Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 12.

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§. 12.
Das Oberflächen-Integral . Satz von Gauss.


 Wir wollen das Resultat des vorigen Paragraphen verallgemeinern. Vorab werde folgende Bemerkumg gemacht. Wir haben einen beliebig, aber vollständig begrenzten Raum betrachtet und ihn mit bezeichnet. Ein Element dieses Raumes soll nun mit bezeichnet werden. Der Ausdruck für ist ein anderer, je nachdem man andere Coordinaten nimmt. So hat man z. B.



für rechtwinklige Coordinaten, dagegen



für Kugel-Coordinaten.

 Ein Flächen-Element wollen wir mit bezeichnen und ein Linien-Element mit . Die Ausdrücke für und für sind ebenfalls abhängig von der Wahl der Coordinaten.

 Bisher ist fast ausschliesslich der Fall betrachtet, dass die anziehende Masse über einen Raum von drei Dimensionen stetig vertheilt ist, und dass nur in einem Raume von endlicher Grösse sich eine endliche Masse befindet. Der Allgemeinheit wegen sollen aber auch die beiden abstracten Fälle mit berücksichtigt werden, dass die Masse in einer Fläche oder in einer Linie stetig ausgebreitet ist, und dass in einer Fläche von endlicher Grösse oder resp. in einer Linie von endlicher Grösse eine endliche Masse zu finden ist. Bezeichnet man mit ein Massenelement und mit die Dichtigkeit, so hat man


(1)


bei räumlicher Vertheilung der Masse; dagegen


(2)


bei der Vertheilung auf einer Fläche; und endlich


(3)


bei der Vertheilung auf einer Linie. Dabei ist resp. mit , , ein Element des Raumes, oder der Fläche oder der Linie bezeichnet, über welche die Masse vertheilt ist. Jedenfalls ist die Componente der Anziehung, welche auf den Punkt in der Richtung der wachsenden ausgeübt wird: |[42]


(4)


 Wir wollen nun wieder den Punkt in die Oberfläche eines beliebig, aber völlig, begrenzten Raumes legen und das Integral



über die ganze Oberfläche von erstrecken. Es ist



oder, wenn man in der umgekehrten Reihenfolge integrirt:



Wir haben aber im vorigen Paragraphen bewiesen, dass das Integral



den Werth oder hat, je nachdem der Punkt , in welchem das Massenelement concentrirt gedacht wird, ausserhalb oder innerhalb des Raumes T liegt. Folglich ist



und man hat die Integration rechts nur über die Massenelemente zu erstrecken, welche innerhalb liegen. Bezeichnet man mit die gesammte Masse, welche innerhalb liegt, so ergibt sich


(5)


Dies Resultat bezieht sich auf den Fall, dass die anziehende Masse über einen Raum oder über eine Fläche oder über eine Linie vertheilt ist, und dass ein endlicher Theil davon in das Innere des Raumes fällt, in den beiden letzten Fallen aber kein endlicher Theil in die Oberfläche von .

 Ist die Masse über eine Fläche oder eine Linie ausgebreitet, die nicht im Innern des Raumes , sondern in seiner stetig gekrümmten Oberfläche liegt, so erhält man


(6)


|[43]  Ist die Masse über eine Kante der Oberfläche von vertheilt, so hat man sie in Linienelemente zu zerlegen. Die Masse eines solchen Linienelementes kann man sich in einem Punkte desselben concentrirt denken. Fur diesen Punkt hat man das Integral


(7)


nach Anleitung des vorigen Paragraphen zu ermitteln. Der Werth des Integrals ist mit zu multipliciren und hierauf eine neue Integration über die mit Masse erfüllte Kante auszuführen.

 Wenn endlich die Masse in einem Punkte concentrirt ist, der entweder an einer stetig gekrümmten Stelle oder in einer Kante oder Spitze der Oberfläche von liegt, so hat man wieder den Werth des Integrals (7) nach dem Satze des vorigen Paragraphen zu ermitteln und diesen mit zu multipliciren.

 Beispielsweise sei der Raum ein rechtwinkliges Parallelepipedon. Befindet sich in seinem Innern die endliche Masse , dagegen keine Masse in der Oberfläche, so ist



Ist die Masse über die Oberfläche ausgebreitet, aber im Innern und in den Kanten und Ecken keine endliche Masse vorhanden, so hat man



Ist die Masse M allein über die Kanten vertheilt, so findet sich



Wenn endlich nur in den Eckpunkten sich Masse befindet, deren gesammtes Quantum ist, so ist



Es ist nicht unwichtig, hier noch eine Bemerkung zu machen. Versteht man unter die Potentialfunction der anziehenden Masse auf den Punkt , so hat man


(8)


|[44]Für jede Lage des Punktes , in welcher die Componente der Anziehung einerseits, der Differentialquotient andererseits je einen bestimmten Werth haben, ist


(9)


Trifft dies an jeder Stelle der Oberfläche von ein, so kann man in dem Satze dieses Paragraphen statt auch schreiben . Es trifft ein, wenn kein endlicher Theil der Masse in der Oberfläche von gelegen ist. Wir werden aber im §. 14 sehen, dass es nicht mehr eintrifft, wenn eine endliche Masse in der Oberfläche von vertheilt ist. Es muss aber betont werden, dass der Satz dieses Paragraphen sich auf die Componente der Anziehung bezieht. Der Satz rührt von Gauss her.*)[1]



  1. *) Allgemeine Lehrsätze etc. Art. 22.