Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Merzdorf

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Autor: Otto Moser
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Titel: Merzdorf
Untertitel:
aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 27–29
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Kurzbeschreibung:
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Merzdorf.


Zwischen den Städten Riesa und Strehla, am rechten Ufer der Döllnitz, liegt in sehr angenehmer Gegend das unregelmässig gebaute Dorf Merzdorf, welches ausser einem nicht unbedeutenden Rittergute, ein Mühlgut, sechs kleinere Bauergüter und mit Einschluss des Wirthshauses und Gemeindehauses zwölf Häuser umfasst. Der Ort zählt gegen einhundert und funfzig Einwohner von denen Viele sich mit Handwerken, die übrigen aber mit Landbau beschäftigen. In früherer Zeit hatte Merzdorf seine eigene Gerichtsbarkeit, unter welche auch verschiedene Bewohner des nahen Dorfes Pochra gehörten; 1836 trat jedoch der damalige Besitzer des Rittergutes Merzdorf die Gerichtspflege an den Staat ab, und ist nun dieselbe dem Amte Oschatz überwiesen. Am 7. April 1742 wurde Merzdorf sammt dem dazu gehörigen Vorwerke Pochra für schriftsässig erklärt, doch behielt das Amt Oschatz die Eintreibung der erblichen Gefälle und die Besorgung anderer Obliegenheiten ohne Requisition des Erbherrn.

Das Rittergut Merzdorf, in Urkunden des funfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts bisweilen ein Vorwerk genannt, besteht aus vierzehn Scheffeln Gärten, dreihundert dreiundachtzig Scheffeln Feld, achtundzwanzig Scheffeln Wiesen, neununddreissig Scheffeln Waldung, vierundzwanzig Scheffeln Trift und zwölf Scheffeln Teichen. Zu ihm gehört ferner eine Schäferei und Thongrube. Nahe beim Wirthschaftshofe erhebt sich in einem mit englischen Anlagen verzierten Garten das schöne Herrenhaus.

Merzdorf war einst Besitzthum des alten reichen Geschlechts der Pflugke dessen altersgraues Stammschloss Strehla auf einem Felsen des nahen Elbstromes thront. Georg Pflugk auf Zabeltitz besass Merzdorf im Anfange des [28] sechszehnten Jahrhunderts und überliess es Heinrich Pflugk, den am Mittwoch nach dem Aschermittwochtage 1540 Herzog Heinrich der Fromme mit Schloss und einem Theile der Stadt Strehla, dem vierten Theile des Elbgeleites, mit Görzig und Bleyditz, Lausa, Casa, Grossrügeln und Merzdorf belehnte. Die Lehnserben Heinrichs von Pflugk behielten Merzdorf bis zum Jahre 1590, wo es an Christian von Holzendorf kam, der um 1627 mit Tode abging. Nach ihm besass Merzdorf Haubold von Starschedel, der 1600 auf dem nahen Rittergute Borna geboren, und am 12. October 1639 in die Frauenkirche zu Dresden begraben wurde. Um das Jahr 1660 gehörte Merzdorf einem Innocenz von Starschedel, welcher auch ein Haus am Markte zu Oschatz, der grosse Christoph genannt, besass, und um 1670 zwei Brüdern Hans Georg und Innocenz von Starschedel, von denen Ersterer 1672 starb und das Gut seinem Bruder hinterliess. Dieser scheint noch vor 1674 gestorben zu sein, denn in diesem Jahre war Herr auf Merzdorf und Gersdorf Adam Heinrich von Starschedel, der von Andreas Dietrichs von Schleinitz Söhnen das Dorf Weida kaufte und am 13. August 1695 mit Tode abging. Er war vermählt mit Marie Sophie Pflugk, Otto Pflugks auf Frauenhain, Churfürstlichen Kammerjunkers, Amtshauptmanns und Obersteuereinnehmers, Tochter. Nach ihm besass Merzdorf Haubold Otto von Starschedel, der am 18. August 1664 auf dem Hause Merzdorf geboren war und sich am 15. Januar 1689 mit Anna Eleonore aus dem Winkel, des Hauses Wettin, vermählte. Von 1682 bis 1684 bereiste er das Reich, Elsass, Frankreich, England, Holland und die Niederlande, und als er 1694 sich auf dem Landtage zu Dresden befand, bekam er die Kinderblattern, auch war er in den letzten Jahren seines Lebens durch die Gicht an Händen und Füssen gelähmt. Dieser Besitzer baute das Stammhaus der Starschedel, das Schloss Borna, aus Asche und Schutterde wieder auf, welche Absicht bereits sein Grossvater Innocenz von Starschedel gehegt, aber wegen der Kriegsbeschwerden und einer ausgebrochenen Seuche nicht ausgeführt hatte. Allein auch Haubold Otto konnte, durch die Schwedische Invasion und andere Umstände gehindert, den Bau nicht ganz vollenden. Er starb zu Borna am 9. October 1710 und ward in dem dasigen Erbbegräbnisse beigesetzt. Ihm folgten als Besitzer von Merzdorf die Brüder Adam Heinrich und Friedrich Heinrich von Starschedel. Adam Heinrich von Starschedel, Haubolds von Starschedel auf Merzdorf zweiter Sohn, kaufte um 1752 zwei Hufen Land zu Pochra für 568 fl. 12 gl. die vom Rentamte als ein Capital gegen 4% ausgeliehen und bis in die neueste Zeit verzinst wurden. Innocenz Heinrich von Starschedel, des vorigen Sohn, zu Borna am 19. Juni 1742 geboren, vermählte sich am 24. April 1764 mit Amalie Wilhelmine von Schönberg aus dem Hause Bornitz und nach deren Tode mit Christine Charlotte von Seidlitz aus dem Hause Zschaiten, von der er sich ein Jahr vor seinem Tode trennen liess. Er starb kinderlos am 14. Januar 1801, und das Rittergut Merzdorf welches zweihundert Jahre lang Eigenthum der Starschedel gewesen war, kam an den Commerzienrath Dr. Johann Christoph Hanisch, späteren Baron von Odeleben, welcher 1808 in Riesa mit Tode abging. Des Barons von Odeleben Erben konnten das Gut nur bis zum Jahre 1824 behaupten, wo es Heinrich Rittner an sich brachte, der am 7. Mai 1835, innig betrauert von Allen die ihn kannten, zu Dresden das Zeitliche segnete. Ein unvergängliches Denkmal stiftete sich dieser edle Mann dadurch, dass er testamentarisch einen Theil seines Vermögens zu milden Stiftungen bestimmte. Es werden nämlich an seinem Sterbetage unter die zehn ärmsten und ältesten Personen Dresdens hundert Thaler vertheilt, wozu er ein Capital von zweitausend fünfhundert Thalern auf zwei ihm vormals zugehörigen Häusern (Schlossgasse No. 328 und Schössergasse No. 357) hypothekarisch versicherte. Die drei ärmsten und ältesten Einwohner des Theiles von Pochra, welcher früher unter die Gerichtsbarkeit des Rittergutes Merzdorf gehörte, empfangen an des Testators Sterbetage die Zinsen eines Capitals von fünfhundert Thalern, das auf dem Rittergute ruht. Tausend Thaler empfingen die Gesellschaft zu Rath und That das Waisenhaus und die Armenkasse in Dresden. Dem Krankenhause zu Altbrandenburg an der Havel, seiner Vaterstadt, oder wenn das Krankenhaus nicht mehr vorhanden sein sollte, irgend einer dasigen Erziehungsanstalt schenkte der edle Mann dreihundert Thaler. Und so hat der wackere Rittner noch viele Vermächtnisse und Schenkungen gestiftet, die ihm ein stets dankbares Andenken sichern. Der jetzige Besitzer von Merzdorf ist des Vorigen Sohn, Herr Carl August Rittner, seit 1829 vermählt mit Fräulein Louise Wilhelmine von Egidy.

Pochra, in Urkunden auch Vochra und Pucher genannt, liegt nicht weit von Merzdorf, in hügelicher angenehmer und fruchtbarer Gegend. Das hiesige Vorwerk, welches, wie schon erwähnt, zu Merzdorf gehört, war in früherer Zeit ein selbstständiges Rittergut, und wurde 1742 mit Merzdorf schriftsässig gemacht. In dem Dorfe dessen Inneres mit Weiden bepflanzt ist, befinden sich dreizehn Bauergüter, eine Schenke, ein Gemeindehaus und sieben Häuser. Die Gerichtsbarkeit über Pochra steht theils dem Amte Oschatz theils dem Rittergute Bornitz zu. Vor Zeiten gehörten von den in diesem Dorfe befindlichen Einwohnern zwei Mann dem Herrn von Nitzschwitz auf Gröba, und sechs Mann dem Amte. Churfürst August überliess jedoch am 13. Juli 1556 Sebastian Pflugken auf Strehla für den kleinen Spitalteich im Amte Hayn zwei gute Schock vierundvierzig Groschen bei sechs Mann im Dorfe Pochra, ein gutes Schock elf Groschen Zinsen bei drei Mann zu Reussen, fünfundvierzig Groschen Erbzinsen bei etlichen Bürgern in Strehla, fünfundvierzig Groschen zehn Pfennige Zinsen zu Görzig, vier Groschen bei einem Manne zu Saalhausen, drei gute Schock zwölf Groschen Zinsen, dritthalb Scheffel Korn und dritthalb Scheffel Hafer im Dorfe Canitz. Der Amtsvoigt Wolf von Bobritzsch musste diese Censiten mit genannten Zinsen, der Lehn und den Gerichten an Sebastian Pflugken verweisen. Als nun später zwischen Heinrich Pflugk auf Merzdorf, wohin diese sechs Mann geschlagen worden waren, und dem Amte wegen der Obergerichte Streit entstand, so wurden diese unter dem 12. December 1567 dem ersteren zugesprochen. Im Jahre 1622 wurden zwei Bauergüter an Haubold von Starschedel für zweihundert Gülden vererbt. – Im dreizehnten Jahrhundert war Pochra der Sitz eines adeligen Geschlechts von Bochere, von dem Conrad von Bochere, 1221 in einer Urkunde als Zeuge genannt ist.

Merzdorf ist nebst Pochra, Oberreussen, Forberg, Bobersen und Lessa in die Kirche zu Gröba eingepfarrt. Dieselbe wird schon sehr frühzeitig erwähnt, denn 1168 schenkte der Bischof Udo von Naumburg dieselbe dem Bosauischen Kloster Riesa. Das jetzt vorhandene Gotteshaus wurde im Jahre 1720 neu erbaut, und war Anfangs ohne Thurm, zu dem man erst am 29. [29] April 1732 den Grundstein legte, und zwei Jahre darauf die Fahne aufsetzte. Auch die innere Ausschmückung der Kirche kam erst in diesem Jahre zu Stande, und 1754 erhielt der Thurm eine neue Uhr, die hundert Thaler kostete. Zum Thurmbau musste jede Hufe einen Beitrag von vierzehn Thalern erlegen. Das Innere des Gotteshauses ist zwar einfach, aber dabei hell, freundlich und geräumig. Das Geläute wurde am 12. September 1733 auf den Kirchthurm gebracht.

Der Kirchhof zu Gröba hat vier Eingänge, und wird bei hohem Wasserstande der Elbe bisweilen überschwemmt, so dass man weder Gottesdienst halten noch Leichen bestatten kann. Eine zu Gröba am 6. März 1746 verstorbene Frau konnte erst am 12. März begraben werden, und eine am 7. März desselben Jahres verschiedene Jungfrau musste man auf den Kirchhof nach Borna bringen. Wegen des hohen Wassers hielt der Pfarrer am Sonntage Estomihi den Gottesdienst in der Schenke, die damals auf dem höchsten Punkte des Dorfes lag, und an demselben Tage hielt er eine zweite Predigt im Schlosse. – Die Collatur über die Kirche zu Gröba stand früher dem Kloster Riesa und nach dessen Säkularisirung dem dasigen Rittergute zu, im Jahre 1708 wurde jedoch dieselbe mit Bewilligung des Oberconsistoriums von der damaligen Herrschaft auf Riesa, einer Wittwe Felgenhauer, an den Besitzer von Gröba, den Kammerherrn Johann Georg von Arnim, verschenkt.

Der Fluss Döllnitz, welcher sich in schattigen Gebüschen durch die Fluren von Pochra, Merzdorf und Gröba hinschlängelt, und an welchem die zu den beiden letzteren Orten gehörigen Mühlen liegen, von denen sich ganz besonders die herrlich gelegene Feldmühle auszeichnet – die 1795 abbrannte – ist bei hohem Wasserstande sehr gefährlich, und hat bei seinem raschen Austreten schon häufig die Heuerndten vernichtet. Noch gefährlicher aber sind die Ueberschwemmungen der Elbe, wo schon oft eine grosse Anzahl Vieh ertrinken musste und die Einwohner in der grössten Lebensgefahr schwebten.

Eine der furchtbarsten Elbüberschwemmungen war die von 1746, wo eine Anzahl Bewohner Gröbas eine ganze Nacht hindurch in grösster Todesangst in den höchsten Räumen der Häuser zubringen mussten, bevor die Nachbarn im Stande waren, ihnen Hülfe zu leisten. Gleich schreckliche Wasserfluthen brachten die Jahre 1784, 1804, 1820 und 1845. – Noch ist zu bemerken dass die Leipzig-Dresdner Eisenbahn sich von Merzdorf aus durch die Gröbaer und Merzdorfer Fluren hindurchzieht, theils auf einem Damme mit zwei Durchfahrten, theils auf ebener Fläche, theils in einer Vertiefung, über welche auf dem Wege von Gröba nach Pausitz eine Brücke für die gewöhnlichen Wagen führt.

Otto Moser, Redact.