Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Gross-Welka
Auf einer Anhöhe, umgeben von reizender Gegend, liegt das Rittergut Grosswelke. In weitem Umkreise schweift das Auge von hier über fruchtbare Thäler und Höhen, durchschnitten von hellen Gewässern und weithin gestreckten Waldungen und Fluren, aus denen die rothen Dächer und spitzen Thürme zahlreicher Ortschaften zwischen Wiesengrün und Obstbaumpflanzungen freundlich hervorschauen. Das schönste Panorama aber bietet sich in der Richtung nach Süden, wo die alte Stadt Budissin mit ihren stolzen Thürmen in felsigem Thale sich an die Spree schmiegt und in weiter Ferne das Auge auf den ehrwürdigen Häuptern des hohen Lausitzer Gebirges haften bleibt. Man überschaut von Grosswelkes Höhen einen grossen Theil der Sächsischen Lausitz, umschlossen von waldigen Höhenzügen, über welche östlich die Landskrone, nach Süden der Thronberg, Worbis, Sorerberg und der einst heilige Czernebog, der Berg des schwarzen Gottes, herüberragen als erfahrungsreiche Zeugen einer vieltausendjährigen Vergangenheit.
Grosswelke, sowie das naheliegende Kleinwelke, sind wendischen Ursprungs und jetzt noch grossentheils von Nachkommen dieses tapferen und gutmüthigen Volkes bewohnt. In grauer Vorzeit hauste hier ein adeliges Geschlecht von Welke oder Vuilka, das in der Lausitz noch verschiedene Güter besass, jedoch bereits seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts nicht mehr genannt wird. Von den Welkas scheint das Dorf Grosswelka an das Franziskanerkloster zu Budissin gekommen zu sein, wenigstens gehörte es dem Kloster schon 1380 als ein sogenanntes Küchengut, und daher mag wohl auch die Volkssage rühren, dass in Grosswelke vormals ein Kloster gestanden habe. Die Franziskaner verkauften das Dorf 1513 an den Ritter Hans von Ponickau, der 1536 starb. Nach ihm besass Grosswelke Christoph von Metzrad, der 1567 mit Tod abging und Christoph Heinrich von Metzrad als Erben hinterliess. Dieser bekleidete das Amt eines königlichen Hofrichters und starb 1587, worauf das Gut an Wolf von Metzrad kam. Dessen Sohn, Seyfried von Metzrad auf Milkwitz und Grosswelke war Klostervoigt des Klosters Marienstern und vermählt mit Katharina von Haugwitz, die 1642 zu Bautzen begraben wurde. Der letzte Besitzer aus dem Geschlecht der Metzrade war ein Christoph von Metzrad, der Grosswelke um 1660 an den Landescommissär Wilhelm Heinrich von Leubnitz auf Techritz und Friedersdorf verkaufte, nach welchem es dessen Sohn August Gottlob von Leubnitz und späterhin der Landesälteste des Budissiner Kreises, Gottlob von Leubnitz, besass. Letzterer verkaufte das Gut 1768 an den Gegenhändler (Assistenten des Landeshauptmanns) von Below und dessen Erben 1818 an den Kammerherrn Johann Heinrich Wilhelm Adolph von Hartmann-Knoch auf Elstra, und dieser 1849 an seinen Sohn, Herrn Hermann Heinrich Wilhelm Adolph von Hartmann.
[39] Das Rittergut Grosswelke wurde im Jahre 1800 von einer Feuersbrunst heimgesucht, die das im sechszehnten Jahrhundert erbaute Schloss mit Thurm und einer Kapelle zerstörte. Es wird erzählt, dass von dem alten Steinhause ein unterirdischer Gang nach dem Rittersitze zu Kleinwelka geführt habe, den man beim Abbruch der Brandruinen entdeckte. Der Herr von Below liess das Schloss in gefälligem Style wieder aufbauen, wie er denn überhaupt so Manches zur Verschönerung des Ortes und zum Nutzen der Einwohnerschaft that. So gründete er zum Beispiel 1770 eine Schulanstalt, die jetzt von der Schuljugend der Dörfer Gross- und Kleinwelke, Lubachau, Kleinseydau, Temritz, Schmochtitz, Milkwitz, Gross- und Kleinbrösern und den protestantischen Kindern zu Cöln besucht ist. Die Einwohnerschaft zu Grosswelke besteht aus etwa zweihundert und fünfzig Personen.
Bei der Nähe Budissins hatte Grosswelke, wie die meisten umliegenden Dörfer, ebenfalls einen Theil des Unheils zu ertragen, welches die Kriege des fünfzehnten, siebenzehnten, achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts über diese Stadt brachten. Am 11. Mai 1427 hatten die hussitischen Heerhaufen das Kloster Marienthal niedergebrannt und bald darauf berannten sie die Stadt Budissin mit 40,000 Streitern, wurden aber durch die tapfern Bürger und Kriegsleute mit grossem Verluste von den Mauern abgetrieben. Voller Erbitterung überschwemmten jetzt die fanatischen Horden das offene Land, verbrannten und verwüsteten sämmtliche auf ihrem Wege liegenden Ortschaften und mordeten Alles, was ihnen vor das Schwert kam. Aehnliche Schrecken brachte der dreissigjährige Krieg, während dessen Budissin einige Belagerungen auszuhalten hatte, wobei die Umgegend viel von der Brutalität des Kriegsvolkes erdulden musste. Durch die unaufhörlichen Quälereien und Beraubungen zur Verzweiflung gebracht, griffen endlich die Landleute zu den Waffen und es gelang ihnen nicht selten, kleinere Schaaren heranziehender Plünderer zu verjagen oder todt zu schlagen. Im Jahre 1639 zeichneten sich die Schweden durch so beispiellose Rohheit aus, dass viele Landbewohner die Flucht ergriffen, und 1645 bemühten sich die Kaiserlichen es jenen nachzuthun. – Zu diesen Drangsalen des Krieges gesellte sich auch die Pest, welche namentlich in den Jahren 1631, 1633, 1634 und 1680 hauste. Eine eigenthümliche Krankheit zeigte sich im Jahre 1716 bald nach einem heftigen Hagelwetter, auf das ein starker Honigthau fiel, welcher nicht nur in dem stehen gebliebenen Getreide vieles Mutterkorn, sondern auch einen so bedeutenden Kornbrand erzeugte, dass das daraus gewonnene Korn und Mehl für Menschen und Thiere ein förmliches Gift enthielt. Unglücklicher Weise kannte man die gefährlichen Eigenschaften dieses Nahrungsmittels nicht, und deshalb war dessen Genuss von den nachtheiligsten Folgen. Nach kaum beendigter Ernte gab es in den Dörfern Gross- und Kleinwelke kaum noch ein Haus, in dem nicht die sogenannte „Kriebelkrankheit“ ihr Opfer erfasst hätte. Die Krankheit verbreitete sich nach und nach über einen grossen Theil der Lausitz, und obgleich die Stände Arzneien vertheilen liessen, starben doch eine grosse Anzahl von Menschen. – Die Schreckenstage der Schlacht bei Bautzen (20. und 21. Mai 1813) berührten auch Grosswelke, sowie der siebenjährige Krieg ebenfalls nicht ohne nachtheilige Folgen für den Ort vorüberging.
Grosswelke ist in die Kirche St. Michaelis zu Bautzen eingepfarrt. Dieses Gotteshaus wurde im Jahre 1429 zu Ehren des heiligen Erzengels Michael erbaut, dessen Schutze man es zuschrieb, dass die Budissiner ein gewaltiges Hussitenheer von ihren Mauern abzuhalten vermochten, und alljährlich feierte man hier ein Dankfest. In Folge der Böhmischen Conföderation erhielt der Stadtrath Erlaubniss, für die Wenden, welche die Stadtkirchen besuchten, einen evangelischen Gottesdienst einzurichten und es wurde 1619 ein Wendischer Prediger daselbst angestellt. Nach dem 1634 stattgefundenen grossen Brande blieb diese Predigerstelle unbesetzt und die Michaeliskirche, die nur am Dache eine Beschädigung erlitten hatte, wurde zunächst der protestantischen Petrigemeinde und nach Herstellung der Petrikirche den zur Nikolaikirche gehörenden Katholiken eingeräumt. Nach Uebersiedelung der katholischen Wendengemeinde in die Frauenkirche wurde vom September 1647 an, trotz des Einspruchs des Domstiftes, von den Diakonen zu St. Petri Wendischer Gottesdienst in der Michaeliskirche gehalten und 1648 wieder ein Wendischer Pfarrer angestellt, mit welchem die ununterbrochene Reihe der Geistlichen an dieser Kirche beginnt. Im Jahre 1690 gründete man an dieser Wendischen Pfarrkirche auch ein Diakonat, 1784 erhielt sie eine neue Orgel und 1829 neue Glocken. Das Verhältniss zwischen den beiden evangelischen Parochieen in Bautzen ist dergestalt geordnet, dass alle Protestanten der Stadt, auch die Wenden, hinsichtlich der Taufen, Trauungen und Begräbnisse zu der Petrikirche gehören, die Wenden aber Predigt, Beichte, Abendmahl und Schulunterricht in der Michaeliskirche empfangen, wovon jedoch die Rittergutsbesitzer der eingepfarrten Dörfer ausgenommen sind, welche zur Parochie St. Petri gezählt werden. In die Michaeliskirche sind eingepfarrt die protestantischen Einwohner von vierzig Dörfern und einigen Häusern der städtischen Ortschaften Jenkwitz, Zieschütz, Wemschütz, Rattwitz und Temritz. Seit 1827 besitzt Grosswelke einen eigenen Gottesacker.