Scenen aus dem Trauerspiele Mathilde von Gießbach

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Autor: F. W. Ziegler
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Titel: Scenen aus einem Trauerspiele
Untertitel: Mathilde von Gießbach.
aus: Thalia - Dritter Band, Heft 9 (1790), S. 51–90
Herausgeber: Friedrich Schiller
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Erscheinungsdatum: 1790
Verlag: Georg Joachim Göschen
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans auf Commons
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III.

Scenen aus einem Trauerspiele

Mathilde von Gießbach.




Die Handlung geht in den Zeiten des Faustrechts vor.
     Die Personen, die in diesen Scenen auftreten, sind:

Graf Sewald von Homburg und zu Gießbach.
Mathilde, seine Braut.
Margarethe, ihre Erzieherin.

Konrad,
}
freie Männer im Solde des Grafen.
Siegmund,


Konrad, der Sohn des ermordeten Grafen von Gießbach, lebt unerkannt in dem Solde und auf dem Schlosse des Mörders. Die Zeit rückt heran einen Plan auszuführen, den er mit Hülfe Siegmunds, eines alten Knappen seines Vaters, entworfen hat, um seinen Vater zu rächen und sich seines geraubten Erbtheils wieder zu bemächtigen. Zuvor aber will er sich seiner Schwester Mathilde entdecken, die im Begriffe steht, sich mit dem Grafen von Homburg zu vermählen, von dessen Verbrechen sie eben so wenig weiß, als von ihrer wahren Herkunft.





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Mathilde, Margarethe.

Margarethe. Konrad und Siegmund sind im Vorgemach und fragen, ob sie dürfen eintreten mit einer Botschaft von Homburg.

Mathilde. Von Homburg? Und Konrad kann fragen? Bring sie schnell.

(Margarethe öffnet die Thüre.)

Vorige, Konrad, Siegmund.

Mathilde. Was bringst du, guter Konrad?

Konrad. Unsre Botschaft ist an Euch, Mathilde, nur Euerm Ohr hörbar, Homburgs Braut.

Mathilde. Dein Ernst – Margarethe, laß uns.

(Margarethe ab.)

Mathilde, Konrad, Siegmund.

Konrad. Der Graf von Homburg sendet Euch durch mich seinen Liebesgruß, und dieses, sein Ebenbild, zur Morgengabe. (Er giebt ihr das Bild, das sie mit rascher Zärtlichkeit annimmt) Das Bild von Euerm Vater läßt er sich erbitten. (Mathilde heftet es ab und giebt es Konrad, das von Homburg scheint sie ganz zu zerstreuen.)

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Konrad. (schmerzlich zu Siegmund.) Sieh wie die glatte Dirne Liebe, ihre graue ehrwürdige Mutter, Natur, mit Füßen tritt! – Seht doch, Mathilde, diesen Mann noch einmal an. Es ist ja Euer Vater! – Dieß wohlwollende Auge glänzt von Vaterliebe; dieser Mund, der Euch so oft als lallendes Kind in ruhigen Schlaf sang, in den letzten Zuckungen des Todes schloß er sich noch mit Vatersegen – (wehmütig) Wollt Ihr Euch von diesem Bilde trennen?

Mathilde. (unruhig) Konrad!

Konrad. Sein Geist wurde Euer Schutzengel, vom Himmel dazu geweiht. Jedes Unglück das Euch drohte, wandte er leise von Euch ab. Er sandte mich zu Eurer Rettung, als Ihr in des Rheines Fluten mit dem Tode kämpftet. Ihm dankt Ihr Euer Daseyn, Euer Leben – wollt Ihr Euch noch von ihm trennen?

Mathilde. Du greifst so sanft, so fest in mein Herz –

Konrad. (steigend) O seht nun diesen Mann, von Mördern erschlagen, in seinem Blute liegen – seht die tiefen Schwertwunden an seinem Haupt, wie das schwarze Blut in dicken Tropfen an seinen Silberlocken herabrinnt –

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höret sein Röcheln im Staube – das Zittern seiner Lippen kündigt Euch seinen letzten Segensspruch – Ach das schöne Vaterauge bricht so schwer! Er ringt den Todeskampf, seine Lippen bersten, seine Glieder dehnen sich, er sieht den Himmel nicht, nur seine Kinder! So schwer stirbt kein Mann, der nicht Vater ist – Wollt Ihr Euch noch von diesem Bilde trennen?

Mathilde. Konrad – was willst du?

Konrad. Euch einen zärtlichen Bruder geben, wenn Ihr Euern Vater wieder annehmt. Mathilde, Euer Wohl liegt mir am Herzen wie meines. Ich bin Euch mit Bruderliebe, dieser Greis mit Vaterliebe zugethan. – Als Kind trug er Euch auf seinen Armen.

Mathilde. Er?

Siegmund. Ja Mathilde, dieser Arm wiegte Euch oft in den Schlaf. Oft deutete ich den rothen Fleck in Gestalt eines Dolches, unter Eurer linken Brust, zu frohen Dingen aus, wenn Euer Vater sich angstvoll härmte.

Mathilde. (ohne Mißtrauen) Siegmund!

Siegmund. Auch Euern Bruder kenn’ ich wohl. – Er lebt.

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Mathilde. (mit schnellem Blick auf Konrad) Dieser Bruder?

Konrad. Bin ich!

Mathilde. Gott – du

Konrad. (Er reißt ein Bild von seiner Brust, von der Größe dessen das Mathilde hatte, und zeigt ihr beide vor.) Seht hier noch einmal unsern Vater.

Mathilde. (an seinen Hals) Mein Bruder!

Konrad. Schwester!

Mathilde. (ihm in’s Auge sehend) Ja! – ja, du bist es. Mein Herz schlägt zu warm an deinem. O Himmel, nimm meinen Dank! Es ist zu viel, Bruder und Gemahl an einem Tage – (Plötzliche Besinnung) Aber warum lebtest du zwölf Jahre mit unbekannt in diesen Mauern?

Konrad. Dich zu retten.

Mathilde. Bedarf ich Rettung?

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Konrad. Du bist nicht, wie Homburg log, die Tochter eines armen Ritters, der unter Räuberhänden fiel. Ein rechtlich erzeugtes Kind bist du des Grafen von Gießbach, der vor achtzehn Jahren in diesen Mauern ermordet wurde.

Mathilde. Gott! von wem?

Konrad. Das soll Dir Siegmund sagen. Rede, Alter, so Wahrheit, wie einst vor seinem Thron! –

Siegmund.
Der Graf Wulfried von Homburg war ein geerbter Feind Eures Vaters. Oft befehdeten sie sich, doch nach Landes- und Rittersitte, nie ohne dreitägige Verkündigung. – In einer schrecklichen Nacht, wo alles schlief, nur der Wartenwächter nicht, wurde plötzlich Lärm geblasen, das Schloß war überfallen. Euer Vater warf sich in seine Rüstung, und führte seine Knechte muthig an. Die Feinde erstiegen die erste Mauer, und Euer Vater sah nun seinen Todfeind auf ihn dringen, und wehrte sich ritterlich. Seinen Helm spaltete eine Steitkolbe, er sank – Wie ich durch den Haufen drang, mit den besten Knechten, lag Euer Vater auf dem Boden. Homburgs Bube, nun Graf Sewald von Homburg, damals achtzehn Jahr, und eben wehrgerecht geworden. Den sah ich über Euerm Vater stehen, der um Schonung bat, um seiner Kinder willen – Teufel hätten

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ihr Knie vor seinem ehrwürdigen Haupt gebeugt! – Homburg führte seinen ersten Schwertstreich auf das unbedeckte Haupt Euers Vaters – das Blut –

Mathilde. (war bei der Erzählung in grauenvoller Erwartung; bei den letzten Worten ist sie in Konrads Arme gesunken.)

Konrad. (gen Himmel blickend.) Vater! Heute zum erstenmal habe ich gefühlt, daß es für mich noch Freuden giebt – (Mathilden emporhebend) Sie ist mir alles! Ihr Leben steht in deiner Hand – gieb mir sie wieder! – Aber ehe schleudre sie in das Reich der Verwesung, lähme auf ewig diese jungen Glieder, laß in diese Brust keinen Lebenshauch kehren, wenn noch beim Erwachen ein liebendes Herz für Homburg drinnen schlägt.

Mathilde. (erwachend) Ach Homburg!

Konrad. (läßt sie fahren, mit einem großen Blick zum Himmel) Du hast mein Gebet nicht erhört.

Mathilde. (flehend und schmerzlich) Ach mein Bruder!

Konrad. (in sich gekehrt, wild) Bruder! –

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Mathilde. Ach ich sehe alles, alle Schrecken und Greuel, die meiner warten, ich sehe sie in deinem wilden Auge. Dein Vorhaben steht mit brennenden Buchstaben auf deiner Stirne geschrieben. (Sie streckt die Hände bittend nach ihm.) Ach Bruder!

Konrad. Ja ich bin Bruder – aber auch Sohn! Du weißt nun, wer dein gepriesener Homburg ist.

Mathilde. Meine Liebe hat nur Gedächtniß für Liebe.

Konrad. Er machte dich zur Waisen.

Mathilde. Er wurde mir Vater!

Konrad. Zur Rache mußt du dich mit mir verbinden.

Mathilde. Nur Liebe und Dank hab’ ich für ihn. Zur Rache schuf mich der Himmel nicht.

Konrad. Elende!

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Mathilde. (sanft.) Zürne nicht, du den ich mit bittern Thränen nun Bruder nenne. Homburg ist ein Mörd – warum bin ich gebohren? Homburg ist ein Verbrecher. Vergeben kann meine Liebe diese That, doch nicht gut heißen. – Aber hassen, hassen kann ich ihn nicht!

Konrad. So treffe dich mein Fluch.

Mathilde. Er ist erfüllt, eh du ihn aussprichst. Sieh mich zertretenen Wurm, mein zerrissenes Herz, und spare deine Flüche. – Ach schone den Gemahl der Schwester!

Konrad. In der Hölle wird er’s, wenn du beharrst.

Mathilde. Er ist es schon! – In Gegenwart des Ewigen schwur ich sein zu seyn, brechen kann ich diesen Schwur nicht. An geweihter Stätte, auf das Heiligste, schwur ich nie von ihm zu lassen – ich kann diese Schwüre nicht brechen! Der Knabe ward Verbrecher, der Mann war reuevoll und büßte, machte gut was er konnte – ließ Klöster bauen, und für des Erschlagenen Seele fromme Männer beten – will durch mich den Raub an Gießbach nun ersetzen. Mich hat der Himmel selbst ihm gesandt, ich darf mich von ihm nicht trennen!

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– Doch schwöre ich dir bei dem Allrächenden: kinderlos will ich sterben! Schone des Büßenden Leben; nach dem gelobten Lande will ich mit ihm wallfahrten, zu frommen Werken seine Seele spannen. In Reue und Gebet soll er enden – und ich mit ihm, daß auch die Tochter büße!

Konrad. (dem Siegmund zur Nachgiebigkeit deutet) Dein Schwur ist mir genug. (verstellt.) Die Rache weicht der Bruderliebe. Morgen will ich die Burg verlassen. (noch einmal ausbrechend.) Mathilde, könntest du den frechen Mörder hassen!

Mathilde. Nein! Ein frecher Mörder ist er nicht.

Konrad. Könntest du ihn hassen, wenn er das wäre? – Er soll mit dem Bilde des Gemordeten prangen, und sich brüsten, wie fromme Ritter mit dem Kreuz.

Mathilde. (mit Zuversicht.) Das kann Homburg nicht.

Konrad. Heute noch wirst du dieses Bild an seinem Halse sehen! u. s. w.


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Graf von Homburg, Knappen.

Graf. Laßt Konrad kommen. – Ich weiß nicht, bin ich ruhig? oder schein’ ich es nur? – Entfernt Euch. (die Knappen gehen ab.) Es drängen sich Bilder in meine Seele, die zu verscheuchen ich nicht fähig bin: – Ruhig! In Mathildens Armen werden sie verschwinden, die Schreckbilder des Gewissens! –

Der Graf, Konrad.

Graf. Nun, mein Konrad?

Konrad. Edler Graf, Mathilde dankt Euch sehr für Eure Liebe und holde Gabe.

Graf. (freudig.) Kam es ihr unerwartet?

Konrad. Wie das Gericht über den Sünder. (einlenkend.) Mit einer Freude, die an Verzückung gränzte, nahm sie das Bild aus meinen Händen; sie verglich es mit dem in ihrem Herzen, und der Künstler bestand nicht in der Probe. – Es schmückt schon ihre Brust.

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Graf. Die Liebe hieng es hin.

Konrad. Ja – sie liebt Euch so sehr, daß die Natur erröthet, und sich harmvoll vor der Liebe verbirgt. – (schmeichelnd) So liebte noch kein Weib, wie Euch Mathilde.

Graf. Glaube daß ich’s fühle, Konrad. O du weißt es nicht, was ich wäre ohne ihre Liebe!

Konrad. Doch Graf, mit der Bedingung trägt sie es, daß Ihr (schnell ihm das Bild seines Vaters vorhaltend) dies Bild auch ewig tragt.

Graf. (erschrickt, faßt sich aber sogleich) Sonderbare Forderung von Mathilden!

Konrad. Sonderbar ist sie, doch Ihr könnt sie leicht erfüllen. – „Nicht in öden Mauern soll es hängen, sondern an seiner Brust, daß er bei jedem meiner Küsse dem Vatermörder Rache schwöre.“ So waren ihre Worte.

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Graf. (beiseite.) Meinen Teufeln will ich mich ergeben, wenn mein Engel mich so martert! – – Gieb mir das Bild.

Konrad. (überreicht es ihm mit Ehrerbietung.) Ihr wollt es also tragen?

Graf. Mathildens Willen ist auch der meine. (Er hängt es um, mit weggewandtem Gesicht; er geht auf und nieder, ein unwillkührlicher Blick fällt auf das Bild, er deckt es mit dem Mantel zu.)

Konrad. Verbergt doch das Heiligthum Eurer Liebe nicht. Mathildens Wunsch war es zu sehen – so ist es ja der Eure auch, wie Ihr sagt.

Graf. Schweig! (beiseite.) Alle die ich liebe, martern mich – (nach Zerstreuung haschend) Konrad, dein Geheimniß, das du mir vertrauen wolltest, erwarte ich. –

Konrad. Hier ist es, edler Graf. – Mein Vater diente unter dem Grafen Wenneberg als freier Mann. Manchen blutigen Sieg half er erkämpfen, seines Grafen

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Gnade und Huld ward ihm dafür zum Lohn. Aber der Neid tritt immer in des Glückes Fußstapfen. – Ein schönes Haus das er sich baute, sein Gold das er sparsam häufte, reizte einen Fehdgesellen, ihn Nachts zu überfallen und zu tödten.

Graf. (unruhig.) Wo warst du damals?

Konrad. Bei einem frommen Abt, der mich im Glauben übte, und meinen Muth zu edlen Thaten stärkte – wo blieb ich in der Erzählung? – Ja recht, er mordete ihn, um sein Gold zu besitzen.

Graf. Wie alt warst du? wann geschah es? und wo?

Konrad. Die Jahre hab’ ich nicht gewogen, nur die That – im Böhmerlande. Der Bote der mit die Nachricht brachte, beschrieb mir den Mörder genau. – Ich bin nun Mann, und habe Muth ihn aufzusuchen, und meine arme Waisenschaft und seinen Mord und Raub zu rächen. Eure Gnade wird mich lohnen, und gleich förder ziehen lassen.

Graf. (langsam.) Konrad – vergieb dem Mörder.

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Konrad. Ich würde meine Mutter im Grabe ja beschimpfen?

Graf. Unerfahrner Thor, was willst du unternehmen? Und selbst des Thäters Namen ist dir unbekannt?

Konrad. So wie der Bote ihn beschrieb, so lebt er noch in meiner Seele. Um einen Mörder zu entdecken, braucht man seinen Namen nicht. Da giebt es andre, untrügliche Zeichen: hohle, tiefe Augen, die scheu bei der geringsten Bewegung um sich schauen; scharfe Falten, von dem nagenden Gewissen gegraben; leise schwankende Töne, die sich zu verrathen fürchten – – Wenn ich einen solchen Mann nun sehe, edler Graf, so sag’ ich ihm die Unthat, sehe scharf in seine Augen – horche auf seinen Odemzug – Jede Miene –

Graf. (kann es nicht mehr aushalten.) Wenn willst du fort?

Konrad. (demüthig.) Gleich, wenn Ihr mir’s erlaubt.

Graf. Es sey. – Doch du hast ein Recht auf meine Dankbarkeit. Zu deinem Zweck, – der so löblich ist,

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wähle dir eine Rüstung in meiner Kammer. – Dann komm zu mir, und – doch kannst du vor Sonnen Untergang die Burg nicht verlassen. Deine letzten Dienste sind bei der Verlobung zu erscheinen, und Mathildens Stallmeister auf der Jagd zu seyn. Der ihr schon einmal das Leben rettete, dem muß ich sie billig anvertrauen.

Konrad. Nicht Rechnung auf Eure Dankbarkeit warf mich in den tobenden Rhein, sondern die heiligste – Menschenliebe. (nicht stolz, aber edel) Herr, vergebt, wenn ich mir Eure Gabe verbitte.

Graf. Ich will es so.

Konrad. Ich gehorche. (Er will gehen.)

Graf. Konrad, vergieb – laß Gott die Rache!

Konrad. (nicht in drohendem Ton) Kein Mord kann ungerochen bleiben. Den ersten strafte der Himmel selbst – nun giebt es Menschen, und auch Schwerter.

(Ab.)


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Es geschehen Vorbereitungen zur Hochzeitsfeier, während deren der Graf Mathilden nicht sieht. Auch schlägt der Graf Konrad zum Ritter. Endlich läßt Mathilde, unruhig über den Erfolg der Probe mit dem Bild, den Grafen bitten, die gewöhnliche Sitte zu überschreiten, und vor der Vermählung zu ihr zu kommen.

Der Graf, Mathilde.

Mathilde. (fährt unmerkbar zusammen)

Graf. (eilt auf sie zu, und will sie umarmen) Mathilde!

Mathilde. (hält ihn sanft zurück) Nicht so! Darum ließ ich Euch nicht rufen. (Ihre Augen suchen das Bild an seiner Brust) Tragt Ihr das Bild, wie ich Euch bitten ließ? (da sie es nicht findet, geht ihr Blick zur Freude über)

Graf. Vergieb, ich hab’ es nicht. (er sieht scheu tzur Erde.)

Mathilde. (in frommer Schwärmerei aufblickend, beiseite) Dank dir, Allgütiger, seine Seele ist gerettet! – (mit einer Umarmung) Mein Homburg! – (sanft und traurig sich von ihm entfernend) Wie bitter ist mein Loos! – (mit erzwungner Verstellung) Warum tragt Ihr es nicht, da ich Euch bat?

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Graf. (der nun erst aufsteht) Vergieb, Mathilde. Dieß Bild taugt nicht in unsre frohe Liebe. An heiliger Stätte soll es hängen, und dort will ich mit Thränen beten, um Gnade für den Mörder!

Mathilde. Meine Thränen sollen sich mit den deinigen mischen, mein Gebet wird durch die Wolken dringen, und Ruhe wieder in des Armen Seele kehren. – Homburg, daß ich Euch liebe, mit ganzem Herzen Euch ergeben bin, schwur ich schon. Feierlicher kann ich nicht mehr schwören. In einer Stunde wird aber auch die Welt als Euer Weib mich erkennen. Ich will Eurer Knappen und Knechte Freude nicht stören, der Jagd will ich folgen. Doch – (mit feierlichem langsamen Ton) wenn sie vorbei wäre, ein rothes Kreuz mir auf die Brust zu heften, nach dem heiligen Grabe mit Euch zu wandern gelobte ich. Aus keuschem, noch unbeflecktem Busen soll mein Gebet zum Himmel steigen, daß der Schatten meines Vaters sich zur Ruhe gebe, und nicht, wie diese Nacht, mir im Traum erscheine –

Graf. (zitternd und langsam) Euer Vater ist Euch erschienen?

Mathilde. (mit niedergeschlagnen Augen) Diese Nacht!

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Graf. (mit düsterm feierlichen Ton) Komm zur Verlobung – dann zum heiligen Grabe! –

(Beide ab.)




Nach geschehener Verlobung, während der Jagd.
Die Scene Wald.

Mathilde, Konrad.

Mathilde. Sind wir hier sicher, Bruder?

Konrad. Unter Gottes Himmel sind gerechte Thaten am sichersten.

Mathilde. Mein Bruder! – Lebe wohl! Wohin dein irrender Fuß auch treten wird, laß meinen Geist deinem Gang folgen. Deiner Guter Herr sollst du bald werden. Doch ehe du das letzte Lebewohl noch hörst, schwöre mir – gegen meines Gatten Leben nichts zu unternehmen. Schwöre mirs – selbst bei dem Schatten dessen der durch ihn fiel! Denk an seine frommen Werke, an die Liebe, mit welcher er den geraubten Vater deiner Schwester ersetzte.

Konrad. Denke du, Mathilde, – Schwester, doch an mich! Wer bin – wer war ich? wer könnt’ ich seyn?

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Ich der letzte Zweig aus einem edeln Stamm, mußte in finstrer Nacht, ein armes halb nacktes Kind, aus meiner eignen Burg entfliehen, scheiden von meinem sterbenden Vater mit einem halben Segen – denn Homburgs Schwertgetümmel übertönte die segnenden Worte! So floh ich mit einem Knappen, und wurde eines Knechtes Sohn. Freudenleer und finster verflossen meine jungen Tage. Ich hörte daß Homburg dich aus dem Stifte genommen, über dich zu wachen kam ich auf seine Burg. Zwölf Jahre mußt’ ich sklavisch dem Räuber meines Glückes fröhnen, bis Landessitte mir ein Recht zur offenen Fehde gab. Auf jener Warte stand ich oft in herber Kälte, und bewachte in meiner Burg den Mörder meines Vaters. – Aber die Rechnung ist nun voll, und ich will strenge Zahlung.

Mathilde. (erschrocken) Unglücklicher! Soll Homburgs Blut –

Konrad. Sein Blut soll mich bezahlen, meine Schmach abwaschen!

Mathilde. Wie schrecklich ist der Sturz von Hoffnung zu Verzweiflung! – O Bruder,
dein Eisen würde auch meine Brust durchbohren. Mit dem letzten Hauche seines Lebens verlöscht auch das meinige.

[71]

Konrad. Nein Mathilde! Ich will dich, liebliche Blume vom giftigen Boden reißen und in mildere Erde pflanzen. Folge mir. Verbanne ihn aus deinem Herzen, nimm mich auf in seine Stelle. Komm, zu deinem Glück will ich dich führen.

Mathilde. So mußt du mich in Homburgs Arme führen. Nimm deine Güter, die er dir nicht versagen wird, und reich ihm deine Friedenshand.

Konrad. Wenn die seinige kalt ist – dann kann ich sie ihm reichen.

Mathilde. Bruder! – Konrad, wir lagen unter einem Herzen, aus einem Stoff wurden wir beide erzeugt – wenn du meinen Gemahl ermordest, so zerreißest du das schöne Band. Ich kann dich nicht mehr Bruder nennen!

Konrad. Und ich dich dann erst Schwester! Folge mir nach Hochheims Stift. Zum letztenmal bittet der Bruder.

Mathilde. Ich habe geschworen ihn nie zu verlassen. Meineidig wird Mathilde nicht.

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Konrad. Nein! – So rett’ ich deine Seele vom Meineid – (er will sie ergreifen)

Mathilde. (sich sträubend) Was willst du thun?

Konrad. Mein Blut retten! (er faßt sie um den Leib)

Mathilde. Laß ab, Grausamer! Sieh mich hier im Staube liegen, und öffne dein Herz meinem Flehen. Ich schwöre dir’s noch einmal: Homburg soll den süßen Namen Vater nie hören. Diese Strafe sendet ihm der Himmel durch mich, seinen Schutzengel – laß es seine einzige seyn. Er wird mit mir zum heiligen Grabe wandern, gieb dazu der Schwester deinen Segen, und verzeih dem büßenden Gatten. An jener feierlichen Stätte soll er hören, daß Mathilde einen Bruder, Gießbach einen Erben hat. Mit vollen Händen wird er dann dein Erbtheil dir zurückgeben. Laß den Sünder auf einem reuigen Lager sterben, wehe die Höllengeister, die ihn zu martern da erscheinen werden, mit dem sanften Hauche der Vergebung hinweg, und zeige durch Edelmuth, daß du ein Gießbach bist.

[73]

Konrad. Und zeige du durch diese Schandthaten, daß du den Namen nicht verdienst. Ich bin eines Grafen Sohn, ich kenne meine Rechte. Ich bin Ritter, und weiß die That zu wägen, die das Schwert von seiner Scheide trennt.

Mathilde. Dürfen Grafen nicht vergeben? und man nennt sie edel? – Du bist ein schwertgerechter Ritter. Durch wen wardst du es? Willst du Homburgs Wohlthat zu einem Dolch umwandeln, der seine Brust durchbohre?

Konrad. (knirschend) Ha daß du Recht hast! – Doch wenn ich vor dem tödtlichen Streich ihm noch ein Gebet erlaube, so ist es Dank genug. – Kein Wort mehr! Hinweg mit der Schwester, die mich wie eine Schlange umwindet! Sie wird mich noch an meinen Feind verrathen, den Bruder in des Mörders Hände liefern.

Mathilde. Dich verrathen? Verzeih dir Gott den Gedanken! Deine Seele will ich nur vor Mord bewahren.

Konrad. Und ich die deinige vor der Schande, die die Nachwelt auf dich werfen wird! (Er ergreift sie heftiger)

[74]

Der Graf mit vielen Knappen, die Vorigen.

Graf.' Ha was sah’ ich? Konrad, was willst du?

Konrad. (hält seine Schwester noch, und kömmt die Scene nicht aus seiner Fassung. Stolz und kühn) Homburgs Braut entführen.

Mathilde. (zittert sprachlos)

Konrad. (nach einer Pause zum Grafen, der vor Wuth und Erstaunen vergebens zu sprechen versucht hat) Hörst du nicht? Homburgs Braut entführen.

Graf. Reißt sie aus seinen Armen!

(Die Knappen wollen auf Konrad los, er zieht sein Schwert, ohne seine Schwester zu verlassen.)

Konrad. Der sich mir nähert, wünscht den Tod.

Graf. Ergreift ihn. Reißt sie von ihm weg! (Einige Knappen sind hinter ihm geschlichen, und haben ihm sein Schwert genommen. Er wird von Mathilden getrennt, der Graf steht zwischen beiden, gemilderter) Undankbarer, für alle meine Wohlthaten willst du mir mein Einziges rauben? – Du schweigst? Mathilde, rede du.

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Mathilde. (im schrecklichsten Kampf, will reden und kann nicht.)

Konrad. (von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, triumpfirend) Sie wird nicht reden, denn die Strafen des Meineids schrecken sie. Meine Zunge und meinen Muth bindet nichts. Wisse es, Homburg, sie ist meine Geliebte. – – – (Mathilde erstarrt) Meines Herzens Gespielin ist sie; ich liebe sie so feurig als du. Sieh wie sie da steht, zitternd, sprachlos – und frage nicht, ob sie mich wieder liebt.

Graf. Ha Teufel, fahre wieder zur Hölle die dich zu meiner Qual sandte! Haut ihn nieder!

Mathilde. Haltet –

(der Graf bemerkt es nicht.)

Konrad. So recht, Homburg. Und vergiß ja nicht der Welt bekannt zu machen, daß du einen wehrlosen Ritter durch zwanzig Knappen erlegt hast.

Graf. (zu den Knappen) Haltet! – Mein Werk will ich in dir schonen. – Den Verräther, nicht den Ritter, in den Thurm! Fort, bis die Rache kommt!

[76]

Konrad. (stolz) Sie kömmt sehr bald. (ab mit Knappen)

Graf. (ohne Mathilden anzublicken) Diese feile Dirne fuhrt zurück in das Schloß. (Ab.)

Mathilde. Gott nimmt sich ja der Unschuld an. Er wird mich Arme nicht versinken lassen. (ab.)




Scene auf dem Schloß.

Mathilde. (die den Grafen erwartet, allein.) Adle heute deinen Namen, Betrug, daß ich durch dich Gemahl und Bruder rette! Gieb mir solche Lügen in den Mund, daß die Wahrheit sie als traute Schwestern kose! –

Der Graf, Mathilde.

Graf. Was denkst du wohl von mir, Mathilde, daß ich deine Bitte gewährt habe?

Mathilde. (edel.) Daß Ihr mich der schändlichen Untreue nicht fähig halten könnt.

[77]

Graf. Der Hochverrath an meiner Liebe stand auf deiner Stirne, ich bin überzeugt. – Auch bin ich nicht gekommen, mit dir zu rechten – (religiös) noch weniger über dich Gericht zu halten. Dein Richter will und kann ich nicht seyn. – Meine Gattin bist du nicht mehr, ich verstoße Dich. Bestimme dir selbst den Ort und die Art wie du in Zukunft leben willst. Danke der himmlischen Macht die meinen Arm lähmt, für diese sanfte Strafe.

Mathilde. (schmerzlich) So leicht brichst du den Stab über mein künftiges Wohl und Weh!

Graf. Auf welchem von meinen Schlössern willst du leben?

Mathilde. (mit Bedeutung) Auf diesem.

Graf. Ich will es meiden. – Lebe wohl.

Mathilde. Homburg! – Warum nahmst du mich aus dem Armenstift, worin ich glücklich lebte?

Graf. Um in dir mein Glück zu finden.

Mathilde. Hattest du es gefunden?

[78]

Graf. So wähnte ich.

Mathilde. Und nun?

Graf. Bin ich ärmer als ich war.

Mathilde. Daß die Menschen doch nie wissen, wie sie mit ihrem Schicksal stehen! (feurig) Homburg, du warst nie so reich!

Graf. An Qualen! Der Knauel meiner Hoffnung ist nun abgewunden, ich finde keinen Faden mehr. – Leb wohl! (Er will gehen, kehrt aber gleich wieder um) Menschen haben keinen freien Willen, eine höhere Macht leitet ihre Schritte (versöhnter) darum noch einmal: Lebe wohl! – (Mathilde hält ihn zurück) Was willst du noch von mir?

Mathilde. Sind dieß die letzten Augenblicke unsers Sehens?

Graf. Sie sind’s.

Mathilde. So verlängre sie mir. Nie bat ich um etwas unbilliges, darum wurde mir jede Bitte erfüllt. Solltest du die letzte versagen?

Graf. Was willst du?

[79]

Mathilde. Mit dir nach Palästina ziehen.

Graf. Neben dir mag ich nicht wandern. Ich ziehe allein.

Mathilde. Ohne mich wirst du den Weg nicht finden. Nimm mich mit.

Graf. Wenn ich durch des Verräthers, Konrads Schwert nicht falle, zieh’ ich allein. (schmerzlich) Fall’ ich, so zieh mit ihm – (den Schmerz unterdrückend) Mit ihm wirst du weit besser fahren. (Er wendet sich weg.)

Mathilde. Homburg, sieh mich an. – Steht eine Verbrecherin so, wenn man ihr die Schuld von der schwarzen Tafel liest, vor ihrem Richter? – Doch mein Richter kannst und willst du ja nicht seyn. Ich stehe nicht mehr vor deinem Stuhl. – So will ich mich vor deinem Throne beugen, Ewiger! dein Strafgericht falle über mich, wenn ich an diesem Manne nicht that, was einem frommen Weibe ziemt.

Graf. (umgestimmt) Und Konrads Aussage?

Mathilde. War Wuth und Raserei.

[80]

Graf. Woher entsprang die Wuth und Raserei?

Mathilde. Weil ich ihm nicht folgen wollte.

Graf. Und wie er sich erkühnte mit deiner Liebe sich zu brüsten, warum verschloß sich dein Mund?

Mathilde. Schmerzlich ist es, wenn die Tugend ihre weiße Farbe unbefleckt beweisen muß. Es sei – Weißt du was mir Konrad ist?

Graf. Warum schwiegst du? – Was Konrad dir ist, kann nur dein Mund mir sagen – warum schwiegst du?

Mathilde. Weil ich nicht reden konnte.

Graf. Was hemmte deine Worte?

Mathilde. Heilige Pflicht. Was Konrad mir ist, sollst du nun hören. – Daß er mich liebte, bewies er damals schon, als er sich in den Rhein stürzte, mich dem Tode zu entreißen. Mein Leben danke ich ihm, dafür war ich schuldig das seinige zu retten. Durch mein Stillschweigen hab ich’s ihm wett gemacht.

[81]

Graf. (heitrer) Du wußtest seine Liebe? Seit wann?

Mathilde. Daß er so mich liebte, seit heute erst.

Graf. Aber wie kamst du in jeden Theil des Waldes?

Mathilde. Durch Konrads List. – (Pause) Wie steh’ ich nun vor dir? (schmerzlich) Noch wie eine feile Dirne?

Graf. Nein!

Mathilde. (mit Grazie) Liebst du mich noch?

Graf. Mathilde – (verwirrt) Aber du sprachst kein Wort zu seiner frechen Anklage?

Mathilde. Man will nur den in’s Verderben stürzen, den man haßt.

Graf. Muß eine Frau den Mann nicht hassen, der ihre Ehre anschwärzt?

Mathilde. Könntest du eine Undankbare lieben? Würdest du meiner Liebe trauen, wann mir Undankbarkeit ein leichtes Spiel wäre?

[82]

Graf. Weißt du aber, Mathilde, daß zwischen mir und Konrad das Schwert entscheidet?

Mathilde. Homburg, laß ihn friedlich ziehen. Schone seiner, schone deiner, um meinetwillen!

Graf. Meine Ehre ist durch ihn befleckt.

Mathilde. Sein Blut würde sie nicht waschen. – Ist meine Ehre die deinige nicht auch? Ich bin ihm ein Leben schuldig, laß mich meine Schuld bezahlen, laß mich sie bezahlen von deiner Großmuth. Schenke mir Konrads Leben. Laß ihn, wenn du willst, in diesem Thurm, aber schone seines Lebens. Diese Bedingung setz’ ich auf meine Liebe; schwöre mir, daß er leben soll.

Graf. Mathilde – sehr groß, oder sehr klein ist deine Seele. Bitte nicht für ihn, bis du die Krone meines Verdachts abgebrochen hast, daß er nicht mehr wachse. Die Dankbarkeit brennt nicht in solchen Flammen.

Mathilde. (gekränkt) Du hattest mich seit meiner Kindheit vor Augen. Wardst du je Tücken und böse Weiberränke an mir gewahr? Fandest du mein Herz nicht immer offen, gut? Sprach meine Zunge je anders als mein Herz? –

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Homburg, du sündigst schwer an mir, aber dir war vergeben, eh’ du es thatest.

Graf. Ich glaub deiner Unschuld, weil ich glauben will – ich fürchte, weil ich zur Furcht gebohren bin. (düster) Ich bin kein Mann mehr, seit ich einer wurde.

Mathilde. (mit inniger Liebe) Komm zurück, Homburg, in meine Arme. Da wirst du finden, was du bedarfst.

Graf. (sein Haupt an ihre Schulter lehnend) Mathilde!

Mathilde. (schmeichelnd und zärtlich) Schenke mir Konrads Leben!

Graf. (sie zweideutig anblickend) Wenn du ihn liebest?

Mathilde. Wenn ich Konrad so liebe wie dich – so soll – (schaudernd) nichts ist schrecklicher in der Natur! – so soll mir in jeder Nacht der Schatten meines Vaters erscheinen. Er soll –

Graf. (bebend) Frevle nicht! Ich glaube dir. – Hier, Mathilde, nimm den Schlüssel vom Thurm zum Pfande,

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daß ich an deine Tugend glaube. Nur frevle nicht! Er soll dein Gefangner seyn.

Mathilde. Willst du noch allein nach Palästina ziehen?

Graf. Du wirst meine Schritte dahin leiten. – Nun wieder bist du mein Engel!




Scene im Thurm.

Konrad, Mathilde.

Mathilde. (hereintretend mit einer Fackel in der Hand, die sie hinlegt. Sie schließt hinter sich ab.) Bruder, du bist gerettet.

Konrad. Durch dich?

Mathilde. Du wirst durch mich gerettet, wenn du barmherzig gegen andre bist. Barmherzig, gerecht sollst du nur seyn. Die Schale deines bittern Grimms hast du schon über ihn ergossen. Er litt nicht weniger, als er ertragen konnte. Meine Freuden sind gemordet – Schone nun unsrer, deine Rache sey gesättigt. Hier sind die Schlüssel des Thurms. Nimm deine Freiheit aus meiner Hand, und versprich mir nun zu schonen. Schwöre, und du bist frei.

[85]

Konrad. Nach meiner Beschuldigung ließ Homburg dich frei?

Mathilde. Finstrer, liebloser Mann, lerne darans die Macht der Liebe kennen.

Konrad. Gieb die Schlüssel und folge mir – die Rache messe sich mit der Liebe!

Mathilde. Ich bin entschlossen hier zu sterben, eh’ ich beides thue. Auf dein Versprechen folgt deine Freiheit. Kenne ich die Pflicht einer Schwester, so kenn’ ich auch die eines Weibes. Ich bin Homburgs Gattin.

Konrad. Du bist es nicht. Dein guter Engel faßte die heillosen Schwüre dir von den Lippen weg, Gott hat sie nicht gehört! (Homburgs Bild an ihrer Brust erblickend) Hinweg von deinem Hals mit dem Fluch unsers Stammes! (Er steckt’s in seinen Busen) Hier bist du besser, hier findest du deine Hölle!

Mathilde. Nimm mir alles, Konrad, nimm mir auch dieses Bild; den Freuden der Liebe hab’ ich ja entsagt – aber schwöre mir, Homburgs zu schonen!

Konrad. Wie Homburg des alten Gießbachs schonte – (Er reißt seines Vaters Bild hervor von seiner Brust)

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Lerne hier von Homburg selbst, Homburgs zu schonen. Alt war er und grau, hat im Staube gebeugt noch um sein kurzes Leben, um seiner Kinder willen, und mußte sterben! – (Er wirft es auf die Erde) Tanze auf seinen Gebeinen in dein Brautbett, laß des Vaters Mörder in deinen Armen schwelgen, und hier den Bruder verderben – (Mathilde giebt ihm rasch die Schlüssel, er eilt hinweg mit den Worten) Siegmund kömmt mit funfzig Knechten, dann bist du frei!

Mathilde. (allein) Gott! was hab’ ich gethan? was mußte ich hören? – (Pause) Es ist aus. Alles ist aus – Komm in mein Herz, Verzweiflung! Ich will dich gastfrei aufnehmen.

Margarethe, Mathilde.

Margarethe. (eilig) Der Graf ist zurück.

Mathilde. (mit stiller Verzweiflung) Ich will ihn hier erwarten.

Margarethe. Was wird er sagen, wenn er Euch hier findet?

Mathilde. Was ich hören werde. Ich bin Mathilde!

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Die Vorigen, Graf mit Knappen.

Graf. (erstaunt) Mathilde – Mathilde!

Mathilde. (ruhig) Mein Homburg!

Graf. Dein? Dein? – O ich Thor! ich Thor! – Ha Elende, mich so zu kosen, so an einem Rosenband mich zu meiner Schande zu führen! Was machst du hier, Elende, hier?

Mathilde. Rede nicht, denn deine Worte werden dir dein Sterbeküssen unter deinem Haupte wegziehen.

Graf. Nein – reden will ich nicht, aber den Sturmwind überheulen. Betrügerin! Schande der Weiber!

Mathilde. Homburg, rede dich nicht aus meinem Herzen.

Graf. Aus deinem Herzen! – Du hast keines! Nur Blut – Ha, und auch das nicht einmal für mich! O ich Blinder – Nach Palästina! – Hahaha!

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Palästina! Konrad dein Pilgrim! – nicht wahr, sündliches Weib?

Mathilde. Kränkt mich nicht weiter, Homburg.

Graf. Schweig, verbuhlte Dirne.

Mathilde. Es ist zu viel! zu viel –

Graf. Dankbarkeit bringt dich hieher, nicht wahr? – Fliehen ließest du ihn, ihn der mich beschimpfte, deinen Buhlen – Sehet Knappen, das Bild von einer keuschen Frau.

Mathilde. Es ist zu viel! Dieser mein Buhler – so wisse es dann, Grausamer – er ist – Vergieb mir meinen Meineind, Himmel! – Doch, er ist ja frei! – er ist mein Bruder!

Graf. Nun so lacht, Ihr Teufel, über das neue Mährchen – dein Bruder, keusche Frau? Glauben soll ich das, nicht wahr?

Mathilde. (mit einer Art ruhiger Größe.) Hebe dieses Bild doch auf.

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Graf. Konnte er’s nicht an deinem Halse sehen? Haßt er den Betrognen auch noch? (Er hebt es auf, fährt schnell nach dem gleichen Bilde das er bei sich hat, wie er dieses findet, bleibt er erstarrt stehen) Wie kömmt das Bild daher?

Mathilde. (sich das Gesicht verhüllend) Konrad mein Bruder trug es.

Graf. (kaum mit hörbarer Stimme) Was weißt du nun von deinem erschlagenen Vater?

Mathilde. Von dem weiß ich nichts.

Graf. Hieß er nicht Gießbach?

Mathilde. (schweigt, der Graf läßt beide Bilder fallen; nach einer Pause) Nun gehet meinem Bruder, der eben Euch bekriegt, das Schwert in’s Herz zu bohren. Da findet Ihr auch mein Blut! –

(Trompetenstoß, beide fahren zusammen.)

Graf. (sein Schwert ziehend) Verderben will ich suchen!

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Mathilde. Halt, Unmensch! Erst tödte mich –

Graf. (zu den Knappen) Bei Euerm Leben, haltet sie.

(Er stürzt ab, Mathilde wird von den Knappen zurückgehalten.)