Reue (Goethe)
Nur fort, du braune Hexe, fort!
Aus meinem gereinigten Hause,
Daß ich dich, nach dem ersten Wort,
Nicht zause.
Von Lieb’ und stiller Mädchentreu?
Wer mag das Mährchen hören!
Ich singe von des Mädchens Reu,
Und langem heißem Sehnen,
Und Thränen.
Sie fürchtet der Mutter Drohen nicht mehr,
Sie fürchtet des Bruders Faust nicht so sehr,
Als den Haß des herzlich Geliebten.
Von Mord und diebischem Rauben,
Man wird dir jede falsche That
Wohl glauben.
Wenn sie Beute vertheilt, Gewand und Gut,
Das sind gewohnte Geschichten.
„Ach weh! ach weh! was hab’ ich gethan!
Was hilft mich nun das Lauschen
Ich hör’ an meine Kammer heran,
Da klopfte mir doch das Herz, ich dacht:
O hättest du doch die Liebesnacht
Der Mutter nicht verrathen!“
Ach leider! trat ich auch einst hinein,
Ach Süßchen laß mich zu dir ein,
Mit Willen.
Doch gleich entstand ein Lärm und Geschrey,
Es rannten die tollen Verwandten herbey,
„Kommt nun dieselbige Stunde zurück,
Wie still michs kränket und schmerzet!
Ich habe das nahe, das einzige Glück
Verscherzet.
Es war mein Bruder verrucht genung
So schlecht an dem Liebsten zu handeln.“
So ging das schwarze Weib in das Haus,
In den Hof zur springenden Quelle,
Und helle
Ward Aug’ und Gesicht, und, weiß und klar,
Stellt sich die schöne Müllerinn dar,
Dem erstaunt, erzürnten Knaben.
Du Süßer, Schöner und Trauter!
Und Schläg’ und Messerstiche nicht,
Nur lauter
Sag ich von Schmerz und Liebe dir,
Nun leben oder auch sterben.
O Neigung sage wie hast du so tief
Im Herzen dich verstecket?
Wer hat dich, die verborgen schlief,
Ach Liebe du wohl unsterblich bist!
Nicht kann Verrath und hämische List
Dein göttlich Leben tödten.
Liebst du mich noch so hoch und sehr,
So ist uns beyden auch nichts mehr
Verlohren.
Nimm hin das vielgeliebte Weib!
Den jungen, unberührten Leib,
Nun Sonne geh hinab und hinauf,
Ihr Sterne leuchtet und dunkelt!
Es geht ein Liebesgestirn mir auf
Und funkelt.
Solange bleiben wir gleichgesinnt,
Eins an des anderen Herzen.