Sagen von der Yburg

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Textdaten
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Autor: Alois Wilhelm Schreiber
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Titel: Sagen von der Yburg
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aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 242–244
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[242]
Sagen von der Yburg.
Die Yburg.

Zwei Stunden von der Stadt Baden, auf einem in die Ebene vorspringenden Bergkegel, erheben sich die grauen Thürme der Burg Yburg. Der eine davon ist von oben bis unten vom Blitze gespalten. Von dem übrigen Mauerwerk liegt, außer dem allmälig auch einstürzenden vorderen Thorbogen, Alles in Trümmern. Das Geschlecht, welches hier wohnte, ist längst erloschen. Der letzte Besitzer der Burg führte, wie die Sage geht, ein wüstes Leben, wodurch er in mancherlei Bedrängnisse gerieth.[1] Seine Güter wurden verpfändet und er mußte sich eine Zeitlang seinen Unterhalt raubritterlich mit dem Schwert erkämpfen, bis er in einem Gefechte den rechten Arm verlor und ihn der größte Theil seiner Knechte verließ. Jetzt saß er voll finstern Unmuths auf seiner einsamen Burg und brütete über allerlei schlimmen Anschlägen. Da kehrte eines Abends ein Pilger bei ihm ein, der vorgab, er wisse verborgene Schätze zu finden und wolle ihn von aller Noth befreien. Der Ritter war darob höchlich erfreut und vertraute ihm: „Ich habe mehrmals von meinen Eltern gehört, daß mein Urgroßvater, als einst dieses Schloß von einer schweren Belagerung bedroht war, einen großen Reichthum an Gold und Edelsteinen darin vergraben, gleich beim ersten Ansturm des Feindes aber das Leben eingebüßt habe. Könnt Ihr mir zu diesem Schatze verhelfen, so sollt Ihr auf fürstliche Weise belohnt werden.“

„Das kann mir nicht schwer fallen;“ – erwiederte der Fremde, – „war ich doch selbst dabei, als Euer Ahne, den man nur den Isegrimm nannte, seine Kleinodien in Sicherheit brachte.“

„Ihr wart[WS 1] dabei?“ fragte der Yburger und sah ihn mit großen Augen an. „Mein Urgroßvater ist ja schon seit mehr als hundert Jahren todt!“

[243] „Und dennoch“ – fuhr der Pilger fort – „hab’ ich mehr als Einmal mit ihm gezecht. Indessen laßt ab, nach Dingen zu forschen, die Euch unbegreiflich vorkommen und folgt meinem Rathe. Heute ist Walpurgisnacht. Sobald die Glocke Mitternacht schlägt, begebt Euch hinunter in die Kapellengruft, worin Eure Väter beigesetzt sind, öffnet ihre Särge und tragt die Gebeine hinaus in das Freie, damit der Mond sie bescheine. Während sie nun draußen liegen, kehrt Ihr sodann in die Gruft zurück und holt die Kostbarkeiten aus den Särgen, was kein Hinderniß seyn kann, sobald die Todten davon entfernt sind. Nachher mögt Ihr die Gerippe wieder in ihren Särgen zur Ruhe bringen.“

Den Ritter überlief es ganz kalt bei diesem Vorschlage, aber seine Begier nach Reichthum und Lebensgenüssen war so groß, daß sie bald alle seine Furcht überwog. Um Mitternacht begab er sich in die Kapelle, bis zu deren Eingang der Pilger ihn begleitete, dort stehen blieb und sich beharrlich weigerte, das Innere derselben zu betreten.

Der Ritter öffnete die Särge, einen nach dem andern, und trug, wie geheißen, sämmtliche Gebeine hinaus auf einen hell vom Vollmond beschienenen Rasenplatz. In dem Sarg aber, den er zuletzt aufschloß, fand er den noch unverwes’ten Leichnam eines Kindes liegen. Als er auch dieses hinaustrug und zu den übrigen Todten gesellen wollte, richteten sich Alle mit einem Mal empor und riefen mit hohler Stimme: „Augenblicklich trag uns in unsre Ruhestätten zurück, damit wir nicht umgehen müssen auf dieser Burg!“

Kaum war die Schreckensmahnung ergangen, als der Fremde vor dem Ritter stand. Das Pilgergewand rauschte von seinem Leibe nieder und er wuchs empor, höher und immer höher, bis sein Haupt, dessen Haare wie Flammen loderten, den Mond zu berühren schien. Schon streckte die furchtbare Riesengestalt ihre gespreizten Krallen nach dem Ritter aus, dessen Blut zu Eis gerann, da regte sich der Leichnam des Kindes, das er noch auf seinen Armen trug, eine Glorie umfloß das feine Gesichtchen und von seinen Lippen ertönten die Worte: „Fliehe, verworfener Geist des Abgrunds! Dieser Verblendete hier soll nicht [244] dein Opfer werden, sondern den Rest seines Lebens der Reue und Buße widmen!“

Mit wildem Gebrülle versank die Riesengestalt in den sich unter ihr spaltenden Felsenboden. Der Ritter aber eilte, das wieder zur starren Leiche gewordene Kind und die Gerippe seiner Ahnen nebst allen geraubten Kostbarkeiten von Neuem in die Särge zu verschließen, und verließ gleich am nächsten Morgen, im härenen Gewand und Muschelhute, seine Burg. Er wallfahrtete von einer heiligen Stätte zur andern unter beständigen Gebeten und Bußübungen, bis man ihn einst an den Stufen eines Altars todt liegen fand. Seine Burg verfiel, sein Geist aber soll noch jetzt unter den Trümmern umherirren.

(Siehe A. Schreiber’s „Sagen vom Rhein und Schwarzwald etc.“)

  1. Dies erinnert an den Markgrafen Eduard Fortunat. Siehe das betreffende Gedicht J. Hub, S. 249.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: war