Prolog (Laßwitz: Seifenblasen)

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Autor: Kurd Laßwitz
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Titel: Prolog
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aus: Seifenblasen. Moderne Märchen. S. 1–4.
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Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Leopold Voß
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Erscheinungsort: Hamburg und Leipzig
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Quelle: ULB Düsseldorf, Deutsches Textarchiv und Commons
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[1]

Prolog.




Wenn Frauen jedes Vorwort überschlagen
Und Männer alles, was an Verse streift,
So darf man, hoff’ ich, von dem unsern sagen,
Daß es zum höchsten Ziel der Kunst gereift.

5
Denn rein als Selbstzweck wird es vorgetragen,

Weil jeder gleich zu Text und Prosa greift;
Der Autor liest es ganz allein von allen —
So wird es sicher „allgemein“ gefallen.

     Doch ein Programm, auch wenn es niemand hört,

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Soll im Prolog ästhetisch uns verpflichten.

Das schickt sich so! Und wer nicht willig schwört
Zu unsrer Fahne — nun, der mag verzichten.
Er gilt uns selbstverständlich als bethört,
Begreift uns nicht und braucht uns nicht zu richten —

15
Vorausgesetzt, daß er zu tadeln fand,

Denn loben darf auch, wer uns nicht verstand.

     Wir werden also erstlich deduzieren,
Warum die Seife wohlgefallen muß;
Wir werden dann die Kugel demonstrieren

20
Als Form für den berechtigten Genuß.

Und sollten wir trotzdem nicht reüssieren,
So bleibt uns keine Rettung zum Beschluß
Als aus den Grenzen wachsamer Doktrin
Ins Reich der Dichtung ohne Paß zu flieh’n.

[2]

25
     Wollt ihr die Zeit gewissenhaft verwenden,

Studiert zuvor ein Lehrbuch der Chemie;
Denn Seifenblasen kann man erst entsenden,
Wenn Fett gebunden sich an Alkali.
Und weil sich Kunst wird anders nie vollenden

30
Als durch Natur und wahre Empirie,

So übt nur brav die Seifensiederei —
Dann will ich lehren, was das Schöne sei.

     Ihr denkt vielleicht, schön sei der lichte Thau
Im Morgenschein am grünen Bergeshange?

35
Schön sei das Auge der geliebten Frau,

Die sanfte Glut, gehaucht auf ihre Wange?
Verzeiht! Was schön ist, wissen wir genau
Und wir behaupten’s mit der Wahrheit Zwange:
Schön ist, was von Interesse frei sich hält,

40
Nicht als Begriff, doch allgemein gefällt.


     Und durftet ihr so leicht, was schön ist, lernen,
(Ich hoffe doch, daß jeder es kapiert,)
Gebt acht, ob wir auch nirgend uns entfernen
Von der Erklärung, die wir acceptiert.

45
Der gilt uns wenig unter den Modernen,

Der nicht als Künstler theoretisiert
Und schnell für sein ästhetisches Interesse
Sich ein Organ begründet in der Presse.

     Nun denn — Wer zweifelte, daß Seifenwasser

50
Das Wohlgefallen allgemein erregt?

Brummt dort vielleicht ein dunkler Menschenhasser,
Wenn man das Haus durchscheuert, kehrt und fegt?
Mit Unrecht schilt der zürnende Verfasser,
Wird ihm dabei ein Manuskript verlegt, —

55
Denn hin und wieder eingeseift zu werden

Ist schließlich doch der Dinge Los auf Erden.

[3]

     Doch halt! Ist nicht Begriff die Seife nur,
Wenn zum Objekt des Denkens wir sie machten,
Statistisch als den Maßstab der Kultur

60
Und nicht von Interesse fern sie dachten?

Um frei zu wandeln auf der Schönheit Spur
Gilt’s ohne Zweck die Seife zu betrachten,
Nicht weil sie reinigt, sondern in der Reinheit
Der bloßen Form zwecklos bezweckter Einheit!

65
     Als Seife zwecklos, doch als Form bezweckt?

Wer wagt es, dieses Dunkel aufzuhellen?
Wohlan! Die Lösung haben wir entdeckt,
Seit uns gelungen, das Problem zu stellen.
Es wird der Stoff geläutert und gestreckt,

70
Und wenn sich dann die feinsten Schaumlamellen

Geschlossen zur vollkomm’nen Spannung runden,
Hat Formenzweck den Stoffzweck überwunden!

     So sei als Seifen-Idealgestaltung
Die Form der Kugeln einzig uns gepriesen!

75
In ihr kommt alles Leben zur Entfaltung

Und alle Einheit rundet sich in diesen.
Und da wir so mit philosoph’scher Haltung
Das Recht der Seifenblasenkunst erwiesen,
Laßt endlich der Ästhetik uns entsagen

80
Und in der eignen Traumwelt frei behagen!


     Um heut’gen Tags phantastisch uns zu zeigen
Verschmähen wir den unmodernen Tand,
Das Flügelroß der Musen zu besteigen
Zum Ritt in der Romantik altes Land.

85
Ganz andre Mittel sind der Neuzeit eigen

Bei der Aëronautik hohem Stand:
Ein Wink, und auf der Schaum-Montgolfière
Frei schwimmen wir im Glanz der Atmosphäre.

[4]

     Ein Strohhalm und ein wenig Luft genügt —

90
Und Stroh und Luft gehören zu den Dingen,

Worüber stets des Dichters Kopf verfügt —
Das trübe Naß zur lichten Form zu zwingen.
Ein leichter Ball, der tausend Farben lügt,
Hebt aus der Körper schwerem Stoff die Schwingen

95
Und bannt die Welt in seinen bunten Spiegel —

Ein Spiel und doch ein Rätsel voller Siegel.

     Im Spiele darf das Wunder sich begeben,
Denn nur die Wirklichkeit ist rauh und scharf.
So spielen wir! Und was im ernsten Leben

100
Mit Recht der kritische Verstand verwarf,

Die freie Laune wagt’s emporzuheben,
Weil sie der eignen Thaten spotten darf.
Ein Kind der Stunde, lächelnd aufgestiegen,
Läßt sie die Seifenbälle sorglos fliegen.

105
     Schwebt hin und schillert! — Ob das Spiel euch tauge?

Ein rauher Griff, die Farbenhülle bricht
Und in der Hand bleibt nur ein Tröpfchen Lauge —
Vielleicht geriet die ganze Mischung nicht.
Doch grüßt euch liebevoll ein Freundesauge,

110
Vor dem ihr schimmern dürft im Sonnenlicht,

Und bleibt es nur ein Weilchen euch gewogen,
So seid ihr nicht umsonst hinausgeflogen.