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vorbeikamen, schauten sie zu demselben auf und verbeugten sich gesenkten Hauptes, als ob sie ihn anbeteten. Wegen dieses verabscheuungswürdigen Gebahrens wollte Oliver jenes Dorf nie wieder betreten. Neulich habe ich von einem frommen und gelehrten Manne gehört, der Ort, wo man solch ein Unding auf richte, würde durch Hagel, Feuer oder eine sonstige Plage verwüstet werden. Denn als in diesem Jahre, um vom Widder zu schweigen, in Aachen ein Kranz aufgerichtet worden war, und Johannes, der Pfarrer dieser königlichen Stadt, den Baum, wie auch andere Kränze hatte abhauen lassen – der Pfarrer wurde dabei durch Leute, die sich widersetzten, verwundet – befahl Wilhelm, der Vogt von Aachen, gegen den Priester in heftige Schmähungen ausbrechend, alsbald einen noch höhern Baum aufzurichten; wie jedoch viele vorausgesagt, verhängte Gott wegen der ihm und seinem Priester angethanen Schmach und älteren Sünden des Volkes eine schwere Strafe. Schon nach wenigen Tagen vernichtete eine so grosse und entsetzliche Feuersbrunst nahezu die ganze Stadt, dass viele seufzten: Schwer liegt auf uns die Hand des Herrn.“

Scholaster Oliver von Köln war eine Zierde des deutschen Klerus. Er war Kreuzprediger und Kreuzfahrer, wurde Bischof von Paderborn und starb als Kardinal 1225[1]. Der Erzpriester Johannes, der nicht mit dem oben genannten Dechanten gleichen Namens zu verwechseln ist, kommt in Urkunden vor. Sein Neffe Konrad, Kanonikus-Kantor, stiftete ihm 1261 ein Jahrgedächtnis[2]. H. Loersch ist geneigt, in den Bäumen, die der Aachener Pleban umhauen liess, sogenannte Maibäume zu sehen[3]. Er setzt dann den im Reineke de Vos vorkommenden, bis dahin unerklärten Satz „dar hadde hî werf alse meibôm tô aken“ mit dem von Cäsarius berichteten Vorgang in Verbindung und deutet diesen Satz so: Ebensowenig als ein Maibaum nach Aachen gehört, ebensowenig hatte der Fuchs im heiligen Lande zu schaffen. Die Feuersbrunst, welche damals die Stadt einäscherte, ereignete sich am 1. August 1224. Das ist also das Jahr, da die Aachener um den „Maibaum“ tanzten und ihren pflichtgetreuen Erzpriester misshandelten. Die Errichtung von Maibäumen


  1. Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 47, S. 26.
  2. Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 47, S. 26.
  3. Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. II, S. 117 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Pschmadt: Der „dialogus miraculorum“ des Cäsarius von Heisterbach in seinen Beziehungen zu Aachen. In: Aus Aachens Vorzeit, Heft 1/1900. Cremer, Aachen 1900, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AAV_Heisterbach_dialogus_miraculorum_Pschmadt.pdf/10&oldid=- (Version vom 15.8.2018)