Reiherbeize

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Textdaten
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Autor: –i.
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Titel: Reiherbeize
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 277, 288
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[277]

Reiherbeize.
Nach dem Oelgemälde von Wilh. Räuber.

[288] Reiherbeize. (Mit Illustration S. 277.) Mittelasien war von jeher die Heimstätte der Falkenjagd, die dort im großartigsten Maßstabe betrieben wurde. In den Berichten Marco Polo’s aus dem Jahre 1290 lesen wir, daß Kublai Chan im Monat März mit 10000 Falknern und Vogelstellern, auf einem Elefanten reitend, große Jagdzüge durch das unermeßliche Gebiet seines Reiches zu unternehmen pflegte, und aus späteren Jahrhunderten wird von dem „König von Persien“ berichtet, daß er sich über 800 Falken gehalten hätte, wovon die einen auf wilde Schweine, wilde Esel, Antilopen und Füchse, die anderen auf Kraniche, Reiher, Gänse und Feldhühner abgetragen waren. Solche Ausdehnung hat die Falkenjagd in Europa niemals erlangt, aber lange Zeit hindurch bildete sie an den Höfen der Großen die beliebteste Jagdart, an der, wie heute an den Parforcejagden, auch die Damenwelt sich gern betheiligte. Unter den deutschen Kaisern giebt es eine lange Reihe passionirter Falkenjäger, und Kaiser Friedrich II., der geschickteste und leidenschaftlichste Falkner seiner Zeit, schrieb sogar ein Buch „Ueber die Kunst des Jagens mit Vögeln“ („De arte venandi cum avibus“), welches im Jahre 1596 gedruckt wurde und bis heute in der Jagdlitteratur eine hervorragende Stelle einnimmt.

Vierfüßler jagte man in Europa mit Falken seltener, denn nur auf weiten Steppengebieten kann eine derartige Beize sich interessant entfalten. Unseren Vorfahren erschien mit Recht das Reich der Lüfte als die vornehmste Domaine des Edelfalken. Hoch über den Wipfeln der Bäume sollte der kühne Vogel seine Beute aufsuchen, sollte in der schwindelnden Höhe, bis zu welcher kein Bogenpfeil emporschnellen konnte, allein den Kampf bestehen und durch seine Gewandtheit das Jägerauge erfreuen. Auf schwache Rebhühner und furchtsame Tauben wurden nur junge, noch nicht abgerichtete Falken geworfen, die alten, welche die Schule bereits durchgemacht hatten, mußten einen würdigeren Gegner aufsuchen, und sie fanden ihn in den schlanken Bewohnern unserer Gewässer, in Reihern und Kranichen.

Und wahrlich bot die Reiherbeize, wie sie in Jagdwerken früherer Zeit beschrieben wird, ein prachtvolles Bild, dessen wechselnden Gang der Jäger mit Spannung und pochendem Herzen verfolgte. Da schwebt der Reiher hoch über der Ebene, dem blauen Himmelszelt entgegeneilend, aber rascher schwingt sich der Falke empor, er sucht ihm die Höhe abzugewinnen und von Augenblick zu Augenblick wird sein Vortheil sicherer und sicherer. Nun hat er den nöthigen Vorsprung gewonnen und schwebt über der Beute, um den entscheidenden Stoß auszuführen. Der kritische Augenblick ist da. Der Verfolgte streckt blitzschnell dem auf ihn Herabstoßenden den spitzen Schnabel entgegen, die fürchterliche Waffe, die ihn so oft gerettet.

In wirrem Knäuel stürzen die Vögel herab, und donnernd sprengen die Rosse der Jäger über die Haide nach der Stelle, wo die Kämpfer niedergefallen. Ein Jubelruf erschallt, der Edelfalk hat den Sieg davongetragen, auf dem Rücken des Reihers sitzend, würgt er den Gegner am Halse. Nun wird der Besiegte so schnell wie möglich befreit und, wenn seine Verletzungen nicht gefährlich sind, wieder freigelassen, nachdem er die schönsten Federn, namentlich aber seinen Hauptschmuck als Jägertrophäe hergegeben. Ein metallener Ring wird ihm um den Fuß gelegt. Die Jahreszahl und der Ort des Fanges sind auf ihm eingegraben, und er muß ihn tragen, als Zeichen seiner Niederlage. Und der Falke? Er fliegt zurück auf die mit dickem Lederhandschuh geschützte Hand der Dame, die ihn auf den Reiher geworfen, und empfängt den wohlverdienten Lohn: reichlichen guten Fraß.

Die Zeiten sind dahin, wo man in Deutschland solche Jagdbilder schauen konnte, wie sie uns die Meisterhand W. Räuber’s vorzaubert. Hier und dort werden noch in Europa schwache Versuche unternommen, um Sinn und Lust an der Falkenjagd zu wecken. Viele Nachahmer finden jedoch die modernen Falkner nicht, die Zeit dieser hohen Jagd scheint für immer vorüber zu sein. Blei und Pulver erreichen auch hoch in den Lüften ihre Beute. –i.