RE:Lucceius 11

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Albinus, schamloser Procurator von Judäa 62 n. Chr.
Band XIII,2 (1927) S. 15591561
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11) Lucceius Albinus (der Gentilname nur Tac. hist. II 58, sonst bloß Albinus) wurde nach dem Tode des Porcius Festus von Nero als Procurator nach Judäa geschickt, Joseph. ant. Iud. XX 197. 200; bell. Iud. II 272. Euseb. Hieron chron. p. 182 i Helm. Euseb. chron. Arm. p. 215 Karst. Synkellos I p. 637. Für die Zeit seines Amtsantrittes ergibt sich als spätester Termin das J. 62 n. Chr. daraus, daß Joseph. bell. Iud. VI 300 (vgl. 303–305) einen Vorfall erzählt, der sich unter seiner Verwaltung ereignete, und zwar am Laubhüttenfest 4 Jahre vor dem Ausbruch des großen Krieges und daß 7 Jahre und 5 Monate später Jerusalem noch nicht erobert war (Joseph. ebd. 308). Er kam von Alexandria (Joseph. ant. Iud. XX 202), wo er vielleicht die Stellung eines Lagerpräfekten (praefectus castrorum oder praefectus exercitus; vgl. v. Domaszewski Rangordnung 121. Lesquier L'armée Rom. d’Egypte 1918, 126–132) bekleidet hatte.

Den chaotischen Verhältnissen, die damals in Judäa herrschten, ein Ende zu machen, war L. weder fähig noch gewillt. Josephus behauptet (bell. Iud. II 272), daß es keine Schlechtigkeit gab, die er nicht verübt hätte. Sein anfänglicher Eifer, dem Treiben der fanatischen Sikarier ein Ziel zu setzen (Joseph. ant. Iud. XX 203, 204), wurde durch seine Bestechlichkeit lahmgelegt, und bald zeigte sich seine unredliche Verwaltung in ihrem ganzen Umfange. Von dem früheren Hohepriester Ananias durch Geldgeschenke gewonnen, ließ er es zu, daß den Priestern der ihnen gebührende Zehnte geraubt wurde. Derselbia Ananias aber erwirkte, von [1560] seinen Gegnern, den Sikariern, dazu gezwungen, bei Albinus die Freilassung von zehn ihrer Genossen; und dadurch kühn gemacht, wagte diese gefährliche Vereinigung, ihre Schreckensherrschaft fortzusetzen (Joseph. ant. Iud. XX 205–210). Noch schamloser war die Finanzverwaltung des Albinus, der sich auf Kosten des schwer geprüften Landes bereicherte. Er hob Steuern ein und lieferte die Eingänge nur zu einem Teil in die kaiserliche Kasse ab; auch Güterkonfiskationen nahm er willkürlich zu seinen Gunsten vor, ohne daß die Geschädigten Widerspruch zu erheben gewagt hätten, und er verschaffte sich eine besondere Einnahmequelle aus den Lösegeldern, die er für die Freilassung von eingekerkerten Verbrechern erlangte. Da er um Geld für alles zu haben war, konnten die Revolutionäre ungestört tun, was sie wollten (Joseph. bell. Iud. II 273–276). – So herrschte damals eine Rechtlosigkeit ohnegleichen in Judäa, die Parteien lieferten einander förmliche Schlachten und ungestraft konnte das Räuberhandwerk ausgeübt werden. Noch unmittelbar vor seinem Abgang ließ Albinus unter dem Schein der Gerechtigkeit und Milde einige der Schuldigsten hinrichten, andere aber gab er frei, natürlich nicht ohne ihren Dank in klingender Münze einzustreichen, so daß sich die Zahl der frei umherlaufenden Übeltäter noch mehrte (Joseph. ant. Iud. XX 215).

Als sein Nachfolger wurde Gessius Florus in Aussicht genommen (Joseph. ant. Iud. XX 215. 252; bell. II 277. Euseb. Hieron. chron. 183 i Helm. Euseb. chron. Arm. a. a. O. Synkell. a. a. O.), der ihn im J. 64 oder 65 ablöste (s. o. Bd. VII S. 1325).

Im J. 69 finden wir L. als Procurator von Mauretania Caesariensis. Er war schon von Nero in dieses Amt eingesetzt worden, wahrscheinlich unmittelbar nach der Verwaltung Judäas, und er blieb dort auch nach dem Tode Neros, ja Galba vertraute ihm zu dieser Provinz noch das tingitanische Mauretanien an, so daß er unter seinem Kommando eine ansehnliche Truppenmacht vereinigte. Das hob seinen Ehrgeiz; er schloß sich nach der Ermordnung Galbas sogleich an Otho an und strebte danach, auch das jenseitige Spanien mit seinem militärischen Verwaltungsbezirk zu vereinigen, da der damalige Legat des diesseitigen Spanien, Cluvius Rufus, dem sonst der militärische Schutz der Baetica zugekommen wäre, sich für Vitellius erklärt hatte. Cluvius Rufus machte auf die Nachricht von den Absichten des L. Miene, die Legio X gemina nach Mauretanien zu schicken, und suchte auch diese Provinz für Vitellius zu gewinnen. Dabei wurde auch das Gerücht verbreitet, daß L. köngliche Insignien und den Königsnamen Iuba angenommen habe. Und wirklich vermochte dies einen Stimmungsumschwung in Mauretanien herbeizuführen. Die Anhänger des Albinus in Mauretanien wurden getötet, bald darauf auch er selbst, als er von Mauretania Caesariensis in seine Nachbarprovinz fuhr; bei dieser Gelegenheit fand auch seine Gemahlin, die sich den Mördern entgegenwarf, den Tod, Tac. hist. II 58. 59. – Sein Sohn ist vielleicht der Senator Lucceius Albinus, der Freund des jüngeren Plinius [1561] (s. den Folgenden). Vgl. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I3.4 583–585. Prosopogr. Imp. Rom. II 300, 264.

[Stein. ]