RE:Akontion 2

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Wurfspeer, im Krieg und bei der Jagd die Hauptwaffe
Band I,1 (1893) S. 1183 (IA)–1185 (IA)
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2.) Ἀκόντιον, der Wurfspeer; brachylogisch: der Speerwurf, eine Übung der γυμνικοὶ ἀγῶνες. In der heroischen Zeit war das Schleudern der Lanze (δόρυ, ἔγχος; vgl. Art. Ἀκοντισταί), die im Krieg und bei der Jagd die Hauptwaffe ist, auch in den friedlichen Wettkämpfen eine gern geübte Kampfart (Il. XXIII 637. 887ff. II 774; Od. VIII 229). In historischer Zeit ist das . in den grossen Agonen blos als Teil des Pentathlon (s. d.) zugelassen. Nur bei kleineren Agonen, insbesondere bei den Agonen der Epheben, findet es sich als selbständige Kampfart, so in Koresos auf Keos CIG 2360 (Dittenberger Syll. 348, 27), wo dem besten Speerwerfer drei Lanzen und eine περικεφαλαία, dem zweitbesten drei Lanzen, dem ἀκοντιστὴς παῖς eine Portion Fleisch als Preis ausgesetzt ist, in Sestos (ἆθλα διακοντισμοῦ, Dittenberger Syll. 246, 83), ferner in Trolles (ἀκοντισίᾳ) und Samos (Dittenberger Syll. 395. 396. Bull. hell. V 482) und an den athenischen Theseen (seit der ersten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. CIA II 445f., vgl. Dumont Essai sur l’éphébie attique I 189f.); vgl. die fragmentierte Votivinschrift in Oropos Ἐφημ. ἀρχ. 1892, 56 (ἐφήβους ἀκοντίζων), ferner die Inschrift von Larisa, Miller Mem. de l’acad. d. inscr. XXVII 2, 47 Z. 40: σκοπῷ πεζῶν. Missverständlich ist die Notiz bei Euseb. Chronic. I p. 206 Schöne Ol. 118 über einen Sieger im Pankration und . Nach dem Ausweis der Vasenbilder (Gerhard AVB IV 270. 293 u. ö.) bedienten sich die Epheben, welche in späterer Zeit durch besondere ἀκοντισταί (Plat. Theag. 126 B) unterrichtet wurden, bei ihren Übungen verschiedener Wurfgeschosse, sowohl einfacher [1184] Stäbe (Gere), als wirklicher mit Spitzen versehener Speere (vgl. Antiph. II 2 , 3). Dagegen hat das ., das in dem kunstmässig ausgebildeten Pentathlon zur Anwendung kommt, eine fest bestimmte Gestalt, über die uns das Graffito eines jetzt in Berlin befindlichen Diskos (Friederichs Kleinere Kunst u. Industrie 1273. Pinder Fünfkampf Taf. B) – ein ähnlicher im Brit. Mus. (Gaz. archéol. I 1875 T. 35) – und zwei panathenaeische Vasen in Leiden (Arch. Ztg. XXXIX Taf. IX 1) und London (Gerhard Etrusk. und campan. Vasenb. Taf. A 5 u. 6. Journ. of hell. stud. I Taf. VIII) sowie einige litterarische Notizen Aufschluss geben. Demnach war dieses . – ἄκων heisst der Pentathlonspeer in dem bekannten Pentameter des Simonides, σίγυννος in dem Merkvers Schol. Plat. Anterast. 185 E – ein leichter Speer (Luk. Anach. 32. Tac. dial. 10) von etwas geringerer Länge als der Kriegsspeer – daher wird es auch ἀποτομεύς (-άς) genannt, Poll. III 151. X 64. Etym. M. Hesych. Schol. Pind. Isthm. I 22 – und hatte eine lange feine Spitze (von einer Tötung aus Versehen durch das . im Pentathlon erzählt Plut. Per. 36; vgl. Antiph. II 2, 3). In der Mitte des Schaftes war eine aus Leder gefertigte Schleife (ἀγκύλη, Philostr. Gymn. 31. Köchly Philol. Versamml. 1869, 226ff. Daremberg et Saglio I 2261f.) angebracht, in welche man zwei Finger (gewöhnlich den zweiten und dritten) steckte, um so dem Speer eine rotierende Bewegung und dadurch dem Wurfe grössere Sicherheit und stärkeren Schwung zu geben. Das . konnte sowohl im Weitwurf (Od. VIII 229. Luk. Anach. 27. Hor. carm. I 8, 12; wohl auch bei Pind. Pyth. I 42) als im Zielwurf (so vielleicht Pind. Ol. XI 71. XIII 93; Nem. IX 55) geschleudert werden. Beim . des Pentathlon haben die neueren Erklärer meist Zielwurf, der der kriegsmässigen Verwendung des Speeres entspricht, angenommen, da die Kraft im Weitschleudern schon durch den Diskoswurf geprüft werde; doch ist die Interpretation der grundlegenden (oben angeführten) Pindarstellen noch durchaus strittig. Am wahrscheinlichsten ist wohl an eine Combination von Ziel- und Weitwurf zu denken in der Weise, dass man in einer bestimmten, genau bezeichneten Richtung möglichst weit werfen musste. Man warf wohl in der Regel dreimal.

Über die Beschaffenheit des Zieles beim Zielwurf erhalten wir keine Auskunft; entweder bestand es in einer hölzernen Säule (Sil. Ital. XVI 568ff.) oder einem Schild, oder aber es war auf dem gelockerten Boden ein Kreis gezeichnet, innerhalb dessen die . mit ihren Spitzen sich einbohren sollten. Bei dem Wurfe war ein Anlauf üblich oder gestattet, natürlich nicht über die Abwurfsmarke (τέρμα) hinaus (Pind. Nem. VII 71); im Laufe ist der Akontist auf dem Berliner Diskos dargestellt; er holt mit dem Speere rückwärts aus in der Richtung von unten nach oben, bereitet sich also zum Bogenwurf vor, indem er den Kopf nach der Hand zurückwendet, eine Bewegung, die den Zielwurf nicht ausschliesst; ähnlich bewegt ist die entsprechende Figur des Londoner Diskos. Häufiger als der Bogenwurf, den auch eine Schale des Louvre (Schreiber Kulturhist. Bilderatl. Taf. XX 11, 8. Daremberg et Saglio Fig. 252) veranschaulicht, [1185] ist der ‚Kernwurf‘, wobei der Speer wagerecht über der rechten Schulter in Gesichtshöhe gehalten wird (vgl. das archaische Relief Friederichs-Wolters Berliner Gipsabgüsse 119. Conze Attische Grabreliefs I Tf. VI, die beiden panath. Vasen und De Witte Antiq. de l’hôtel Lambert Taf. 24); dabei wird regelmässig das linke Bein emporgezogen. Vgl. Krause Gymnastik u. Agonistik I 465ff. Pinder Fünfkampf der Hellenen 112f. Grasberger Erziehung u. Unterricht I 327f. III 168f. 239. P. Gardner Journal of hell. stud. I 213. Holwerda Arch. Ztg. XXXIX 215. Blümner bei Baumeister D. d. kl. A. III 2088. Fedde Über den Fünfkampf der Hellenen (Leipzig 1889) 56ff. Girard L’éducation athénienne 203ff. Faber Philol. L 470f.

Der ἀκοντισμός wurde auch vom Pferde herab geübt; dem ἀφ’ ἵππου ἀκοντίζοντι sind an den Panathenaeen zwei (übrigens sehr geringfügige) Preise ausgesetzt, CIA II 965 Z. 68f. (um d. J. 400). Auch an den Theseen ist diese Art von Wettkampf üblich, vgl. CIA II 444 Z. 90. 446 Z. 95; vgl. auch Ταραντῖνοι. Xenophon legt in seinen hippischen Schriften (de re eq. XII 13; Hipp. I 6. 21 u. ö.) besonderes Gewicht auf die Übung des Speerwurfes bei den Reitern. Auch Plato Leg. VIII 834 d schlägt für Kreta einen Wettkampf der berittenen ἀκοντισταί vor. An Speerwurf ist wohl auch in der von Miller veröffentlichten Inschrift von Larisa (s. o.) zu denken, wo Z. 42 ein Sieger σκοπῷ ἱππέων verzeichnet ist. Vermutlich bestand das . der Reiter darin, dass während des Rittes der Speer nach einem Ziele, etwa nach einem Schilde, geschleudert werden musste, wie dies ein Vasenbild bei Millin Peintures des vases I 45 veranschaulicht, das Welcker Alte Denkm. III 512f. (Taf. 35, 2) auf den argivischen Schildagon bezogen hat. Vgl. auch das Wandgemälde in einem Grabe von Chiusi Monum. d. Inst. V 15.