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auf dem Reichstage,[1] aber wegen der Lage ihrer Gebiete haben sie eine ganz andere politische Stellung als die deutschen Fürsten.

Ferdinand II. nun, der, nach Vieler Meinung, die Befugnisse der Fürsten auf ein bescheidenes Maß zurückzuführen und sich eine absolute Herrschaft zu gründen die Absicht hatte, bediente sich zu diesem Zwecke auch des Mittels, ihm ganz ergebene Persönlichkeiten in den Fürstenstand zu erheben, mit deren Hilfe er die Stimmen der alten Fürsten unschädlich zu machen hoffte, wenn er einmal einen allgemeinen Reichstag würde berufen müssen, was er übrigens sehr ungern that. Vielleicht wollte er auch zeigen, daß die alten Fürsten keinen Grund hätten, auf ihre Würde so gewaltig stolz zu sein, da es in seiner Macht liege, einer beliebig großen Zahl von Leuten gleichen Rang mit ihnen zu verleihen. Und wenn es dem Kaiser ebenso leicht wäre, neue Länder zu schaffen, wie Titel zu verleihen, so würde auch ohne Zweifel die Stellung der alten Fürsten sehr gefährdet sein. So erlangten denn, freilich ungern aufgenommen,[2] Sitz und Stimme auf dem Reichstage die Fürsten von Hohenzollern, Eggenberg, Nassau-Hadamar, Nassau-Dillenburg, Lobkowitz, Solm, Dietrichstein, Auersberg und Piccolomini.[3] Aber weil die Pläne Ferdinands gescheitert sind und die Macht der neuen Fürsten mit der der alten gar nicht zu vergleichen ist, so haben erstere gegen letztere bis jetzt nur wenig Bedeutung. Und[4], wie denn immer neuer Adel dem alten verhaßt ist, sie haben sogar den Spott hören müssen, sie hätten weiter nichts gewonnen, als aus reichen Grafen arme Fürsten geworden zu sein. Aber einmal ist doch jeder Adel neu gewesen, und im Laufe der Zeit können auch sie noch zu größerer Macht gelangen. Der leichteste Weg dazu ist ihnen freilich abgeschnitten, seitdem der Kaiser bedeutendere erledigte Reichslehen nicht mehr nach Belieben verleihen darf.

§. 10. Die geistlichen Fürsten.

Eine zweite Klasse von Fürsten bilden die Bischöfe und Aebte. Diese stammen zwar oft aus dem niederen Adel oder aus dem Freiherrn- und Grafenstande und gelangen erst durch die Wahl der Capitel zur fürstlichen Würde, aber nichtsdestoweniger haben sie auf dem Reichstage und bei anderen Gelegenheiten fast noch einen höheren Rang, als die weltlichen Fürsten. Es würde ja auch thöricht sein, wollte man die Geistlichkeit, deren Verhältnisse sich im Vergleich zu denen der ersten christlichen Urzeit,

  1. Savoyen konnte im 17. Jahrhundert kaum mehr als Theil des Reiches betrachtet werden. Lothringen dagegen stand noch weit mehr im Verbande des Reiches und noch 1684 sprach ein kaiserliches Commissionsdecret (abgedruckt bei Kulpis I, 511 ff.) es aus, daß der Kaiser den Herzog von Lothringen „nicht weniger als ein jedwederes Reichsmitglied von höchsten kayserlichen Ambts wegen zu schützen und zu schirmen verbunden“ sei.
  2. Die Verhandlungen, welche der Zulassung der „neuen Fürsten“ zum Reichstage vorangingen, sind zuletzt dargestellt von Erdmannsdörffer Graf Georg Friedrich von Waldeck. Berlin 1869, S. 102 ff.
  3. Die Ed. posth. fügt hier noch die Fürsten von Nassau-Siegen, Portia, Ostfriesland, Fürstenberg, Waldeck und Oettingen hinzu, die inzwischen ebenfalls in den Fürstenstand erhoben waren.
  4. Dieser Satz fehlt in der Ed. posth. ebenso wie der nächstfolgende.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)