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RE:Epistylion

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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das Epistylion, der über griechischen Säulen liegende Horizontalbalken oder Architrav
Band VI,1 (1907) S. 215217
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Epistylion ist der griechische Name für den über Säulen oder ähnlichen Stützen (Pfeilern, Anten) liegenden Träger oder Hauptbalken (modern Architrav), der das, was zur Konstruktion der hölzernen oder steinernen Decke gehört, sei es unmittelbar sei es vermittels eines Frieses (zophoros oder triglyphon), und darüber das Gesims (γεῖσον, corona; Fries und Gesims von Vitruv mehrmals als die ornamenta des Epistyls zusammengefaßt, vgl. CIG 2751–2753: τὸ ἐπιστύλιον καὶ τὸν ἐπ’ αὐτοῦ κόσμον) zu tragen hat (Plut. Pericl. 13. Isid. orig. XV 8, 15. Vitruv. pass.).

Der griechischen Bauweise entsprechend bezeichnet E. zumeist den steinernen Architrav, aber bei Holzbauten selbstverständlich auch den hölzernen (s. Stephanus Thes. s. v. und dazu etwa noch Heron ed. Schmidt I im Index s. v.), und das gewiß seit der Zeit, daß Säulen in Griechenland üblich waren. Vitruv scheint jedoch E. immer nur von Stein- oder Marmorarchitraven zu verstehen (so auch Varro de r. r. III 5, 11. Plin. n. h. XXXVI 96) und von Holzarchitraven wie überhaupt von allerhand Trägern regelmäßig trabes zu sagen (vgl. III 2, 5 lapidea et marmorea epistylia und de materia trabes gegenübergestellt, und IV 7 trabes für die Holzarchitrave des etruskischen Tempels).

Holz und zwar anscheinend ausschließlich Holz wurde zu Epistylien in der sogenannten mykenischen Baukunst verwendet, auch in den älteren Perioden der vorderasiatischen Baukunst überall da, wo man die Säule kannte und in die monumentale Architektur eingeführt hatte (s. Puchstein Arch. Jahrb. VII 1892, 1ff. Koldewey in den Mitteilungen aus den orientalischen Sammlungen – Ausgrabungen in Sendschirli – XII 1898, 187ff.), endlich im Gebiet des etruskischen Tempelbaues, wofür Vitruv Zusammensetzung der Träger aus mehreren Balken bezeugt (trabes compactiles). In der griechischen Architektur ist der Gebrauch hölzerner Träger sowohl über Säulen, die im Innern standen (Koldewey Neandria 43), als auch über Außensäulen, namentlich dann, wenn die Pteronsäulen eines Tempels auch von Holz waren, für die hoch archaische Zeit sicher zu erschließen (beim Heraion in Olympia, s. Dörpfeld Olympia II 30; beim Apollontempel in Thermos, s. Ἐφημ. ἀρχ. 1900, 183; beim Heratempel in Metapont, Plin. n. h. XIV 9, vgl. Koldewey-Puchstein Die gr. Tempel in Unteritalien und Sicilien 219f.). Späterhin wird Holz [216] in den griechischen Peristylien wie in den römischen Atrien immer üblich geblieben sein. Eine sonderbare Technik von zweifelhafter Solidität war es, wenn man in Pompeii die Epistylien der Forumsportiken aus einer Reihe einzelner Steine konstruierte, die auf zwei im rechten Winkel an einander gesetzten Holzbohlen ruhten (s. Overbeck-Mau Pompeii 65; eine ähnliche Balkenkonstruktion ebd. 506).

Steinarchitrave waren der ägyptischen Architektur von Anfang an geläufig und sind in Griechenland und seinen Dependenzen üblich geworden, sobald man hier zu einer monumentalen Bauweise mit Steinsäulen und steinernen Gebälkornamenta (s. o.) übergegangen war. Konstruktion und Maße der Epistylien mußten ursprünglich von dem Material und von dem – nicht immer zutreffenden – Urteil über seine statische und technische Leistungsfähigkeit abhängig gewesen sein. Dazu kam dann als neues die Formen stark beeinflussendes Element die ästhetische Betrachtungsweise und künstlerische Proportionierung. Steinarchitrave sind entweder monolith, von einer Stütze bis zur anderen der Länge wie der Höhe und der Tiefe nach aus einem Stück, oder aus zwei bis drei neben einander liegenden Reihen oder zwei übereinander liegenden Schichten zusammengesetzt. Mit dem Fries oder auch mit dem Fries und dem Gesims zusammengearbeitet wurde das E. bei kleinem Maßstabe; E. und Fries bei großem und größtem Maßstabe aus einem Stücke herstellen zu lassen liebten die römischen Architekten der Kaiserzeit. Seltener und erst in römischer Zeit aufgekommen ist die Konstruktion des Architravs als eines scheitrechten Bogens (vgl. R. Delbrück Die drei Tempel am Forum holitorium 17. 63).

Die Dekoration des Epistyls ist uns hauptsächlich vom Stein bekannt, vom Holz nur, soweit die Steinformen rein tektonisch sind und, wie in der ägyptischen Baukunst, auf einen einfachen glatten Holzbalken oder, wie in der persischen, auf trabes compactiles zurückschließen lassen (Dieulafoy L’art antique de la Perse III 5. Perrot-Chipiez V 481). Die etruskischen trabes waren möglicherweise mit ornamentierten Terracottaplatten (s. Cozza Notizie degli scavi 1888, 423) oder Bronzeblechen (Arch. Anz. 1893, 97, 7) bekleidet, und darnach kann man vielleicht für die älteste griechische Baukunst ähnliche Techniken vermuten (vgl. R. Delbrück Das Capitolium von Signia 19f.). Das ägyptische E. scheint im Laufe der Zeit in dem Rundstab und in der sogenannten Hohlkehle eine spezifisch architektonische Bekrönung erhalten zu haben. Die griechische Baukunst hat die Dekorationsformen der Vorderseite des E. (die Rückseite ist einfach und nicht so regelmäßig ornamentiert) frühzeitig nach dorischem und ionischem Stil geschieden, indem das ionische E. in den nur selten fehlenden fasciae (zwei oder drei) und in der Bekrönung durch Kymatien Formen verwendete, die auch im Orient vorkommen (die Fascien in Persien, die Bekrönung in Ägypten, beides zusammen vielleicht auch in Phoinikien), das dorische E. aber in der taenia mit den regulae, woran guttae hängen, ein rein griechisches, von dem Triglyphenfries abhängiges und das E. mit dem Fries verbindendes Ornament [217] ausbildete. Fascienlos, aber mit Kymatien bekrönt, also halb dorisch halb ionisch, oder wie einige Ausnahmen des ionischen E., war die achaeische Abart des dorischen Architravs (Koldewey-Puchstein 208). Erst hellenistisch ist es und dann wie überhaupt alle griechischen Formen der Spätzeit auch nach Rom übergegangen, daß ein dorisches E. mit ionischen Säulen oder ein ionisches E. mit dorischen Säulen verbunden wird. Der korinthische Stil hatte nie ein eigenes E.; man gab ihm meist das ionische, ausnahmsweise auch das dorische (Vitruv IV 1, 2; so am sog, Tempio della Pace in Paestum und am Augustusbogen in Aosta). Ein unarchitektonischer accessorischer Schmuck der Epistylien ist es, wenn die dorischen einen figürlichen Relieffries (so beim Tempel in Assos) oder die ionischen und korinthischen an der Unterseite und in der späteren Zeit auf den Fascien Rankenfriese, Laubstränge, Mäander und ähnliche rein dekorative Zierate erhalten. Man hängte auch Schilde, Kränze, Guirlanden u. a. an den Epistylien auf (am Parthenon, am Tempel des Zeus in Olympia, des Iuppiter Capitolinus in Rom). Sie bewahren im wesentlichen ihre Formen, so lange überhaupt die antike Architektur besteht. Am längsten hält sich mit dem korinthischen Stile das ionische E.; es verliert jedoch in spätrömischer und frühchristlicher Zeit häufig seine Fascien und die Kymatien verrohen oder verkümmern.

Den Epistylien über den Säulen entsprechen an den Cellen von peripterischen oder prostylen oder von Antentempeln häufig gleichartig ornamentierte Glieder auf den Wänden, und bisweilen sind auch Wände, die keine Beziehung zu Säulen hatten, mit epistylartigen Bekrönungen ausgestattet worden. Man pflegt sie deutsch Wandepistylien zu nennen.

Unsere Detailkenntnis der klassischen Formen des E. beruht auf Vitruv und auf den Monumenten und ist namentlich von Karl Bötticher Die Tektonik der Hellenen, Potsdam 1843–1852, ²Berlin 1874–1881, gefördert worden. Seit der Abfassung dieses Werkes ist das neue, monumentale Material sehr angeschwollen und die Handbücher (wie J. Durm Die Baustile I, Die Baukunst der Griechen², Darmstadt 1892; II Die Baukunst der Etrusker und Römer², Stuttgart 1904. Perrot et Chipiez Histoire de Part dans l’antiquité I–VII, Paris 1882–1898, im letzten Bande die archaische griechische Architektur) haben sich bemüht, mit Hülfe von Abbildungen auch im einzelnen die Entwickelung der Technik, der Dekoration und der Proportionen darzustellen; eine Spezialuntersuchung für das dorische E. im Westen bei Koldewey-Puchstein Die griech. Tempel in Unteritalien u. Sicilien, Berlin 1899, 206. 208. 217f.