Rechtskunde für Jedermann (3)
Rechtskunde für Jedermann.
Aufheben und Auffinden.
Wie oft auch schon gesprochen und geschrieben worden ist über die gute alte Zeit, so sind die Gebildeten in der Mehrzahl doch zu dem Resultate gelangt, daß die Gegenwart die beste von allen bisherigen Zeiten sei. – In der gepriesenen guten alten Zeit gründete sich die Strafgesetzgebung, nach einer Hauptrichtung hin, auf die Theorie der Abschreckung, und es waren daher die Strafen für Vergehen oder Verbrechen oft sehr harte und grausame. Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl’s V. hat viele Strafen, die heutzutage ganz abgeschafft sind, wie z. B. das Feuer („mit dem fewer vom leben zum todt gestrafft werden“), das Pfählen („lebendig vergraben und gepfelt werden“), Ertränken[1] („mit dem Wasser vom leben zum todt gestrafft werden“), Rädern von oben oder von unten („mit dem rade durch zerstoßung seiner glieder vom leben zum todt gericht und fürter öffentlich darauff gelegt werden“), Vertheilen („durch seinen ganzen leib zu vier stücken zerschnitten und zerhawen und also zum todt gestrafft werden, und sollen solche viertheyl auf gemeinen vier wegstraßen öffentlich gehangen und gesteckt werden“), Ausschneiden der Zunge, Abhauen einer Hand, Abschneiden der Ohren u. s. f. – Sie verhängt die Todesstrafe über manche Verbrechen und Vergehen, die wir jetzt als leichtere, oft nur als Uebertretungen bezeichnen. Während sie den einfachen Diebstahl mit einer Geldbuße oder mit Kerker bedroht, kommen bei schwereren Fällen Steigerungen zum Staupbesen, zur Landesverweisung und nicht selten zum Strange vor. – So stand denn auch in Deutschland fast bei jedem Orte ein Galgen – das Hochgericht – für alle Fälle bereit. Derselbe wurde natürlich durch die Einflüsse der Witterung und der Zeit schadhaft und mußte deshalb dann und wann reparirt werden.
Charakteristisch für die damaligen Begriffe war das bei dem Neubau oder der Reparatur des Galgens eingeleitete Verfahren. Man hielt es für schimpflich, an einem derartigen Baue zu arbeiten, und deshalb mußten, damit Keiner dem Anderen einen Vorwurf seiner Thätigkeit dabei machen könne, alle Mitglieder der betreffenden Innungen Hand anlegen. So erzählt uns Vogel in seinen Annalen von Leipzig Folgendes:
„Am verwichenen neuen Jahrs-Marckt (1687) ist zu Leipzig auf der Niclasstraße im Gasthof zum blauen Hecht durch drei Juden und zwei Brüder, deren einer ein Pferdehändler, der andere ein Reiter war, ein Diebstahl in’s Werk gerichtet und an 3000 Reichsthaler gestohlen worden. Weil man nun den Reiter, der im besagten Gasthof wohnte, und seinen Bruder, der bereits vorm Jahre wegen entführter Kotzen[2] aus dem Lazareth in Verhaft [727] genommen worden, wenig Gutes zutrauete, hat man sie beiderseits benebst den Juden, nach einigen starken Muthmaßungen, gefänglich einziehen lassen. Als nun nach Geständniß beider Brüder die Juden torquirt worden sind, hat der eine die That bekannt, die anderen beiden aber haben zwar anfänglich Nichts gestehen wollen, sondern alle Classes in der Marter ausgestanden; nachdem ihnen aber zum anderenmal die Marter zuerkannt worden, haben sie gleichfalls bekennet. Da nun dem ersten im Urtheil der Strang zuerkannt, hat man ihm den 2. April den Tod angekündiget und, daß er sich taufen lassen solle, ermahnet. Zu dem Ende die beiden Herren Archidiaconi ihm seinen Irrthum vorzustellen und zum christlichen Glauben zu bekehren versuchet worden, so auch öfters zu ihm auf’s Rathhaus in die Commission- oder Armensünderstube gegangen, aber nichts ausgerichtet. Inzwischen ließ E. E. Rath das baufällige hohe Gericht zu repariren Anstalt machen, zu welchem Ende den 6. April – war Mittwochs – morgens um 5 Uhr alle Zimmerleute und Mäurer, Meister und Gesellen, sich im Zimmerhofe auf dem Neumarkt versammelt, und nachdem sie wegen der Präcedenz (Vorantritt) streitig geworden, hat dieses zuvor unternommen und geschlichtet werden müssen, darauf sie gedachten Tages gegen 9 Uhr in folgender Ordnung und zwar erstlich die Zimmerleute in vier Rotten getheilt, von denen Meistern geführet, mit einer blau, gelb und weißen Fahne, 132 Mann stark, die Meister ungerechnet, dann die Mäurer an 100 Mann stark, von dem Rathsmäurer angeführt, gleichfalls mit einer blau, gelb und weißstreifigen Fahne, hinauszogen. Voran ritten der Churfürstlich Sachs. Amts-Landrichter, E. E. Raths Obervoigt und Zimmermann, diesen folgeten ein Lehrjunge mit einer Axt, daran blau und weiß Band geknüpft war, und zwei Trommelschläger. Nach geschlossenem Kreise vorm Gerichte that gedachter Landrichter eine kurze Rede, daß es denen Handwerkern nicht sollte zum Schimpf und Nachtheile gereichen, so daran arbeiteten. Hierauf that der Landrichter, dann der Obervoigt, welcher auch im Namen des Raths denen Handwerkern Schutz versprach, den ersten Hieb in’s Holz und in die Mauer, denen folgten alle Meister und Gesellen. Nach diesen ward ein Gerüste um das Gerichte gemacht und dasselbe zu repariren angefangen. Abends nach 6 Uhr zogen sie allerseits in Ordnung, und zwar vom Obervoigte allein geführet und die Mäurer zuerst, herein, folgenden Tages nach 5 Uhr zogen sie wieder aus und hatten die Mäurer den Vorzug, Abends nach 6 Uhr wieder herein, da die Zimmerleute den Vorzug hatten. Mittwochs, nach der Predigt, um halb 9 Uhr, zogen sie wieder hinaus, und waren abermals die Zimmerleute beim Aus- und die Mäurer beim Hereinzug die Ersten. Selbiger Zeit wurden neue Balken eingelegt, das Gemäuer berappet, geweihet und roth eingefaßet, auch ein Schnellgalgen vor den auf den Hals sitzenden Juden angebauet. Unter währender Reparition hat sich den 7. April, Mittags um 12 Uhr, einer von den drei Juden in seinem Gefängniß auf dem Rathhause an einem Lappen, so er vom Hemde herunter gerissen, aus Desperation erhenket. Der Körper ward vom Nachrichter abgeschnitten, zur Stadt hinausgeschleift und unter das Gericht verscharret. Der andere Jude, so nächst diesem in Verhaft saß, ward den 16. ditto um den Markt herum, die Catherstraßen hinunter, den Brühl hin, die Ritterstraße hinauf, zum Grimmischen Thore hinaus mit Ruthen gestrichen und hernach in’s Zuchthaus gethan. Dergleichen Lohn empfingen den 19. Mai die beiden Brüder, so mit den Juden bei gedachtem Diebstahl intereßiret waren. Der dritte Jude, Adam Seidler genannt, ward den 12. August dieses Jahres, dabei er alles evangelischen Unterrichts und genügsamer Ueberführung ungeachtet auf seinem verkehrten und verstockten Sinn blieb, durch den Strang vom Leben zum Tode gebracht und an den neuangebaueten Schnellgalgen aufgeknüpfet.“
Unsere heutigen deutschen Gesetzgebungen kennen keine Todesstrafe mehr für Eigenthumsverbrechen. – Einen Diebstahl begeht nach ihnen, wer wissentlich und widerrechtlich eine fremde bewegliche Sache wider den Willen ihres Inhabers aus dessen Gewahrsam oder Inhabung, jedoch ohne Anwendung von Gewalt gegen Personen, hinwegnimmt, um sich oder Anderen einen unerlaubten Vortheil davon zu verschaffen. Hat die entwendete Sache keinen Schätzungswerth, ist also ein Schwefelhölzchen oder eine Stecknadel entwendet worden, so schließt dies den Begriff des Diebstahls, nach einigen Gesetzen, aus, obgleich immerhin eine strafbare Beeinträchtigung fremden Eigenthums übrig bleibt. Daher ist auch in diesem Sinne die Entwendung von Leichen oder Theilen davon aus Gräbern, wie sie der Drang nach Befriedigung des Wissensdurstes mitunter herbeigeführt hat, kein Diebstahl (weil hier ein eigentlicher Schätzungswerth nicht vorhanden ist), sondern ein selbstständiges Vergehen. Aus der Begriffsbestimmung folgt, daß man an seiner eigenen Sache keinen Diebstahl begehen kann, selbst wenn sich dieselbe in fremdem Gewahrsam, etwa als Pfand, befindet. Ein derartiges unberechtiges hinwegnehmen wird jedoch dem Diebstahl gleich gerechnet und bestraft, wenn es in der Absicht geschah, dem Inhaber die Sache oder deren Werth dessenungeachtet noch abzufordern. Wenn aber Jemand seine eigene Sache, indem er sie für eine fremde hält, entwendet, so begeht er zwar ebenfalls keinen Diebstahl, kann indessen wegen Versuches desselben bestraft werden, denn er hatte die Absicht, die Sache eines Anderen sich zuzueignen, und nur der Zufall führte ihm die seine in die Hände.
Da man, um Diebstahl zu begehen, eine Sache aus dem Gewahrsam, dem Besitz eines Anderen hinwegnehmen muß, so geht daraus hervor, daß die Erlegung des Wildes auf fremdem nicht umschlossenem Gebiete (Wilddiebstahl) kein Diebstahl, vielmehr eine andere Art verbrecherischer Beeinträchtigung fremder Rechte ist, wogegen ein wirklicher Diebstahl begangen wird durch Erlegung oder Einfangen solcher Thiere, welche sich in Thiergärten, Wildparken oder Fischteichen – da solche ebenfalls eine Art des Gewahrsams bilden – befinden. Wilde Thiere, die in ihrer natürlichen Freiheit leben, sind an sich herrenlos und gehen erst durch die Erlegung und Besitzergreifung (Occupation) in das Eigenthum über, doch kann das Eigenthum solcher herrenlosen Sachen, bei welchen nach den Gesetzen ein ausschließliches Recht der Zueignung in Bezirken oder auf einzelnen Grundstücken besteht, nur von dem Berechtigten durch Besitzergreifung erworben werden.
Der unrechtmäßige Vortheil, den sich der Dieb durch seine Uebertretung, sein Vergehen oder Verbrechen verschaffen will, muß nicht ein Vermögensgewinn, sondern kann ebensogut jeder andere Genuß oder Vortheil, z. B. die Befriedigung der Rachbegierde[3] und dergl. sein. Daß der Dieb nicht zu seinem, sondern zum Vortheil eines Dritten stiehlt, macht ihn vor dem Gesetze nicht besser und strafloser. Jener wunderliche Heilige, der den Reichen das Leder stahl, um den Armen Schuhe davon zu machen, war trotz seiner menschenfreundlichen Absichten ein wahrer Dieb. Auch diejenigen Gesetzbücher, welche beim Diebstahl die Wegnahme einer Sache zum Vortheil eines Anderen nicht ausdrücklich erwähnen, gehen selbstverständlich von demselben Gesichtspunkte aus, denn wenn man Etwas für einen Dritten entwendet, so eignet man sich solches zunächst selbst an, um dann an dem Weitergeben irgend einen Genuß zu haben, sei es auch nur den, Jemandem eine Freude zu bereiten, wie St. Crispin. – Der Diebstahl ist entweder ein einfacher oder ein durch erschwerende Umstände ausgezeichneter. Diese letzteren bestehen darin, daß sich der Dieb an geweiheten oder dem Schutze des Publicums stillschweigend anvertrauten oder an solchen Sachen vergreift, die besonders schwer zu behüten und zu bewachen sind. Hierher gehören: zum Gottesdienst bestimmte Gegenstände, Grabstätten, öffentliche Sammlungen, Vieh auf der Weide, Wäschstücke auf der Bleiche, Reisegepäck in Posthäusern, Eisenbahnhöfen u. s. f. – Dann können aber auch die obwaltenden äußeren Verhältnisse den Diebstahl zu einem schwereren Verbrechen machen, z. B. wenn er verübt wird bei Feuersgefahr, Aufruhr, Tumult, bei eingetretener Nachtzeit oder Nachtruhe. Noch härter wird der Diebstahl bestraft, welcher begangen wird unter Anwendung von Gewalt gegen Sachen, als Erbrechen von Thüren, Einsteigen in Gebäude, Aufsprengen verschlossener Behältnisse, Anwendung falscher Schlüssel oder sonstiger Werkzeuge, ingleichen bei einer Feuers- oder Wassersnoth an dem geborgenen Gute selbst. (Ausgezeichneter Diebstahl im engeren Sinne.)
Da zum Begriffe des Diebstahls gehört, daß Etwas aus dem Gewahrsam, der Innehabung, dem Besitze einer anderen Person entwendet wird, so ergiebt sich, daß das Ansichnehmen einer gefundenen Sache, um solche für sich zu behalten, kein Diebstahl sei. Es ist vielmehr der sogen. Funddiebstahl eine Art der Unterschlagungen. Eine solche wird begangen, wenn man eine fremde bewegliche Sache, in deren Besitz man sich befindet, dem Eigenthümer oder dem sonst Berechtigten rechtswidrig entzieht, um sich oder [728] Anderen dieselbe zuzueignen, oder sonst einen Vortheil davon zu verschaffen. Verbraucht jedoch Jemand ihm anvertrautes Geld oder andere Sachen, die nur in derselben Gattung zu gewähren sind, z. B. Getreide, und hat er dabei die wohlbegründete Ueberzeugung, daß er zur bestimmten Zeit oder auf jedesmaliges Verlangen des Berechtigten Ersatz leisten könne, so begeht er keine Unterschlagung, dafern er nicht Cassen-Beamter ist, denn einem solchen kommt die wohlbegründete Ueberzeugung, daß er werde Ersatz leisten können, nicht zu statten. –
Sagt man im gewöhnlichen Leben, man habe eine Sache verloren, so will man damit allerdings bezeichnen, daß man nicht mehr im Besitze derselben sei. Man faßt aber dabei den Begriff des Besitzes nicht weit und nennt mitunter schon das Geldstück verloren, das man in seinem Zimmer auf den Boden fallen ließ und nicht sofort wieder finden kann. Der Jurist setzt dem Besitz eine weitere Grenze, indem er das noch nicht als verloren betrachtet, was man wiederzufinden in seiner Gewalt hat, oder was sich im Gewahrsame, z. B. im Zimmer, im Hause, im Garten und dergl. befindet, oder was man eben erst verloren hat, indem man sich des Ortes, wo es liegt, noch lebhaft erinnert. Erst dann, wenn sich der Eigenthümer nicht mehr zu erinnern vermag, wo ihm seine Sache abhanden gekommen, oder wenn ein äußerer Zufall hinzugetreten ist, der ihm die Einwirkung auf solche unmöglich macht, hat er den Besitz verloren. Da der sogen. Funddiebstahl milder beurtheilt wird, als der Diebstahl, so wird dies natürlich von großer Wichtigkeit. Ein Beispiel giebt folgender Fall. [4]
Ein Müller fuhr, noch am hellen Tage, mit einem beladenen Wagen auf der Chaussee nach seinem Dorfe und legte, in der Nähe desselben angelangt, auf den hintern Theil des Wagens seinen Pelz, den er bis dahin am Leibe gehabt hatte. Bald fiel der Pelz auf die Straße, ein Wandersmann sah ihn herabfallen und warf ihn mit seinem Stocke in den Chausseegraben, begab sich dann in einen benachbarten Wald und versteckte sich hinter einen Baum. Eine dritte Person hatte das Gebahren beobachtet und setzte den Müller in Kenntniß. Dieser kehrte um, holte den Fremden ein und fragte ihn nach dem Pelze. Der Fremde stellte nicht nur in Abrede, daß er von dem Pelze etwas wisse, sondern schlug sogar dessen Eigenthümer.
Nach Schluß der eingeleiteten Untersuchung betrachtete die erste Instanz das vorliegende Vergehen als Vorenthaltung einer gefundenen Sache und leichte Körperverletzung. Der Pelz des Müllers sei, nach dem Sprachgebrauche, verloren gewesen, der Eigenthümer habe den Ort, wo sich sein Pelz befunden, nicht gewußt und also auf seine Sache nicht einwirken können. Durch das bloße Ansichnehmen des Pelzes habe der Angeschuldigte keine unerlaubte Handlung begangen, und seine Handlungsweise sei erst dadurch verbrecherisch geworden, daß er den Pelz nicht an den Verlierer zurückgegeben, sondern dessen Auffinden abgeleugnet habe. Die höhere Instanz erkannte dagegen, daß der Angeschuldigte einen wirklichen Diebstahl begangen habe. Der Pelz sei nach rechtlichen Begriffen gar nicht verloren gewesen, da sich der Eigenthümer bei der Kürze der Zeit des Verlustes und des zurückgelegten Weges durch ein einziges Umblicken über den Verblieb seines Pelzes hätte vergewissern und ihn sofort wieder an sich nehmen können, wenn nicht der Angeschuldigte durch das Verstecken desselben dies vereitelt hätte. Der wirkliche Besitz des Pelzes sei durch das Herabfallen vom Wagen noch nicht verloren gewesen. Vom gewöhnlichen Sprachgebrauche könne hier nicht ausgegangen werden, da man nicht anstehe z. B. ein Taschentuch als verloren zu bezeichnen, das einem im Zimmer eben aus der Tasche gefallen sei.
Der sogenannte Funddiebstahl (Fundunterschlagung, strafbare Vorenthaltung fremder Sachen) wird erst dann angenommen, wenn Seiten des Finders eine solche Handlung vorgenommen worden ist, welche die Ansicht zu erkennen giebt, sich die gefundene Sache anzueignen, also ein Verstecken, Verleugnen derselben. Spiegelberg in den Räubern macht aus dem Benehmen beim Finden einer Sache einen Prüfstein für anzuwerbende Räuberrekruten, indem er zu Razmann sagt: „– – – oder besser und kürzer, du gehst und wirfst einen vollen Beutel auf die offene Straße, versteckst dich irgendwo und merkst dir wohl, wer ihn aufhebt – eine Weile d’rauf jagst Du hinterher, suchst, schreist und fragst nur so im Vorbeigehen: Haben der Herr nicht etwa einen Geldbeutel gefunden? Sagt er ja, – nun, so hat’s der Teufel gesehen; leugnet er’s aber: Der Herr verzeihen – ich wüßte mich nicht zu entsinnen – ich bedauere – (aufspringend) Bruder! Triumph, Bruder! lösch deine Laterne aus, schlauer Diogenes! – du hast deinen Mann gefunden.“ –
Aufheben darf demnach Jeder eine Sache, welche er findet, nur muß er sie auf die vom Eigenthümer oder sonst Berechtigten resp. Seiten der Obrigkeit erfolgte Nachfrage nicht verleugnen, sie vielmehr dem Verlierer, wenn dieser ihm soweit bekannt geworden, daß er in den Stand gesetzt wurde, die Sache an den rechten Mann zu bringen, aushändigen oder der Behörde Anzeige erstatten. Wo in den Gesetzen für die letztgedachte Anzeige keine Frist bestimmt ist, thut man wohl, sie sobald als möglich zu machen, worauf man dann, wenn sich nach einer gewissen Frist der Eigenthümer nicht gemeldet hat, soweit dies das Gesetz bestimmt, einen Antheil vom Erlöse der gefundenen Sache als sogenanntes Finderlohn erhält. Einige Gesetze stellen dem Funddiebstahle gleich das Unterschlagen angeschwemmter Sachen und gefundener Schätze. Ein in der Erde verborgener Schatz, dessen Eigenthümer durch die Länge der Zeit gänzlich unbekannt geworden ist, gehört nach den Grundsätzen des gemeinen Rechtes zur Hälfte dem Finder und zur Hälfte dem Eigenthümer des Grundes und Bodens, worin er gefunden wurde. Wenn aber absichtlich und ohne Einwilligung des Grundeigenthümers danach gesucht worden ist, so kann dieser das Ganze fordern. Der Staatsfiscus hat das Recht des Eigenthümers bei Grundstücken, die in öffentlichem Eigenthume stehen, z. B. Staatswaldungen, Staatsgebäuden, öffentlichen Chausseen und dergleichen. – Eine Fundunterschlagung findet demnach bei Schätzen dann statt, wenn der Finder in eigennütziger Absicht die in den Rechten geordnete Ablieferung unterläßt.
In der Gegenwart bestehen die Strafen des Diebstahls in Freiheitsstrafen, von den leichteren – Gefängnißstrafe – bis zu den schwereren – Arbeitshaus, Zuchthaus, schwerer Kerker etc. – je nach dem Werthe der gestohlenen Sache und ihrer besonderen Eigenschaften, sowie nach der Art und Weise der Verübung und den Eigenschaften des Diebes, wobei besonders die Rückfälligkeit in Betracht kommt. Ein Diebstahl, verübt zur augenblicklichen Befriedigung des Hungers oder der Lüsternheit an Eßwaaren, ist besonders mild zu beurtheilen und war nach der peinlichen Gerichtsordnung in dem Falle sogar straflos, wenn der Dieb die eßbaren Gegenstände entwendet hatte, um sich selbst, sein Weib oder seine Kinder dem Hungertode zu entziehen. – Die Untersuchung und Bestrafung des Diebstahls hat in der Regel ohne darauf gerichteten Antrag zu erfolgen, jedoch wird ausnahmsweise ein solcher erfordert bei Diebstählen unter nahen Verwandten und Ehegatten - insofern einzelne Gesetze hier die Bestrafung nicht ganz ausschließen. Freiwillig geleisteter, vollständiger Ersatz vor Entdeckung des Diebstahls (bez. vor dem Einschreiten der Behörde) ist entweder in hohem Grade ein mildernder Umstand oder hebt die Strafbarkeit beim einfachen Diebstahl ganz auf. – Die Strafen der Fundunterschlagung sind durchgängig geringer, als die des Diebstahls, bestehen sogar nach Landesgesetzen bei geringeren Beträgen in Geldbußen, setzen einen Antrag des Verletzten voraus oder sind bei ganz geringen Beträgen, vorausgesetzt, daß der Finder den Fund nicht verleugnet oder die dem Verderben ausgesetzte Sache verbraucht hat, straflos.
Ueber Forst-, Wild- und Felddiebstähle bestimmen in den meisten deutschen Staaten besondere Gesetze.
- ↑ Diese Todesstrafe war besonders für Frauenspersonen bestimmt.
- ↑ Decken von grobem Zeug.
- ↑ Das Königl. Preuß. Obertribunal hat in einer Entscheidung vom 18. März 1857 sich dahin ausgesprochen, daß der Begriff des Diebstahls wegfalle, wenn die Gewinnsucht ausgeschlossen sei.
- ↑ Ausführlich mitgetheilt in Dr. Friedrich Oscar Schwarze’s Allgem[.] Gerichtszeitung für das Königreich Sachsen und die Großherzogl. und Herzogl. Sächs. Länder, Jahrg. 1858.