durch das bloße Fortführen des Titels verhindert wird, werden wir an einer anderen Stelle zu erörtern haben.
Uebrigens weiß Jeder, daß von dem Titel römisches Reich Deutschland keinen Vortheil, wohl aber viel Schaden und Verlust gehabt hat.[1] Es ist ja bekannt, daß alle Pfaffen die Hand lieber zum Nehmen als zum Geben öffnen. Und wenn einst ein Schutzbefohlener die Gunst seines Patrons durch Geschenke zu erwerben strebte, so nimmt der schutzbedürftige Priester es übel, wenn man ihm nicht noch obendrein Geschenke giebt und hält schon seinen Segen für eine überreichliche Vergeltung. Meiner Ansicht nach sind die Fürsten früherer Zeit vorzugsweise dadurch bewogen, den deutschen Klerus mit so viel Besitzthümern auszustatten, weil sie glaubten, Gott habe ihnen die Pflicht auferlegt, für die Geistlichkeit so reichlich als möglich zu sorgen.
Wie viel Schätze hat Deutschland bei den Römerzügen verschwendet! und wie viel Gut und Blut haben die Expeditionen nach Italien gekostet, welche nur unternommen wurden, um die von dem Papst angestifteten Unruhen zu stillen oder ihn gegen rebellische Unterthanen zu schützen! Nutzen aber haben Fremde nie davon gehabt, wenn sie sich mit italiänischen Angelegenheiten befaßt haben; und nur der Spanier, die seit so langer Zeit an unserem innersten Marke saugen, haben wir uns bis jetzt nicht entledigen können. Die deutschen Kaiser aber hat oft genug der Bannstrahl getroffen, und oft genug haben die Pfaffen Verschwörungen gegen sie angezettelt. Beanspruchte man doch, daß, wer den römischen Kaisertitel führe, auch in Rom Rechenschaft für seine Regierungshandlungen ablege; und hat doch der geistliche Stand, der fremder Herrschaft schwer sich unterwirft, immer danach gestrebt, die seiner Mutterkirche verhaßte weltliche Macht zu unterwerfen.
Alles dies will ich übrigens mit schuldiger Ehrerbietung vor dem heiligen Stuhle gesagt haben, dessen weisem Urtheil ich in tiefster Ergebenheit mich unterwerfe.
- ↑ P. kommt in diesem Paragraphen auf die in neuester Zeit viel erörterte Frage, ob die Verbindung Deutschlands mit Italien ersterem Vortheil oder Nachtheil gebracht habe, ob die italiänische Politik, welche alle deutschen Kaiser bis auf Rudolph I. verfolgten, richtig oder falsch gewesen sei. Ganz seinem nüchternen, praktischen Sinne entsprechend, der immer nur das Erreichbare im Auge hat und Idealen nachzustreben vermeidet, erklärt P. sich für die letztere Ansicht, ohne der unermeßlichen Vortheile, welche für Deutschlands geistige Bildung sich aus der Verbindung mit Italien ergaben, auch nur mit einem Worte zu gedenken. Ich verweise übrigens für diese Frage auf Giesebrechts Geschichte der deutschen Kaiserzeit und auf die Schriften von Ficker (Das deutsche Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen. Innsbruck 1861. – Deutsches Königthum und Kaiserthum. Ebend. 1862.) Sybel (Die deutsche Nation und das Kaiserreich. Düsseldorf 1862), und v. Wydenbruck (Die deutsche Nation und das Kaiserreich. München 1866).
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)