Dorfgemeinden. Die correcte lateinische Bezeichnung für diesen Titel würde Präses sein, doch ist das Wort Comes dafür allgemein in Gebrauch gekommen; denn so hießen seit Constantin dem Großen im römischen Reiche die obersten Hofbeamten, die Statthalter der Provinzen und die höchsten Gerichtsbeamten. Die Franken setzten später, als sie Allemannien und das übrige Deutschland sich unterworfen hatten, Herzoge an die Spitze der Civil- und Militärverwaltung der Provinzen, denen bisweilen für die Rechtsprechung Grafen beigegeben wurden. Einige Districte standen auch nur unter Grafen ohne Herzoge. Doch waren alle diese Würdenträger nur Beamte, ihre Gewalt nur eine Amtsgewalt im eigentlichen Sinne des Wortes. Im Laufe der Zeit aber, als Herzoge auf Lebenszeit eingesetzt wurden und das Amt vom Vater auf den Sohn überging, benutzten die Herzoge eifrig jede Gelegenheit, ihre Macht zu befestigen, anerkannten nicht mehr die Autorität der Könige und fingen an, die nur ihrer Verwaltung anvertrauten Provinzen als ihr Eigenthum anzusehen. Nun ist aber für Monarchien nichts gefährlicher, als wenn derartige Aemter erblich werden, besonders wenn sie Militär- und Civilgewalt zugleich umfassen. Es kam mir daher schier lächerlich vor, als ich neulich las, daß einige Schriftsteller diesen Gang der Entwickelung lobten und vertheidigten. Denn es gereicht zwar Königen zum Ruhm, wohlverdienten Unterthanen reiche Belohnungen zu verleihen, aber der Herr, der allen seinen Sclaven die Freiheit schenkt, wird sich nachher selber die Schuhe reinigen müssen. Und Geschenke verpflichten zwar um so mehr, je eher der Beschenkte hoffen darf, sie auf seine Kinder zu vererben; aber nichtsdestoweniger wird doch jeder sein Eigenthum möglichst unabhängig von den Rechten und Ansprüchen anderer zu machen suchen; und wenn auch ein jeder besser für sein Eigenthum als für fremdes sorgt, so überläßt doch darum ein guter Landwirth noch nicht seinen Knechten sein Gut zu eigen. Endlich giebt es ja, um Empörungen der Statthalter vorzubeugen, weniger kostspielige Mittel, als das ihnen die erbliche Verwaltung ihrer Provinzen zu übertragen. Ganz besonders thöricht aber ist es, wenn man den Glanz der Krone dadurch zu erhöhen sucht, daß man möglichst viele Unterthanen mächtig genug macht, sich von der Antorität der Krone unabhängig zu machen. Ich[1] brauche nichts weiter hinzuzufügen. Denn jene thörichten Schriftsteller und ihre Ansichten charakterisirt zur Genüge das eine Factum, daß sie gegenüber den italiänischen, französischen und spanischen Autoren sich auf ihre eigenen Staatsrechtslehrer berufen, deren Bücher-Mißgeburten die vollständigste Unkenntniß auch nur der Elemente der Staatswissenschaften an den Tag legen.
- ↑ Dieser Satz und der folgende fehlen in der Ed. posth. Statt dessen folgt wieder einer jener abschwächenden und mildernden Zusätze, mit denen P. sich in der letzten Ausgabe vor Mißdeutungen und Anfeindungen zu schützen suchte. Wenn auch derartige Institutionen neu einzuführen, sagt er ungefähr, ein Verkennen des monarchischen Princips sei, so sei er doch weit davon entfernt, sie völlig verurtheilen zu wollen, wo sie einmal beständen, oder gar eine gewaltsame Aenderung empfehlen zu wollen.
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/55&oldid=- (Version vom 1.8.2018)