Sage von König Authari
Sage von König Authari.
Paulus Diaconus III. 30. |
Authari, König der Lamparten sandte nach Baiern zu König Garibald, und ließ um dessen Tochter Theodelind (Dietlind) freien. Garibald nahm die Boten freundlich auf, und sagte die Braut zu. Auf diese Botschaft hatte Authari Lust, seine Verlobte selbst zu sehn, nahm wenige aber geprüfte Leute mit, und darunter seinen Getreuesten, der als Ältester den ganzen [41] Zug anführen sollte. So langten sie ohne Verzug in Baiern an, und wurden dem König Garibald in der Weise anderer Gesandten vorgestellt; der Älteste sprach den üblichen Gruß, hernach trat Authari selbst, der von keinem Baier erkannt wurde, vor, und sprach: „Authari, mein Herr und König, hat mich deßhalb hieher gesandt, daß ich seine bestimmte Braut, die unsere Herrin werden soll, schaue, und ihm ihre Gestalt genau berichten könne.“ Auf diese Worte hieß der König seine Tochter kommen, und als sie Authari stillschweigend betrachtet hatte, auch gesehn, daß sie schön war, und seinen Augen gefiel, redete er weiter: „weil ich, o König, deine Tochter so gestaltet sehe, daß sie werth ist, unsere Königin zu werden, möge es dir belieben, daß ich aus ihrer Hand den Weinbecher empfange.“ Der König gab seinen Willen dazu, Dietlind stand auf, nahm den Becher, und reichte zuerst dem zu trinken, der unter ihnen der Älteste zu seyn schien; hernach schenkte sie Authari ein, von dem sie nicht wußte, daß er ihr Bräutigam war. Authari trank, und beim Zurückgeben des Bechers rührte er leise mit dem Finger, ohne daß jemand es merkte, Dietlindens Hand an, darauf fuhr er sich selbst mit der Rechten, von der Stirn an über die Nase, das Antlitz herab. Die Jungfrau vor Schaam erröthend, erzählte es ihrer Amme. Die Amme versetzte: „Der dich so anrührte, muß wohl der König und dein Bräutigam selber seyn, sonst hätte ers nimmer gewagt; du aber schweige, daß es dein Vater nicht vernehme;
[42] auch ist er so beschaffen von Gestalt, daß er wohl werth scheint, König und dein Gemahl zu heißen.“
Authari war schön in blühender Jugend, von gelbem Haar und zierlich von Anblick. Bald darauf empfingen die Gesandten Urlaub beim König, und zogen von den Baiern geleitet, heim. Da sie aber nahe an die Grenze, und die Baiern noch in der Gesellschaft waren, richtete sich Authari, so viel er konnte, auf dem Pferde auf, und stieß mit aller Kraft ein Beil, das er in der Hand hielt, in einen nahestehenden Baum. Das Beil haftete fest, und er sprach: „solche Würfe pflegt König Authari zu thun!“ Aus diesen Worten verstanden die Baiern, die ihn geleiteten, daß er selber der König war. –
Als einige Zeit darauf Dietlinde nach Lamparten kam, und die Hochzeit festlich gehalten wurde, trug sich Folgendes zu. Unter den Gästen war auch Agilulf, ein vornehmer Longobard. Es erhub sich aber ein Unwetter, und der Blitzstrahl fuhr mit heftigem Donner in ein Holz, das innerhalb des Königs Zaungarten lag. Agilulf hatte unter seinem Gesinde einen Knecht, der sich auf die Auslegung der Donnerkeile verstand, und was daraus erfolgen würde, durch seine Teufelskunst wohl wußte. Nun begab sichs, daß Agilulf an einen geheimen Ort ging, sich des natürlichen Bedürfnisses zu erledigen, da trat der Knecht hinzu und sprach: „Das Weib, die heute unserm Könige vermählt worden ist, wird, nicht über lang, dein Gemahl werden.“ Als Agilulf das hörte, bedrohte er
[43] ihn hart, und sagte: „Du mußt dein Haupt verlieren, wo du ein Wort von dieser Sache fallen lässest.“ Der Knabe erwiederte: „Du kannst mich tödten, allein das Schicksal ist unwandelbar; denn traun, diese Frau ist darum in dies Land gekommen, damit sie dir anvermählt würde." Dies geschah auch nach der Zeit.