Rosenberg
Was steht die alte Veste auf hohem Felsen dort?
Die Mauern sind zerfallen, und Stille herrscht am Ort,
Wo sonst der frohe Harfner viel Minnelieder sang,
Da saust durch leere Hallen der Wind so kalt und bang.
Und aus dem hohen Thore sprengt’ mancher Ritterchor,
Gesang und Minnelieder erklangen in der Hall,
Doch alles ist verschollen mit seines Herren Fall.
Drum steig aus deinen Grüften, du Rosenberg, hervor
Schon steht im hellen Saale dein Mahl in voller Pracht;
Tritt Sänger aus dem Kreise und töne durch die Nacht!
Der Ueberfall.
In schönen Frühlingstagen, wann wieder grünt die Flur,
Die Lüfte wärmer wehen, sich jünget die Natur,
Wie starken Baches Rauschen, der schäumend wiederhallt.
Es tönte immer lauter, das Brausen näher drang,
Wie ferner Wandrer Tritte, wie dumpfer Waffenklang,
Und um die Felswand bieget sich her ein großer Troß:
Nach Frankfurt auf die Messe die Waaren bringen sie,
Es drängt die Zeit, drum brachen sie heute auf so früh,
Und langsam ziehn die Schaaren, zum Kampfe nicht bereit,
Vier Lanzenknechte folgen, sie dienen zum Geleit.
Da tönts wie Pferdgetrappel, wie Schwerterklang durchs Thal,
Wie wenn vom hohen Felsen der Gießbach niederschießt,
Und über Stein und Felder wild brausend sich ergießt.
Und aus dem dunklen Walde hervor zum Sonnenlicht
„Wohlauf ihr frühen Wandrer, gebt eure Habe her,
Wo nicht, so büßt mit Kerker und Tod die Gegenwehr!“
Der Kaufmann greift zur Waffe und wehrt sich für sein Gut,
Hei! wie die Schwerter klirren, wie sprudelt auf das Blut!
Wie saust es durch die Lüfte, wie blutet Mann und Pferd!
Dort sinkt ein Wandrer nieder, ein Lanzenknecht hier fällt!
Von Rosenberg, der Ritter, der hat ihn rasch zerspällt;
Er tobt und haut so grimmig, der Muth zum Zorn ihm schwoll,
Der Ritter steigt vom Rosse, wie ist es ihm so heiß!
Wie ist sein Arm ermattet, wie triefet er von Schweiß!
Wie ist sein Schwert voll Scharten, und wie so blutig roth!
Wohl Manchen hat er heule gesandt zum frühen Tod!
Schon lange hat er nimmer so reiche heimgebracht;
Besieht dann die Gefangnen: „Willkommen in der Haft,
Ich hab’ dich lang erwartet, du werthe Kaufmannschaft!“
Drauf tragen sie die Beute zu Ritters Schlosse fort,
Und hinter dem Gebüsche verschwinden Alle bald,
Und wieder stille wird es und einsam in dem Wald.
Ritters Frevel.
Was rauschet auf dem Schlosse von Rosenberg zur Nacht,
Wenn alles eingeschlafen und Niemand hält mehr Wacht?
Deß Gang voll hoher Würde, deß Antlitz hold und mild.
Und wenn sich nichts mehr reget im tiefen dunkeln Thal,
Da naht es sich der Mauer, dort wo der Felsen kahl
Hinausschaut zu dem tiefen und schauerlichen Teich,
Jüngst hat in einer Mondnacht der Wächter dies gesehn,
Der meldet schnell dem Ritter, was eben dort geschehn;
Wie der es hat vernommen, da wappnet er sich schnell,
Und eilet mit dem Knappen hin zur besagten Stell’.
Und schrecklich eine Ahnung erfüllt sein Herz so wild;
Ha! hätte sein Gemahl wohl gebrochen ihre Treu? –
Der Ritter stürtzt hervor schnell, – die Luft durchgellt ein Schrei,
Und vor dem Gatten flehend die Gattin niederfällt;
Schon zückt er auf die Arme sein mächtig Ritterschwert,
Doch rasch hat noch der Knappe den Mordstreich abgewehrt.
Und sie schaut wie ein Engel den harten Gatten an,
Die Augen auf den Ritter so bittend, flehend sahn:
Und den Gefangnen Nahrung gespendet in der Nacht.“
Doch er rief zornerglühend zu seiner Frauen laut:
„Verruchte Natterbrut du! Du schnöde Satansbraut! –
Hast mein Gebot verachtet und nicht auf mich gehört,
Er faßt sie mit den Armen, wenn auch mit aller Kraft
Sie, seiner sich erwehrend, verzweifelnd auf sich rafft;
Er wirft sie von der Höhe zum tiefen Teich hinab,
Dort hat sie bald gefunden ein kühles Wellengrab.
Und aus des Donners Rollen herab die Stimme schallt:
„Der Rache Tag ist nahe, – es lebt noch ein Gericht,
Dem bist du längst verfallen und ihm entgehst du nicht!“
Und schrecklich tönts dem Ritter, daß ihm das Herz erbebt,
Erst als am frühen Morgen die Sonne wieder schien,
Da fanden auf der Mauer die Diener liegend ihn.
Ritters Strafe.
Was schallen die Trompeten an jener Burg so hell?
Die Rache ist gekommen, ereilt den Ritter schnell;
Wie an der edlen Gattin der Ritter hat gethan.
Mit Schwertern und mit Lanzen, zu Wagen und zu Roß,
Naht nun der Burg von Rosenberg ein stolzer Kriegertroß,
Kaufleute haben ihnen auch große Hülf’ gebracht,
Den ersten Sturm zu wagen, den Mauern sie sich nahn,
Es dringen viele Krieger auf Leitern schon hinan;
Der Ritter und die Seinen, die werfen sie hinab,
Dort fanden sie im Abgrund ein schauervolles Grab.
Von Allen die da kamen, drang Keiner dort hinan,
Von oben wirft man Felsen, gießt heißes Oel herab,
Und alle finden unten ein frühes blutig Grab.
Und als die Sonne tauchte zum fernen Ocean,
Schon wären sie verzagend nach Hause fast gekehrt,
Da hat man: „Greift zu Feuer!“ im Heere laut gehört.
Schnell gehts von Mund zu Munde: „Eilt Alle fort zum Wald,
Fällt Bäume, bringet Reiser und Stroh zum Brande bald,
Daran er sich mag wärmen in kalter Winternacht!
Und Alles bringet Reiser und Holz in schnellem Lauf,
Das thürmen sie dem Ritter am starken Thore auf,
Drauf naht ein Mann mit Feuer, das schleudert er ins Stroh,
Es prasselt an dem Thore die Flamme schrecklich auf,
Verzehrt die stolze Pforte in immer rascherm Lauf;
„Ward dir nicht heut, Herr Ritter, das Feuer gut gemacht?
Das hättest du gewißlich sobald noch nicht gedacht?“ –
Da dringet durch die Bresche herein der Feinde Schaar:
„Jetzt, Ritter, gilts zu fechten, jetzt wehr’ dich für dein Gut!
Der Feind der lechzt nach Rache, der Feind der lechzt nach Blut!“
Und schrecklich in den Hallen erschallt der Waffenklang,
Und Schritt vor Schritt nun dringen sie in der Halle vor,
Bis wo am tiefen Teiche die Felswand ragt empor.
Der Ritter blickt hinunter von jäher Felsenwand:
„Ha! das ist Gottes Rache! das ist des Satans Hand!“ –
Da hat ihn schnell verschlungen ein schrecklich Wellengrab.
Der Feind darauf die Mauern und Thürme niederriß,
Er plünderte die Schätze, erbrach das Burgverließ; –
Es lodert auf die Veste in ungeheuerm Brand,
Jetzt sauset in der Veste der Wind in dunkler Nacht,
Und wo sonst Glanz nur strahlte, da waltet Nacht und Graus:
Das ist des Himmels Rache, die traf des Ritters Haus.
- ↑ Dorf und Schloß, zwei Stunden von der Amtsstadt Adelsheim, an der Kirnau.