Schiller-Vereine und Schiller-Feiern
[759] Schiller-Vereine und Schiller-Feste. Das „Mahnwort“, welches wir im vorigen Jahre „zum 10. November“ an die deutsche Nation richteten, ist nicht überhört worden, es hat, wie uns brieflich und mündlich vielfach versichert wurde, in gar manchen Herzen gezündet und gute Entschlüsse angeregt, und wenn überall sogleich Jemand zur Hand gewesen wäre, der dieselben hätte zur That machen helfen, so würde ohne Zweifel Vieles geschehen sein. Die That ist es, vor welcher bei uns selbst die größten Massen sich scheuen, wenn es ihnen an einem Führer gebricht.
Sollte es aber denn wirklich an Führern zu einem so nahen Ziele fehlen? Wir wiederholen hiermit, daß es sich um weiter Nichts handelt, als um die Stiftung von Schiller-Vereinen, welche alljährlich des Dichters Geburtstag mit einem Feste feiern und sich, wenn sie ihren Bestand gesichert fühlen, als Zweigvereine der „Schiller-Stiftung“ anschließen.
Unser Vorschlag vom vorigen Jahre hat diesen Weg, der hartbedrängten Casse der Schiller-Stiftung frische Hülfsquellen zu eröffnen, ausdrücklich nur darum gewählt, weil in allen Classen unserer Nation die Mehrzahl leichter für einen Fest-, als für einen bloßen Beisteuer-Verein zu gewinnen ist. Haben aber die Verehrer des großen deutschen Dichters – und sie fehlen nirgends, von der großen Stadt bis zum kleinsten Orte – sich zu einer Feier seines Andenkens zusammengefunden, so wird auch überall sich ein Mann finden, welcher im Stande ist, seiner Versammlung den höheren Zweck einer solchen Feier an’s Herz zu legen, den Zweck: zur Ehre des gefeierten Dichters Derer nicht zu vergessen, welche, treu wie er, Jeder nach dem Maße seiner Kraft, zur Förderung deutscher Bildung, zur Veredelung und Verschönerung des deutschen Lebens, zum Ehre des deutschen Namens mit ihren Werken beigetragen haben – ohne daß ihnen das Glück zu Theil geworden, den Lohn zu finden, der ihre eigenen Tage erhellt und sie in den Stand gesetzt hätte, für die Zukunft ihrer Lieben zu sorgen. – Man lese die Namen der vielen Wittwen und Waisen, welche jährlich die Listen der Schiller-Stiftung füllen, und es müßte traurig um das deutsche Ehrgefühl stehen, wenn nicht die Schamröthe so manche Wange färben sollte vor der Thatsache, daß schaffende Geister, deren Werke heute noch Tausenden erhebende Stunden edelsten Genusses bereiten, so arm im Leben da standen und daß ihre Nachkommen so karg vom Dank des Volkes bedacht werden, wie dies jetzt von Seiten der Schiller-Stiftung leider geschehen muß.
Wir haben in unserer vorjährigen „Mahnung“ den damaligen Stand der Mittel der Schiller-Stiftung und die Ansprüche, die an sie gestellt worden sind, dargethan. Nach beiden Seiten hin hat sich seitdem nichts gebessert; ja es mußten noch weit mehr Bittende zurückgewiesen werden, um für die in die Listen Aufgenommenen durch immer weitere Beschneidung der Unterstützungen die Ehrengabe nicht völlig zum Almosen hinabsinken zu lassen. Die Zahl der Beisteuernden war die alte geblieben.
Unter den bei uns eingegangenen Zuschriften in Folge jener „Mahnung“ fanden sich mehrere, welche auf andere Hülfsquellen hinwiesen; die meisten vereinigten sich in dem Antrag: der Vorstand der Schiller-Stiftung möge die sämmtlichen Hof- und Stadttheater deutscher Zunge aufordern, alljährlich die volle Einnahme für die Aufführung eines Schiller’schen Stückes der Schiller-Stiftung zuzuwenden. Der Gedanke ist nicht neu. Wir geben auch zu, daß sämmtliche Theater aus den Stücken unserer Classiker, deren Autorrechte verjährt sind, bedeutende Einnahmen ziehen, ja daß dies selbst von Dramen solcher Dichter geschieht, deren Werke nicht mehr tantiemeberechtigt sind und deren Nachkommen die Hülfe der Schiller-Stiftung in Anspruch nehmen müssen; wir geben zu, daß die Bühnendirectionen wohl die Verpflichtung zu einem solchen Opfer fühlen und anerkennen dürften, und daß eine solche