Jahr 1853
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Mittheilungen und Notizen

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Der Obstbaumschnitt. Neueste Methode zur Behandlung der feinern Obstarten am Spalier und in allen anderen gebräuchlichen Formen. Von J. A. Hardy. Nach der 2. Aufl. bearbeitet und durch Zusätze und Erläuterungen den deutschen Verhältnissen angepaßt von H. Jäger, Großh. Sächs. Hofgärtner und Inspector von Gemeindebaumschulen. Mit 80 Abbildungen. Leipzig, Verl. von O. Spamer 1855. 12 Bog. gr. 8. 1 Rthlr.

Es ist sehr erfreulich, wenn Schriften, wie die vorliegende, mit Sachkenntniß übersetzt und genau durchgesehen, in so reich mit Abbildungen ausgestatteten Ausgaben und zu einem in der That sehr billigen Preis erscheinen können, welche einen speciellen Gegenstand, wie den Baumschnitt, behandeln. Die letzte größere Schrift, die in Deutschland über den Baumschnitt erschien, die Dietrich’sche Uebersetzung von Dubreuil’s Cours d’Arboriculture läßt ohnehin manches zu wünschen übrig und enthält so ungemein viel (fast die Hälfte des Buchs), was für die Verhältnisse des Obstbaues in Deutschland ganz werthlos ist. Das wirklich gute, der Baumschnitt, ist aber bei jenem ziemlich theuern Werk doch zu hoch bezahlt. Außerdem enthält dasselbe gar manches, was ein praktischer Baumzüchter sicher nur mit einer Bemerkung gegeben haben würde. Die hier vorliegende Schrift ist wesentlich von der zuletzt erwähnten, wie von den übrigen bekannten derartigen Büchern, verschieden. Es ist ein Werk eines der geachtetsten Praktiker, der hier seine, mit dem Messer in der Hand gegebenen Vorträge über Baumschnitt zusammengestellt seinen zahlreichen Freunden und Schülern übergab. Jäger, dessen Schriften über Landschaftsgärtnerei und Obstkultur etc. schon längst sich in allen Gauen Deutschlands Bahn gebrochen, welcher den Baumschnitt in Paris theoretisch und praktisch erlernt, war gewiß der rechte Mann, Hardy’s Schrift klar und faßlich zu übertragen und wir haben in der That hier ein Buch vor uns, welches jeder [109] junge Gärtner, der sich mit Baumzucht bekannt machen will, als Leitfaden wählen sollte, aus welchem jeder Gartenfreund die Erziehung und Behandlung seiner Spalierbäume u. s. w. schnell und mit leichter Mühe erlernen kann.

Wir wollen den Hauptinhalt nur kurz erwähnen und ersuchen die verehrliche Redaktion, einen kurzen Abschnitt in einem der nächsten Hefte besonders mitzutheilen, womit am besten der Beleg für die allgemeine Brauchbarkeit der in Rede stehenden Schrift gegeben werden kann.[1]

Das erste Kapitel enthält kurze Bemerkungen über die Entwicklung der Holzpflanzen, eine kurze Terminologie und Physiologie ihrer Haupttheile und wichtigeren Organe. Hier hat Jäger einige zweckmäßige Berichtigungen beigefügt, so namentlich wird pag. 6 gesagt, daß die Pflanze durch die Wurzeln Stoffe ausscheide, welche für dieselbe Art Gift seyen, und deßhalb dürften Obstbäume nicht sogleich wieder an Stellen gesetzt werden, wo vordem solche gestanden. Mit allem Recht erklärt Jäger diese Regel der Praxis dadurch, daß der vorher da gewachsene Baum alle löslichen unorganischen Nährstoffe, die für denselben nöthig waren, verbraucht, und es also für einen folgenden der gleichen Art an solchen mangeln müsse. – Im Allgemeinen wird dieser erste Abschnitt wohl am wenigsten befriedigen, indem er oft gar zu kurz und ohne wissenschaftliche Schärfe gegeben ist; allein es konnte auch nicht der Zweck des Buches seyn, hier ausführlicher zu schildern.

Das zweite Kapitel enthält kurze und sehr zweckmäßige Regeln über den Baumsatz, die Spaliere, Mauern und Schutzvorrichtungen. Es ist hier unter anderem gerathen, die Bäume in gutem Boden zu erziehen, denn solche kämpften viel besser gegen den Einfluß eines schlechteren neuen Bodens, als Bäume in einem geringen Boden erzogen. Eine eigenthümliche aber sehr praktische Maßregel ist die, daß man die Erde um die frischgesetzten Bäume herum mit einer Decke von kurzem Mist oder irgend einer ähnlichen Streu zum Schutz gegen das Austrocknen versehe. Es wird dies pailli genannt, was allerdings gewöhnlich, wie Jäger bemerkt, fälschlich durch „mit Stroh bestreuen“ übersetzt wird. Es ist diese Methode allgemein zu beachten und trägt sicher ungemein viel zum guten ungestörten Anwurzeln bei. Als die geeignete Höhe der Mauern wird 8–9′ angegeben und die Lage derselben gegen Ost und West, also ihre Richtung von N. nach S. empfohlen. Die Latten der Spaliere sollen bei Birnen ¾′, für Pfirsiche nur ½′ weit seyn. Die empfohlenen Schutzvorrichtungen sind in jeder Hinsicht zu beachten. Am Schluß dieses Abschnitts erwähnt Jäger noch der Talutmauern, die zu kleinen Treibhäusern eingerichtet werden können, indem große Fenster vorgestellt werden, unter deren Schutz selbst in Norddeutschland die spätreifenden italienischen und spanischen Trauben ihre volle Reife erlangen.

Die zweite Abtheilung enthält die Regeln über den Schnitt der Obstbäume; als Endzweck desselben gilt, den Bäumen eine regelmäßige schöne Form zu geben, sie fruchtbar zu machen, sie fortwährend fruchtbar zu erhalten, größere und bessere Früchte zu erziehen und die Lebensdauer der Bäume zu verlängern. Die verschiedenen Arten von Zweigen sind gut beschrieben und sehr deutlich abgebildet. Die verschiedenen Methoden und Praktiken, die bei dem Winter- und Sommerschnitt vorkommen, sind sehr gründlich beschrieben und erklärt; das Wort Pincement ist ganz zweckmäßig mit „Entspitzen“ übersetzt und letzteres sehr empfohlen. Der nun folgende Abschnitt über den Schnitt der Pyramiden ist recht faßlich geschrieben; es ist in mehreren guten Zeichnungen jeder Schnitt, der vorkommt, genau gezeigt, und der Grund eines jeden Schnitts erklärt. Auch wie schlechtgezogene Pyramiden durch den Schnitt wieder in Ordnung gebracht worden, ist besonders geschildert (ein für viele deutsche Gärten wichtiger Gegenstand.) Eine uns neue Art der Pyramide, die Flügelpyramide, bei der die Aeste in fünf gleichlaufende Längslinien vertheilt sind, so daß ein solcher Baum zwischen jeder Zweiglinie einen beträchtlichen Zwischenraum bis zum Stamm hin hat, verdient jedenfalls die Beachtung der Obstzüchter, obgleich man dieselben Vortheile durch die Etagenpyramide (eine Art Armleuchterpyramide) wird erreichen können, nämlich vollen Einfluß von Luft und Licht auf die Früchte und das innere Fruchtholz.

Daß das Kap. 4. Schnitt der Bäume am Spalier, mit besonderer Sorgfalt bearbeitet ist, bedarf wohl kaum der Versicherung. Für das Kernobst ist die Erziehung des Herzstammspaliers und für die Apfelzwergbäume der Winkelzug an der Drahtschnur anempfohlen und beschrieben. Bei der Bildung des Pfirsichspaliers sind alle Fälle, günstige wie [110] ungünstige geschildert und durch Zeichnungen verdeutlicht. Besonders belehrend sind die Tafeln, die die verschiedenen Spalierformen ausgebildet darstellen und zwar die eine Seite in ihrem Zustand unmittelbar nach dem Winterschnitt, die andere, wie sich der Baum im Lauf des Sommers gestaltet und ausbildet und wie die Triebe gestellt werden müssen. Die §. 114. angegebene „Neue Methode zur frühern Ausbildung der Bäume“ wäre gewiß einer weitern Beachtung werth und dürfte eine besondere Erwähnung in diesen Blättern finden. So ist auch „der schiefgezogene Pfirsichbaum“ als eine bei uns noch wenig bekannte Erziehungsform, welche die Pariser Pfirsichzüchter in neuester Zeit in ausgedehntem Grade anwenden, hervorzuheben. Man setzt junge einruthige Pfirsichbäumchen nur 2½′ entfernt von einander an die Mauer und gibt ihrem einzigen Mutterast eine Neigung von 45°; Glieder oder Seitenäste werden nicht erzogen, sondern zur Rechten und Linken die kleinen Zweige (das Fruchtholz) ausgebreitet. Für mittelmäßigen Boden soll diese Methode mehr Empfehlung verdienen als in gutem, wegen dem da stattfindenden schwächeren Trieb der Bäume; jedenfalls erhält man auf diese Weise, ohne eine Lücke, eine Mauer von 9–12′ schneller mit Pfirsichen bezogen, als auf irgend eine andere Methode, und außerdem sollen die so gezogenen Pfirsiche überaus fruchtbar sein. Uns scheint diese Methode die leichteste von allen.

Ebenfalls sehr instructiv ist die Erziehung des Weinstocks in Gärten; es ist sowohl die an Spalieren, nach dem Winkelschnitt, wie freistehend und als Palmette angegeben.

Der Schnitt der Obststräucher bildet den Schluß dieser Abtheilung und enthält ebenfalls manches Neue und Empfehlenswerthe. Weniger Werth hat Abth. III. Einfluß der Wildlinge und der Veredlung auf den Schnitt, denn diese enthält manche Angaben, die die Praxis der deutschen Gärtner sicher widerlegen kann. Auch das den Schluß bildende Verzeichniß von den vorzüglichsten zu erziehenden Obstsorten läßt dem Pomologen manches zu wünschen und zu bemerken. Dies thut aber dem Werth des in Rede stehenden Buchs lediglich keinen Abbruch, denn die Hauptaufgabe, eine gründliche und klare Anweisung zum Baumschnitt ist in jeder Hinsicht vollkommen erreicht.

Wir wünschen diesem Buch, welches Jäger seinem Freunde, dem Garteninspector Lucas, gewidmet, „dem thätigen Beförderer der Obstbaumzucht, durch Beispiel, Schrift und Wort“ die weiteste Verbreitung und fleißige Benutzung, besonders von Seite unserer jungen Gärtner, die das von Jäger in der Vorrede Gesagte wohl beherzigen mögen, und fühlen uns schließlich gedrungen, Herrn Hofgärtner Jäger den besten Dank zu sagen für die klare und concise Bearbeitung dieser Schrift.

H.

  1. Ist schon in diesem Heft geschehen.
    Die Red.