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Prinzessin Europa

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Autor: Gottfried August Bürger (M. Jocosum Hilarium)
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Titel: Prinzessin Europa
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 129–149
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1778
Verlag: Johann Christian Dieterich
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Göttingen
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Originaltitel:
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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weltliche hochteutsche Reime,

enthaltend
die ebentheyerliche doch wahrhaftige
Historiam
von der
wunderschönen Durchlauchtigen
Kaiserlichen
Prinzessin Europa,
und
einem uralten heidnischen
Gözen,
Jupiter item Zeus
genant,
als welcher sich nicht entblödet, unter der Larve
eines unvernünftigen Stieres, an höchstgedachter
Prinzessin ein crimen raptus, zu teutsch:
Jungfernraub auszuüben.

Also gesezet und an das Licht gestellet
durch
M. Jocosum Hilarium,
Poët. caes. laur.

     Vor Alters war ein Gott,
Von nicht geringem Ruhme,
Im blinden Heidenthume.
Nun aber ist er todt.

5
Er starb „ „ post Christum natum „ „ „

Ich weis nicht mehr das Datum.

     Der war an Schelmerei,
Das Weibsen zu betrügen,
Von dem Papa der Lügen

10
Das ächte Konterfei;

Und kurz, auf alle Fälle,
Ein lockerer Geselle.

     Ich hab’ ein altes Buch,
Das thut von ihm berichten

15
Viel schnurrige Geschichten,

Worin manch Stuzer gnug
Für seinen Schnabel fände,
Wenn er Latein verstände.

     Mein unverdrosner Mund

20
Sol, ohne viel zu wälen,

Nur Einen Knif erzälen.
Denn thät’ ich alle kund,
So wäre zu besorgen,
Ich säng’ bis übermorgen.

25
     Eur Bazen sol euch nicht,

Geehrte Herrn, gereuen.
Mein Liedel sol euch freuen! –
Doch ihr dort! Schelmgezücht!
Kroaten, hinter’n Bänken!

30
Last nach mit Lärm und Schwänken!


     Heda! Hier nichts gegekt,
Ihr ungewaschnen Buben!
Narrirt in andern Stuben,
Nur mich last ungenekt!

35
Sonst hängt euch, schnaps! am Munde

Ein Schlos; wiegt tausend Pfunde.

     Ha! das Donatgeschmeis!
Kaum hört und sieht’s was Neues,
So hat es gleich Geschreies,

40
So puppert Herz und Steis.

Gedult! Man wird’s euch zalen,
Euch dünnen Schulpennalen!

     Traut nicht! Es regt sich hie,
In meinem Wolfstornister,

45
Der Kukuk und sein Küster –

Ein Kobolt – heist Genie.
Dem schaft’s gar guten Frieden,
Wem Gott solch Ding beschieden.

     Last ja den Griesgram gehn!

50
Er weis euch zu kuranzen;

Läst euch wie Affen tanzen,
Und auf den Köpfen stehn;
Wird euch mal begenieen,
Daß euch die Steisse glühen. –

55
     Doch ihr, Kunstjüngerlein!

Mögt meine Melodeien
Nur nicht flugs nachlalleien.
So leicht lalt sich’s nicht ’nein.
Beherzigt doch das dictum:

60
Cacatum non est pictum. – – –


     Eur Bazen sol euch nicht,
Geehrte Herrn, gereuen.
Mein Liedel sol euch freuen!
Nun schaut mir ins Gesicht!

65
Merkt auf mit Herz und Sinnen!

Wil endlich mal beginnen. –

     Zeus wälzt’ im Bette sich,
Nachdem er lang gelegen,
Wie Potentaten pflegen,

70
Und fluchte mörderlich:

„Schon trommelt’s zur Parade!
Wo bleibt die Schokolade?“

     Gleich bringt sie sein Lakei;
Bringt Schlafrok, Toffeln, Hose,

75
Schlept Pfeiffe, Knasterdose

Nebst Fidibus herbei.
Denn Morgens ging kein Mädchen
Gern in sein Kabinetchen.

     Er schlürft’ acht Tassen aus;

80
Hing dann, zum Zeitvertreibe,

Sich mit dem halben Leibe
Zum Himmelsfenster ’naus,
Und schmauchte, frisch und munter,
Sein Pfeifchen Knaster ’runter.

85
     Und durch sein Perspectiv

Visirt’ er von dem Himmel,
Nach unserm Weltgetümmel.
Sonst mochten wol so tief
Die abgeschwächten Augen

90
Nicht mehr zu sehen taugen.

     Da nahm er schmunzelnd wahr,
Auf schönbeblümten Auen,
Gar lieblich anzuschauen,
Vergnügter Mägdlein Schaar,

95
Die auf dem grünen Rasen

Sich Gänseblümchen lasen.

     Die Schönste war geschmükt
Mit einem leichten Kleide,
Von rosinfarbner Seide,

100
Mit Fadengold durchstikt.

Die Andern aber schienen
In Demut ihr zu dienen.

     Die niedliche Gestalt,
Die schlanken zarten Glieder,

105
Besah er auf und nieder.

Ihr Alter er gar bald
Recht kunstverständig schäzte,
Und es auf Sechzehn sezte.

     Zum Blumenlesen war

110
Ihr Rökchen aufgehoben.

Das Perspectiv von oben
Sah alles auf ein Haar.
Die Füschen, Knie, und Waden
Behagten Seiner Gnaden.

115
     Sein Herzenshammer schlug.

Bald wolt’ er mehr gewinnen.
Da hub er an zu sinnen,
Auf arge List und Trug.
Ihn dünkt, sie zu erschnappen,

120
Sey’s Noth, sich zu verkappen.


     Er klügelt’ und erfand,
Nach schlauem Spintisiren,
Als Stier sich zu maskiren:
Doch ist mir unbekant,

125
Wie dieses zugegangen?

Und wie er’s angefangen?

     Ich mag um Schlaf und Ruh
Durch Grübeln mich nicht bringen.
Allein von rechten Dingen

130
Ging solches Spiel nicht zu.

Es half ihm, sonder Zweifel,
Gott sey bei uns! ††† der Teufel.

     Kurz um, er kömt als Stier,
Und grast auf dem Gefilde,

135
Als führt’ er nichts im Schilde,

Erst ziemlich weit von ihr,
Und scheint den Frauenzimmern
Sich schlecht um sie zu kümmern.

     Almählich hub er an,

140
Sich näher an zu drehen.

Doch noch blieb sie nicht stehen.
Der Krep wuchs ihr bergan.
Auch ward ihr in die Länge
Die Schnürbrust mächtig enge.

145
     Doch hört nur! Mein Monsieur

Verstand die fintenvolle
Vorherstudirte Rolle,
Wie ich mein A b c.
War er Aktör, ich wette,

150
Daß man geklatschet hätte.


     Er hatte Theorie
Mit Praxis wol verbunden.
In seinen Nebenstunden
Verabsäumt’ er fast nie,

155
Nasonis Buch zu treiben,

Und Noten beizuschreiben.

     Drum that der arge Stier
Sehr zahm und sehr geduldig,
Schien keiner Tücke schuldig,

160
Und suchte mit Manier,

Durch Kopfhang sich und Schweigen
Empfindsam gar zu zeigen.

     Das Mägdlein, durch den Schein
Von Sitsamkeit betrogen,

165
Ward endlich ihm gewogen.

„Solt’ er wol kurrig seyn?“
Sprach sie zu ihrer Amme,
„Er gleicht ja einem Lamme!“

     Die alte Strunsel rief:

170
„Ei! welche schöne Frage!

Nach alter teutscher Sage,
Sind stille Wasser tief.
Drum, Chere Enfant, drum bleibe
Dem bösen Stier vom Leibe!“ –

175
     „Ich möchte, fiel sie ein,

Ihm wol ein Kränzel binden,
Und um die Hörner winden.
Er wird schon artig seyn,
Wenn ich hübsch traulich rabb’le

180
Und hinter’m Ohr ihm krabb’le.“ –

     Fort, Kind! da kömt er! Ah! „ „ „
Doch er lies sacht die Glieder
Ins weiche Gräschen nieder,
Lag wiederkäuend da.

185
Sein Auge, dum und ehrlich,

Schien gänzlich nicht gefärlich.

     Da ward das Mägdlein kühn,
Und trieb mit ihm viel Possen,
(Das lit er unverdrossen)

190
Und ach! und stieg auf ihn.

„Hi! Hi! Ich wil’s doch wagen,
Ob mich das Thier wil tragen?“

     Doch der verkapte Gast
Empfand auf seinem Rücken,

195
Mit krabbelndem Entzücken,

Kaum seine schöne Last,
So sprang er auf und rente,
Als ob der Kopf ihm brente.

     Und lief, in vollem Trab,

200
Queerfeldein, schnurgerade,

Zum nächsten Meergestade,
Und hui! that er hinab,
Kein Weilchen zu verlieren,
Den Sprung mit allen Vieren.

205
     „Ach!“ schrien die Zofen, „ach!“

(Die an das Ufer sprangen
Und ihre Hände rangen)
„Ach! Ach! Prinzessin, ach!
Was für ein Streich, Ihr Gnaden!

210
Nun han wir’s auszubaden.“


     Allein das arme Kind
Hub, zappelnd mit den Beinen,
Erbärmlich an zu weinen:
„Ach! helft mir! helft geschwind!“

215
Doch unser Schalk vor Freude

War taub zu ihrem Leide.

     Nichts half ihr Ach und Weh.
Sie muste fürbas reiten.
Da gaft’ auf beiden Seiten,

220
Janhagel aus der See,

Und hub, ganz ausgelassen,
Hierüber an zu spassen.

     Der Stier sprach nicht ein Wort,
Und trug sie sonder Gnade

225
Hinüber ans Gestade,

Und kam in sichern Port.
Darob empfand der Heide
Herzinnigliche Freude.

     Hier sank sie auf den Sand,

230
Ganz mat durch langes Reiten

Und Herzensbangigkeiten,
Von Sinnen und Verstand.
Vielleicht hat’s auch darneben
Ein Wölfchen abgegeben.

235
     Mein Stier nahm frisch und froh

Dies Tempo wahr, und spielte,
Als sie nicht sah und fühlte,
Ein neues Qui pro quo.
Denn er verstand den Jocus

240
Mit fiat Hocus pocus.


     Und trat als Kavalier,
In hochfrisirten Haaren,
Wie damals Mode waren,
Mit dem Flakon zu ihr,

245
Und hub, um Brust und Hüften,

Die Schnürbrust an zu lüften.

     Kaum war sie aufgeschnürt,
Kaum kizelt’ ihre Nase
Der Duft aus seinem Glase,

250
So war sie auch kurirt;

Drauf er, wie sich’s gebürte,
Comme ça mit ihr charmirte:

     „Wilkommen hier ins Grün!
Per dio! das bejah’ ich,

255
Mein blaues Wunder sah ich!

Woher, mein Kind, wohin?
So weit durch’s Meer zu reiten!
Und doch nicht abzugleiten? –

     Indessen freut mich’s, hier

260
In meinem schlechten Garten,

Gehorsamst aufzuwarten.
Ma foi! das ahnte mir,
Heut hatt’ ich so ein Träumchen „ „ „
Auch jukte mir das Däumchen.

265
     Man zog ihr wakres Thier,

Worauf sie hergeritten,
Nachdem sie abgeschritten,
Gleich in den Stal von hier.
Da sol es, nach Verlangen,

270
Sein Futter schon empfangen.

     Sie werden, Herzchen, gelt?
Wol noch ein wenig frieren?
Geruhn sie zu spazieren
In dieses Lustgezelt,

275
Und thun in meiner Klause,

Als wären sie zu Hause.

     Hier pflegen sie der Ruh,
Und troknen sich, mein Schnekchen,
Ihr Hemde, samt dem Rökchen,

280
Die Strümpfchen und die Schuh.

Ich, mit Permiß, wil ihnen
Stat Kammermädchens dienen.“ –

     Sie sträubte jüngferlich
Sich anfangs zwar ein wenig:

285
Doch er bat unterthänig,

Und da ergab sie sich.
Nun, hochgeehrte Gäste,
Merkt auf! Nun kömt das Beste.

     Hem! „ „ „ Ha! Ich merke wol

290
An euren wehrten Nasen,

Daß ich mit hübschen Phrasen
Eur Ohr nun kizeln sol.
Ihr möchtet, um den Bazen,
Für Lachen gern zerplazen.

295
     Doch, theure Gönner, seht,

Was ich dabei riskire!
Wenn’s der Pastor erführe,
Der keinen Spas versteht,
Dann wehe meiner Ehre! –

300
Ich kenne die Pastöre! –


     Drum weg mit Schäkerei’n!
Von süskandirten Zoten
Wird vollends nichts geboten.
Hilarius hält fein

305
Auf Ehrbarkeit und Mores,

Ihr Herren Auditores.

     In Züchten, wie sich’s ziemt,
Weil mich vor langem Breie
In solchen Schosen scheue,

310
Meld’ ich nur kurz verblümt:

Hier that mit seiner Schöne
Der Herr sich treflich bene.

     Nun schwammen mit Geschrei,
In langen grünen Haaren,

315
Der Wassernixen Schaaren

Hart an den Strand herbei:
Zu sehen das Spektakel,
In diesem Tabernakel.

     Manch Nixchen wurde rot;

320
Manch Nixchen wurde lüstern;

Jen’s neigte sich zum Flüstern;
Dies lachte sich halb todt;
Neptun, gelehnt ans Ruder,
Rief: Prosit, lieber Bruder!

325
     Nun dank, o frommer Christ,

Im Namen aller Weiber,
Daß dieser Heid’ und Räuber
Bereits gestorben ist.
Zwar „ „ „ fehlt’s auch zum Verführen

330
Nicht an getauften Stieren.