Schloß Wißneck

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Heinrich Schreiber
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Schloß Wißneck
Untertitel:
aus: Die Volkssagen der Stadt Freiburg im Breisgau S. 91–92
Herausgeber: Heinrich Schreiber
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Franz Xaver Wrangler
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Freiburg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Freiburg und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[91]
51. Schloß Wißneck.

Das Schloß Wißneck liegt zu oberst in dem lieblichen Kirchzartner-Thale. Rechts von ihm zieht die Landstraße nach Schwaben vorbei, und kein Reisender wandert vorüber, ohne sich der romantischen Ruinen auf dem kleinen, mit Gras und Buschwerk überzogenen Vorhügel zu erfreuen. Rückwärts befindet sich ein Brunnen, um welchen sich zur Mittagszeit die Herden lagern und erquicken. Dort sitzen auch die Hirten und schneiden Stäbe oder versuchen sich auf ihren Pfeifen. Hie und da mag wohl ein Thalmädchen dadurch angelockt werden; dem Schloßfräulein aber war solches Getöse zuwider und sie ließ sich nach dieser Seite hin niemals blicken. Dagegen schien ein anderer Hirtenknabe ihr Liebling zu sein, der gewöhnlich von den Uebrigen abgesondert in der biblischen Geschichte oder einem andern Buche las.

Anfänglich zeigte sie sich ihm aus der Ferne, lächelte als sie ihn ein Kreuz schlagen sah, wie ihn seine Mutter gelehrt hatte, und verschwand wieder. Nach und nach kam sie näher und der Knabe legte seine Furcht ab. Dabei war es auffallend, daß sie stets über die gleiche Stelle nahe bei den Mauern hinging, einige Augenblicke sinnend daselbst verweilte, und sich dann wieder schnell entfernte.

Eines Tages dachte der Knabe, er wolle doch nachsehen, was es mit diesem Stillstehen für eine Bewandtniß habe, merkte sich den Ort und ging nach einiger Zeit hin. Sieh, da glänzte ihm etwas aus dem Grase, wie ein Silberstück entgegen; schnell bückte er sich und hatte einen Thaler, aus den Schwedenzeiten, in denen das Schloß zerstört worden war, in der Hand. Hocherfreut wühlte er mit seinem Stabe die Erde ein wenig auf, und es kamen noch mehr solcher Stücke zum Vorschein. Schon wollte er, der noch niemals [92] so viel Geld beisammen gesehen, voll Entzücken aufjauchzen; aber was sah er, als er den Kopf erhob? Das Schloßfräulein, wie es leibte und lebte, stand dicht hinter ihm, sah seiner Arbeit lächelnd zu, legte aber zwei Finger auf den Mund und verschwand. Der arme Knabe war wie versteinert; denn so nahe war sie noch nie bei ihm gestanden, und selbst der bekannte Segen, den er geschwind hermurmeln wollte: „Alle gute Geister u. s. w.“, blieb ihm im Munde stecken. Er wußte nichts Angelegentlicheres zu thun, als auch fortzulaufen und wagte es noch lange nicht, in die Tasche zu greifen, da er auf Scherben oder gar glühende Kohlen zu stoßen besorgte. Endlich aber stellte er doch mit aller Vorsicht die Untersuchung an und überzeugte sich, daß die aufgehobenen Stücke wirklich gutes Silber geblieben seien.

So trieb er es einige Zeit lang fort, bis er einem habsüchtigen Oberknechte sein Glück anvertraute. Aber von nun an erschien das Fräulein auch ihm nicht mehr, und vergeblich war es, daß alle Stellen außer und in dem Schlosse, sogar mit Beihülfe des Christoffelgebetes, durchgewühlt wurden.

(H. Schr.)