Schrift und Schrifttum:17

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Abfassung durch Herrschaft und Untertanen, eine gewisse nicht allzuweit gehende Vermehrung des Inhalts, dazu die sorgfältige und streng durchgeführte Gliederung des Stoffes und die umständlich formelhafte Gleichmäßigkeit der einzelnen Einträge. Von den Zutaten ist außer der erwähnten wichtigen Eingangsformel etwa die möglichst vollständige Aufzählung der „eigenen Güter der Herrschaft“, d. h. der Schlösser, Amtshäuser mit Kasten und Keller, Zehntscheuern u. A. zu erwähnen. Außerdem die vollständige Angabe über den Umfang der Zehntrechte. Die einfache Aufzählung der Herrschaftsrechte und Regalien, die im Urbar des 15. Jahrh. nur eine Seite Raum erforderte, wird jetzt bei jedem einzelnen Posten zu genauer Beschreibung des Rechts der Herrschaft auf der einen, der Pflicht der Untertanen auf der andern Seite erweitert. Jeder Abschnitt erhält seine eigene Ueberschrift. So wird, was früher mit einer Zeile berichtet wurde, je ein besonderes Kapitel und dessen Ueberschrift erscheint im Register. Die Zinse und Abgaben von Grundstücken, die früher wohl nur eine Reihe gebildet hatten, werden jetzt unterschieden nach der Art des Ertrags in Geld oder Naturalien, nach der Art des Grundstücks, ob Haus, Acker, Weinberg usw., nach dem Termin der Fälligkeit, nach dem rechtlichen Charakter der Abgabe (ewige Gült, ablosiger Zins u. A.). Gleichartiges wird als Gruppe zusammengefaßt, die ihre eigene Ueberschrift erhält; diese wird auf jeder Seite wiederholt und steht gleichfalls im Register. Wiederum wird jeder Posten besonders herausgehoben, durch gleichmäßige Formel gewissermaßen einzeln beurkundet. Bei Aufzählung der zu einem Lehengut gehörigen Einzelgrundstücke wird das gleiche Verfahren beobachtet; nur ist hier die Gült vom ganzen Hof berechnet, beim einzelnen Grundstück nichts davon ausgesetzt (vgl. Schriftprobe 2 und 3 mit 4 und 5). In allen Fällen wird das Grundstück möglichst deutlich gekennzeichnet. Man begnügt sich nicht mehr mit bloßer Angabe der Flur oder eines Anstoßers, nennt vielmehr womöglich die Nachbarn auf allen 4 Seiten, und dazu noch die Flur. Den Schluß der Angaben aus der einzelnen Gemeinde bildet eine

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Uebersicht über die Summe der Erträge in Geld und den einzelnen Naturalien.

Alle diese neuen Eigenschaften bilden zweifellos einen Fortschritt in der Richtung auf größte Sicherung der Einkünfte der Herrschaft. In dieser Richtung ging man später, seit dem 17. Jahrh., noch weiter, indem man nach Vollendung der Erneuerung in den einzelnen Gemeinden vor der Versammlung der Zinspflichtigen den Text verlas und das darüber aufgenommene Protokoll durch die Beamten und die Vertreter der Gemeinden unterschreiben und besiegeln ließ. Das ursprünglich von der Herrschaft allein hergestellte und vertretene Vermögensverzeichnis, dessen Anerkennung für die Untertanen selbstverständlich war, wird immer mehr zur gemeinsamen Urkunde, die beide Parteien gleichermaßen bindet, und wird den Fortschritten der Rechtssprechung angepaßt.

Die Ausdrücke Rodel, Urbar, Salbuch, Zinsbuch u. A. sind Gemeingut aller Verwaltungen und werden auch in Altwürttemberg verwendet; register und salbuch steht z. B. in der Ordnung für die Rechnung von 1422/3 (Württ. Vierteljahrshefte 1916, S. 355, § 25). Aber sie finden sich nicht oder selten in Titel, Ueberschrift oder Einleitung der einzelnen Verzeichnisse. Die Aufnahme von ca. 1350 beginnt einfach mit den Worten: dis sint miner herren von Wirtemberg zinse und nütze. In den späteren wird regelmäßig gesagt, daß man die Zinse usw. erneuert habe, eine Redeform, die gleichfalls Gemeingut ist; daraus entsteht das Hauptwort Erneuerung, auch Neuerung, das bis zuletzt als offizielle Bezeichnung gedient hat. Daneben erscheint aber in Altwürttemberg als ein Ausdruck, den man im mündlichen und schriftlichen Verkehr der Kürze halber vorgezogen hat, das Wort Lagerbuch. Ich finde es in der Form legerbüchlin zuerst in der Notiz des Kellers von Schorndorf von 1506 auf dem zinsbuch junker Heinzen von Zillehart, ernuwert in anno 1487, das beim Verkauf eines Anteils an Geradstetten durch Hans von Züllenhardt 1506 der Kellerei Schorndorf mit der Verkaufsurkunde übergeben wurde.

Als nächstes Vorkommen kann ich in der Erneuerung über



WS: Fehlende Umlautpunkte wurden stillschweigend ersetzt.

Gebhard Mehring: Schrift und Schrifttum
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