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worden sein, freilich dort zur Abschreckung der Mühldiebe. Bei dem Festhalten an solchen Erinnerungen hat auch die Sprache viel mitgewirkt, indem sie im Vergleich zwischen dem Lärm in der Mühle und dem Weibergezänke letzteres durch Ausdrücke wie klappermühle, geploderwerk[1] u. ä. bezeichnet hat[2].

Das Ergebnis der bisherigen Untersuchungen ist demnach: Die Strafe des Steintragens ist gleich den Strafen des Hunde-, Sattel- und Pflugradtragens eine Abspaltung und Abschwächung der Strafknechtschaft. Der Stein ist ursprünglich ein Handmühlstein als Zeichen weiblicher Arbeit.


§ 11.
a) Der Mühlstein des Evangeliums.

Gelegentlich einer Besprechung von Harster’s Buch über das Strafrecht von Speyer wirft Schreuer[3] die Frage auf, ob bei der Erklärung des Steintragens nicht eher an den „Mühlstein des Evangeliums“[4] zu denken sei. So wäre der Lasterstein kein Symbol der Steinigung, wie Harster mit Grimm annimmt, sondern der Strafe des Ertränkens. Oft wird uns berichtet[5], daß man Verbrechern, die ertränkt wurden, einen schweren Stein an den Hals hing, damit sie sich nicht durch Schwimmen retten könnten. Darum ist aber eine Nachahmung der biblischen Sitte noch nicht erwiesen.[6] Die Gleichheit beruht auf der Übereinstimmung einfacher Kulturstufen[7]. Wohl aber können wir annehmen, daß die biblische Stelle in einer Zeit, als die Erinnerung


  1. ÖW. 7, 1013.
  2. Vgl. mulemaer, muleruchtig. Brinkmeier Gloss. 2, 230.
  3. Z2RG. (germ.) 21, 309.
  4. Evang. Matth. 18, 6. „Wer aber ärgert dieser Geringsten einen, – –“.
  5. Grimm RA.4 2, 278. Eine Reihe von Beispielen bei Doepler Schauplatz d. Leib- u. Lebenstr. 2, 294 ff. Vgl. oben S. 40 Anm. 5, S. 44 Anm. 1.
  6. Ebensowenig wie beim Steinigen u. a. m.
  7. Man vergleiche z. B. 2. Sam. 11, 21: „Wer schlug Abi Melech – –? warf nicht ein Weib ein Stück von einer Mühle auf ihn?“ [ahd. glossiert: quirnstein] und die Stelle aus der Edda: at hann skal fara upp yfir dyrnar, er hon gengi ut, oc lata qvernstein falla i höfut henni. (Bei Grimm RA.4 2, 277). – Das Bedienen der Handmühlen war bei allen Völkern eine schwere und niedrige Arbeit. Vgl. Klagel. Jerem. 5, 13: „Die Jünglingen haben Mühlsteine müssen tragen“. Schrader Reallex. d. indog. Altert. § 12. S. a. S. 40.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard von Künßberg: Über die Strafe des Steintragens. Marcus, Breslau 1907, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Strafe_des_Steintragens.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)