Rudolph und der Gerber
Der König Rudolph sacht’ im Schritt
Durch eine Straße Basels ritt;
Die hohen Häuser, ganz von Stein,
Sie leuchten seinen Augen ein;
Sind Edelsitzen gleich zu schauen;
Mit Schiefer blank das Dach geschirmt,
Der Erker künstlich aufgethürmt,
Daraus geschmückte junge Frauen
„Traun, diese Stadt ist wohlgethan,
Wie fangen das die Bürger an?
An Haus, an Gut, im Schooß der Ehen,
Mit allem sind sie wohl versehen!“
Das Roß er um die Ecke lenkt,
Doch Lieblich’s just hier nichts er siehet,
Ja gar den Athem an sich ziehet,
Denn auf der off’nen Straße haut
Die auf das Holz er spannt’, ein derber,
Unaufgeputzter, bärt’ger Gerber.
Er denkt, und lüftet seinen Helm:
„Das ist denn doch ein armer Schelm,
Von Milch und Honig, die hier fließen;
Daß er sich einen Pfennig spart,
Sein Duft ist wahrlich kaum zu tragen;
D’rum wie der König ritt vorbei,
So seufzt’ er einmal oder zwei
Und spricht zu sich halb leis, halb laut:
„Der gerbt’ auch keine stinkende Haut,
Dazu ein schönes Weib im Bett.“
Der Gerber d’rauf besinnt sich nicht,
Er schaut dem König in’s Gesicht:
„Herr, sagt ihr das zu meinen Ohren,
Im Scherze wünschet ihr mir das,
Was ich besitz’ im vollen Maas.“
Der König sieht ihn staunend an:
„Treib deinen Spott mit mir nicht, Mann!
Die Ecke hab’ ich nicht vergessen,
Und aus der Herberg’ eil’ ich her:
Nach deinem Schatz verlangt mich sehr.“
So ritt er fürder ohne Fährde,
Dann tritt er eilig in sein Haus,
Zieht Schurz und Mütz’ und Kittel aus,
Thut ab den Schmutz im warmen Bade,
Und schmückt sich auf des Königs Gnade:
Von Federn das Barett sich regt,
Und von der Brust herab mit Prangen
Läßt er ein gülden Kettlein hangen:
Wie er wohl sonst im Sonntagsstaat
Die eilt an den verwahrten Schrein:
Dort harret, künstlich zugerichtet,
Die feine Leinwand aufgeschichtet,
Der frische Schmuck vom Hochzeitkleide.
Ihr Bestes wählt das junge Weib,
Und schmücket sich den reinen Leib;
Sie heißt die zarten, krausen Spitzen
Sie wölbt das Mieder nach der Brust,
Die Seide schwillt und fällt mit Lust,
Sie windet Bänder, knüpfet Schlingen,
Die Finger zieret sie mit Ringen,
Und badet sich die Aeuglein klar;
Die Zucht, die Schönheit überglüht
Die Wange, daß sie lieblich blüht.
Derweil durch’s lange Hinterhaus
Und Zimmer thut sich auf an Zimmer,
Als schlöße sich die Reihe nimmer;
Und mitten setzt im größten Saal
Der reiche Mann ein fürstlich Mahl;
Die volle Tafel zum Erdrücken,
Was da steht auf damast’nem Grund,
Verschmähet auch kein Königsmund;
Aus gold- und silbernen Pokalen
Und oben an zum reichen Mahl
Er selbst sich an die Thüre stellt,
Ganz schmuck und stattlich Wache hält.
Als schon ein Edelknecht mit Eile
Vor die geputzte Schwelle trat
Und rief: „Mein Herr und König naht!“
Und bald im Reitersrocke schlicht
Und sah mit Staunen, starr und stumm
Herr Rudolph rings im Saal sich um.
Und endlich sprach er: „Traun, verirrt
Hat sich das Glück zu Euch, Herr Wirth!
Und poche bei dem König an!
Ja, solcher Zimmer, solcher Schätze,
Am Tisch so wohlbesetzter Plätze,
Und solcher Königin bei’m Schmaus
Mit diesen Worten setzt’ er sich
Zur holden Wirthin tugendlich
Und auf den Stuhl zu seiner Linken
Thät er den Gerber niederwinken.
Ein schöner Mund kredenzt dem Herrn;
Läßt zum Kapaun sich nicht erst bitten,
Den ihm der Nachbar zugeschnitten.
Wie er nun guter Dinge war,
Doch trunken von dem Reiz der Schönen,
Und lüstern fast, den Mann zu krönen,
Der doch schon halb ein König schien,
Lockt’ er mit solchen Worten ihn:
Daß ihr bei solchen Schätzen allen
Die schmutzige Handthierung treibt;
So reich begabt, so schön beweibt,
Da solltet ihr zu Hofe fahren,
Bracht’s doch ein schlichter Graf zum Thron,
Zum Ritter bringt’s ein Bürger schon.
Auch euch, Frau Wirthin, soll’s nicht reuen,
Ihr braucht euch nicht am Hof zu scheuen,
Die Schönheit ist ein Adelsbrief.“
Der Herr in’s Reden sich verlor,
Der Gerber kratzt sich hinter’m Ohr,
Er denkt: „wenn mir des Königs Gnade
Er hat sein Haus so klug bestellt,
Er kennet wohl den Lauf der Welt;
Was soll er Witz und Wahrheit sparen,
Am besten ist’s, g’radaus gefahren.
„Euch widersprechen ist zwar schwer,
Doch seyd ihr gut, da darf ich’s wagen,
Wie mir’s um’s Herz ist, euch zu sagen.
Mein Handwerk hat mich reich gemacht,
Der Stolz, der Glanz, das üpp’ge Leben
Macht Schätze kleiner, statt zu geben;
So hab’ ich auch die schöne Braut
Erworben mir mit mancher Haut,
Von dem ich Kunst und Geld ererbt.
Ging’ ich mit ihr auf andern Wegen,
Verborgenheit thut immer gut.
Vor meiner Thür’ die Häute gerbe
Und zum Erworb’nen eins erwerbe,
Da sucht die Neugier und der Neid
Nichts hinter meinem schmutz’gen Kleid;
Den Becher Weins, des Weibes Kuß.
Bei allem solchen müßt’ ich beben,
Wär’ ich verdammt zum Herrenleben:
Da schenkt’ ich meinen alten Wein
Da mästet’ ich mit meinen Braten
Die Herrn, die morgen mich verrathen,
Am Ende schmückt’ ich gar mein Weib
(Gott wend’ es!) fremdem Zeitvertreib.“
Und schritt mit Schweigen durch den Saal,
Dreht sich noch einmal an der Schwelle,
Und sprach verdrüßlich: „Sprich, Geselle,
Du hütest ängstlich Weib, Geld, Wein,
Der Gerber ließ sich nicht bethören
Noch durch den finstern Blick verstören:
„Ich habe,“ sprach er fest und laut,
„Auf euer Königsherz getraut.
Dacht’ ich, bei meinem Weibe sitzet!
Hätt’ ich’s mit Euch zu thun allein,
Noch heut wollt’ ich am Hofe seyn.“
Roth ward und freundlich da der König,
Auch sein Gewissen Amen spricht.
Er reicht die Hand ihm hold bei’m Scheiden,
Die Frau befahl er stolz zu kleiden,
Doch als er über Jahr und Tag
Durch Basel wieder kam geritten,
Und sah auf jener Straße Mitten
Bei seiner Haut den Gerber steh’n,
Und rief ihm erst von weitem zu:
„Verzehre, Freund, dein Mahl in Ruh’!“