RE:Theraphim

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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altsemitische Kultgegenstände
Band V A,2 (1934) S. 23462350
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Theraphim. Die T. des A.T. waren Gegenstände des Kultus, deren Deutung, da sie nirgends genauer beschrieben werden und unter dem Einfluß der prophetischen Reformation frühzeitig aus dem Gebrauch verschwunden sind, großen Schwierigkeiten unterliegt; v. Baudissin in Haucks R.E. f. prot. Theol.. XIX 5l4ff., wo auch die ältere Literatur verzeichnet ist, III 219. V 424; Religion i. Gesch. u. Gegenw. V¹ 1132; Encyclopedia Britannica (14. Ed.) XXI 945. J. Benzinger Hebräische Archäologie (1907) 328. B. Stade Biblische Theologie (1905) § 58, 4. A. Dillmann Die Genesis (1892) 351. H. Gunkel Genesis (1917) 344. E. Meyer Die Israeliten (1906) 211. A. Jeremias Das alte Testament im Lichte d. alt. Orients (1906) 376. 472. 597. R. Kittel Gesch. d. Volkes Israel II (1917) 131. 167. 267. 297. 306. 459. Vgl. auch die hebräischen Wörterbücher und Kommentare zum A. T. Genannt werden sie an folgenden Stellen: Gen. 31, 19. 34. 35. Ri. 17, 5. 18, 14. 17. 18. 20. 1. Sa. 15, 23. 19, 13. 16. 2. Kön. 23, 24. Hos. 3, 4. Ez. 21, 26. Sach. 10, 2. Aus Gen. 31 und Ez. 21 könnte man auf aramäisch-babylonische Herkunft der T. schließen, allein es ist ebenso gut möglich, daß die Bezeichnung israelitisch oder kanaanäisch ist und auf die fremden Gottesbilder (oder worum es sich sonst handelte) übertragen wurde.

Das hebräische Wort תֻּרָפִּים‎‎ gibt leider über Art und Wesen der T. keinen Aufschluß, da seine Etymologie dunkel ist. Der Plural ist kaum als Pl. majest. aufzufassen, sondern eher, wie fast durchweg in den alten Übersetzungen, als wirkliche Mehrzahl, vgl. auch in Gen. 31, 30 die Übertragung [2347] des korrespondierenden אֱלֹהִים‎ durch die Septuaginta mit τοὺς θεούς μου (dagegen Ri. 18, 24 γλυπτόν μου für אֱלֹהַי‎, Vulgata: deos meos). Nur 1. Sa. 19, 13. 16 ist wohl von einem einzelnen Gegenstand die Rede, doch haben hier Septuaginta, Aquila und Itala ebenfalls den Plural, während Symmachus, Vulgata und Peschitto den Singular setzen, der, vereinzelt, auch Hos. 3, 4 von Symmachus und Theodotion, Ez. 21, 26 und 1. Sa. 15, 23 von Peschitto verwendet wird. Häufig ist das Wort in den Versionen einfach transkribiert. Ri. 17, 5. 18, 14. 17. 18. 20. Hos. 3. 4 ist es mit dem אֵפּוֹד‎ verbunden, doch sind die Stellen in Richter vermutlich von einem Redaktor bearbeitet, darum unsicher. Der Versuch, das Wort mit gr. θέραπες, θεραπεύω, dessen Stamm in den neuhebräischen Bildungen תֵּרָפְיָה‎, תְּרַפְיֹן‎ erscheint (J. Buxtorf Lexicon chald. tabu, et rabb. ed. B. Fischer 1869, 1315. G. Dalman Aram.-neuhebr. Handwörterb. 1922, 450), in Zusammenhang zu bringen (F. Hitzig Ezechiel [1847] zu 21, 16. Kittel 297), ist nicht mehr befriedigend als der andere, der auf רָפָה‎ = רָפָא‎ und רְפָאיִם‎ (Dillmann 351. Kittel 297. K. Budde Das Buch der Richter 115; vgl. phoin. רפים‎ Verstorbene) zurückgreift (M. A. Levy Phöniz. Wörterb. 1864, 44. A. Bloch Phöniz. Glossar 1891, 58. Über die Rephaim vgl. P. Karge Rephaim, die vorgesch. Kultur Palästinas und Phöniziens [Collect. Hierosolym. I, 1917]), noch weniger wahrscheinlich die rabbinische Deutung aus תּרֹרֶק‎ pudendum, ignominia, תַּרְפּוּה‎‎ ,Schande’(Buxtorf 1315. Dalman 450. Budde 115) oder die aus arab. bonis commodisque vitae affluxit (G. W. Freytag Lexicon arabico-latinum 1837, 54), oder die aus syr. percontari (Castelli-Michaelis Lexicon syriacum 1788, 976. W. Gesenius Hebr. und aram. Handwörterb.³ s. v. [ablehnend]) u. a. Mit einer unten zu besprechenden Bedeutung der T. könnte der Stamm des ägypt. d r f ,wisdom, skill, book of wisdom’ (E. A. Wallis Budge A hieroglyphic Vocabulary to the Theban recension of the Book of the Dead 1911, 447) zusammenhängen; die Transkription des d, das gewöhnlich mit ט wiedergegeben wird, ist auch mit ת zu belegen, die des f mit פ ist üblich.

Die Überlieferung der alten Versionen gibt neben der Transkription θεραφειμ u. ä. T. durch εἴδωλα, γλυπτά nach der Septuaginta (im Graecus Venetus εἰκόνες) wieder, durch μορφώματα Aquila, durch εἴδωλα auch Symmachus; die Vulgata hat idola u. ä., statua, simulacrum u. ä., Peschitto ‚Bilder‘, ,Götzen‘, die Targumim ‎צָלְמָנַיָּא‎ ,Bilder’ oder דְּמָאּין‎‎ ,Bilder’. Demnach deutete man die T. als Gottesbilder, Hausgötzen, die offenbar je nach der Wohlhabenheit ihrer Besitzer größer oder kleiner gedacht werden können; Gen. 31, 34 legte sie Rahel unter den Kamelspalankin und setzte sich darauf. Die Stelle 1. Sa. 19, 13. 16 setzt die Größe eines Erwachsenen voraus. Aquila überträgt an ihr T. mit αἱ προτομαί, offenbar im Sinne eines Bildes von einem Menschen, [2348] das bis zum Nabel reicht (Stephanus Thesaurus linguae graecae, ed. Hase-Dindorf VI 2071), ,Brustbild, Büste’ (der Plural ist aus Aquilas’ sklavischer Art, das Hebräische nachzubilden, zu erklären), die Septuaginta mit κενοτάφια, Itala: cenotaphia (Kittels Biblia Hebraica² I 397; vgl. auch Hieronym. epist. 22 ad Marcellam), während Vulgata statua und simulacrum hat. Das von v. Baudissin u. a. als unverständlich bezeichnete κενοτάφια haben Photius und Suidas. so gedeutet, daß es τινά ἐστιν ἑλισσόμενα ὡς τύπος νεκροῦ (Suidas setzt hinzu: μὴ ἔχοντα ἔδνον νεκρόν), Stephanus IV 1434. Gewöhnlich bedeutet κενοτάφιον den für einen in der Fremde Verstorbenen, dessen Leiche nicht heimgebracht werden konnte, in der Heimat errichteten leeren Grabhügel. Hier stellt der Plural offenbar die Nachbildung eines Toten, ein Totenbild, eine ,(aus Binden) zusammengewickelte Figur nach Art eines Toten, aber ohne Leiche’ dar, die man sich den ägyptischen Mumien ähnlich denken darf, indem daran zu erinnern ist, daß der Übersetzer in Ägypten lebte, wo sich die ärmere Bevölkerung einer Art Kenotaphe, Ersatzbestattungen, bediente, kleiner Holzsärge mit einer in einem Leinwandfetzen eingewickelten Holzpuppe von der Form einer Mumie (A. Erman Die ägypt. Religion 1905, 139). Auch eine Variante der Itala (Kittels Bibl. Hebr. I 397): ,indumenta mortalia, Sterbekleider’, die ebenfalls einen Toten bzw. Sterbenden vortäuschen sollten, erklärt sich so. Es wirkte vielleicht bei dieser Auslegung auch die höhnische Benennung des Götzenbildes bei Jer. 16, 18 als θνησιμαῖα τῶν βδελυγμάτων und Ps. 106, 28 als νεκροί mit ein.

Eine weitere Deutung sieht in den T. Orakelspender. Als solche kennzeichnet sie im hebräischen Text Ez. 21, 26 und Sach. 10, 2 und so deuten die Septuaginta Hos. 3, 4 durch δῆλοι, Symmachus durch ἐπίλυσις, Theodotion durch ἐπίλυόμενος, Targum Jonathan durch ‎מְחַיֵּי‎ ,Verkündiger (von Orakeln), Orakelmittel’ (Buxtorf 369. Dalman 230), Hieronymus (nach Itala?) durch manifestationes (Hieronym. epist. 22 ad Marc.), wie sie auch Sach. 10, 2 von den Septuag. ἀποφθεγγόμενοι (vgl. Ez. 13, 9. Mi. 5, 12. I Chron. 25, 1 vom Orakeln oder von prophetischer Begeisterung, ähnlich Act. 2, 4. 26, 25, gebraucht), von Peschitto und Syrohexaplaris ,Wahrsager’, vgl. hebr. ‎יִדְּעֹיָים‎ ,Wissen Erteilende, Wahrsager, Wahrsagegeister’ genannt werden und Ez. 21, 26 die Rede ist vom ἐπερωτᾶν ἐν τοῖς γλυπτοῖς, sie also als wahrsagende Gottesbilder aufgefaßt sind. Berücksichtigt man den Parallelismus mit קֵמֶם‎‎ ,Wahrsagung’ in 1. Sa. 15, 23, so dürften auch dort die θεραφεῖν der Septuaginta im gleichen Sinn zu verstehen sein. Von der Bedeutung ,Wissende, Orakelspender’ aus könnte man dann weiter auf einen etymologischen Zusammenhang mit der Wurzel des ägypt. ||d r f|| ,weise sein o. ä.’ schließen. Die von v. Baudissin irrtümlich auf רָפָה‎ = ‎רָפָא‎ ,schlaff sein, nachlassen u. ä.’ zurückgeführten Übertragungen von ἐπίλυσις und ἐπιλυόμενος, die Field (Field Origenis Hexaplorum fragmenta II 1868, 945) überhaupt anzweifelt (wohl kaum mit Recht), sind des [2349] gleichen Sinnes. ἐπίλυσις begegnet 2. Petr. 1, 20 für ,Auslegung der Weissagung’, Gen. 40, 8 bei Aquila für פּהְרֹנִים‎ ,Traumdeutung’, wo Septuaginta διασάφησις hat, vgl. ferner Joseph. ant. VIII 6, 5 (Rätsellösung), Heliodor. Aeth. 1, 18. 4, 9 (Traumdeutung) und entspricht dem δήλωσις für אוּים‎‎ Ez. 28, 26. ἐπιλυόμενος ist dynamisches Medium, das in der Bedeutung ,auslegen, deuten’, z. B. bei Athen. Deipn. 10 p. 450 ed. Kaibel 2, 479 (Rätsel lösen) und sonst öfters vorkommt (Stephanus III 1683). Also auch diese Varianten meinen mit den T. Orakelspender. Bei der Übertragung Ri. 17, 5, Peschitto und v. Baudissin ,pallium’, das neben dem Ēphōd steht, dürfte gemeint sein Act. 26, 18 ,sors’, aram. פִּסָּאפַּיֵסָא,sors’, Losorakel (Castelli-Michaelis 715. Buxtorf 859. Dalman. 339. 333), wie es auch neben den T. Ez. 21, 26 sich findet.

Aus der Überlieferung der Versionen scheint sich zu ergeben, daß sie von den T. keine zuverlässigen Nachrichten mehr hatten und, wie wir selbst, auf die kargen Mitteilungen der Texte angewiesen waren, aus denen ihre Übersetzungen erraten sind. Das wird auch für Joseph. ant. XVIII 9, 5 gelten, der erzählt, daß die Babylonier Hausgötter hatten: τῆς οἰκίας ἔχειν σεβάσματα (zu: Gen. 31) und für Hieronymus, der sie als μορφώματα, ,figurae et simulacra, quae nos possumus in praesenti dumtaxat loco Cherubim et Seraphim vel alia quae in templi ornamenta fieri iussa sunt dicere’ (zu Hos. 3, 4 vgl. auch epist. 22 ad Marcellam und Quaest. hebr. in Gen.; Sach. 10, 2 sagt er nur: simulacra). Sie waren also für Hieronymus erlaubte Gegenstände des Kultus, was sich aus Richter und Hosea ergibt, vielleicht auch aus Sacharja. Unter Josua sind sie in der deuteronomistischen Reformation abgeschafft worden, 2. Kön. 23, 24, wie sie auch der vielleicht deuteronomistische Redaktor 1. Sam. 15, 23 als sündhaft bezeichnet. Waren sie Bilder der Ahnengeister, wie man sie früher gern deutete und auch heute noch mit dieser Möglichkeit, daß sie dem Penatenkult oder der Totenbefragung dienten, rechnet? (J. Döller Die Wahrsagerei im A. T. [1923, Bibl. Ztschr. X. 11/12 40]. H. Kaupel Die Dämonen im N. T. [1930] 20). Waren es Bilder in Menschengröße oder in Büstenform oder Gesichtsmasken? (H. Gressmann Der Ursprung der jüd. Eschatologie [1905] 345; Die Ausgrabungen in Palästina und das A. T. [1908] 32; Relig. in Gesch. u. Gegenw. V 1132. E. Kautzsch Die Heil. Schrift des A. T. I [1909] 406 [Kittel]. So schon Ewald Altert. des Volkes Israel² 256 und Gesch. des Volkes Israel 1² 422). In jedem Fall läßt sich nichts ausmachen über die in Ur, Khorsabad, Mutesellim, Gezer gefundenen und mit den T. zusammengebrachten Götterbilder (Bonomi Niniveh and its palaces [1853] 158f. Sellin Denkschr. Akad. Wien, phil.-hist. Kl. L [1904] 4, 106. H. Vincent Canaan d’après l’exploration récente [1907] 153. Schumacher Mitt. u. Nachr. d. deutschen Palästina-Vereins 1906. 9. C. L. Wooley Vor 5000 Jahren [o. J.] 79. Dagegen Gressmann a. O. und Kittel Gesch. I [2350] 160), wenn auch deren kleine Form, wie schon bemerkt, keinen Einwand bereiten dürfte. Die von den Rabbinern später gegebenen Erklärungen beziehen sich auf Kephalo- und Kraniomantie und sind Kombinationen, in denen biblische Andeutungen mit einer verbreiteten magischen Praxis, die genauere Untersuchung verdient, verbunden sind (Buxtorf 1315ff. Das Material von Chwolson Die Ssabier [1856] II 152ff. läßt sich bedeutend vermehren).