Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Wildenfels

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Titel: Wildenfels
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 74–78
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Wildenfels.


Von einem schmalen, halbinselförmigen Bergvorsprunge blickt stolz und stattlich das Schloss Wildenfels herab auf das umliegende Thal, das freundlich, fruchtbar und reichbevölkert ist, wie wenige in dem schönen Sachsenlande, und dessen Gauen beinahe durchgängig Besitzthum der Herren von Wildenfels sind, der Grafen von Solms-Laubach-Wildenfels, oder Solms-Wildenfels, eines der ältesten und berühmtesten Dynastengeschlechter Sachsens nicht nur, sondern Deutschlands überhaupt.

Die Lage von Wildenfels ist ungemein lieblich, wenn auch still und verborgen. Beschränken auch umliegende Höhen den Blick in die Ferne, so vergisst man das gern über der durch Kunst verschönerten reichen Natur. Zu beiden Seiten von Höhen gegen die rauhere Witterung geschützt, die das benachbarte Hochland heimsucht, erwacht der Frühling in dem freundlichen Thale von Wildenfels früher als ringsumher. Das dunkle Grün des Nadelholzes mischt sich mit den lichteren Tinten der Laubhölzer, üppiger Pflanzenwuchs bekleidet Berg und Thal und durch den blumigen Wiesengrund schlängelt sich ein rauschender Bach bis zu dem einzeln stehenden Bergkegel auf dem das Schloss erbaut ist, dessen Mauern auf der einen Seite einen jähen Abgrund überragen.

Schattige Gänge führen hinauf bis zur Höhe des Schlossberges, von welchem man einer erweiterten Aussicht über die untenliegenden Fluren, Gärten, Wiesen und Gebüsche geniesst.

Um den Schlossberg ziehen sich die schönen Parkanlagen und an denselben liegt der meist in Terrassen abgestufte Schlossgarten, in welchem ein reich ausgestattetes Gewächshaus Erwähnung verdient und ein hundert Fuss langes Feigenspalier als eine, besonderes für diese Gegend, aussergewöhnliche Erscheinung betrachtet werden darf.

Die reiche Flora dieser Gegend bietet dem Botaniker eben so reiche Ausbeute, wie für den Geognosten und Mineralogen die Berge durch Formation und Producte von hohem Interesse sind. Sie gewähren reiche Kalk- und Marmorbrüche, und die Menge verschiedenartiger fossiler Muschelthiere legt unwiderlegliches Zeugniss dafür ab, dass einst des Meeres Fluthen hier rauschten.

Unter den zahlreichen Marmorbrüchen verdient besondere Erwähnung der dem Staate gehörige schwarze Marmorbruch, der einzige in Sachsen. Er liefert nicht nur sehr schönes Material, welches stark bei dem Bau der katholischen Kirche in Dresden verwendet wurde, sondern ist auch merkwürdig durch eine vielverzweigte Höhle mit Tropffstein-Bildungen.

Der Marmor der Gegend von Wildenfels ist aschgrau, bläulichgrau, gelblichweiss, fleischfarben und schwarz mit weissen Adern und Punkten. Er ist zwar von schöner Zeichnung und guter Qualität, wird aber dennoch grösstentheils zu Kalk verbrannt, denn nicht in allen Brüchen eignet er sich zu Bildhauer-Arbeiten und nur selten finden sich grössere Stücken. Dennoch ist er zu einem Mausoleum in Zelle bei Nossen vorzugsweise verwendet worden.

Auch dem Geschichtsforscher bietet Wildenfels eine grosse Merkwürdigkeit. Es sind dies eine Anzahl Schieferplatten, welche 1718 von [75] dem damaligen Pfarrer in Weissbach, M. Sinner, eine Stunde von Wildenfels, zwischen den Dörfern Weissbach und Hermsdorf oder Hermannsdorf, aufgefunden wurden, und jetzt in der gräflich Solms’schen Bibliothek zu Wildenfels aufbewahrt werden. Sie haben zu einem Monumente gehört, das einem Krieger zum Grabe diente, welcher hier im 11. Jahrhundert auf einem Zuge gegen die Sorben und Wenden fiel und einstweilen hier begraben wurde, um später von den Seinigen abgeholt zu werden, was indess unterblieb. Die Schieferplatten, die theils nicht vollständig, theils beschädigt sind, tragen die folgende Inschrift:

„Voer glabbe alla in ainen Got vade Vahan (hier folgen eine Krone, eine Geissel und ein Kreuz) diser hoge im tuszent and tri . . . nati Chrs. Da lait godsa hermin was of a man künglg anita vilil starn Amshabt and üm handa üm dar akogl haer um gumers din was dar boolbor. Daristam haldi laits tuai. Sgrab dar harmit ludot bottai. Dia hermundr barrte sundr fantan boolbor. Das awafab hargods. Das Gebad. Voder vnser du bist im Himel. Dein voill gescho...“

Nach einer Erklärung von J. G. Weiler soll diese Inschrift so zu übersetzen sein:

„Wir glauben Alle an einen Gott, Vater von (oder wegen) der Dornenkrone, der Geissel und des Kreuzes. Dieser Hügel ist im tausend und dritten (oder 13. oder 30.) Jahre nat. Christi. Da liegt Hermann welcher war ein königlicher Mann hienieden, viel (vortrefflich) regieret amtsschaft und umhanden darum er liegt am Ende des Eichhügels. Herr um deines Jammers willen war er wolgefahren. Der Stein enthält zwei Leute des Grabes in dessen Mitte sie gelegt wurden. Die Hermunduren (Kriegsmänner) wurden (sind) wohlgefahren (selig gestorben) auch ohne Mönchskutten.[1] Das war ihres Herrgottes wegen. Das Gebet. Vater unser u. s. w.“

Einige haben behauptet, dieser vornehme Krieger sei Hermann, Markgraf von Thüringen und Meissen, gewesen, indess soll nach angestellten Untersuchungen, die der Verein der sächsischen Alterthumsforscher angestellt hat, das Ganze nur eine Mystification sein, obgleich sich nur schwer errathen liesse, von wem sie ausgegangen und zu welchem Zwecke sie veranstaltet sein sollte.

Das Schlossgebäude besteht aus 2 Abtheilungen, deren jede ihren besondern Hof hat und durch die Bauart die Zeit verräth, aus der sie stammt. Die eine hat die antiken eckigen Formen des Mittelalters, die andere die Zierlichkeit und Leichtigkeit des modernen Geschmacks.

Von der Stadt aus führt eine lange Auffahrt zu dem vordern neuern Schlosse, in welchem sich die gräflichen Zimmer, die Kanzlei und die Bibliothek befinden.

Die hintere, ältere, Abtheilung enthält die Brauerei, die Brennerei und einen alten, 50 Ellen hohen Thurm. Sie ist mit einer Ringmauer umgeben, die wahrscheinlich noch von der ersten Erbauung herrührt.

Die Auffahrt ruht auf 3 Bogen, unter welchen sich Tropfsteinbildungen einer eigenthümlichen blätterigen Art ansetzen. Sie ist mit lauter schönen neuen Gebäuden eingefasst, Wagenremisen, Gärtnerwohnung, namenlich mit ausgezeichneten Stauungen.

Das Städtchen Wildenfels, das theils am Abhange des Schlossberges, theils am Fusse desselben erbaut ist, zählt etwa 300 Feuerstellen mit nahe an 3000 Einwohnern, deren Hauptnahrungszweige Leinen- und Cattun-Weberei und Strumpfwirkerei sind. Im Ganzen ist die Bevölkerung arm, denn der grösste Theil des Grundbesitzes ist in den Händen des Grafen von Solms; ausser diesem hat Wildenfels kaum 12 begüterte Bürger.

Der Name des Ortes soll nach der Behauptung Einiger daher entstanden sein, dass man in dem wilden Felsengrunde vergebens nach Erzschätzen gesucht habe. Diese Behauptung ist aber jedenfalls unbegründet, denn offenbar ist Wildenfels und dessen Benennung älter als der sächsische Bergbau, der allerdings hier nur wenig Ausbeute gewährte, als er bis Mitte des 17. Jahrhunderts auf Kupfer und Blei betrieben wurde. Jedenfalls verdankt Wildenfels seinen Namen nur seiner wilden felsigen Lage.

Bestimmte Nachrichten finden sich über den Ursprung des Ortes nicht, indess behauptet die Sage, das Schloss sei bereits im 5. Jahrhundert von einem edlen Römer begründet worden, der sich zu Geiserichs Zeiten hierher wendete, um seinen festen Wohnsitz hier zu nehmen. So viel steht indess fest, dass Wildenfels einer der ältesten Rittersitze des Landes ist, und dass auch das Städtchen schon früh erbaut wurde; denn schon im Jahre 1233 wurden in dem Stiftungsbriefe, den Herrmann von Schoninburch (Schönburg) dem Kloster Gerungiswalde ausstellte, als Zeugen Goncelinus, Ludolfus et Sifridus, Urbani de Wildenfels, genannt.

Schloss und Herrschaft Wildenfels werden noch früher erwähnt und zwar durch ihre Besitzer in einer thüringischen Urkunde vom Jahre 1119. Diese nennt die Brüder Christian und Unarg, indess lässt sich nicht genau bestimmen, ob sie von Widenfels oder nur von Wilden hiessen.

Von Einigen ist behauptet worden, dass ein von Wilden das Schloss erbaut und nach sich benannt habe, weil sowohl sein Geschlecht als auch die Herrschaft eine Rose im Wappen führen; allein eben so gut kann auch der Name und das Wappen von dem Erwerber der Herrschaft angenommen worden sein.

So viel scheint ausgemacht, dass Wildenfels früher zu der Reichsgrafschaft Hartenstein gehörte, und dass die Grafen es ihren Vasallen, denen von Wildenfels, zu Lehen gaben, darauf einige Zeit selbst benutzten und endlich nicht gleich anderen Besitzungen an Veit von Schönburg abtraten. Wildenfels kam daher als Reichsherrschaft in den Besitz der Voigte von Weyda und später an den Grafen Heinrich von Schwarzburg. Zwar gelangten die von Wildenfels nach längerer Zeit wieder in den Besitz der Herrschaft, allein die Landeshoheit wussten die Kurfürsten Moritz und August, so wie deren Nachfolger, zu gewinnen, obgleich [76] darüber vor dem Reichskammergerichte über 100 Jahre lang ein Process geführt wurde.

Erst die Grafen von Solms erkannten 1706 diese Landeshoheit förmlich an, indem sie sich zur Leistung einer unbedeutenden Abgabe verstanden. Seitdem ist Wildenfels dem Amte Zwickau als Mittelbehörde überwiesen, doch muss dasselbe alle königlichen Rescripte versiegelt an den Standesherrn gelangen lassen.

Hanns und Heinrich von Wilden oder Wildenfels, Brüder, trugen im Jahre 1356 die Herrschaft Wildenfels mit allen Zubehörungen dem Kaiser Karl IV., als König von Böhmen, zu Lehn an und seitdem war sie eigentlich böhmisches Lehn geblieben, indess wurde davon später keine Notiz mehr genommen.

Durch Brand wurde Wildenfels mehrere Male sehr empfindlich betroffen; so brannte 1521 am Montage nach Viti das Schloss nebst einigen Häusern und Ställen und einem grossen Theile der Stadt ab; 1589 wieder das vordere Schloss, die Kirche und einige andere Gebäude; 1636 äscherte ein gewaltiges Feuer 34 Häuser ein, d. h. den grössten Theil des Ortes, denn dieser zählte im Jahre 1706 nicht mehr als 75 Häuser mit 550 Einwohnern.

Auch von der Pest wurde Wildenfels heimgesucht, und zwar hauptsächlich im Jahre 1632, wo oft in einem Hause täglich 3 bis 7 Menschen starben und 1641, wo der Ort so stark entvölkert wurde, dass 1642 nur 4, 1643 nur 8 und 1644 gar nur 2 Leichen aus der ganzen Stadt zu begraben waren.

Ungeachtet seiner von lebhafterem Verkehr und grösseren Landstrassen entfernten Lage wurde Wildenfels selbst von den Drangsalen des Krieges nicht verschont, namentlich fügten ihm im dreissigjährigen Kriege Stritzys Dragoner grossen Schaden zu.

Im Besitze von Wildenfels folgten der langen Reihe von Jahren ungeachtet nur wenige Geschlechter.

Die ältesten Besitzer von Schloss und Herrschaft, deren die Geschichte Erwähnung thut, waren, wie bereits oben gesagt wurde, die von Wildenfels, die sich bald Freiherren, bald Edle oder Pannerherren, bald Grafen nannten.

Aus diesen wird 1119 Onarg oder Unarg genannt, der in diesem Jahre ein grosses Turnier in Göttingen besuchte; – 1222 Heinrich von Wildenfels; – 1226 eine Jutta; – 1254 Ritter Heinrich; – 1296 ein Onarg; – 1306 ein Walther von Wildenfels, genannt Wolkenburg; – 1308 ein Heinrich; – 1322 verkauften Johann und Unarch Schedewitz an den Abt von Grünhain. Es werden dann viele Heinrich, Hanns und Unarch genannt, die sich aber nicht von einander unterscheiden lassen; – 1360 verkauften die Brüder Heinrich, Hans und Unarch von Wildenfels mehrere Güter in Reinsdorf, die jetzt im Besitze des Amtes von Zwickau sind, an das Kloster zu Grünhain. 1392 waren Heinrich und Johann von Wildenfels Ritter vom Georgenschilde. 1401 verkaufte Wenzel von Wildenfels das Dorf Grün und verschiedene Gefälle an das Kloster Grünhain. 1408 begaben sich Unarch und Heinrich von Wildenfels aller Ansprüche an das Kloster zu Zelle, wenn der Propst zu St. Moritz in Naumburg sie vom Banne lossprechen wollte.

Dies ist die letzte Nachricht von der ersten Wildenfelser Dynastie auf Wildenfels. Vielleicht, wahrscheinlich sogar, ging des verhängten Bannspruches wegen die Herrschaft für das Geschlecht Wildenfels verloren, indess blieben dessen Mitglieder, wie aus anderen Nachrichten hervorgeht, noch immer angesehen und reichbegütert im Lande; auch übten die Wildenfels, wie wir weiter unten zeigen werden, noch immer gewisse Rechte in der Herrschaft aus, während dieselbe in anderem Besitz war, und es lässt sich daher vermuthen, dass diese auf die Wildenfelse folgenden Besitzer die Herrschaft pfandweise inne hatten. Dies scheint auch daraus hervorzugehen, dass Conrad von Tettau, den wir bereits 1410 im Besitz der Herrschaft von Wildenfels sehen, sich nicht Herr von Wildenfels nannte, sondern nur auf Wildenfels gesessen. Auch war sein Wappen weder das der Herrschaft noch das jetzige seines Geschlechtes, sondern ein Hirschgeweih und eine Standarte. Wildenfels kam von den Tettaus sehr bald an die Pflugk. Nicol Pflugk nahm Wildenfels und das Dorf Pobecken von dem letzten Meissener Burggrafen aus dem Hartensteiner Stamm zu Lehn, und 1427 empfing er die Lehn von dem Kurfürsten, der aber die Hoheit über Wildenfels 1428 an den Burggrafen Heinrich I. aus dem Stamme der Reuss-Voigt abtrat.

Wildenfels wurde darauf von dem Enkel Nicol Pflugks an den Burggrafen verkauft und durch diesen 1454 an dessen Stammvetter Heinrich[WS 1] Voigt von Weyda. 1480 empfingen es die 3 Brüder Heinrich von Weyda, die 1487 wegen der Flüsse mit der Stadt Zwickau Fehde führten. Heinrich der Jüngere, der die ganze Herrschaft erworben hatte, übergab dieselbe 1533 an den Kurfürstl. Geh. Rath Hans Heinrich von Schwarzburg, der sie aber schon 1536 an Anark von Wildenfels, Herrn zu Ronneburg und Schönkirchen, verkaufte, wodurch also die Herrschaft zum zweiten Male in den Besitz dieses Geschlechtes kam, bei dem sie dann bis zu dessen Erlöschen verblieb. Dass dasselbe sich übrigens, wie oben erwähnt wurde, Rechte vorbehalten haben musste, geht daraus hervor, dass 1442, also zu der Zeit, als Wildenfels sich in andern Händen befand, die Brüder Unarch und Friedrich von Wildenfels den Heinz von Remse mit Zinsen in Ober-Ortmannsdorf beliehen und dass 1450 Heinrich von Wildenfels sogar Besitzer von Wildenfels genannt wird.

Der neue Besitzer, Anark von Wildenfels, erhielt 1517 von Kurfürst Friedrich dem Weisen, dessen Pathe er war, Schloss, Stadt und Herrschaft Ronneburg zum Geschenk, war auch schon im Besitz von Schönkirchen und schrieb sich Herr zu Wildenfels, obgleich er dieses, wie wir sahen, erst später durch Kauf erwarb. Er war übrigens ein ausgezeichneter Mann, und verdient besonders deshalb genannt zu werden, weil er dem Kurfürsten Johann dem Beständigen zur Reformation viele und wichtige Dienste leistete. Er starb 1538 und liegt in der Kirche zu Härtensdorf, das mit Wildenfels in näherem kirchlichem Verbande steht, begraben. Noch jetzt ist dort sein Epitaphium zu sehen.

Gleich rühmliche Erwähnung verdient Unarch Friedrich von Wildenfels, ein sehr gelehrter Mann, der 1575 Rector magnificus in Jena [77] war, als protestantischer Reichsstand die formula concordiae mit unterschrieb, und ein thätiges Mitglied der Commission war, die 1593 zu Torgau niedergesetzt wurde, um die Crell’sche Angelegenheit zu untersuchen. Er starb 1602 zu Prag, seine Leiche wurde aber nach Härtensdorf gebracht und dort in der Kirche begraben, wo er in Lebensgrösse in Stein ausgehauen ist.

Er hatte mit dem Grafen Johann Georg I. von Solms-Laubach und dessen Bruder Otto zu Sonnenwalde, ein pactum sucessorium über die Herrschaft Wildenfels abgeschlossen, und da er keine Leibeserben hinterliess, kam Wildenfels an das Geschlecht der Grafen von Solms, bei dem es auch ununterbrochen geblieben ist. Ronneburg dagegen fiel als erledigtes Lehn, an die Kur zurück.

Es wurden mit Wildenfels 7 Brüder und Vettern Solms belehnt, und ausserdem waren noch 8 andere Mitbelehnte.

Vor den Solms besass ein Veit von Uttenhofen Wildenfels auf ganz kurze Zeit unterpfändlich. Dann aber blieb es ununterbrochen bis zum heutigen Tage in dem Besitz der Grafen von Solms und ist von seinen Besitzern besonders zu nennen der königl. Preussische General-Major, Graf Heinrich Wilhelm, und dessen Sohn, der sehr verdiente Landeshauptmann, Graf Friedrich Ludwig zu Solms-Sachsenfeld.

Die Grafen von Solms-Wildenfels gehören auf den Landtagen zum ersten Stande (Prälaten, Grafen und Herren). Sie haben für ihre Vasallen einen eigenen Lehnshof, bei denen der merkwürdige Brauch herrscht, dass die Lehne vor Sonnenaufgang genommen werden müssen, wenn sie nicht verlustig gehen sollen. Die Civilverwaltung führt das im Schlosse befindliche Amt, auch hat der Graf einen oder einige Kammerräthe. Die Collatur übt er über sieben zu der Herrschaft gehörende Pfarrstellen aus, und zwar: Wildenfels mit Härtensdorf, combinirt, und mit zwei Pfarrern, Friedrichsgrün, Reinsdorf mit zwei Pfarrern, Ortmannsdorf und Weissbach.

Zu den Nebenbesitzungen von Wildenfels gehören die Vorwerke Charlottenhof und Carolinenhof, eine Schäferei bei Friedrichsgrün, der sehr schöne Schlossteich, der 500 Ellen lang und 300 Ellen breit ist, und einige Mühlen; (Ernts-Mühle, – Königs-Mühle, – rothe Mühle, – Teich-Mühle.)

Die Stadt Wildenfels, zum erzgebirgischer Kreise gehörend, liegt im 30° 17’ der Länge und 50° 39–30½’ der Breite, zwischen dem Zschockenbache und dem Härtensdorfer Wasser, 2¼ Stunde westlich von Zwickau, 2¼ Stunde südöstlich von Schneeberg, 1 Stunde nordnordwestlich von Hartenstein, 1¾ Stunde westlich von Kirchberg, und ¾ Stunde nordwestlich von Wiesenburg entfernt. Sie hat zwar im Osten ein Thor, auch zwei Vorstädte, ist aber sonst ganz offen. Gebaut ist das Städtchen zwar nett aber keinesweges schön; auch hat es nur wenige erwähnenswerthe Gebäude; dahin gehören eine Papiermühle oberhalb der südöstlichen Vorstadt, das innerhalb dieser gelegene Schiesshaus, und eine Bildhauerwerkstatt. Denn Wildenfels hat seit vielen Jahren einen Bildhauer gehabt, und darunter den nicht unberühmten Gebert, der 1809 das Monument für die Begräbnisskapelle zu Altzelle fertigte. Diesem Bildhauer müssen, wenn er es verlangt, alle grösseren, in den hiesigen Marmorbrüchen gewonnenen Marmorblöcke überlassen werden.

Wildenfels hält alljährlich am Montage nach Johannis einen Markt, ausserdem aber hat es einen wöchentlichen Gemüse- und Getreide-Markt.

Wildenfels hat 2 Schulen, die Hauptschule mit dem Diaconus und dem Cantor, in zwei Classen, und das 1772 gegründete Tertiat in einer Classe, mit dem Collegia Tertius. Beide Schulen zusammen haben zwischen 4 und 500 Schüler. Indess beabsichtigt man den Bau eines neuen Schulhauses mit 4 Classen und vier Lehrern.

Die Kirche liegt ziemlich hoch, am östlichen Rande der Stadt, 1100 Pariser Fuss über dem Meere. Sie ist alt und unansehnlich, im Innern mit schlechten Gemälden überladen, hell und freundlich, jedoch für das Bedürfniss der Gemeinde zu klein. Unter den vielen schlechten Bildern verdient jedoch eine rühmlichere Erwähnung ein Gemälde, welches der in Wildenfels geborene Hofmaler Vogel von Vogelstein aus Italien schickte, um dadurch seiner Vaterstadt ein Andenken an seine Kindheit zu verehren. Dieses Gemälde ist indess nicht, wie an einigen Orten behauptet wurde, Altarblatt.

Die Kirche wurde erst von 1577 bis 1580 erbaut, und der Thurm gar erst 1601. Bis dahin hatte Wildenfels keine eigene Kirche gehabt, sondern nur eine Kapelle im Schlosse, war übrigens aber nach Härtensdorf eingepfarrt gewesen.

Als die Kirche bei dem grossen Brande eingeäschert war, wurde sie erst 1606 wieder eingeweiht. 1633 wurde das Erbbegräbniss der Grafen von Solms daran angebaut. Die erste darin beigesetzte Leiche war die der Gräfin Anna Maria, der Gemahlin des damaligen Besitzers. Der baufällig gewordene Thurm wurde 1822 abgetragen und 1823 höher wieder neu aufgebaut.

Die kirchlichen Verhältnisse von Wildenfels sind in Folge früherer Einrichtungen eigenthümlicher Art. Es ist danach die Kirche von Härtensdorf die Mutterkirche von Wildenfels. Das Kirchenvermögen, das Pfarrgut und der zu demselben gehörige Wald, sind deshalb auch noch jetzt beiden Kirchen gemeinschaftlich. Bis 1835 wurde der Hauptgottesdienst für beide Gemeinden abwechselnd in einer der beiden Kirchen gehalten; da sie sich aber für den Besuch der Gläubigen zu klein zeigten, wird seitdem jeden Sonntag in beiden Kirchen Gottesdienst gehalten und die Geistlichen alterniren dabei gegenseitig.

Bis zur Erbauung der Kirche in Wildenfels musste der Pfarrer zu Härtensdorf für die Schlosskapelle einen Kapellan halten.

Der Kirchhof, der auf einem Hügelabhange am östlichen Ende der Stadt liegt, wurde erst 1620 angelegt. Bis dahin waren die Bewohner von Wildenfels nach Härtensdorf begraben worden. Nach der Volkssage wurden die Opfer der Pest auf einem eigenen Platze beerdigt, der am schönauer Bach, nahe der Ernstmühle, liegt und noch jetzt der Pestacker heisst.

Die Standesherrschaft Wildenfels besteht aus zwei abgesonderten Theilen, die indess nur ¼ Stunde auseinander liegen. Es gehören zu derselben ganz oder theilweise die Ortschaften Weissbach mit Hermersdorf, [78] Neudörfel, Wildenfels, Friedrichsthal, Heinrichsort, Friedrichsgrün. Diese drei letztgenannten Ortschaften sind auf herrschaftlichem Grund, meist erst im vorigen Jahrhundert, erbaut und haben viel zu dem schnellen Wachsthum der Bevölkerung beigetragen. Ferner die grossen Dörfer Reinsdorf, Ortmannsdorf und Härtensdorf; grössere oder kleinere Antheile von Zschocken, Schönau, Pöhlau und Neudörfel bei Schneeberg. Zu Härtensdorf gehört der kleine Ort Neusorge und zu Reinsdorf der einzeln gelegene Gasthof beim Freitag.

Die Herrschaft grenzt westlich mit den Aemtern Wiesenburg und Zwickau, nördlich an die Schönburgischen Herrschaften, östlich und südlich an eben dieselben, besonders Hartenstein und Stein, südöstlich auch in geringer Strecke an das Amt Schwarzenberg. Sie hat im Ganzen einen Flächenraum von 1¼ □Meilen. Die Seelenzahl beträgt zwischen 7 und 8000, war aber nach einer Zählung im Jahre 1801 nur 5105.

Der höchste Punkt der Herrschaft liegt am südöstlichen Ende von Weissbach und ist 1760 Par. Fuss über dem Meere; der tiefste ist der Muldenspiegel bei Weissbach. Von den Ortschaften liegt Härtensdorf am höchsten; auch Heinrichsdorf liegt hoch und rauh, doch ist das Klima im Allgemeinen milder, als sich bei der Nähe des Hochgebirges erwarten lässt.

Der Boden ist bergig und abhängig, daher steinig, im Ganzen doch ziemlich fruchtbar.

Von den Bergen nennen wir den Koberberg bei Heinrichsort, die lange Wand bei Ortmannsdorf, den Zschockenberg bei Zschocken, den Steinberg bei Hartmannsdorf und einen andern Steinberg bei Reinsdorf, den Henneberg an der Mulde, den Aschberg, den Katzenberg und die Augustushöhe, die zuletzt fast kegelförmig ansteigt, und auf deren Gipfel ein Belvedere errichtet ist, das den Namen mit der That trägt.

Von Gewässern sind ausser der Mulde nur verschiedene Bäche zu nennen: der Zschockenbach, der Härtensdorfer Bach, der Vielauer Bach, das Reinsdorfer Wasser, der Mülsenbach und der Weissbach. Ausserdem giebt es zwar zahlreiche Teiche, aber mit Ausnahme des bereits erwähnten Schlossteiches sind sie sämmtlich unbedeutend.

Die Waldungen sind ziemlich beträchtlich, besonders der Wildenfelser Wald, gemischt von Tannen, Fichten und Buchen, der sich bis zur Mulde und in die Nähe von Stein zieht und längs der Mulde die Brandleite genannt wird. Dann auch der Solmsische Wald.

Bei Reinsdorf gräbt man Steinkohlen; ausserdem wird kein Bergbau betrieben, die Mineralprodukte aber sind interessant, denn ausser den verschiedenen Marmorarten findet man Grauwacke und Mandelstein; bei Weissbach fand man ehemals Kupfer, vermuthet auch daselbst Eisenstein; Malachit kömmt bei Zschocken vor, Basalt bei Ortmannsdorf und Härtensdorf. Mineralquellen giebt es bei Reinsdorf, eisenhaltige Quellen bei Ober-Härtensdorf und Schönau.

Die Landwirthschaft beschäftigt sich besonders mit Klee- und Hopfenbau, viel mit Obstbau (besonders bei Reinsdorf, das einer einzigen grossen Obstpflanzung gleicht), weniger mit Flachs- und Hanfbau. Kartoffeln werden reichlich gezogen, das Getreide aber reicht zum Bedarfe nicht aus.

Die Viehzucht ist nicht unbedeutend und die zahlreichen Kalkbrennereien geben den Bewohnern Gelegenheit zum Verdienst.



Anmerkungen der Vorlage

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Heinich
  1. Die Vornehmen glaubten damals, eher selig zu werden, wenn sie sich in Mönchskutten begraben liessen.