Pulìa Lucchese, der angebliche Geburtsort Nicola’s Pisano

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Textdaten
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Autor: Carl Frey
Replik: August Schmarsow
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Titel: Pulìa Lucchese, der angebliche Geburtsort Nicola’s Pisano
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 4 (1890), S. 356–375.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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Siehe auch: Puglia bei Lucca, der Geburtsort des Nicola Pisano?

[356] Pulìa Lucchese, der angebliche Geburtsort Nicola’s Pisano. Nicola Pisano gilt als der Erneuerer der Italienischen Plastik im Mittelalter. Scheinbar ohne Vermittelung taucht er plötzlich im Jahre 1260 als Schöpfer der Kanzel im Baptisterium von Pisa [357] auf. In dem plastischen Schmucke derselben offenbaren sich ein Stil wie eine Technik, die nur an die Antike erinnern, mit Rücksicht auf die gleichzeitigen wie früheren Denkmäler Toscanas völlig neu erscheinen. Um so berechtigter die Frage nach der Herkunft dieses Meisters. Darüber freilich konnte kein Zweifel bestehen: Zur Zeit seines Auftretens in Toscana war Nicola ein Bürger Pisas. Aber woher er dorthin gekommen, wo er den Unterricht empfangen, der ihn zu seinen im Vergleiche mit den Sculpturen Pisas wie überhaupt Toscanas grundverschiedenen, technisch weit vollkommeneren Werken befähigte, ist Gegenstand einer bis jetzt ungelösten Streitfrage[1]. Nach der Ansicht der Einen sei er aus Süditalien nach Pisa gewandert. In einer der reichen Handels- und Industriestädte Apuliens, etwa in Bari oder Trani, wo eine rege Kunstthätigkeit seit Alters her bestand, mochte er zu Beginn des 13. Jahrh. zur Welt gekommen sein. Die aus den verschiedensten Elementen des Orientes wie Occidentes erwachsene, aber einheitliche, Normännisch-Staufische Cultur, innerhalb welcher schliesslich mit Friedrich II., der Auffassung dieses Kaisers von seinem Imperium entsprechend und unter ähnlichen Bedingungen wie unter Theodorich d. Gr., Karl d. Gr., den ikonoklastischen Kaisern von Byzanz, die classische Kunst in ihren Resten der Nachahmung für werth erachtet wurde, schien die nothwendige Voraussetzung und Erklärung für Nicola’s antikische Art zu gewähren. Der Niedergang der Staufischen Hegemonie im Süden seit 1250 hätte die Auswanderung des Meisters (wie auch vielleicht schon seines Vaters) nach Toscana und speciell nach der Stadt bewirkt, welche mit dem Süden die allerintimsten Beziehungen unterhielt, nach Pisa[2]. Diese Ansicht schien Bestätigung zu finden durch eine urkundliche Notiz im Staatsarchive zu Siena vom 11. Mai 1265 (st. c.): frater Melanus – requisiuit magistrum Nicholam Petri de Apulia cet[3]. Der Gegenmeinung [358] gemäss hätte die Toscanische Kunst in den Werken Nicola’s, des Pisaners oder Toscaners von Geburt, und seiner Schule in folgerichtiger Entwickelung ihren Höhepunkt erreicht. Ueber das Wie im Speciellen war man freilich nicht klar. Prof. Semper behauptete z. B. die Abhängigkeit Nicola’s „aus einer Etruskisch-christlichen (!) Schule der Sculptur, welche aber schon vor ihm in Toscana blühte“, – wie ein Veilchen im Verborgenen „auf den Bergen des inneren Toscanas, fern vom Weltverkehr, das ganze Frühmittelalter hindurch“. Prof. Schmarsow bringt Nicola mit den Komasken Luccas, in weiterer Folgerung also mit Germanischem Blute in Verbindung. Wie es mit der kunsthistorischen Begründung dieser Ansichten aussieht, darf hier nicht discutirt werden. Genug, der Meinung von der Toscanischen Herkunft Nicola’s folgte die Mehrzahl der Kunsthistoriker, seitdem der Archivdirector Milanesi in Florenz den Nachweis geführt zu haben schien, dass „de Apulia“ in jener Urkunde nicht das südliche Land, sondern einen Ort im südlichen Sobborgo von Lucca bedeute, Nicola Pisano nicht aus Pisa, vielmehr aus Apulia bei Lucca stamme[4].

Ich habe an dieser Stelle die Unrichtigkeit von Milanesi’s Behauptung, der, soweit ich weiss, nie ernstlich widersprochen worden ist, darzuthun.

Zum Beweise stellt Milanesi merkwürdige diplomatisch-grammatikalische Lehrsätze auf Grund von „tante scritture così contemporanee a Niccola come posteriori“ (die er freilich zu nennen unterlassen hat) auf: 1. Die Notare von damals (ob nur die Toscanas, oder ob eine generelle Sitte vorliegt, sagt er nicht) hätten die Gepflogenheit gehabt, bei der Abfassung von Contracten ausser dem Namen der betreffenden Intervenienten auch den ihres Vaterlandes oder des Ortes ihrer Herkunft anzugeben, und wäre es selbst das obscurste Nest der Welt: „così p. e. Johannes quondam Guidi de Florentia, de Pistorio, de Campi, de Scarlino, de Vespignano etc.“. Das ist selbstverständlich. 2. „Ma trattandosi di luogo, il quale, perchè posto fuori della provincia, dove si stipulava lo strumento, poteva essere meno noto, o in [359] tutto sconosciuto alle parti contraenti [wie? der einen parte contraente war ein solcher Ort doch stets bekannt], egli allora – al nome del luogo aggiungeva quello della provincia, in questo modo: Franciscus Antonii de Bertinoro, de provincia, oppure, de partibus Romandiole; Petrus Joannis de Como, de partibus Lombardie etc.“. 3. Und bei Jemandem, der aus fernen Gegenden, von auswärts nach Italien gekommen sei, pflegte man zu sagen, wenn die Nation des Contrahenten unbekannt war, „così in genere de partibus ultramontanis“; und wusste man zwar die Nation, aber nicht die engere Heimath, „usava la espressione: de partibus Gallie, Alamagne, Hungarie ecc.“ Man beachte Milanesi’s gewundene Ausdrücke wie patria, luogo ecc. Er vermeidet feste termini und speciell den Gegensatz von Stadt, Ortschaft, Dorf, Flecken zu einem grösseren Ganzen wie Provinz, Land zu stabiliren. In Praxi aber folgerte man (so auch Milanesi selbst im Verfolg seiner Ausführungen), dass zur Bezeichnung der Herkunft aus einer Stadt oder Ortschaft „de“ mit dem Namen derselben gesetzt wird, zur Angabe aber der Provenienz aus einem Lande: „de partibus“ mit dem Namen desselben resp. der Provinz. Ferner vermerkt Milanesi nirgends die Quelle für seine Beispiele, und damit werden seine Zeugnisse werthlos. Bei einzelnen vermuthe ich die Documenti Sanesi (z. B. Ramus filius Paganelli de partibus ultramontanis a. 1281 Nr. 14); de partibus Hungarie mag vielleicht aus dem Beginn des 15. Jahrh. stammen (Zeiten des Pippo Spano, Masolino etc.). Im Florentin. Staatsarchive liegen viele Urkunden über die Italienisch-Ungarischen Beziehungen. – 4. Im concreten Falle beweise „de Apulia“ ohne Zusatz eine Ortschaft „non può, nè deve voler indicare che un paese, una terra di questo nome, e non mai la Puglia“. La quale, se egli avesse inteso di nominare, avrebbelo fatto adoperando la solita formula in genere „de partibus Apulie“ etc. Und ferner beweise dieser Ausdruck de Apulia gerade die Existenz dieses Ortes in Toscana (in Siena ist ja der Contract abgefasst), sonst hätte der Notar eine nähere Bezeichnung gewählt. Als ob in Siena wenige Jahre nach der Arbiaschlacht das südliche Apulien, woher bis vor kurzem die Ghibellinen Toscanas nachdrücklichst unterstützt waren, nicht ebenso gut bekannt gewesen wäre als ein obscures Nest bei Lucca oder Arezzo! Milanesi meint, „chi ha maneggiato scritture antiche“ würde seine Ausführungen für „verissime“ halten. Nun ich habe in den Italienischen Archiven, besonders in denen Toscanas, eine Unzahl alter Acten in den Fingern gehabt, aber ein solcher Sprachgebrauch ist mir mein Lebtag noch nicht vorgekommen. In der Anmerkung[5] [360] habe ich eine Reihe von Fällen aufgezählt (sie zu vermehren, wäre leicht, aber Zeitvergeudung), wo die Provenienz aus ausseritalischen [361] Ländern, dann aus entfernteren Gegenden Italiens (ad 2. 3.) mit de und dem Namen, ohne Zusatz von de partibus verzeichnet ist. Und [362] wiederum kenne ich Beispiele, wonach bei Stadt- und Ortsnamen, trotzdem das Instrument in derselben Provinz abgefasst ist, (ad 1), eine nähere Bemerkung wie de civitate steht. Eine wissenschaftliche Untersuchung über den Toscanischen Notariatsstil, worauf sich Milanesi berufen zu wollen scheint, wäre höchst erfreulich – è ormai provato per tante scritture etc. –; aber Milanesi hat sich leider nicht um die Darlegung der Sprache, Formeln und Gewohnheiten Toscanischer Notare bemüht, trotz der Fülle des Materiales, das ihm zu Gebote stand. Wohl aber habe ich mir ein wenig den Sprachgebrauch in Urkunden aus jenem Jahrhundert angesehen und betone, dass ich bestimmte Regeln in der Beziehung nicht gefunden habe, dass entsprechend dem Zustande der Sprache vor Dante in den Formen und Redewendungen Freiheit herrschte.

Mit solchen Regeln ausgerüstet und mit Hilfe von Repetti’s Dizionario geografico etc. della Toscana t. I p. 102, IV p. 678 hat Milanesi sogar zwei Ortschaften in Toscana gefunden, „detti nelle vecchie carte latine Apulia, ed oggi volgarmente Puglia o Pulia“: das eine im Territorium von Arezzo und das andere nel suburbio di Lucca[6]. Ohne Weiteres entscheidet er sich für Apulia bei Lucca, als den richtigen Geburtsort Nicola’s: „E di quest’ ultimo noi abbiamo buone ragioni per credere che parli il citato strumento.“ Leider führt er diese guten Gründe nicht an. Was hat denn Apulia oder vielmehr Pulia bei Arezzo gethan, dass es einfach bei Seite geschoben wird? Mag Arezzo für die Toscanische Kunst nicht von der Bedeutung gewesen sein wie Pisa, Lucca, Siena, Pistoja etc.; warum kann Nicola Pisano [363] trotzdem nicht daher gekommen sein? Wenn Bildhauer wie Gruamons, Adodat, Robertus und wie die schwächlichen scarpellini Pistojas und Luccas heissen mögen, vermöge einer eigentlichen „kunsthistorischen Methode“ zu Nicola’s Vorläufern gemacht werden, so sehe ich nicht ein, warum nicht auch einmal auf Grund einer anderen eigentlichen kunsthistorischen Methode, etwa via Madonnenstatue des Presbyters Martinus aus Borgo San Sepolcro (in Berlin), Reliefs an und in der Pieve von Arezzo etc., dieses Experiment mit Pulia Aretina und Arezzo selbst vorgenommen werden kann? Diese Ortschaft hiess aber, wie es scheint, Pulia (über die Betonung bin ich mir nicht klar) und wird als castrum in einer Urkunde von 1149 charakterisirt[7].

Aber zugegeben, Pulia bei Lucca komme allein in Betracht. Repetti’s Angaben bestehen aus Wahrem und Falschem. Er nennt richtig Pulia eine contrada – Gegend, Terrain. Daraus wird bei Milanesi un paese, dann un villaggio di Puglia; bei Schmarsow ein Flecken aus vier Gemeinden[8]. Davon steht bei Repetti kein Wort. Repetti irrt aber hinsichtlich des Namens der Contrada und darin, dass vier Kirchspiele nach diesem Terrain benannt worden seien. Wäre das richtig, dann hätte, da Nicola doch nur in einem wohnen konnte, [364] der Name der betr. Parrochie jedenfalls hinzugesetzt werden müssen, wie ja dies die Pisaner Notare selbst bei Pisa thaten. Richtig ist, dass die Contrada (Gegend, Terrain, Acker, Wiese, Campagna oder wie man es nennen will) Pulìa im südlichen Suburbio von Lucca liegt. Eben diese Vorstadt Luccas dehnte sich, einstweilen ohne bestimmte Grenze, über das Pulia genannte Feld aus, wie die Borghi von Florenz, z. B. derjenige vor der Porta degli Spadai über den sogen. Caffaggio (Loggia de’ Lanzi p. 75 ff.), Berlin über den Wedding (um ein Beispiel aus der Neuzeit heranzuziehen). Aber ich vermag nicht zu glauben, dass in der Vorstadt Luccas selbst sich eine selbständige Gemeinde befinden soll. Und gehörte Pulìa zu einem Suburbium Luccas, hätte dann nicht vielmehr der Notar einer fremden Stadt für den Borgo und die volksthümliche Benennung eines Stückes desselben grade nach Milanesi’s Regel den Namen der Stadt Lucca allein oder als Zusatz zu „de Apulia“, eben „per meglio dichiararlo e per fuggire ogni equivoco“ (in Bezug auf den ducatus Apuliae) hinzufügen müssen? In den Doc. Lucchesi begegnen viele Sondernamen, stets wird aber, handelt es sich um die Bestimmung der Oertlichkeit, der Name der Comune Lucca dabei vermerkt[9].

Pulìa Lucchese wird nicht eben häufig in Urkunden erwähnt[10]. [365] Es war keine selbständige Gemeinde, auch kein Flecken, der durch eine Art von Synoikismus von vier Gemeinden gebildet wurde (Schmarsow), vielmehr ein Abschnitt der seit dem 13. Jahrh. in Lucca incorporirten Contrada Sta. Maria Forisportam und gehörte kirchlich wie noch heute zu St. Concordio. Dieses Stück Pulìa, auf dem, soweit es der sumpfige Boden der Gegend gestattete, einige Anwohner und Gehöfte sich befinden mochten (daher Barucottuli vir devotus de Apulia a. 747; Manus Sichiperti dapolia a. 789), war aber ausserhalb der Mauern an der Südseite der Stadt geblieben. Und zwar lag es in der ältesten Zeit (der Name mag lange vor 729 bestanden haben, vielleicht schon vor der Einwanderung der Langobarden, zur Gothenzeit) wohl mehr in grösserer Entfernung vor den Stadtmauern, die im Laufe der Jahrhunderte sich immer weiter vorschoben und allmählich Stücke dieses Terrains occupirten. Und daher wiederum in den für uns ältesten Lucchesischen Acten „de Apulia“ zur Bezeichnung der Provenienz von Zeugen, deren Wohnstätten sich damals auf dem Terrain Pulìa befinden mochten. Das hörte aber bald auf, und zur Zeit Nicola’s war Pulìa bedeutungslos.

Der Name der Contrada ist nach den Documenten zweimal Apulia (in den beiden ältesten Urkunden), einmal Dapolia (d’apolia oder da Polia?), am häufigsten Pulia. Und bezeichnend wiederum ist, dass in der ältesten Zeit die Form noch schwankt. Eben die lingua volgare ist noch im Werden. Der Process der Sprachbildung ist aber, was das Wort Pulia betrifft, zu Ende des 10. Jahrh. abgeschlossen. Von nun an wird nur Pulia geschrieben und Pulìa gesprochen. Das ist auch die amtliche Bezeichnung in den officiellen Luccheser Katastern von 1331 und 1412. Lautet aber die Form Pulia, so ist, wie jeder Romanist weiss, Apulia mit Betonung der Antepenultima unmöglich. Diese Accentuirung bewirkt nach Wegwerfung der Vorsatzsilbe die Mouillirung resp. Verdoppelung des l; also Puglia, franz. Pouille, mhd. Pülle (das i der vorletzten Silbe tritt in die vorangehende und bewirkt Umlautung des u zu ü; so z. B. bei Walther von der Vogelweide ed. Lachmann I, 28 von Rôme vogt, von Pülle künec; – püllisch, apulisch). Damit ist bewiesen, dass de Apulia in der Urkunde von 1265/66 nicht mit Pulia von Lucca identisch ist, und ebenso bezweifle ich auch die Form Pullia neben Pulia bei Arezzo. Die heutige Aussprache ist Pulìa, mit dem Accent auf dem i. Dieser Umstand, und dass die Form Puglia unbelegbar ist, bezeugt, dass zu [366] allen Zeiten Pulìa betont wurde und ebenso Apulìa (A-pu-lì-a); und damit erklärt sich die schnelle Apokope der ersten Silbe (A), die bedeutungs- und wirkungslos wurde. Ob Apulìa überhaupt älter ist, und nicht vielmehr Pulìa, lässt sich bei dem Mangel an Belegen nicht ermitteln. Wie das A in Apulia zu erklären ist, weiss ich nicht. Jedenfalls fand keine Formübertragung statt, von dem Apulia Süditaliens etwa her; denn die betonte Penultima liesse ja dies nicht zu. Am plausibelsten erschiene mir die Annahme, dass die ursprüngliche Präposition a mit dem Substantiv wie so oft zu einem Worte verwachsen ist. Doch mache ich darauf aufmerksam, dass mir in Luccheser Urkunden öfters sowohl die Existenz wie auch der Schwund des A im Anfang von Ortsnamen begegnet ist: z. B. Apuniano (a. 821. Bd. IV. 2. p. 26) wird Puniano [Pugnano] (a. 900. V. 2. p. 645) [so noch oft]; Apuliciano (a Pulic.) (a. 983. V. 3. p. 465) – Puliciano.

Soweit war die Untersuchung über Sinn und Form des Namens mit den mir zu Gebote stehenden Mitteln gediehen, als ich mich an den Herrn Bürgermeister von Lucca, Cavaliere di Carlo, mit der Bitte um Mittheilung des Pulìa vor Lucca betreffenden, amtlichen Materiales wandte. Meinem Gesuche entsprach der Herr Sindaco in der liebenswürdigsten Weise, indem er mir durch den auf dem Gebiete der Luccheser Geschichte mit Recht als Autorität geltenden Archivdirector von Lucca, Professor Bongi, ein ausführliches Schreiben sandte. Ich lasse das Schriftstück dieses ausgezeichneten Gelehrten, das in vielen Punkten meine eigenen Forschungen bestätigt, in anderen erweitert, in den wichtigsten Partien hier unten folgen[11]. Zu [367] gleicher Zeit sandte mir Herr Bongi die Abschrift der im Estimo von 1331/32 enthaltenen Beschreibung, dann den nach amtlicher Aufnahme bewirkten Situationsplan (in Farben, im Verhältnisse von 1:5000) des braccio und endlich eine Reihe von Durchzeichnungen des Wortes Pulìa (resp. Apulia) nach den ältesten Urkunden des archivio dell’ Arcivescovado und des archivio di Stato di Lucca. Alle diese Documente, für deren mühevolle Anfertigung ich Prof. Bongi und Cav. di Carlo meinen wärmsten Dank hier erneuere, stehen meinen verehrten Herren Fachcollegen bei mir behufs Einsicht und Prüfung zur Disposition.

Zum Schlusse möchte ich eine Hypothese über die Herkunft des Wortes Pulìa den Fachgenossen zur freundlichen Begutachtung unterbreiten. Repetti (auch Prof. Bongi neigt dazu) bringt Pulìa mit den „acque che pullulano dal suolo“ zusammen. Das befriedigt in keiner Weise. Ich schlage die Ableitung von palus, Sumpf vor, die mit Rücksicht auf die Beschaffenheit des Terrains recht passen würde – ahd. pful; mhd. phuol; ags. pol und pul; (got. fuls [Joh. ev. 11. 13], stinkend, als Adjectiv, gehört wohl dazu?) immer mit langem Vocal. (Graff. ahd. Sp. III. p. 332.) Man müsste annehmen, dass die Langobarden oder überhaupt die Reste von Germanen, die in Toscana sassen, auf die Bildung dieses Wortes wie so vieler anderer Einfluss geübt hätten. Die Verdumpfung des Vocales a zu o (dapolia), dann zu u würde erklärlich sein. Nur das p in Pulia erregt bei meinem Erklärungsversuche Anstoss. Man erwartete mit Rücksicht auf die doppelte Lautverschiebung im Langobardischen Pf oder f. Vielleicht dass sich trotzdem die Tenuis P durch das herrschende Latein (palus), [368] oder weil pf von romanischem Munde schwer zu sprechen war, erhalten hätte? Wer ist im Stande, grade bei derartigen Localnamen den Bildungsprocess immer klar zu verfolgen. In Luccheser Urkunden begegnet mehrmals Pulinio (casa mea massaricia quem abeo in loco P – a. 807. V. 2. p. 208), in ipso loco Polinio (a. 810, 830. IV. 2. p. 16, 30) etc. steckt in dem Worte dieselbe Wurzel wie in Pulia?

Aus der vorstehenden Untersuchung ergeben sich folgende Resultate: 1. Milanesi’s Hypothese von einem villaggio Puglia bei Lucca als Geburtsort Nicola’s Pisano ist hinfällig. Nic. Pis. stammt nicht aus dem Sumpfterrain im Süden Luccas. 2. de Apulia in der Sienesischen Urkunde bedeutet das Süditalienische Apulien, und dort war auch die Heimath des Künstlers. Aus der Staufischen Kunst und Cultur des Südens ist der Meister hervorgegangen, nicht gerade als ihr vollkommenster, vielmehr als ein in Decadenz befindlicher Vertreter, dessen Kunstweise bereits zur Manier wurde. Und dieser Zusammenhang lässt sich, wie ich versuchen werde, auch durch Denkmäler nachweisen. Zum Schlusse möchte ich die Versicherung aussprechen, dass mir persönlich höchst gleichgültig ist, woher Nicola Pisano stammt. Ich werde keinen Augenblick zögern, sogar Nicola’s künstlerische Abkunft aus Toscana anzunehmen, falls mir dafür ein vollgültiger wissenschaftlicher Beweis erbracht wird. Bis dahin halte ich an der Annahme fest, Nicola Pisano sei ein nach Pisa versetzter Apulier gewesen. Mein verehrter College in Breslau aber hätte das, was ich in dieser Entgegnung ausgeführt habe, selbst eruiren müssen, ehe er sein Buch voller Irrthümer und unhaltbarer Hypothesen in die Welt sandte und mich öffentlich tadelte.

C. Frey.     


Replik. Herr Professor Frey hat darin vollkommen recht, die von mir erwähnten Belege für die Existenz eines Ortes Apulia bei Lucca seien oberflächlich zusammengerafft. Etwas Selbständiges damit zu leisten oder gar über die bekannte Literatur hinauszugehen, lag gar nicht in meiner Absicht, sonst hätte ich mich ja auch nur an den Sindaco von Lucca oder an Bongi wenden können, den ich als beste Quelle genannt und dem Prof. Frey seine wichtigsten Aufschlüsse jetzt verdankt. Mein Zweck war nur darzuthun, dass sein Ausspruch, eine Ortschaft Puglia bei Lucca habe nie existirt, mit einer Reihe von Zeugnissen, die man nicht so einfach ignoriren könne, in Widerstreit gerathe. Wenn er die Flüchtigkeit in Nebendingen ausbeutet, um Richtigstellungen vorzubringen, welche die eigentliche Frage gar nicht berühren, so lenkt er damit die Aufmerksamkeit nur vom Wichtigsten ab und charakterisirt unwillkürlich sein Verfahren [369] ebenso, wie durch die ausserordentlich ehrenvollen Seitenhiebe gegen meine „Gelegenheitsschrift“ über Donatello und den ersten Band meiner unbequemen „Italienischen Forschungen“. Nur ein einziger der acht Paragraphen seiner ersten Antwort geht auf die Sache ein, derentwegen ich bei ihm angepocht. Und dieser einzige sachlich hierher gehörige Satz Nr. 8 enthält den vollgültigen Beweis, dass die von mir angezweifelte Behauptung auf nichts als Silbenstecherei hinausläuft, d. h. gerade das, was ich einzig und allein auf seinen Angriff gegen Bode ihm vorrücken wollte.

Er meint, ich kenne nicht einmal den Namen der Ortschaft, da bei mir Apulia, Pulia und Puglia durcheinander gehen. Ich habe absichtlich diese drei Schreibweisen nebeneinander gebraucht, weil sie so in unsere kunsthistorische Literatur übergegangen und so bei den Italienern (Repetti, Milanesi) vorkommen, die ich in der Orthographie ihrer heimischen Ortsnamen zu verbessern mir nicht anmasse und weil die Möglichkeit eines wenn auch irrthümlichen Wechsels in der Betonung bei den modernen Italienern nicht ausgeschlossen schien. Dass Puglia modern ist, weiss Jedermann, wie dass Apulia lateinisch sein will, gleich gut ob Apúlia oder Apulía (aus vulgär „a pulía“) betont worden. Die Form Pulia bleibt für das Mittelalter. Dass aber für modernes Puglia die mittelalterliche Schreibung Pulia sprachlich unmöglich sei, wie Prof. Frey will, glaube ich nicht: ich erinnere nur an „agulia = guglia“ für den Vaticanischen Obelisken in den Mirabilia Romae (ed. Parthey). Da die Betonung des Lucchesischen Vorortes Pulìa feststeht, wie übrigens ausdrücklich auch in den Memorie Lucchesi IV, 1. p. 162 bemerkt wird, so ist die Schreibung Puglia falsch. Mir scheint aber, Prof. Frey selbst wirft neuerdings wieder beides durcheinander, indem er die etymologische Erklärung aus ahd. pful, ags. pol, pul (palus) vorschlägt, die sich mit der Betonung auf dem i wohl schwer verträgt. Doch das sind schon Allotria, welche er seinen Fachgenossen anbietet; mich gehen sie nichts an.

Muss aber der Lucchesische Name Pulía, also auch latinisirt Apulía gesprochen werden, so folgt vor allen Dingen, dass Frey’s Ausspruch gegen Bode und Tschudi falsch formulirt war, da der von ihm getadelte Irrthum nur auf Orthographie, ja auf Betonung allein hinauskommt. Seine Verbesserung durfte nur besagen: „der fragliche Ort bei Lucca heisst nicht Puglia, sondern Pulía“. Prof. Frey dagegen gab ihm die Fassung: „eine Ortschaft Puglia hat niemals existirt“, und macht so die Leser glauben, die Verfasser des Berliner Katalogs hätten sich durch eine völlig aus der Luft gegriffene localpatriotische Erdichtung von Milanesi wer weiss wie düpiren lassen! Diese Uebertreibung des Sachverhalts durch irreführende Ausdrucksweise [370] ist es gerade, was ich nicht billigen konnte, und desshalb habe ich Prof. Frey durch die erstaunte Frage, ob er denn die Reihe von Urkunden, welche die Existenz des Ortes ausser Zweifel stellen, gar nicht kenne, dazu veranlassen wollen, seinen so ohne alle nähere Begründung decretirten Tadel wieder auszugleichen. Jetzt, da er aufs neue erklärt hat, seinen Ausspruch weder zurückziehen noch modificiren zu wollen, muss ich ihm sagen, dass es ihm überhaupt nicht ansteht, verdiente Forscher wie Bode in dieser Weise zu discreditiren, zumal in einer historischen Zeitschrift, wo naturgemäss die ausserordentlichen Leistungen auf dem Gebiete der eigentlichen Kunstforschung gar nicht wie in kunstgeschichtlichen Fachorganen gewürdigt werden können. Missliebige Bemängelungen, wie sie sonst in seiner Anzeige des Berliner Katalogs enthalten sind, ohne gewissenhafte Motivirung aufzutischen, bringt nur ihn selber in Verdacht, während es ihm doch sehr darauf ankommen muss, sich als wirklichen Fachgenossen, d. h. als Kunsthistoriker zu legitimiren. Wenn unsere Museumsbeamten auf die archivalischen Hilfsquellen so viel Zeit verwenden könnten wie Prof. Frey, so würde er selbst ja der Erste sein, der dadurch überflüssig würde.

Darnach wäre das, was ich mit Herrn Prof. Frey zu thun hatte, eigentlich erledigt. Nur weil ich einmal anstandshalber für eine Sache eingetreten bin, die wenigstens bis zu einem gewissen Grade inzwischen auch die meine geworden, will ich noch antworten, soweit die angeregte Frage auch den Kunsthistoriker interessirt. Dagegen muss ich es von vornherein ablehnen, ich hätte die Pflicht gehabt, das Material, das Prof. Frey jetzt mit Hilfe der Italiener, die er sonst so gern schulmeistert, über Pulia bei Lucca beigebracht hat, selber zu eruiren. Dazu hat bei meinem sonstigen Standpunkt in der Pisanofrage diese Specialität aus der mittelalterlichen Topographie zu wenig Bedeutung.

Er sagt mir: »dass das „älteste“ Document, welches „die Ortschaft Apulia bei Lucca überliefert“ aus dem Jahre 747 stammt, ist falsch! Ich kenne ein früheres von 729«. – In diesem früheren Schriftstück (Memorie Lucchesi IV, 1 Append. Nr. XXXVII) kommt aber die Ortschaft Apulia nicht als Heimathsbezeichnung bei einer Person vor, wie wir sie zur Analogie für das „magister Nicolaus Petri de Apulia“ in dem Sieneser Actenstück suchen. Um anderes handelt es sich ja zwischen uns garnicht. Das älteste für uns verwerthbare Document bleibt also das von mir hervorgehobene von 747, wo die Unterschrift „signum † ms. Barucottuli v. d. de Apulia“ wegen des ganzen Inhaltes nur auf den Vorort Luccas bezogen werden kann, und Frey’s Belehrung war Vorwitz.

[371] Durch dies Document ist die Anwendung der Heimathsbezeichnung „de Apulia“ für Pulía bei Lucca erwiesen und Prof. Frey wird darüber mit wohlfeilen Scherzen, die daraus ein Sumpfnest machen sollen, nicht hinwegkommen, und ebenso wenig mit der unbewiesenen Behauptung, zur Zeit Nicola Pisano’s habe der Ort so völlig seine Bedeutung verloren, dass es zur Herkunftsbezeichnung allein überhaupt nicht mehr gebraucht werden konnte. Die einzige Frage wäre, wie weit dies ausserhalb Luccas geschehen mochte? Und hierfür kommt sicher der besondere Fall in Betracht, ob es sich in der Personalangabe darum handelt, einen von auswärts gebürtigen Mann möglichst genau zu bezeichnen, so dass Identificirung, Rückverfolgung bis in die Heimath u. dgl. möglich sei, oder aber um einen nebensächlichen Zusatz, der für die bürgerliche Zugehörigkeit nichts Werthvolles mehr beibringt. Im ersten Fall wird man ausserhalb Luccas bei der Angabe de Apulia einen näheren Zusatz zur Bezeichnung der Stadtangehörigkeit erwarten, im zweiten Fall, wo es sich, wie bei Niccolò Pisano in Siena, nur um die Herkunft, nicht um Heimathsberechtigung handelt, ist Derartiges ganz überflüssig[12].

Auf Grund dieses Documentes von 747 habe ich mich wie andere Forscher berechtigt geglaubt, eine Reihe von anderen Bezeichnungen „de Apulia“, welche in Urkunden dieser Gegend, d. h. in Lucca oder in der Nachbarschaft: Pisa, Siena vorkommen, auf die nächstgelegene kleine Ortschaft zu beziehen und lese sie Apulía, bis zwingend erwiesen wird, dass Apulien gemeint ist.

Hierher gehört das von mir erwähnte Lucchesische Document vom Jahre 1124, wo der Streit des Bischofs Andrea von Luni (nicht Lucca, wie sogar Prof. Frey mir nachgeschrieben) mit den Markgrafen Malaspina und Wilielmus Franciscus durch ein Schiedsgericht in S. Alessandro zu Lucca geschlichtet wird. Hier ist „Wilielmus de Apulia“ allerdings der Advocat der Markgrafen, steht aber auf ihrer Seite unter lauter Norditalienern (aus Lavagna, Tertona, Arcole, Bojano u. s. w.) und die Versicherung Prof. Frey’s, „er stammte aus Apulien“ nicht aus Pulía bei Lucca, ist wieder eine von seinen Behauptungen, die gar nicht bewiesen, – ja kaum, wie er sich selbst hernach verbessert, wahrscheinlich gemacht wird, wenn er erinnert, dass ein ganz anderer Markgraf, Hugo von Este, eine Tochter Robert Guiscard’s zur Gemahlin hatte. Der Advocat braucht garnicht zum [372] ständigen Gefolge der Markgrafen gehört zu haben, sondern kann ad hoc in Lucca angenommen sein, da man die ganze Sache der Entscheidung „der mächtigen Stadt, des Hauptes von Toscana“ anheimstellt.

Hierher gehört ferner das Gutachten des Azone von 1205, das, nach Pisanischem Kalender datirt, wohl zweifellos auf Pisanischem Gebiet verfasst ist und sich auf eine ganz locale Streitigkeit zwischen der Badia di Settimo bei Florenz und S. Andrea di Mosciano bezieht. Hier steht neben Rambertino di Geremia di Rambertino (aus Bologna) und dem Priester Jacobus, Canonicus von Prata (Maremme?) und Magister Gregorius aus Florenz auch ein „Simon de Apulia“. Die Herausgeber des Gutachtens, L. Chiappelli und L. Zdekauer (Bologna 1888) erklären diesen Zeugen für gebürtig aus Pulia bei Lucca. Prof. Frey gründet erst eine Colonie von Apuliern in Pisa, um, im Gegensatz zu den Pistojesischen Localforschern, auch hier das Süditalienische Königreich verstehen zu können.

Mich geht nur das Actenstück an, das sich auf den Bildhauer Nicola Pisano bezieht. Es ist unterm 11. Mai 1265/6 vom Sienesischen Notar Hugo Ciani für die Domverwaltung in Siena geschrieben und enthält nach Milanesi’s Publication (Docc. per la storia dell’arte senese I, 149) die Worte: „frater Melanus – – – requisivit magistrum Nicholaum Pietri de Apulia, quod ipse faceret et curaret – – –“. In allen übrigen, demselben Zuge angehörigen Vermerken wird Nicolaus als Pisaner bezeichnet. So am 5. Oct. 1266 zu Pisa „magister Niccolus lapidum de paroccia ecclesie sancti Blasii de ponte de Pisis, quondam Petri, convenit – – –“ (S. 145) und am 26. Juli 1267 resp. 6. Nov. 1268 schreibt er sich zu Siena dreimal (S. 150 ff.): „Ego magister Niccholus olim Petri, lapidum de Pissis“.

Es ist also durch die Mehrzahl dieser Urkunden wie auch durch andere Zeugnisse vollkommen festgestellt, dass Niccolò di Pietro damals Pisaner Bürger war, und wenn in dem einen Fall der Notar Hugo Ciani den Zusatz „Pietri de Apulia“ beifügt, so dient das nur noch zur näheren Bezeichnung des Vaters und hat keine Absicht mehr auf juristische Ortsangehörigkeit. Ich habe es immer für vorsichtiger gehalten, die Stelle auch nur auf den Vater zu beziehen und deshalb nur vom Stammort Niccolò Pisanos, nicht von seiner Heimath oder seinem Geburtsort gesprochen. Diese Ansicht theilt auch der verdiente Fachmann Tanfani-Centofanti in seinem inzwischen erschienenen Artikel „Della patria di Niccola pisano“ in Lettere e Arti (Bologna 1890 Nr. 12), in dem er aus dem Archiv von Pistoja (Libro Miscell. XXIV. a. c. 196) die Lesung des Originalpergaments von 1272 mittheilt: „Magister Nichola pisanus filius [373] quondam Petri de – – – [Lücke]“ und 1273: „Magistro Nichole quondam Petri de cappella sancti Blasii pisa – – –“.

Prof. Frey sieht in der Sieneser Urkunde wieder Apulien und betrachtet es als Geburtsland des Nicola selber. Da wir nicht wissen, wie der Zusatz „de Apulia“ betont wurde, ist nicht zu erweisen, dass der Notar am 11. Mai 1265 das Süditalienische Königreich hat bezeichnen wollen. Was wäre an sich dagegen, wenn der Steinmetzmeister Nicolaus von Pisa als Herkunft seines Vaters „dapolía“ angegeben und der Notar die Laute nicht besser in sein Amtslatein zu bringen gewusst, als durch „Pietri de Apulia“, wobei er sich beim Taufnamen noch nach dem Klang der Vulgärsprache verschrieb? Mir scheint, Prof. Frey bat allzu kühn und allzu zuversichtlich seine ganze Thesis auf die Kürze eines i gebaut. Für mich dagegen hat die Frage viel weniger Bedeutung, da ich den Zusatz nur auf den Vater beziehe. Das schliesst ja nicht aus, dass Niccolò noch an dem früheren Wohnsitz des Vaters, von dessen Stand wir nichts wissen, zur Welt gekommen sei. Aber die Bedeutung für seine künstlerische Herkunft und seine technische Schulung bleibt sehr problematisch, mag nun Pulía bei Lucca als nächstgelegenes Oertchen oder das ferne Reich Apulien dafür in Anspruch zu nehmen sein. Der Kunsthistoriker hat die Erklärung von Niccolò’s Können zunächst im Umkreis der Pfarrei St. Blasien an der Brücke zu Pisa aufzusuchen.

Fr.’s Einleitung zu seinem letzten Artikel spiegelt dem Leser eine völlig in der Luft schwebende Fata Morgana vor. Und seine Behauptung: „In dem plastischen Schmuck (der Kanzel zu Pisa) offenbaren sich Stil wie Technik, die nur an die Antike erinnern, mit Rücksicht auf die gleichzeitigen wie früheren Denkmäler Toscanas völlig neu erscheinen“ – ist eben die willkürlichste Vorwegnahme, für die wir Kunsthistoriker erst „einen vollgültigen wissenschaftlichen Beweis“ verlangen, aber aus Denkmälern nicht aus Archivalien. Erst wenn die Erklärung aus mittelalterlicher Localschule und Antiken-Nachahmung in Pisa nicht möglich ist, darf weitere Umschau gehalten werden. Der Weg Frey’s ist unmethodisch und gerade das, was ich unter einer „leichtfertigen Erneuerung der Crowe’schen Hypothese“ verstehe.

Geht Herr Prof. Frey dann noch weiter und sagt, die archivalische Notiz aus Siena habe auf meine Darstellung der Anfänge der Toscanischen Sculptur im Mittelalter, wie ich sie im „S. Martin von Lucca“ zu geben versucht, bestimmenden Einfluss gehabt; ich sei wohl gar durch „Milanesi’s Entdeckung“ erst zu den Resultaten meiner Arbeit gelangt, so irrt er doch gründlich. Er bezeichnet das, was ich daraus gewonnen oder daraus gemacht, unrichtig als Hypothese. [374] Es ist keine anfängliche Voraussetzung, welche meine Auffassung und Erklärung der Denkmäler bestimmt, sondern ein Postulat, eine letzte, über die methodische Behandlung des Materiales hinausgreifende Forderung, welche sich durch den zwingenden Zusammenhang der Denkmälerreihe aufdrängte. Es war ein Versuch zur Erklärung der persönlichen Beziehungen, der ausgesprochen wurde, weil sich die Daten dazu von allen Seiten anzubieten schienen, und weil, falls ich diesen Schluss nicht angedeutet hätte, gewiss liebenswürdige Kritiker nicht verfehlt hätten, diese „ganz neue Lösung“ für sich aufzufinden, ungefähr wie Prof. Frey seine Erklärung für Pulía aus palus nach Bongi’s Vorschlag „dal terreno paludoso del Serchio“. Sonst habe ich in meinem Buche ausdrücklich betont, wie wenig Gewicht ich auf diese Combination lege, „welche den Gegensatz seiner Kunst zu den früheren Sculpturen des Domes (zu Lucca) nur noch auffallender erscheinen lasse“ (S. 137). Wie objectiv ich der ganzen Streitfrage gegenüber stehe, bezeugt wohl die Thatsache, dass ich gelegentlich Material für die Apulische Hypothese beigebracht (Melozzo da Forlì S. 374) und die Art, wie ich die Sculpturen am Pisaner Baptisterium besprochen habe, aus der sogar Frey’s Apulische Colonie in Pisa erwachsen könnte! Gegen die entstellende Ausdrucksweise, wie Prof. Frey meinen Standpunkt zu charakterisiren versucht, muss ich kurzweg protestiren. Man wird fast genöthigt anzunehmen, dass Prof. Frey nicht im Stande ist, fremde Ansichten correct wiederzugeben.

Seine Behauptung, die Streitfrage nach der künstlerischen Herkunft Nicola Pisanos sei von der nach seinem „Geburtsort“ nicht zu trennen[13], beweist nur, dass er den Sinn meines ganzen Buches gar nicht begriffen hat, oder dass er, völlig unzugänglich für die Sprache der Denkmäler, auf dem veralteten Standpunkt stehen geblieben ist, als liesse sich die Geschichte einer Kunst aus archivalischen Notizen construiren. Jetzt verspricht er freilich den Zusammenhang Niccolo’s mit Süditalien auch durch die Denkmäler nachzuweisen; aber die bisherigen Proben seiner Behandlung von Denkmälern erwecken leider wenig Hoffnung auf befriedigende Erfüllung dieses Versprechens, und er wird sich nicht der Täuschung hingeben, dass er allein diese Denkmäler kenne.

Das Einzige, worauf es für die Kunstgeschichte ankommen kann, wäre eine sorgfältige und ausgiebige Würdigung der bildnerischen [375] Denkmäler Süditaliens, so dass sie durch sich selbst den Toscanischen und Norditalienischen gegenübertreten. Nur auf diesem Wege kann die veraltete Pisanofrage dazu führen, unsere Gesammtansicht der mittelalterlichen Kunst Italiens und ihres Zusammenhangs mit den Nachbarn zu berichtigen und die Ansprüche der verschiedenen Länder auszugleichen.

A. Schmarsow.     


Den vorstehenden Bemerkungen habe ich nichts Sachliches entnehmen können. Auf Persönliches mag ich nicht antworten. Meine Ausführungen, weil unwiderlegt, halte ich im vollsten Umfange aufrecht.

Prof. Dr. C. Frey.     

Anmerkungen

  1. Ein näheres Eingehen auf die kunsthistorische Seite der Frage wurde mir durch die Redaction abgeschnitten; ich muss dafür nun auf mein Buch über die Stauferkunst, an dem ich arbeite, verweisen. Die oben folgenden Bemerkungen sollen nur andeuten, in welchen wichtigen Zusammenhang die an sich so unbedeutende Frage, ob ein Ort Apulia (Pulìa) bei Lucca existirt habe, und ob dorther Nicola Pisano stamme, eingreift.
  2. In Pisa mag eine Kolonie Apulier bestanden haben, wie sich umgekehrt in den Städten der Ostküste Italiens Pisaner angesiedelt hatten. Daher das Vorkommen von Apuliern in Pisanischen Urkunden, z. B. eines Simone de Apulia a. 1205 im consilium Azzone’s (ed. Zdekauer e Chiappelli).
  3. Diese Stelle etwa durch die Annahme eines vom Notar Ugone del fu Ciano verschuldeten Schreibfehlers beseitigen zu wollen, wozu, wie ich weiss, Neigung besteht, geht nicht an. Ich habe die Urkunde wiederholt eingesehen und werde demnächst das ganze auf Nicola Pis. bezügliche Urkundenmaterial, da Milanesi’s Abdruck desselben sachlich wie formal ungenau ist, mit ausführlichem Commentar veröffentlichen. Bei anderer Datirung und Interpretation der Contracte möchte das Bild von der Thätigkeit Nicola’s ein anderes Aussehen erhalten.
  4. Vas. I p. 321 ff. „Noi sappiamo benissimo che col restituire ad un oscuro villaggio Lucchese la gloria di essere stato la culla di questo famosissimo artefice – facciamo cosa che a’ Pisani dispiacerà grandemente.“ Es ist auch dagegen protestirt worden, z. B. jüngst noch vom Archivdirector zu Pisa, Tanfani.
  5. Nur einige Beispiele können hier gegeben werden. In Lateinischen Chroniken und Annalen begegnen: Taxilo dux de Bawaria (a. 781. Mon. Germ. SS. I p. 16); Machelmum quendam de Baioaria (ib. p. 212; ferner p. 392; III p. 216); R. dux de Pannonia (I p. 47); Persa de Oriente, alter Saracenus de Africa (I p. 190); Aldulfus diaconus de ipsa Brittannia (I p. 195); Alcoinum de Brittannia (II p. 456); viros aut de Brittannia aut de Germania (II p. 289); aber auch nemo de Brittannia insula (II p. 291); Godofridi de Nordmannia (I p. 213); omnes leudes de Neuster et de Burgundia (I p. 287); de Austria (I p. 288); mulier quaedam de Alamanniae partibus (I p. 365) neben quidam de Alamannia (ib. p. 386); de Italia (I p. 392, 423, 425, 426); rex (R. ortus) de Francia (I p. 408, 410; II p. 232); de Ungaria (III p. 112); comes de Artois (a. 1248. IV p. 27); de Sabaudia (a. 1237. IV p. 26); Mahthilt de Longobardia (II p. 246); Th. abba de Sicilia (III p. 32): de Sicilia Nortmanni cuiusdam (III p. 134); synodus viginti episcoporum de Romania; de Tuscia et Italia (IV p. 768, 774); Henricus de Flandria (Giov. de Cerm. istit. stor. Ital. Nr. 2 p. 55). In speciell Toscanischen Annalenwerken: aliis episcopis de Tuscia (ann. Sen. Mon. Germ. SS. XIX p. 228. a. 1227) neben hominibus de Campillia, de Tetinano etc. (p. 229); de Alamannia (notae Pisanae ad a. 1148. XIX p. 266); aliis de Lonbardia (ann. Pisan. XIX p. 244. ad a. 1160); Guilielmi de Garfagnana (ib. p. 261); Ildebrandinus comes de Romania (ad a. 1289. Cron. di Sta. Cater. Pis. ed. Flor. 1848 p. 647); Rainerius de Greca (ib. p. 652). Ferner im Chronicon Patavinum (ed. Mur., Ant. IV.) D. Bern. Baronus de Tuscia potestas Paduanus (ad a. 1230. p. 1129); D. Simon Teatinus de Apulia potestas Paduae pro imperatore Frederico II. (ad a. 1238. p. 1134); – de Saxonia (a. 1289); D. Thebaldus Francisens de Apulia pot. Paduae per Imperatorem const. (v. a. 1240 bis a. 1243 p. 1135); danach D. Galvanus Lanza de Apulia (bis 1245); – de Turingia (p. 1137); — de Holandia (p. 1138); quodam de Apulia (ad a. 1249); de quadam domicella nobili de Apulia (p. 1139); de Alamannia (p. 1140) etc. etc. – In Urkunden und Gesetzen: de Bavaria, Saxonia, Carinthia, Istria (Mon. Germ. leg. II p. 66, 68, 101, 127. ad a. 1111, 1156, 1160); Atto Ficianus de Pergamo, de Brixia, de Lauda etc. neben dux de Saxonia, Austorico, Boioëria, Stira, Boëmia etc. (ib. p. 173 ff. Urkunde geschr. von einem Ital. Notar); comitis Rogerii de Apulia (p. 156); – de Apulia steht in der Urkunde, obwohl die engere Heimath des Grafen wohl bekannt war; ein Stück weiter heisst der Graf: Rogerii comitis Andriae (p. 159) oder Andrensis comes (p. 157); ebendort die generelle Bezeichnung: alios, qui sunt de partibus Lombardie; Johannis de Procida, de Itronto, de Ocrea etc. neben Petri Ruffi de Calabria (ad a. 1250. p. 359 f.); de Alost, de Wasia (p. 367. ad a. 1252); de Hassia (ad a. 1276. p. 408); aber vicarios generales in partibus Tusciae (ad a. 1281. p. 425); Guido de Flandria (ad a. 1309 ff. p. 494 f., 514, 516, 524); civitates de Tuscia et de Lombardia (ad a. 1312. p. 526) etc.; Gozo de Husbergen de Theotonia (ad a. 1312. Reumont Gesch. d. St. Rom II p. 1203); Huillard-Bréholles hist. dipl. Friderici II. bietet in den Zeugenreihen besonders eine Fülle von Beispielen; ich will hier nur einige davon mittheilen: de Apulia et Calabria – de Marsia (I, 18; I, 202; dann I p. 145, 220, 257, 381, 413, 447); fautores de Tuscia (I p. 750); barones de Theutonia et Apulia (II p. 53); (II, 179, 201, 289, 290, 662); Riccardus de Principatu (II p. 682; II p. 713, 775); homines tuos de Fogia, Civitate, Casali Novo, Sancto Severino (also Städte) et alios quosdam de Capitinata (III p. 245; IV p. 753, 834; V p. 27); nostri de Germania, de Thuscia (V p. 297) neben de Theutonie partibus (V p. 300) etc. etc. Domino Roffredo de Isola (doc. San. ad a. 1259/60. p. 142); 25 milites de Campania et 25 de Roma (Consulte fior. ed. Gherardi p. 14. ad a. 1279); regis de Aragona neben Duccio de Avessino (ib. p. 16); moneta parva de Tuschia (p. 28). In den Consulte noch zahlreiche Beispiele: Petrus de Calabria (ad a. 1248. doc. Lucch. I p. 215); Ildibrandus comes Palatinus de Tuscia (Mur., Ant. I p. 391 ad a. 1221) neben Gottifredus dux et marchio Tuscie (ib.) und D. Johannes Cayetani legatus in Tuscia (ib. III p. 264); also promiscue. Der Bildhauer Niccolo dell’ Area, der nach der Meinung Gualandi’s aus Bari gebürtig sein soll, heisst in einer Bologneser Urkunde (ed. Gual. 1844. ad a. 1469) Nicolaus quondam Antonii de partibus Apulie (1mal) und dann wieder Nicolao q. Antonii de Puglia (2mal). Allerdings ist auf dies Zeugniss bei Gualandi’s bekannter Unzuverlässigkeit kein Gewicht zu legen. Es bedürfte der Prüfung der Originale in Bologna. Die Beispiele kann ich noch bedeutend vermehren. – Ebenso inconstant ist die Ausdrucksweise bei Städten. Ich notirte aus den Docc. Sanesi: fabrica Sce. Marie de Senis (ad a. 1260 u. öfters; I p. 144, 145, 147 etc. etc.); Gorus q. Ciuti de Florentia (1271/72. p. 154); Domini Giliberti de Mariscottis de Senis (a. 1308. p. 166); Laurentius de Senis (p. 172. a. 1310); de Eugubio, de Fulgineo, de Pistorio, de Regio, de Massa, de Filina, de Tarano, de Amelia, de Reate, de Urbeveteri etc. (a. O. p. 197, 214, 222, 228, 246. Consulte p. 3, 20, 23 etc.); daneben Johannes (Giov. Pisano) – qui fuit de ciuitate Pisana (a. 1287/88. p. 163); operarius operis Sce. Marie civitatis Senarum (p. 166. a. 1308); sapientes viros de civitate Senarum (p. 175. a. 1310. p. 246); de civitate Urbevetana (p. 212. a. 1337); civitatis Massane (p. 179); de civitate Sene (Cons. p. 2. a. 1279) etc. etc. Dies in Toscaniscben Urkunden! Trotz der Entfernung des Ortes (in Spanien) heisst es Duccio de Avessino, de Villardello, sowie regis de Aragona, ohne Zusatz von de partibus Hispanie oder Aragone (Cons. p. 16). Pisaner Notare schreiben aber häufig zur genaueren Bezeichnung auch noch das Kirchspiel hinzu: Also magister Niccholaus lapidum de parroccia ecclesie Sancti Blasii de ponte de Pisis (a. 1265. p. 145); oder – de Pissis populi Sci. Blasii (p. 150); Ciolus magister lapidum de cappella Sci. Saluatoris in Ponte quondam Nerii de Senis, Ugolinum – de populo Sci. Joannis de Senis (a. 1310. p. 174); so auch bei Nicola Pisano im Pistojeser Archiv. Dies scheint also eher Pisanischer Notariatsgebrauch gewesen zu sein. Demgemäss ist der von Schmarsow (DZG 2, p. 429) citirte Willelmus de Apulia a. 1124 als gebürtig aus Apulien zu verstehen. Bei der Gelegenheit möchte ich auf die oberflächlich von Sch. zusammengerafften Beispiele hinweisen. Er nennt Wilhelm de Apulia den Rechtsbeistand des Bischofs von Lucca. Das ganze Citat Sch.’s findet sich mit demselben Fehler bei Repetti (nur dass Sch. Seitenzahl und Jahr der von ihm benutzten Ausgabe beigesetzt hat). Der Satz bei Sch.: „weitere Nachweise etc.“ steht ebenfalls bei Repetti. Sch. hat nur leichthin die Docc. Lucch. durchgeblättert. Dass Wilhelm, der Advocat der Markgrafen von Este, ein Apulier war, wird auch daraus wahrscheinlich, weil einer der Markgrafen (Hugo) eine Tochter Robert Guiscard’s zur Gemahlin hatte, in deren Gefolge sich Süditaliener befinden mochten.
  6. Repetti I p. 102: Apulia o Pulia di Lucca. Contrada (!) nel suburbio meridionale di L. Dà il suo nome a 4 popoli: S. Colombano, S. Concordio, S. Pier maggiore e S. Ponziano di Pulia. Questo nome derivato dalle acque che pullulano dal suolo, viene rammentato sino dal sec. VIII. etc. IV p. 678. Puglia o Pulia (Apulia) presso Lucca. Ferner Puglia, Pulia (Apulia) nel Val-d’Arno aretino. Vill. con chiesa parrocchiale etc. resiede sopra vaga collinetta etc.
  7. Jeronimus d. gr. Aretinus episcopus concedimus ecclesiam quandam iuris nostri (St. Ilario) – prope civitatem Aretinam iuxta castrum quod nuncupatur Pulia a. 1149 (ann. Camald. III p. 449b, p. 304; IV p. 200b). Das Kastell liegt auf einem Hügel 3 Kilometer von Arezzo entfernt (nach Repetti 3 Miglien), wie mir Comm. Gammurrini und Ubaldo Pasqui geschrieben haben. In ihrem Briefe citiren sie folgende Actenstücke: „a. 1085 Infra comitatu Aretino infra plebe Sante Marie – ad vocabulo plano de Pullia“ – „a. 1269 Ecclesia S. Ilarii est apud stratam qua itur ad Subbianum et in Casentinum subtus villam de Pullia.“ Pullia wäre fino dal 1077 e che conserva tuttora, die richtige Form. Das bezweifle ich aber mit Rücksicht auf die Form Pulia a. 1149. Apulia käme nur ein einziges Mal a. 1215 vor in einer Urkunde, die Herr Pasqui trotz eifrigem Suchen nicht habe finden können. Ist Apúlia (was ich nicht glaube) richtig, dann ist die Form Pulia in den ann. Camald. ungenau. Apúlia und Púllia sind vereinbar; Pulia und Pullia nicht. Bei Apulia, Pullia könnte man Formübertragung vom südlichen Apulia her annehmen. Welche Betonung heute (wie im Mittelalter) üblich ist, geht aus dem Schreiben nicht hervor. Dass Nicola Pis. auch nicht in Pulia Aretina zur Welt gekommen ist, brauche ich nicht zu erwähnen.
  8. Sch. p. 137. Dazu die Anm.: „Gegenüber jeder leichtfertigen (sic!) Erneuerung des Crowe’schen Erklärungsversuches muss auf die Triftigkeit des Unterschiedes in der urkundlichen Bezeichnungsweise der Zeit (sic!) zwischen ‚de Apulia‘ und ‚de partibus Apulie‘ hingewiesen werden, auf welche Milanesi aufmerksam macht. Historiker [sic!] sollten das nicht missachten.“
  9. Z. B. ecclesie Sancti Angeli de Scragio (a. 807 T. IV, 2. App. p. 12 u. öfters); in loco qui dicitur Cafagio (Caffaggio wie in Florenz = Campus fagi? V, 2. p. 445. a. 857); in loco – ubi dicitur ad Minghorum (V, 3. p. 8. a. 901); 4 petiis de terris in loco – Suborbano una ex ipse dicitur Ca… (ffaggio), – (2) petia dicitur ad Clausura, – tertia – ad Fontana (p. 313. a. 970); una petiola de terra illa cum grotta – et vocatur Perilascio (p. 290. a. 963; der [oder das] Parlascio [Bärengelass, antikes Amphitheater cf. Loggia de’ Lanzi p. 54 ff.] lag vor Porta S. Frediani) u. n. v. a.
  10. Anno 729 (IV, 1. p. 70) – Oraculo Sanctorum Christi Confessorum Secundi, Gaudentii atque Columbani, quod Domino iuvante extra murascium Lucensis, loco ubi dicitur a Pulìa aedificare disponent – – ex terra nostra, quam in ipso loco a Pulìa habemus in tabola etc. (folgt die Confination). Die Editoren lösten stillschweigend das apulia des Originales in a Pulìa auf, weil sie eben unterrichtete und gelehrte Leute waren. Das Facsimile ist bei mir einzusehen. – a. 747 (V, 2. p. 25.) – Et recipi a te in viganeo parte tua de casa in loco Apulia – Signum † ms. Barucottuli v. d. de Apulia. (Das Facsimile davon habe ich nicht.) – a. 789 (p. 134) Signum † ms. Sichiperti de Apolia testis (ungenau, nach meinem Facsimile dapolia, also d’apolia oder da polia). – a. 983 (V, 3. p. 434) – de terra illa que esse videtur in loco et finibus ubi dicitur Pulia (ohne Facsimile). – a. 988 (p. 511) – de terra illa quod est prato (sic!), que esse videtur in loco et finibus ubi dicitur Pulia (mit Confination; Facsimile bei mir). – a. 1331/32 Confinia Bracchii Pulie extra foueos veteres (schriftlich von Prof. Bongi nach dem Original im Staatsarchive nebst 3 Facsim.) etc. – in loco Pulinio (a. 807); in ipso loco Polinio ubi Prandule residet (a. 810, 830) etc.
  11. Prof. Bongi schreibt: 1. La forma sicura e normale – è Pulìa. – Nei documenti antichissimi si trova scritto Apulia, ma poi prevalse Pulìa, e così è scritta – nei libri degli Estimi – più antichi – del 1331 e 1412. – 2. Questo luogo esiste tuttora o per dir meglio, è cosi chiamato da coloro che vi abitano; ed anche nei documenti officiali moderni, che tuttora considerano Pulìa come una delle Sezioni del Suburbio lucchese. – 3. È impossibile di indicare la precisa postura ed estenzione di Pulìa nella sua origine, a causa della rinnovazione più volte avvenuta della cinta della città, ed essendo essa un tratto di pianura aderente alla città medesima. Nel trecento, Pulìa – formava un braccio della contrada di S. Maria Forisportam, la qual, chiusa nella prima cinta, era fuori delle mura, ma già nel 200 era stata inclusa nella città; talchè si comprende che la Contrada di S. Maria era rimasta dentro le mura, ed il braccio di Pulìa, fuori di esse. Quali fossero nel 1300 i suoi confini, si può vedere nella descrizione – l’estimo del 1332 [folgt in Farbencopie bei]. Il carattere principale di questo spazio di terra era d’esser framezzato e circondato di bozzi e fosse etc. – Oggi la sezione di Pulìa confina cogli spalti o fortificazioni esterne della città, fabbricate nel sec. XVI. – 4. Dalle cose già dette si ricava che Pulìa non ha alcun carattere nè storico, nè geografico, nè amministrativo che la distingua, ma solo è un tratto di pianura aderente alla città e facente parte dei sobborghi, composto di terra campia, che si coltiva a cereali e ad orti, con pochi alberi, e con alquante case che non le danno qualità di villaggio, nè di borgo, nè di casale. Per ciò che attiene all’ amminiatrazione, fa parte del comune di Lucca, come sezione Suburbana; per la parte ecclesiastica è oggidi una delle frazioni della parrocchia di San Concordio. (Das wird deutlich genug sein.) – 5. Il luogo di Pulìa non ha di suo proprio altro che il nome, mantenutosi traverso i secoli per uso popolare e per tradizione. – 6. Può esser verosimile che la origine del nome abbia relazione col fatto delle acque che pullulavano, o dal terreno paludoso del Serchio. – – Il Repetti – poco sicuro per la parte lucchese, da lui conosciuta solo per relazioni d’altri, imbroglia il discorso dicendo – folgen dessen Worte von den 4 pievi. Invece doveva dire che S. Concordio come parrocchia comprendeva anche gli altri quattro populi o sezioni o frazioni amministrative e catastali di S. Col. S. Pier Magg. S. Ponz. e Pulìa etc. etc.
  12. Insofern und für die Frage, ob „de Apulia“ nach dem Gebrauch der Notare auf eine Gemeinde gehen muss, ergeben die von Prof. Frey beliebig aus Chroniken, Deutschen Urkunden u. s. w. entnommenen Beispiele nicht das, worauf es ankommt.
  13. Wie weit er diese Ueberzeugung mit dem Geständniss vereinigen kann, es sei ihm ganz gleichgültig, woher Niccolo stamme, mag ich nicht entscheiden. Vgl. auch Anm. 1 seines letzten Artikels (p. 357).