Schwindelinserate

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Textdaten
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Autor: A. R.
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Titel: Schwindelinserate
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 887
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[887] Schwindelinserate. Jedermann kennt aus den öffentlichen Blättern jene Anzeigen, welche, von unbekannter Hand veröffentlicht, gegen Einsendung eines mehr oder minder großen Geldbetrags, ein Geheimniß oder eine neue Erfindung mitzutheilen versprechen, die den Käufer binnen kürzester Zeit zum reichen Manne machen soll. Zum reichen Manne! Wie Viele haben sich wohl schon von diesem gleißenden Aushängeschild täuschen lassen, um nur zu spät zu erfahren, daß dasselbe nur dazu dienen mußte, sie um ihre vielleicht letzten Groschen zu prellen!

Dieser Umstand, sowie die weitere Beobachtung, daß die Rubrik der „Schwindelinserate“ und der „wohlfeilen Erwerbsquellen“ in den verbreitetsten unserer Blätter von Tag zu Tag mehr eine stehende wird, veranlaßte mich, der Sache im allgemeinen Interesse etwas näher auf den Grund zu gehen und zu diesem Zwecke selbst einige pecuniäre Opfer nicht zu scheuen. Ich veröffentliche hier die gehabten Erfolge und zwar, wie ich hoffen darf, vielen Ihrer Leser zur Lehre und Warnung.

Die erste Antwort, die auf meine an den unbekannten Anbieter eines reichmachenden Geheimnisses abgegangene Geldsendung einlief, enthielt ein Recept zur Fabrikation eines künstlichen Honigs. Die Zubereitung sollte durch Kochen von einem Drittel Bienenhonig mit einer Auflösung von zwei Drittel Traubenzucker unter Zusatz von etwas Weinstein bewerkstelligt werden. „Dieser künstliche Honig,“ sagt das Recept, „läßt sich nicht von echtem unterscheiden. Er kann deshalb überall für echten verkauft werden und sind daran mindestens siebenzig Procent verdient.“

Der Herr N. N. (Name ist auch in der Antwort nicht angegeben), muthet uns also zu, einen offenbaren Betrug zu begehen, was nicht Wunder nehmen darf, denn die Schwindler sind gewohnt, den Maßstab ihrer Moral auch an Andere anzulegen. Daß das Recept werthlos ist, leuchtet auf den ersten Blick ein, denn Niemand, der jemals reinen Honig gekostet hat, wird ein solches Gemisch kaufen. Neu ist es auch nicht, denn es findet sich mit mehr oder weniger Abänderungen in vielen Receptbüchern.

So war ich also glücklicherweise um meinen Thaler und vier Neugroschen Porto geprellt.

Der zweite Brief, den ich gegen meine Geldsendung erhielt, war mit den Buchstaben W. A. unterzeichnet und ertheilte folgenden Rathschlag:

„Sammeln Sie Adressen von wohlhabenden Gutsbesitzern, Bürgern und Landleuten für die Frankfurter, Hamburger, Braunschweiger etc. Lotteriecollecteure. Diese bezahlen sehr gerne jede Adresse mit fünf Neugroschen. Besonders angenehm sind aber Adressen von wohlhabenden Landleuten. Sie können auf diese Weise spielend täglich fünf Thaler verdienen.“ Beigefügt war eine Anzahl Adressen von Lotteriecollecteuren.

Es gewinnt hier fast den Anschein als ob die Schwindler einander in die Hände arbeiteten, denn die genannten Collecteure beschäftigen sich größtentheils mit dem sogenannten Promessenspiele, das heißt, sie senden den Leuten unter glänzenden Versprechungen Promessenloose von Staatsanlehen, die nicht den geringsten Werth haben, weil sie jeder Garantie ermangeln. Ja, es ist sogar constatirt, daß einzelne dieser Schwindler, um sich gegen jede Anforderung sicher zu stellen, die Nummern von bereits gezogenen Loosen in ihre Promessenscheine eingesetzt haben. Hunderttausende sind seit dreißig Jahren auf diese Weise den unerfahrenen Landleuten abgenommen worden und daraus erklärt es sich, weshalb Adressen der letzteren besonders angenehm sind.

Der obige gute Rath hat mich nicht weniger als zwei Thaler gekostet. Da in der Anzeige gesagt war, daß ohne alles Capital, ohne jede Auslage, mit leichter Mühe täglich zehn Thaler zu verdienen seien und daß auch Frauenzimmer sich an dem Geschäfte betheiligen könnten, so hat der Industrieritter jedenfalls einen guten Fang gemacht.

Ich habe später gehört, daß einzelne Personen sich mit Frankfurter Collecteuren – Banquiers nennen sich die Herren – in Verbindung setzten und das Versprechen erhielten, daß man ihre Adressen honoriren werde; sie möchten sie nur einsenden. Dies thaten sie auch, erhielten sie aber nach einigen Tagen mit der Bemerkung zurück, daß man keinen Gebrauch davon machen könne, weil man sie sämmtlich bereits besitze. Die Unwahrscheinlichkeit dieser Ausflucht liegt auf der Hand, und man wird schwerlich irren, wenn man annimmt, daß die Herren „Banquiers“ die erhaltenen Namenslisten erst vor der Rücksendung abschreiben ließen und sich auf diese Weise ohne Auslagen in den Besitz der Adressen setzten. So waren die armen Getäuschten doppelt geprellt.

Meinen dritten Brief (poste restante Prag) erhielt ich sammt der Inlage nach einiger Zeit durch die Post wieder zurück. Wahrscheinlich war der Schwindler mittlerweile entlarvt worden.

Ein vierter recommandirter Brief mit einer Inlage von zwei Thalern blieb ganz unbeantwortet. Der Schwindler hat mein Geld einfach eingesteckt. Entweder wollte er dadurch seine Verachtung über meine Einfalt ausdrücken, oder damit sagen, daß ich es ebenso machen solle, wie er, wie denn ein anderer Schwindler vor ihm wirklich den folgenden Rath ertheilt hat: „Machen Sie es wie ich. Erlassen Sie ebenfalls Anzeigen und führen Sie Andere an. Glauben Sie mlr, es ist ein profitables Geschäft, denn an Dummköpfen und Narren ist, Gott sei Dank! noch nirgends Mangel.“

Ich komme jetzt zu einer der neuesten Unternehmungen obiger Art, bei der ich etwas länger verweilen muß, weil sie mit einem gewissen Aufwand von Mitteln in’s Werk gesetzt wird und für den Unerfahrenen in der That etwas Verführerisches an sich hat. In den gelesensten Zeitungen ist nämlich in der ersten Hälfte dieses Jahres folgende Anzeige erschienen:

„Eine neue erprobte Erfindung, deren Ausbeutung jährlich nur hundert bis zweihundert Thaler Capital erfordert, und dafür einen jährlichen Ge- winn von mehreren Tausend Thalern garantirt, kann gegen ein sehr geringes Honorar nachgewiesen werden. Frankirte Anfragen unter S. L. 935 besorgen die Herren Hasenstein und Vogler in Frankfurt am Main.“

Sofort wendete ich mich mit einer Anfrage um Auskunft über den betreffenden Industriezweig an die angegebene Adresse, worauf ich aus Darmstadt ein lithographirtes Schreiben erhielt, worin die Vortheile des angepriesenen Unternehmens ausführlich dargelegt und mit Zahlen nachgewiesen sind. Dasselbe soll im Wesentlichen darin bestehen, jeden gewöhnlichen Brunnen auf eine einfache und leichte Weise in einen Mineralbrunnen zu verwandeln und so das Wasser zur Errichtung einer Badeanstalt etc. zu gewinnen.

Der Prospect zu diesem neuen Industriezweige lautet allerdings sehr verlockend; nur hat der Verfasser Zweierlei dabei übersehen: erstens, daß es ein Betrug ist, einen gemachten Mineralbrunnen für einen natürlichen auszugeben und zweitens, daß die Täuschung selbst bei der größten Vorsicht doch nicht lange bewahrt werden kann, weil das Hausgesinde und die Nachbarn, denen die wahre Beschaffenheit des Brunnens bekannt ist, die Ursache der plötzlichen Verwandlung desselben leicht errathen. Erfährt aber das Publicum, daß das Mineralwasser ein fabricirtes ist, so verliert es das Vertrauen zu demselben, die ganze Speculation fällt ins Wasser und der Unternehmer darf sehen, wie er den verdorbenen Brunnen wieder für den gewöhnlichen Gebrauch herzustellen vermag. Für die Anweisung zu diesem Verfahren verlangt der Verfasser des Inserats zehn Thaler, während wir über die Zusammensetzung und Fabrication der bekanntesten Mineralwässer von tüchtigen Fachmännern (z. B. Quarizius) Schriften besitzen, die nicht über einen Thaler kosten.

Eine andere sehr lockende Anzeige von einem Herrn F. M. in G–l über eine wichtige und gewinnbringende neue Erfindung, die für siebenzehn Neugroschen mitgetheilt werden sollte, veranlaßte mich, das Geld zu senden; aber statt des erwarteten Geheimnisses erhielt ich nichts als ein höchst confus abgefaßtes Anerbieten des Herrn M., für drei Thaler zwei Flaschen Essenzen zur Liqueurbereitung von ihm zu beziehen. Ueber den Werth dieser letzteren kann ich nicht urtheilen; ein unverschämter Schwindel aber ist es, daß sich der genannte Herr seine ganz werthlose, von ungeschickter Hand auf ein Blatt Papier geschriebene Geschäftsanzeige mit siebenzehn Neugroschen bezahlen läßt.

Etwas reeller war dagegen die Antwort, die ich nach Einsendung eines Thalers auf die folgende in vielen Blättern erschienene Anzeige erhielt: „Sechserlei leichter Nebenerwerb wird ebenso neu wie praktisch nachgewiesen. Adr. A. F., Stuttgart.“ Sie bestand in einem sogenannten „Silberbrief“, einem enggedruckten Quartbogen, der die Empfehlung folgender Nebenerwerbe behandelte: 1) die Kaninchenzucht; 2) die Zucht der einheimischen und fremden Hühner; 3) die Bienenzucht; 4) die Seidenzucht: 5) die Zucht der Canarienvögel; 6) die Anfertigung couranter Verbrauchsartikel (Essig, Fleckenmittel, Hefe, Senf, Räuchermittel, Tinte, Wichse). Nr. 1 bis 5 enthielten lediglich eine kurze Empfehlung unter Anführung der Titel von Schriften, die sich auf den Gegenstand beziehen, während unter Nr. 6 auch einzelne Recepte angegeben waren, die indeß nur Bekanntes boten. Obschon der Preis nach dem Buchhändlermaßstab sehr hoch ist, so hat der Verfasser doch wenigstens etwas dafür geleistet. Auf Neuheit können seine Vorschläge allerdings keinen Anspruch machen und ob sie unter hundert Personen eine zu benutzen vermag, bleibt zweifelhaft.

Wir werden vielleicht ein anderes Mal Gelegenheit haben, unsere warnende Rundschau auf dem Felde des Schwindelwesens fortzusetzen. Wer etwas wirklich Praktisches und Vortheilhaftes entdeckt, wird es nicht um ein paar Thaler auf dem öffentlichen Markte ausbieten, sondern es selbst auszubeuten suchen und wenn er die Mittel dazu nicht besitzen sollte, so dürften sich immer Leute finden, die ihm dieselben gegen einen Gewinnantheil vorstrecken. Darum Vorsicht!
A. R.