RE:Calpurnius 40

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Flaccus Rhetor der Kaiserzeit
Band III,1 (1897) S. 13711373
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40) Calpurnius Flaccus, Rhetor der Kaiserzeit, aus dessen Schulreden ähnlich wie aus denen des Rhetors Seneca Auszüge gemacht worden sind. Die auf uns gekommene, aus 51 Stücken bestehende Sammlung enthält Erörterungen für und wider in möglichst verwickelten, zum Zwecke der Übung erdichteten Rechtsfällen. Besonders die altera pars ist recht dürftig und fehlt von der 10. Declamation ab ganz. Um sich von der Dürftigkeit der Excerpte eine Vorstellung zu machen, vergleiche man z. B. die Declamation über den miles Marianus bei Calp. 3 mit der bei Ps.-Quint. 3, in der man jedoch schwerlich das Original für das C.-Excerpt wird suchen dürfen (Ritter Die quintil. Declam., Freiburg u. Tübingen [1372] 1881, 268f. Anm.). Die Themen erinnern vielfach an die aus Seneca und Quintilian bekannten (beispielsweise 39 an Sen. Exc. VI 6. Quint. 354); bevorzugt sind Themen, die sich mit der Entführung von Mädchen und Verstossung von Kindern, mit Belohnungen für viri fortes und Strafen für desertores und mit dem scharfen Gegensatze zwischen divites und pauperes befassen; Prostitution in jeder Form, Schändung, Ehebruch, schmähliche Behandlung und ungerechte Misshandlung von Kindern, Frauen, Vätern, Blendung, Giftmischerei, Totschlag, Selbstmord, Streben nach der Tyrannis und Tyrannenmord, Anmassung des Bürgerrechtes und laesa respublica erschöpfen so ziemlich den Kreis der von C. behandelten Themen. Die Darstellung ist reich an Sentenzen, Exclamationen, Fragen und Figuren aller Art, die Sprache weist in Ausdruck und Satzbau frühestens auf das 1. nachchristliche Jhdt., wobei vorausgesetzt wird, dass die Excerpte sich ähnlich wie die aus Seneca eng an das Original angeschlossen haben. Gewöhnlich setzt man unsern C. in die Zeit der Kaiser Hadrian und Antoninus Pius (vgl. Ausg. von Burmann 793. Westermann Gesch. d. Bereds. II 266), nach Borghesi dagegen Mem. dell’ Inst. I 48–51 = Oeuvr. III 385–388 ist er eine Person mit dem einer spanischen Familie entstammenden Consul des J. 96 Nr. 16 und dem Freunde des jüngeren Plinius (ep. V 2) Calpurnius Flaccus Nr. 36 und vielleicht ein Schüler Quintilians. Für die Zeit, wann die Excerpte gemacht worden sind, lässt sich nur der terminus ante quem angeben, d. i. das 10. Jhdt., aus dem die älteste Hs., die uns die ersten Excerpte überliefert, der Cod. Montepessulanus 126 stammt; ausserdem sind uns alle 51 Excerpte durch zwei engverwandte Hss. aus dem 15. Jhdt. bekannt, einen Cod. Monacensis und einen Chigianus; verschollen ist ein von Campanus († 1477) eingesehener Codex vetustus (über den Ritter Ausg. v. Quint. decl. XII–XVIII). Frühzeitig wurden zu Schulzwecken umfängliche Sammlungen von Declamationen und Excerpten aus solchen angelegt; Reste solcher Sammlungen liegen uns auch in den genannten Hss. vor. Im Montepessulanus folgen unsere Excerpte auf Quintilians Declamationen und die Excerpte aus Seneca unter der Überschrift Incipit ex Calpurnio Flacco excerptae · excerpta · X · rethoruminorum · uxor tyrannicida (so nach Bursian Ritter Ausg. v. Quint. decl. VI; excerptae fehlt in Schenkls Beschreibung der Hs. bei Müller Sen.-Ausg. XXV, excerpta bei Ritter Die quintil. Declam. 269f. Anm.); im Monacensis und Chigianus folgen sie unter wörtlich übereinstimmender Überschrift (nur incipiunt statt incipit, Ritter Ausg. IX. XI) unmittelbar auf Quintilians Declamationen. Daran, dass wir es mit Excerpten eines Unbekannten aus C. und nicht mit Excerpten des C. aus 10 rhetores minores zu thun haben, ist nicht zu zweifeln, da immer nur die Auffassung eines Rhetors gegeben wird. Fraglich könnte sein, ob wir die Überschrift mit Hertz dahin zu deuten haben, dass ausser den Excerpten aus C. noch solche von 9 weiteren Rhetoren (nach dem Codex des Campanus Antonius Iulianus) in der Sammlung ursprünglich enthalten waren (dann hätte sich der Specialtitel ex C. F. excerptae vor den allgemeinen Titel excerpta X rhetorum minorum [1373] verirrt) oder mit Ritter Die quintil. Declam. 270 Anm. dahin, dass des C. Werk wie das mit ähnlicher Kürze in demselben Montepessulanus citierte Werk des Seneca (Hic iam incipit Seneca decem retorū feliciter, Kiessling Ausg. 140. Müller Ausg. 1. XXV) aus 10 Büchern bestanden habe (also Excerpte aus C. F. und zwar aus dessen 10 Büchern rhet. min.); wahrscheinlicher ist die erste Ansicht. Herausgegehen wurden die Exzerpte zusammen mit den quintilianeischen Declamationen zuerst von Pithou, Paris 1580; es folgten die Ausgaben von Gronov, Leiden 1665. Obrecht, Strassburg 1698, 761–806 und Burmann, Leiden 1720, 791–838. Über den Wert der Ausgaben vgl. Ritter XXII–XXV; eine neue kritische Ausgabe erscheint dringend nötig. Über C. überhaupt Teuffel-Schwabe Röm. Litt.⁵ 886. 804. Schanz Röm. Litt. II 443.